Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2021, Az. IX ZR 54/20

9. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 9099

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Gegenstand

Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG: Schuldner der Masseverbindlichkeiten; Haftung des Kommanditisten für von der Insolvenzschuldnerin selbst begründete Masseverbindlichkeiten


Leitsatz

1. Schuldner der Masseverbindlichkeiten ist der Insolvenzschuldner.

2. Der Kommanditist haftet in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft für Masseverbindlichkeiten, welche von der Insolvenzschuldnerin begründet worden sind.

3. Die persönliche Haftung des Gesellschafters für Masseverbindlichkeiten in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft scheidet grundsätzlich nicht bereits aus insolvenzrechtlichen Gründen aus (Aufgabe von BGH, Urteil vom 24. September 2009 - IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204).

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] in [X.] - vom 7. Februar 2020 aufgehoben und das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 9. August 2018 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.293,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2015 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 9. Oktober 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin befasste sich mit dem Erwerb und dem Betrieb des Containerschiffs M.     . Der [X.] ist Kommanditist der Schuldnerin und mit einer Hafteinlage von 100.000 DM im Handelsregister eingetragen. In den Jahren 2002 bis 2007 zahlte die Schuldnerin an den [X.]n Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 13.293,59 €.

2

Die Schuldnerin wechselte im Jahr 2003 von der Gewinnermittlung durch [X.] gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG zur Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr gemäß § 5a EStG (sogenannte Tonnagegewinnermittlung). Die gesonderte und einheitliche Feststellung des [X.] zwischen Buchwert und Teilwert nach § 5a Abs. 4 EStG auf den 31. Dezember 2002 erfolgte mit Feststellungsbescheid vom 30. März 2012.

3

Mit Beschluss vom 2. Mai 2014 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien. Die Schuldnerin veräußerte das Schiff am 2. Juli 2014; der Kläger stimmte der Veräußerung in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter zu. Das [X.] setzte mit Bescheid vom 3. Juni 2016 eine Gewerbesteuer für das [X.] in Höhe von 309.552,40 € fest. Hierbei rechnete das Finanzamt gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG den fortgeschriebenen Unterschiedsbetrag dem Gewinn hinzu. Von der Gewerbesteuerforderung sind 4.994,74 € durch Verrechnung getilgt. Den verbleibenden Betrag von 304.557,66 € hat das Finanzamt als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 [X.] eingeordnet. Die zur Insolvenztabelle festgestellten Insolvenzforderungen sind aufgrund von anderen Kommanditisten erbrachter Zahlungen vollständig gedeckt. Hingegen kann die Verbindlichkeit aus dem Steuerbescheid nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden.

4

Der Kläger macht geltend, der [X.] hafte als Kommanditist für die noch offene Gewerbesteuerforderung, und verlangt Zahlung von 13.293,59 €. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung des Beklagten.

[X.]

6

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 641 ff veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Haftung des Beklagten sei zwar aufgrund der Ausschüttungen gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 [X.] wieder aufgelebt. Jedoch hafte der Beklagte nicht für die Gewerbesteuerforderung des Finanzamts Bremen.

7

Die Haftung des Kommanditisten für durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründete Masseverbindlichkeiten sei ausgeschlossen. Diese Haftungsbeschränkung erfasse auch die gemäß § 55 Abs. 4 [X.] aufgrund gesetzlicher Fiktion zur Masseschuld umqualifizierte Gewerbesteuerforderung. § 55 Abs. 4 [X.] erstrecke sich auf alle Steuerarten. Zwar sei die Begründung der immanenten Haftungsbeschränkung für Masseverbindlichkeiten nur eingeschränkt geeignet, eine Haftungsbeschränkung in den Fällen zu rechtfertigen, in denen die Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 [X.] auf der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters beruhe. Die von § 55 Abs. 4 [X.] vorgesehene gesetzliche Gleichstellung mit den Fällen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] rechtfertige jedoch die Übertragung dieser Grundsätze. Behandle man die [X.] in Ansehung der Haftung der Kommanditisten als Insolvenzforderung und im Übrigen als Masseverbindlichkeit, laufe dies der gesetzlichen Regelung zuwider und führe zu einer systemwidrigen Aufspaltung.

8

Die Gewerbesteuerforderung aus der Veräußerung des Schiffes stelle eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 4 [X.] dar. Maßgeblich sei die Veräußerung des Schiffs. Es handele sich um keine aufoktroyierte Verbindlichkeit, weil die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters rechtlich nicht zwingend gewesen sei.

I[X.]

9

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Der Beklagte haftet den Gläubigern der Schuldnerin als Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 [X.] unmittelbar. Aufgrund der erhaltenen Ausschüttungen ist die Haftung des Beklagten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß § 172 Abs. 4 [X.] in Höhe von 13.293,59 € wieder aufgelebt.

2. Die Gewerbesteuerforderung aus dem Bescheid vom 3. Juni 2016 stellt eine [X.]sverbindlichkeit dar.

a) Eine Haftung des Kommanditisten gegenüber Gläubigern der Kommanditgesellschaft setzt gemäß § 171 Abs. 1 [X.] eine Verbindlichkeit der Kommanditgesellschaft gegenüber ihren Gläubigern voraus. Dies erfasst gemäß §§ 128, 161 Abs. 2 [X.] unabhängig von ihrem Rechtsgrund grundsätzlich sämtliche Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft gegenüber Dritten (Außenverbindlichkeit). Hierzu zählen insbesondere Gewerbesteuerforderungen aus dem Geschäftsbetrieb der [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 171 Rn. 8; MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., §§ 171, 172 Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.], 39. Aufl., [X.], § 171 Rn. 3).

Auch die Gewerbesteuerforderung aufgrund des Steuerbescheids vom 3. Juni 2016 stellt eine Verbindlichkeit der Schuldnerin und damit der Kommanditgesellschaft dar. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist Steuerschuldnerin die [X.]. Im Übrigen folgt dies aus dem an den Kläger als Insolvenzverwalter gerichteten bestandskräftigen und im finanzgerichtlichen Rechtsstreit bestätigten Bescheid des Finanzamts vom 3. Juni 2016, wonach es sich um eine Steuerschuld der Schuldnerin handelt.

b) Für die Frage, ob eine Verbindlichkeit der Schuldnerin vorliegt, kann dahinstehen, ob die Gewerbesteuerforderung des Finanzamts gemäß § 55 Abs. 4 [X.] als Masseverbindlichkeit anzusehen ist. Die insolvenzrechtliche Einordnung der Gewerbesteuerforderung als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung hat keinen Einfluss darauf, dass es sich bei der [X.] um eine Verbindlichkeit der Schuldnerin und damit der Kommanditgesellschaft handelt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass Schuldner der Masseverbindlichkeiten stets der Insolvenzschuldner ist (vgl. [X.], Urteil vom 30. Oktober 1967 - [X.], [X.]Z 49, 11, 13 zur Konkursordnung; vom 24. September 2009 - [X.], [X.], 2204 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], § 53 Rn. 10; MünchKomm-[X.]/Hefermehl, 4. Aufl., § 53 Rn. 30; HK-[X.]/[X.], 10. Aufl., § 53 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 53 Rn. 12; ebenso [X.], Urteil vom 13. Juli 1964 - [X.], [X.], 1125 unter [X.] zur Vergütung des Verwalters). Die Eigenschaft als Masseverbindlichkeit begründet keine besondere Qualität der Forderung, sondern betrifft ihre Einordnung in einem konkreten Insolvenzverfahren und ihre Durchsetzbarkeit (vgl. [X.]/[X.], aaO Rn. 8).

3. Der Beklagte haftet gemäß §§ 128, 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1 [X.] auch für die Gewerbesteuerforderung aus dem Bescheid vom 3. Juni 2016. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen für die Haftung eines Kommanditisten. [X.] meint das Berufungsgericht, dass die Haftung des Kommanditisten für Verbindlichkeiten der [X.] in der Insolvenz der [X.] ausgeschlossen sei, wenn die Ansprüche des Gläubigers Masseverbindlichkeiten darstellen. Vielmehr ist die Kommanditistenhaftung nicht auf zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen beschränkt.

a) Auch wenn es sich bei Masseverbindlichkeiten stets um Verbindlichkeiten des Schuldners handelt, kann allerdings die Haftung des Schuldners für bestimmte Masseverbindlichkeiten gegenständlich beschränkt sein.

aa) Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 [X.] erstreckt sich nur auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners ([X.], Urteil vom 25. November 1954 - [X.], NJW 1955, 339; vom 16. Februar 1961 - [X.], [X.]Z 34, 293, 295 f; vom 24. September 2009 - [X.], [X.], 2204 Rn. 12 mwN). Dabei ist Bestandteil der Masse gemäß § 35 Abs. 1 [X.] auch das Vermögen, das der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erlangt.

bb) Aufgrund der beschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters ist eine Haftung des Schuldners für solche Verbindlichkeiten, welche erst der Insolvenzverwalter aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis begründet hat, auf diejenigen Gegenstände beschränkt, die zur Insolvenzmasse gehören. Diese Beschränkung der Haftung des Schuldners greift bereits während des Verfahrens ein (vgl. [X.], Urteil vom 25. November 1954, aaO; vom 24. September 2009, aaO; MünchKomm-[X.]/Hefermehl, 4. Aufl., § 53 Rn. 30 f; [X.]/[X.], [X.], § 53 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 53 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 53 Rn. 10; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 4. Aufl., § 53 Rn. 9; Mohrbutter/Ringstmeier/Mohrbutter, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kapitel 6 Rn. 503).

In welchem Umfang eine Nachhaftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens für Masseverbindlichkeiten noch in Betracht kommt, kann dahinstehen. Soweit es um vom Insolvenzverwalter im [X.]fe des Insolvenzverfahrens durch Rechtshandlungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] begründete Masseverbindlichkeiten geht, gilt nach überwiegender Meinung für die [X.] nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eine gegenständlich beschränkte Haftung (vgl. MünchKomm-[X.]/Hefermehl, aaO Rn. 34a; HK-[X.]/[X.], 10. Aufl. § 53 Rn. 9; [X.]/[X.] in [X.], [X.], 2011, § 53 Rn. 45; [X.]/[X.], aaO Rn. 11; HmbKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 53 Rn. 27; [X.]/[X.], aaO Rn. 10; MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 201 Rn. 15 f mwN; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 201 Rn. 17; aA [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 53 Rn. 12; Windel, [X.] 2011, 25, 27 ff). Auch wenn die Nachhaftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens für Masseverbindlichkeiten gegenständlich beschränkt sein sollte, folgt daraus nicht, dass es sich bei Masseverbindlichkeiten nicht um Verbindlichkeiten des Schuldners handelt.

Unabhängig davon scheidet eine gegenständliche Beschränkung der Haftung des Schuldners jedenfalls bei solchen Masseverbindlichkeiten aus, welche er durch sein Handeln selbst begründet hat. Demgemäß beschränkt sich bei sogenannten oktroyierten Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 90 [X.], die vom Schuldner bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden waren, die Haftung des Schuldners gegenständlich nicht auf die ihm überlassene restliche, das heißt nicht verwertete Masse ([X.], Urteil vom 28. Juni 2007 - [X.], [X.], 670 Rn. 14 für Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]). Gleiches gilt für Masseverbindlichkeiten, deren Entstehung auf eine freie Entscheidung des Schuldners zurückzuführen ist. Daher trifft den Schuldner für Steuerforderungen aus der [X.] einer schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung, die von § 55 Abs. 4 [X.] kraft Gesetzes zu Masseverbindlichkeiten erklärt werden, eine uneingeschränkte Nachhaftung, weil das Verwaltungs- und Verfügungsrecht für die die Steuerforderungen begründenden Rechtshandlungen beim Schuldner liegt (vgl. [X.]/[X.] in [X.], [X.], 2011, § 53 Rn. 45; für eine Einordnung als oktroyierte Masseverbindlichkeit MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 90 Rn. 9).

b) Die gegenständlich beschränkte Haftung des Schuldners für bestimmte Masseverbindlichkeiten gebietet jedoch nicht, die Haftung des [X.]ers für [X.]sverbindlichkeiten in der Insolvenz der [X.] aus insolvenzrechtlichen Gründen einzuschränken.

aa) Allerdings hat der [X.] ausgesprochen, dass die [X.]er einer offenen Handelsgesellschaft nicht persönlich für die von dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] begründeten Masseverbindlichkeiten haften ([X.], Urteil vom 24. September 2009 - [X.], [X.], 2204; kritisch etwa [X.], [X.] 174 (2010), 163, 172 ff; Windel, [X.] 2011, 25, 40 ff; [X.], Z[X.] 2011, 1081, 1083 ff; [X.], Z[X.] 2019, 1649, 1654 ff). Die Entscheidung betraf durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters nach der Verfahrenseröffnung begründete Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 24. September 2009, aaO Rn. 12) und zudem die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 24. September 2009, aaO Rn. 19 ff; kritisch hinsichtlich der Verfahrenskosten Berger, EWiR 2009, 775, 776), enthielt jedoch keine Entscheidung für andere Masseverbindlichkeiten, insbesondere nicht für Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 [X.] oder für Masseverbindlichkeiten bei einer Eigenverwaltung. Auch mit Urteil vom 17. Dezember 2015 ([X.], [X.]Z 208, 227 Rn. 11) hat der [X.] nur- obiter - ausgesprochen, dass die [X.]er nicht für sämtliche Masseverbindlichkeiten haften.

bb) Der [X.] hält an dieser Rechtsprechung nicht fest, soweit eine Beschränkung der Haftung der [X.]er damit begründet wird, dass die [X.] als Schuldnerin aus insolvenzrechtlichen Gründen für bestimmte Masseverbindlichkeiten nur gegenständlich beschränkt hafte. Insoweit hat der [X.] ausgeführt, dass hinsichtlich solcher Masseverbindlichkeiten eine dem Verfahren immanente Haftungsbeschränkung bestehe. Da die Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters bei der Begründung solcher Masseverbindlichkeiten auf die Gegenstände der Masse beschränkt sei, komme eine Haftung der [X.]er für solche Masseverbindlichkeiten bereits aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht in Betracht ([X.], Urteil vom 24. September 2009, aaO Rn. 13 ff).

Aus den Grenzen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters folgt zwar, dass der Verwalter nicht über das massefreie Vermögen der [X.] als Schuldnerin verfügen kann ([X.], Urteil vom 24. September 2009, aaO Rn. 12; [X.], [X.] 174 (2010), 163, 172). Ob ein [X.]er für Verbindlichkeiten der [X.] als Schuldnerin haftet, welche durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind, ist damit jedoch nicht beantwortet. In welchem Umfang [X.] das Vermögen des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in Anspruch nehmen können, hat auf die Einordnung einer Verbindlichkeit als Verbindlichkeit des Schuldners keinen Einfluss. Die Haftung des [X.]ers für Verbindlichkeiten der [X.] beruht auf den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der §§ 128, 161 Abs. 1, §§ 171, 172 [X.].

Auch wenn die [X.] als Schuldnerin für bestimmte Masseverbindlichkeiten nur gegenständlich beschränkt haftet, rechtfertigt dies allein nicht, dass eine Haftung der [X.]er für solche Verbindlichkeiten der [X.] von vornherein ausscheidet. Vielmehr ist es eine Frage der die Haftung der [X.]er anordnenden Norm, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Haftung der [X.]er für Verbindlichkeiten der [X.] in der Insolvenz ausnahmsweise eingeschränkt werden kann. Hängt die Haftung des [X.]ers von den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen ab, kann nicht angenommen werden, dass die aus dem Amt des Insolvenzverwalters folgenden Befugnisse erweitert würden, wenn die [X.]er in der Insolvenz der [X.] über § 128 [X.] auch für die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründeten Verbindlichkeiten haften. Soweit aus dem Urteil des [X.]s vom 24. September 2009 ([X.], [X.], 2204 Rn. 14) etwas anderes entnommen werden kann, wird daran nicht festgehalten.

c) Der Beklagte haftet als Kommanditist für solche Masseverbindlichkeiten, welche die Schuldnerin begründet hat. Dies trifft auf die Gewerbesteuerforderung des Finanzamts aus dem Bescheid vom 3. Juni 2016 zu. Es besteht kein Anlass, die Haftung eines Kommanditisten nach §§ 128, 161 Abs. 2, §§ 171, 172 Abs. 4 [X.] für Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 [X.] einzuschränken, welche vom Schuldner begründet worden sind ([X.], Z[X.], 2011, 1081, 1086 f).

aa) Ob die Haftung eines [X.]ers für Verbindlichkeiten der [X.] zu begrenzen ist, richtet sich nicht nach der Einordnung der Verbindlichkeit als Masseverbindlichkeit im Sinne der §§ 54, 55 [X.]. Es ist nicht geboten, die Haftung des Kommanditisten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] auf Insolvenzforderungen zu beschränken. Maßgeblich ist vielmehr die Reichweite der gesellschaftsrechtlichen Haftung.

Im Streitfall kann dahinstehen, in welchem Umfang die Haftung des Kommanditisten für Masseverbindlichkeiten zu begrenzen ist. Eine teleologische Reduktion der gesellschaftsrechtlichen Haftung scheidet jedenfalls aus, wenn der Schuldner die Verbindlichkeit selbst begründet hat. Soweit eine teleologische Reduktion des § 128 [X.] erwogen wird, stützt sich diese Überlegung darauf, dass mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter der [X.]er die Möglichkeit verliert, Einfluss auf die Entwicklung der [X.] zu nehmen (vgl. insb. [X.], [X.] 152 (1988), 105, 114 ff; [X.]., [X.] 174 (2010), 163, 166 ff; MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 128 Rn. 81; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 39. Aufl., § 128 Rn. 46; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 128 Rn. 73; [X.]/[X.], [X.], § 93 Rn. 32). Diese Gründe treffen auf Verbindlichkeiten, welche die [X.] selbst begründet, nicht zu. Dies gilt auch dann, wenn diese Verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] Masseverbindlichkeiten darstellen. Damit kommt es nicht darauf an, inwieweit die Gründe für eine Beschränkung der gesellschaftsrechtlichen Haftung auf einen Kommanditisten zu übertragen sind.

Daran ändert sich nichts, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 22 Abs. 2, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]) bestellt und dieser der Verfügung des Schuldners zustimmt. Ein solcher sogenannte schwache vorläufige Insolvenzverwalter ist weder verwaltungs- noch verfügungsbefugt. Der Vorbehalt beschränkt die Verfügungsbefugnis des Schuldners nicht. Er bewirkt lediglich, dass der vorläufige Verwalter wirksame Verfügungen des Schuldners verhindern kann (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2002 - [X.], [X.]Z 151, 353, 361; vom 24. September 2020 - [X.], [X.], 2079 Rn. 20). Der schwache vorläufige Verwalter ist rechtlich nicht in der Lage, den Schuldner gegen dessen Willen zu Handlungen anzuhalten ([X.], Urteil vom 18. Juli 2002, aaO; vom 24. September 2020, aaO). Ebenso wenig kann er selbst Verfügungen mit Wirkung für und gegen die spätere Insolvenzmasse vornehmen. Der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Verwalter tritt nicht an die Stelle des Schuldners, sondern an seine Seite ([X.], Urteil vom 24. September 2020, aaO; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 21 Rn. 65). Ein Zustimmungsvorbehalt ändert nichts daran, dass die [X.]er Einfluss auf die Entscheidungen der [X.] nehmen können.

bb) Im Streitfall stellt die Gewerbesteuerforderung aus dem Bescheid vom 3. Juni 2016 eine von der Schuldnerin begründete Verbindlichkeit dar. Die Schuldnerin veräußerte das Schiff am 2. Juli 2014 und damit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Zu diesem [X.]punkt war die Schuldnerin verwaltungs- und verfügungsbefugt. Der Kläger konnte in seiner Eigenschaft als vorläufiger Verwalter zwar die Verfügung verhindern (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2002 - [X.], [X.]Z 151, 353, 361; vom 24. September 2020 - [X.], [X.], 2079 Rn. 20). Dass der Kläger der Veräußerung in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter zustimmte, ändert nichts daran, dass die Schuldnerin die Verfügung vornahm und die aus der Verfügung folgenden Masseverbindlichkeiten durch ein Handeln der Schuldnerin begründet worden sind. Dies gilt mithin auch für die mit Bescheid vom 3. Juni 2016 festgesetzte Gewerbesteuer. Diese beruht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darauf, dass das Finanzamt gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG den gemäß § 5a Abs. 4 EStG fortgeschriebenen Unterschiedsbetrag dem Gewinn hinzurechnete.

4. Der Kläger kann gemäß § 171 Abs. 2 [X.] die persönliche Haftung des Beklagten für die Verbindlichkeit der Schuldnerin geltend machen. Für § 93 [X.] ist es unerheblich, ob die Verbindlichkeit der [X.] eine Masseverbindlichkeit darstellt (aA MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 93 Rn. 20). Voraussetzung für die Sperrwirkung und die Ermächtigungswirkung des § 93 [X.] (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 17. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 227 Rn. 10 mwN) sind eine Verbindlichkeit der [X.] und eine persönliche Haftung des [X.]ers für diese Verbindlichkeit. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung der Verbindlichkeit kommt es nicht an. § 93 [X.] zielt darauf, einen Wettlauf unter den [X.]sgläubigern über die Haftung des [X.]ers zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/2443 [X.]; [X.], Urteil vom 17. Dezember 2015, aaO). Die durch einen schnelleren Zugriff verschafften [X.] für einen [X.]sgläubiger, denen das Gesetz vorbeugen will, drohen gleichermaßen bei einem Zugriff durch einen [X.] wie durch einen Insolvenzgläubiger. Das Gleiche gilt für § 171 Abs. 2 [X.].

5. Der Haftung des Beklagten steht nicht entgegen, dass der Kommanditist, der eine Verbindlichkeit der [X.] befriedigt, unter Umständen einen Regressanspruch gegen die [X.] erwirbt (§ 110 [X.]; vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 39. Aufl., § 128 Rn. 25). Dabei kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine Befriedigung der [X.]sverbindlichkeit eintritt, wenn der Kommanditist im Hinblick auf seine vom Insolvenzverwalter gemäß § 93 [X.], § 171 Abs. 2 [X.] geltend gemachte persönliche Haftung an die Insolvenzmasse leistet.

Die Leistung an den Insolvenzverwalter verschafft dem [X.]er auch dann keine Möglichkeit, vor Befriedigung der [X.]sgläubiger Regress zu nehmen, wenn die Verbindlichkeit der [X.] - wie im Streitfall - eine Masseverbindlichkeit darstellt. Aus dem Zusammenwirken von § 171 Abs. 1, 2, § 172 Abs. 4 [X.] folgt, dass der Kommanditist nur dann Regress gegen die [X.] nehmen kann, wenn seine Haftung durch den Regressanspruch nicht mehr mit der Folge des § 171 Abs. 2 [X.] aufleben kann (MünchKomm-[X.]/Bitter, 4. Aufl., § 44 Rn. 37; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 44 Rn. 7; [X.], Einlage und Haftung des Kommanditisten, 1977, [X.], 149 ff mwN). Dies wäre aber der Fall, wenn der Kommanditist die den Regressanspruch auslösende Zahlung zuvor gerade infolge seiner Inanspruchnahme nach § 171 Abs. 2 [X.] erbracht hat. In der Insolvenz der [X.] läuft der Regressanspruch des nach § 171 [X.] in Anspruch genommenen Kommanditisten auf eine (Teil-)Rückgewähr des [X.]erbeitrags hinaus, weil die Zahlung nicht aus Gewinnen der [X.] erfolgen kann (vgl. auch [X.], Urteil vom 10. Dezember 1984 - [X.], [X.]Z 93, 159, 163). Erst dann, wenn die Kommanditistenhaftung infolge einer Dividendenausschüttung auf den Regressanspruch nicht mehr mit der Rechtsfolge des § 171 Abs. 2 [X.] aufleben kann, ist der Kommanditist berechtigt, seinen Erstattungsanspruch gegen die [X.] geltend zu machen.

II[X.]

Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden. Die Aufhebung des Berufungsurteils erfolgt nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis; nach letzterem ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Insolvenzmasse nicht genügt, um die Forderung des Finanzamts zu erfüllen, ist der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

Grupp     

      

Möhring     

      

Schoppmeyer

      

Schultz     

      

Selbmann     

      

Meta

IX ZR 54/20

28.01.2021

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 7. Februar 2020, Az: 4 U 167/18, Urteil

§ 54 InsO, § 55 Abs 4 InsO, § 80 InsO, § 93 InsO, § 128 HGB, § 171 Abs 2 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2021, Az. IX ZR 54/20 (REWIS RS 2021, 9099)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 387-389 WM2021,407 REWIS RS 2021, 9099

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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