Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2000, Az. 1 StR 377/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 610

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[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 377/00vom7. November 2000in der [X.] schweren Raubes u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.],Dr. Wahl,[X.],[X.],[X.] und Staatsanwalt als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -I.1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2000, soweit es ihn betrifft, [X.] dahin abgeändert, daß der Angeklagte [X.] [X.] der Urteilsgründe der Unterschlagung und im Fall [X.] Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung [X.] mit Geiselnahme schuldig ist, und im gesamtenStrafausspruch mit den Feststellungen [X.] weitergehende Revision des Angeklagten wird [X.] Änderung des Schuldspruchs im Fall [X.] der Urteilsgründegilt auch für den früheren Mitangeklagten [X.].4.Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeich-nete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Fest-stellungen aufgehoben soweit von der Anordnung von Siche-rungsverwahrung abgesehen ist und im gesamten [X.].II.Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:I.1. [X.] hat folgendes festgestellt:a) Der Angeklagte hat am 5. Oktober 1998 nachts zusammen mit demfrüheren Mitangeklagten [X.] im Einvernehmen mit dem [X.] bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle fingiert, wobei ihm dieser [X.] (mindestens 7.100 DM) sowie dreihundert Telefonkarten im Wertvon insgesamt 3.600 DM aushändigte. Unbeteiligte Dritte waren nicht anwe-send (Fall [X.] der [X.]) Zwischen dem 19. Oktober und dem 28. November 1998 hat der [X.] bewaffnete Überfälle begangen, sechs davon auf Drogerie-märkte, einen auf einen Lebensmittelmarkt. Einmal war er allein, viermal han-delte er mit [X.] zusammen, in den letzten beiden Fällen handelte er zu-sammen mit dem Mitangeklagten [X.](Fälle [X.]I bis [X.] der Urteilsgründe).c) Als sich der Angeklagte und [X.]nach der letzten Tat mit [X.] entfernen wollten, war der Drogeriemarkt von Polizei umstellt. Sie [X.] daher vier Angestellte des Drogeriemarkts mit Waffengewalt als Geiselnund forderten in stundenlangen Verhandlungen von der Polizei vergeblich frei-en Abzug, ehe sie sich, ersichtlich wegen Aussichtslosigkeit ihrer Bemühun-gen, ergaben (ebenso wie der Überfall Fall [X.] der [X.] Den fingierten Überfall auf die Tankstelle hat die [X.] des Gewahrsams des Tankstellenpächters als Diebstahl gewertet.Hierfür hat sie eine [X.] von zwei Jahren verhängt. Die Überfälle [X.] je nach dem konkreten Geschehensablauf in drei Fällen als- 5 -schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub, in drei Fäl-len als schwere räuberische Erpressung und in einem Fall als schweren Raubgewertet. Die hierfür jeweils verhängten [X.]n liegen zwischen [X.] sieben Jahren. Wegen der Geiselnahme hat die [X.] eine weitereStrafe von fünf Jahren verhängt. Aus den genannten Strafen wurde eine Ge-samtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gebildet. Von Maßnahmen der Besserungund Sicherung hat die [X.] abgesehen.3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte Revisiondes Angeklagten, die auf die Sachrüge und eine Reihe von [X.] ist.Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestütz-ten Revision nur dagegen, daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet [X.].Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der Staatsanwaltschaftin vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt [X.], daß der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben war.II.Zur Revision des Angeklagten:1. Im Fall [X.] der Urteilsgründe liegt nicht Diebstahl sondern Unterschla-gung (§ 246 StGB) vor.a) Wie der [X.] vor dem Senat zutreffend [X.], hat ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren- 6 -Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel [X.] am Kasseninhalt. [X.] Mitwirkung darf niemand Geld aus der Kasse nehmen, damit bei Fehlbe-trägen die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann. Das generelle Kontroll-und Weisungsrecht des Dienstherren gegenüber seinem Bediensteten begrün-det nicht ohne weiteres den [X.] des Dienstherrn (BGHR StGB § 246Abs. 1 [X.] 1 m.w.[X.]) Hinsichtlich der Telefonkarten gilt unter den hier gegebenen [X.] nichts anderes.c) Einem Schuldspruch gemäß § 246 StGB steht nicht entgegen, daßder Angeklagte vor der Tat noch nicht im Besitz der Beute war (vgl. [X.]/Kühl, StGB 23. Aufl. § 246 Rdn. 12 m.w.[X.]; zur Rechtslage vor der Änderungvon § 246 StGB durch das 6. [X.] vgl. BGHSt 40, 8, 22 f. m.w.[X.]) Der Senat ändert den Schuldspruch selbst, da keine Anhaltspunktedafür ersichtlich sind, daß noch tatsächliche Feststellungen möglich wären, [X.] andere Bewertung rechtfertigen könnten. § 265 StPO steht nicht entge-gen, da sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender hätte [X.] Im Fall [X.] der Urteilsgründe hat die [X.] zu Unrecht Tat-mehrheit zwischen der schweren räuberischen Erpressung und der [X.] angenommen. Es besteht Tateinheit, da die [X.] diente (BGHSt 26, 24, 27 f.). Der Senat ändert [X.] selbst; auch hier hätte sich der geständige Angeklagte nicht [X.] verteidigen [X.] 7 -3. Im übrigen hat die auf Grund des [X.] geboteneÜberprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum [X.] Angeklagten ergeben.4. Die Änderungen des Schuldspruchs führen hier zu einer Aufhebungdes gesamten Strafausspruchs. Zumal, da von den Änderungen mehrere Tatenbetroffen sind und die wegen Geiselnahme verhängte [X.] entfällt,kann der Senat eine Auswirkung der aufgezeigten Änderungen auch auf dieübrigen Fälle nicht völlig ausschließen. Damit erledigen sich zugleich die nichtauf den Schuldspruch bezogenen Verfahrensrügen des Angeklagten. DieGrenze der im Fall [X.] neu festzusetzenden Strafe (§ 358 Abs. 2 Satz 1StPO) ergibt sich aus der Summe der bisher in diesem Zusammenhang ver-hängten [X.]n ([X.] 1980, 988).5. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall [X.] der Urteilsgründe warauch auf den früheren Mitangeklagten [X.] zu erstrecken (§ 357 StPO).Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die gegen ihn in diesem Fall ver-hängte [X.] von einem Jahr und drei Monaten aufzuheben. Es ist zurÜberzeugung des Senats ausgeschlossen, daß eine neue Verhandlung für[X.], der noch an vier bewaffneten Überfällen beteiligt war und zu einerGesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt wurde, ein günstigeres Er-gebnis erbringen würde (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 3; [X.] in [X.] Aufl. § 357 Rdn. 17 m.w.[X.]). [X.] ist häufig vorbestraft, darunter alleindreimal wegen (einmal auch mehrfachen) schweren Raubes oder schwererräuberischer Erpressung und hat deshalb schon insgesamt über acht [X.] verbüßt.- 8 -III.Zur Revision der [X.] [X.] bejaht sowohl im Hinblick auf frühere Verurteilungendes Angeklagten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 undNr. 2 StGB, als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten die formalenVoraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB. § 66 Abs. 3 StGB ist dagegen nichtangesprochen.Die bei sämtlichen Alternativen zusätzlich erforderlichen Voraussetzun-gen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden jedoch verneint: Die Taten gingen nichtunbedingt auf den dissozialen Charakter des Angeklagten zurück. Sie seienvielmehr durch eine innere Erregung des Angeklagten ausgelöst worden, dieauf der Verhaftung der Ehefrau des Angeklagten am 21. Mai 1998 wegen [X.] gegen Bewährungsauflagen beruhe. Außerdem sei nach [X.] Beratung davon auszugehen, "daß durch den natürlichen Alterungspro-zeß insbesondere bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Gefährlich-keit des Angeklagten sich anders darstellen kann". Der Angeklagte werde vor-aussichtlich erst mit 55 Jahren aus der Strafhaft entlassen. Zumal, da er [X.] längeren Strafen verbüßt habe, reiche die verhängte Strafe aus, seiner"Gefährlichkeit ... zu begegnen".Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand:2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, daß die formalen Voraus-setzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.a) Das Urteil vom 21. Juni 1993 hat in diesem Zusammenhang außerBetracht zu bleiben. Der Angeklagte war damals unter Freispruch im übrigen in- 9 -einer Entziehungsanstalt untergebracht worden, nachdem er am 25. [X.], trunkenheitsbedingt möglicherweise schuldunfähig, seine Lebensgefähr-tin mit einer Schußwaffe in Tötungsabsicht verletzt hatte. Da der Angeklagtenicht zu Freiheitsstrafe verurteilt wurde, liegt insoweit keine Vorverurteilung [X.] von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. [X.] in [X.]/[X.] StGB25. Aufl. § 66 Rdn. 12 m.w.[X.]) Im übrigen hat der Angeklagte am 4. Juni 1986 vergeblich versucht,ein Juweliergeschäft zu überfallen; deshalb wurde er am 30. Oktober 1986 zuzwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er voll verbüßt hat. Außerdem [X.] am 30. Juli 1990 wegen vier Vergehen des fahrlässigen Vollrauschs (er warin diesem Zustand zwischen dem 5. Mai und dem 17. August 1988 gegen [X.] gewalttätig geworden) und eines Verstoßes gegen das Waf-fengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier [X.]. Auch diese Strafe hat er voll verbüßt. Die [X.]n [X.] ein Jahr, dreimal sechs Monate und einmal vier Monate. Welche Strafefür welches Delikt verhängt wurde, wird nicht deutlich. Selbst wenn man davonausgeht, daß die gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche Strafe von einemJahr wegen einer Vorsatztat für das [X.] verhängt wurde, ist [X.] Tatzeit des (auch im übrigen nicht näher geschilderten) [X.]s nichtfestgestellt. Diese Tat ist aber jedenfalls deutlich länger als fünf Jahre vor denhier abgeurteilten Taten begangen worden. Ob entgegen § 66 Abs. 4 Satz 3StGB gemäß § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB gleichwohl keine Rückfallverjährung ein-getreten ist, ist nicht ersichtlich, da auch der [X.]raum, in dem der [X.] in Strafhaft und im Maßregelvollzug befand, (zuletzt von "1991" bis "[X.] 1994"), nicht präzise festgestellt ist.- 10 -3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die formalen Voraussetzun-gen von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vor.4. Die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht rechts-fehlerfrei verneint. [X.] geht für sich genommen rechtsfehlerfreidavon aus, daß die Taten des Angeklagten dafür sprechen, daß er ein gefähr-licher Hangtäter ist. Damit ist regelmäßig die bestimmte Gefahr weiterer schwe-rer Straftaten gegeben (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3 m.w.[X.]). [X.] der [X.] angeführten gegenteiligen Gesichtspunkte können keinanderes Ergebnis rechtfertigen.a) Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den [X.], jedoch darf der Tatrichter den Wirkungen eines langjährigen [X.] beimessen, soweit dieser nach dem Ergebnis der Hauptverhand-lung mit hoher prognostischer Sicherheit eine Haltungsänderung des Ange-klagten erwarten läßt (st.Rspr., vgl. zuletzt [X.], 615, 616 m.w.[X.]).Diese Sicherheit ergibt sich aber nicht aus der Annahme, daß sich die Gefähr-lichkeit des Angeklagten bei seiner Haftentlassung anders darstellen "kann".Daß der Angeklagte dann (voraussichtlich) 55 Jahre alt sein wird, kann darannichts ändern (BGHR aaO Gefährlichkeit 5); Besonderheiten, die hier eine an-dere Annahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.b) Bei der Gewichtung der in der hier abgeurteilten [X.] zum Aus-druck kommenden Gefährlichkeit des Angeklagten stellt die [X.] auchauf die Festnahme der Ehefrau als auslösendes Moment ab. Dies ist [X.] bedenklich, weil es in der Regel ohne Bedeutung ist, warum sich einbereits vorhandener Hang gesteigert hat ([X.] aaO Rdn. 33 m.w.[X.]). [X.] wäre aber zu erörtern gewesen, daß die Taten erst mehrere Monate nachder Festnahme begangen wurden. Darüber hinaus ist festgestellt, daß die- 11 -Ehefrau im November 1998 einige [X.] entwichen war und sich beim Ange-klagten aufhielt. Auch in dieser [X.] hat der Angeklagte einen Überfall began-gen. Damit hat sich die [X.] ebenfalls nicht auseinander gesetzt.c) Soweit die [X.] darauf abstellt, daß der Angeklagte [X.] noch nicht verbüßt hat, ist dies (jedenfalls im Rahmen einer Ermessen-sentscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB) ein nicht zu beanstandender Ansatz([X.], 114; NStZ 1985, 261). Die Annahme der [X.] ist [X.] mit der Feststellung, daß der Angeklagte - abgesehen von einer Unter-bringung im Maßregelvollzug - insgesamt schon mehr als drei Jahre Freiheits-strafe verbüßt hat, unvereinbar.Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neuentschieden [X.] 12 -5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Anordnung von [X.] kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des [X.]s zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafebei Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre ([X.], 615, 617 m.w.[X.]). Da die [X.] ausdrücklich einen Bezugzwischen der Dauer der Strafe und der [X.] von Sicherungsver-wahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf.[X.] Wahl [X.] [X.]

Meta

1 StR 377/00

07.11.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2000, Az. 1 StR 377/00 (REWIS RS 2000, 610)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 610

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