Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2017, Az. XII ZB 333/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 283

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Gegenstand

Ende der Vormundschaft für einen nach Deutschland eingereisten minderjährigen unbegleiteten Flüchtling: Vorliegen einer Kindschaftssache nach Vollendung des 18. Lebensjahres; Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit als doppelrelevante Tatsache; internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte; Volljährigkeit nach der Genfer Flüchtlingskonvention; Anwendungsbereich des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens; Feststellung des Eintritts der Volljährigkeit nach ausländischem Recht


Leitsatz

1. Kind im Sinne des § 99 FamFG kann auch eine Person sein, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, wenn diese nach dem insoweit anwendbaren Recht noch minderjährig ist.

2. Ist der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit sowohl für die internationale Zuständigkeit als auch für die verfahrensgegenständliche Frage, ob die Vormundschaft beendet ist, maßgeblich, so handelt es sich insoweit um eine doppelrelevante Tatsache, für die im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung die Minderjährigkeit als gegeben zu unterstellen ist.

3. Auch wenn das deutsche Gericht seine internationale Zuständigkeit bei Anordnung einer Vormundschaft auf Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO stützt, ist die hypothetische Zuständigkeit nach Art. 5 und 6 KSÜ ausreichend dafür, dass gemäß Art. 15 Abs. 1 KSÜ deutsches Recht zur Anwendung kommt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. März 2011, XII ZB 407/10, FamRZ 2011, 796).

4. Die Regelung in Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfasst auch die Frage der Volljährigkeit eines Flüchtlings, so dass sie die Staatsangehörigkeitsanknüpfung des Art. 7 Abs. 1 EGBGB verdrängt.

5. Der Anwendungsbereich des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens ist nur für Schutzmaßnahmen eröffnet, die die Hilfsbedürftigkeit wegen einer psychischen oder körperlichen Behinderung oder Krankheit auffangen sollen, nicht aber bei der Vormundschaft wegen Minderjährigkeit.

6. Zu den Anforderungen an die Feststellung des Eintritts der Volljährigkeit nach ausländischem Recht (hier der Republik Guinea).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des 6. [X.] des [X.] vom 15. Mai 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 3.000 €

Gründe

A.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, wann die Vormundschaft für einen als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling nach [X.] eingereisten Staatsangehörigen der [X.] endet.

2

Der im Juni 1997 geborene Betroffene ist Staatsangehöriger der [X.]. Nachdem er unbegleitet nach [X.] eingereist war, stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2014 das Ruhen der elterlichen Sorge fest, ordnete die Vormundschaft an und wählte die Beteiligte zu 1, eine Rechtsanwältin, als Vormund aus. Über eine Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling ist noch nicht entschieden.

3

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2016 hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Vormundschaft beendet sei, weil der Betroffene mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig geworden sei. Die vom Vormund namens des Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

5

Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich aus Art. 8 Abs. 1 [X.] [X.], weil der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt in [X.] habe und sich für das Fortbestehen der Vormundschaft auf seine Minderjährigkeit berufe. Die Vormundschaft habe aber gemäß §§ 1773, 1882 BGB kraft Gesetzes mit Vollendung des 18. Lebensjahres geendet. Anordnung wie Beendigung der Vormundschaft richteten sich nach [X.] Recht, weil der Betroffene bei der Anordnung noch 16 Jahre alt gewesen und damit gemäß Art. 15 Abs. 1 des [X.] ([X.]) [X.] Recht anwendbar gewesen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Zuständigkeit der [X.] Gerichte aus der [X.] [X.] und nicht aus Art. 5 ff. [X.] folge.

6

Die Vorfrage der Volljährigkeit des Betroffenen sei hingegen gemäß Art. 7 [X.]BGB nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem der Betroffene angehöre. Eine vorrangige Bestimmung ergebe sich zum einen nicht aus den Bestimmungen des [X.]. Zum anderen hindere auch Art. 12 der [X.] (GFK) nicht die Anwendbarkeit von Art. 7 [X.]BGB, weil dieses Übereinkommen die Frage der Volljährigkeit ebenfalls nicht regele. Das dort genannte [X.] sei mit demjenigen in Art. 5 [X.]BGB nicht gleichzusetzen und erfasse daher nicht zwingend die Volljährigkeit. Eine Anknüpfung auch dieser Frage an die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention würde den Rechtsverkehr von und mit Flüchtlingen erheblich erschweren, weil bis zu deren bestandskräftiger öffentlich-rechtlicher Anerkennung oftmals Jahre vergingen und bis dahin alle Gerichte gehalten wären, die Flüchtlingseigenschaft inzident - unter Umständen auch mit aufwändigen Beweisaufnahmen - zu prüfen. Erhebliche Probleme ergäben sich so beispielsweise für Arbeitgeber und Vermieter von Flüchtlingen, was dem Sinn und Zweck der [X.], nämlich der Förderung der Integration von Flüchtlingen, zuwider laufen würde.

7

Daher sei die Frage der Volljährigkeit des Betroffenen nach dem Recht der [X.] zu beurteilen. Aus Art. 168 des [X.] der [X.] ergebe sich, dass die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete. Denn diese Vorschrift aus dem [X.] besage, dass ein Kind unter 18 Jahren nur mit Zustimmung seiner Eltern bzw. des Inhabers der elterlichen Gewalt Verträge abschließen könne, woraus zu folgern sei, dass es mit 18 eigenverantwortlich handeln könne. Art. 443 des [X.] der [X.] aus dem [X.], wonach die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres eintrete, stehe dem nicht entgegen. Denn nach Art. 6 [X.] könne ein neueres Gesetz ein früheres auch stillschweigend aufheben. Bestätigt habe diese Rechtslage das [X.] der [X.] (auf Anfrage der [X.] [X.]) mit Schreiben vom 3. Mai 2016 und die Botschaft der [X.] in ihrer offiziellen, auf Grundlage der Rechtsauskunft ihres [X.] abgegebenen Stellungnahme vom 30. September 2016. Damit habe sie ihre anderslautende Auskunft (Volljährigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres) vom 19. September 2016 korrigiert. Andere Erkenntnisquellen zur Feststellung des ausländischen Rechts stünden nicht zur Verfügung. Der in Aussicht genommene Sachverständige habe als Ergebnis seiner Vorermittlungen mitgeteilt, dass nach seiner Meinung die Gesetzeslage klar und die in der Stellungnahme der Botschaft vom 30. September 2016 mitgeteilte Rechtsauffassung richtig sei. Gerichtsentscheidungen aus [X.] zur Frage der Volljährigkeit habe er nicht gefunden. Vor dem Hintergrund des ganz erheblichen Gewichts der offiziellen Verlautbarung der Botschaft der [X.] bestünden keine Zweifel, dass nach dem Recht in [X.] die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete.

II.

8

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

1. Im Ergebnis zu Recht ist das [X.] von der internationalen Zuständigkeit der [X.] Gerichte ausgegangen, die unbeschadet des Wortlauts von § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der [X.] von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschluss [X.], 372 = FamRZ 2015, 479 Rn. 11).

a) Dabei kann zum einen offen bleiben, ob sich - wie das [X.] angenommen hat (ebenso etwa [X.] FamRZ 2017, 1227, 1228; [X.], 1820, 1822; zweifelnd [X.] Beschluss vom 7. September 2017 - 18 [X.]/17 - juris Rn. 11 f.) - die internationale Zuständigkeit aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1347/2000 ([X.]. [X.] Nr. L 338 S. 1; im Folgenden: [X.] [X.]) ergibt. Hierfür müsste auch ein Minderjähriger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, als Kind im Sinne dieser Norm einzustufen sein, was streitig ist (bejahend etwa [X.], 1229; verneinend etwa [X.]/[X.] Familienrecht 6. Aufl. § 99 FamFG Rn. 7; MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 1; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.] ZPO 38. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 1a; [X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 3; [X.] 2010, 583, 584 f.; v. [X.] FamRZ 2015, 1822).

Zum anderen bedarf keiner Klärung, ob sich die internationale Zuständigkeit für die Aufhebung der auf der Grundlage des [X.] Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 ([X.] - [X.]; [X.] [X.], 603) angeordneten Maßnahme aus Art. 5 und 6 iVm Art. 3 lit. c ergibt, obwohl dieses Abkommen gemäß Art. 2 [X.] nur auf Kinder von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzuwenden ist.

Schließlich kann dahinstehen, ob die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte aus Art. 5 und 6 iVm Art. 3 lit. c des [X.] Übereinkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13. Januar 2000 (Erwachsenenschutzübereinkommen - [X.]; [X.] [X.], 324) folgt. Dessen Anwendungsbereich bestimmt Art. 1 Abs. 1 [X.] dahingehend, dass das Übereinkommen bei internationalen Sachverhalten auf den Schutz von Erwachsenen anzuwenden ist, die aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Eigenschaften nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen.

b) Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte folgt nämlich selbst dann, wenn die nach § 97 FamFG vorrangigen völkerrechtlichen Vereinbarungen und Rechtsakte der [X.] nicht eingreifen, jedenfalls aus § 99 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm § 151 Nr. 4 FamFG (vgl. auch [X.] Beschluss vom 7. September 2017 - 18 [X.]/17 - juris Rn. 14).

Der Betroffene hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und mit der Vormundschaft geht es um eine der von § 99 FamFG erfassten Kindschaftssachen. Kind im Sinne der Vorschrift kann auch eine Person sein, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, sofern nach dem insoweit - etwa gemäß Art. 7 [X.]BGB - anwendbaren Recht damit nicht das Ende der Minderjährigkeit verbunden ist (vgl. [X.] Beschluss vom 7. September 2017 - 18 [X.]/17 - juris Rn. 14; [X.] FamFG/[X.] [Stand: 1. Oktober 2017] § 99 Rn. 23 mwN; [X.]/[X.] BGB [2014] Art. 21 [X.]BGB Rn. 145; [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 1; ohne Begründung [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 99 Rn. 2; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 4. Aufl. § 99 Rn. 34). Denn die Kindschaftssachen im Sinne des § 99 FamFG stellen nicht auf die Vollendung des 18. Lebensjahres, sondern jeweils auf die Minderjährigkeit ab, wobei die Vorfrage des Eintritts der Geschäftsfähigkeit grundsätzlich gemäß Art. 7 Abs. 1 [X.]BGB wiederum selbständig an das Recht des Staates anzuknüpfen ist, dem die Person angehört. Dass der Begriff der Kindschaftssachen des § 99 FamFG enger - nämlich auf Personen unter 18 Jahren begrenzt - sein soll als der des § 151 FamFG, ist nicht ersichtlich.

Wann für den Betroffenen die Volljährigkeit eintritt, ist mithin sowohl für die internationale Zuständigkeit als auch für die verfahrensgegenständliche materiell-rechtliche Frage, ob die Vormundschaft beendet ist, maßgeblich. Es handelt sich insoweit um eine doppelrelevante Tatsache, so dass im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung die Minderjährigkeit als gegeben zu unterstellen ist (vgl. [X.], 318 = NJW 2017, 827 Rn. 22 mwN; [X.] FamFG 19. Aufl. § 3 Rn. 41; zur davon abzugrenzenden Frage, ob ein ausländischer Staat der [X.] Gerichtsbarkeit unterliegt, vgl. [X.], 290 = [X.], 903 Rn. 23 mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Nicht zu beanstanden ist, dass das [X.] die Beschwerde des Betroffenen für zulässig gehalten und dabei insbesondere die hierfür nach § 59 FamFG erforderliche Beschwer bejaht hat. Diese scheitert nicht daran, dass jedenfalls nach [X.] Recht die Vormundschaft mit Eintritt der Volljährigkeit von Gesetzes wegen endet (§§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB) und der amtsgerichtliche Beschluss, in dem dies bejaht wird, das Ende lediglich deklaratorisch feststellt. Denn wie das [X.] zutreffend ausführt, ist der Betroffene durch die mit der gerichtlichen Feststellung verbundene Rechtsscheinwirkung in seinen Rechten beeinträchtigt, so dass ihm der Rechtsmittelzug zur Verfügung stehen muss, um diese Wirkung zu beseitigen (vgl. [X.], 1820, 1822; [X.]/[X.] BGB 15. Aufl. § 1882 Rn. 5; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 1882 Rn. 16; aA [X.]/[X.] BGB [2014] §1882 Rn. 22).

b) Von Rechtsfehler beeinflusst ist hingegen die Annahme des [X.]s, das Ende der Vormundschaft richte sich nach [X.] Recht. Vielmehr erscheint möglich, dass mangels vorrangiger Verweisung in das [X.] Recht insoweit gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]BGB das Recht der [X.] zur Anwendung kommen muss.

aa) Anders als das [X.] meint, führt der Umstand, dass der Betroffene bei Anordnung der Vormundschaft dem [X.] [X.] gemäß dessen Artikel 2 unterfiel, nicht ohne weiteres dazu, dass sich auch der Zeitpunkt des Endes der Vormundschaft nach [X.] Recht richtet.

Unerheblich ist hierfür, ob das Amtsgericht seine internationale Zuständigkeit bei Anordnung der Vormundschaft auf Art. 8 Abs. 1 [X.] [X.] gestützt hat. Denn die sogenannte hypothetische Zuständigkeit nach Art. 5 und 6 [X.] war ausreichend dafür, dass gemäß Art. 15 Abs. 1 [X.] [X.] Recht zur Anwendung kam (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2011 - [X.] 407/10 - FamRZ 2011, 796 Rn. 12, 30 ff.; [X.]/[X.] Aufl. [X.]. Art. 24 [X.]BGB Rn. 21 mwN auch zur Gegenmeinung; [X.]/v. [X.] BGB [2014] [X.] zu Art. 24 [X.]BGB Rn. 2c mwN). Das Erlöschen der elterlichen Verantwortung - zu der gemäß Art. 1 Abs. 2 [X.] auch das durch die Vormundschaft begründete [X.] gehört - kraft Gesetzes bestimmt sich dann grundsätzlich gemäß Art. 16 Abs. 1 [X.] nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Die vom [X.] [X.] hierdurch vorgenommene Verweisung in das [X.] Recht endete aber mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, weil dieser Zeitpunkt nach Art. 2 [X.] den Anwendungsbereich des Übereinkommens insgesamt begrenzt. Die letztlich auf das [X.] [X.] gestützte Annahme des [X.]s, das Ende der Vormundschaft richte sich nach §§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB, wäre daher nur zutreffend, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen in eben diesem Zeitpunkt geendet hätte. Dann nämlich fielen Vormundschaftsende und zeitliches Ende der Verweisung des Art. 16 Abs. 1 [X.] zusammen, was für die Anwendbarkeit des aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen folgenden [X.] Rechts ausreichend wäre.

Die Frage, ob die Minderjährigkeit des Betroffenen mit Vollendung des 18. Lebensjahres geendet hat, ist aber nach internationalem Privatrecht selbständig anzuknüpfen und lässt sich auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht bejahen.

(1) Der Eintritt der Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres folgt danach für den Betroffenen nicht aus § 2 BGB iVm - ggf. über § 2 Abs. 1 [X.] - Art. 12 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 ([X.] - GFK; [X.] 1953 [X.], 560), das für das [X.] eines Flüchtlings in das Recht seines Wohnsitzes und in [X.]gelung eines solchen seines Aufenthaltslandes verweist.

Anders als das [X.] meint, erfasst die Regelung in Art. 12 Abs. 1 GFK allerdings die Frage der Volljährigkeit des Flüchtlings. Richtig ist zwar, dass der Begriff des [X.]s in der Konvention selbst nicht definiert ist. Die Geschäftsfähigkeit und insbesondere die Frage der Volljährigkeit gehören jedoch sowohl aus [X.] Sicht als auch bei [X.] Auslegung zum Kernbereich des [X.]s (vgl. zum Ganzen v. [X.] FamRZ 2015, 1822, 1823 mwN), so dass Art. 12 Abs. 1 GFK die Staatsangehörigkeitsanknüpfung des Art. 7 Abs. 1 [X.]BGB verdrängt ([X.] Beschluss vom 3. Mai 2017 - 10 UF 6/17 - juris Rn. 12 ff.; v. [X.] FamRZ 2015, 1822, 1823; [X.]/[X.]/Verschraegen Das gesamte Familienrecht [Stand: August 2017] Art. 7 [X.]BGB Rn. 18 und Art. 5 [X.]BGB Rn. 24; [X.]/Hohloch BGB 15. Aufl. Art. 7 [X.]BGB Rn. 2; [X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 7 [X.]BGB Rn. 34; [X.]/[X.] Aufl. [X.]. Art. 5 [X.]BGB Rn. 23; [X.]/[X.]smann BGB [2013] Art. 7 [X.]BGB Rn. 20; aA [X.], 1820, 1821; [X.]/[X.] [Stand: 1. März 2017] Art. 7 [X.]BGB Rn. 7). Dass dies zur Folge hat, dass der Tatrichter in Fällen wie dem vorliegenden die Flüchtlingseigenschaft eigenständig prüfen muss (Senatsurteil BGHZ 169, 240 = FamRZ 2007, 109), kann nicht ausschlaggebend dafür sein, die mit Art. 12 Abs. 1 GFK bezweckte rechtliche Entkoppelung des Flüchtlings von dem Nationalstaat, der ihm zur Flucht Anlass gegeben hat, nicht umzusetzen (vgl. auch [X.]/[X.] [2013] [X.]ang IV zu Art. 5 [X.]BGB Rn. 68). Mit der [X.] sollten Flüchtlinge möglichst weitgehend integriert und den Einwohnern des [X.] praktisch gleichgestellt werden. Dies bedingt aber auch, die Frage ihrer Volljährigkeit nach dem Recht des [X.] bzw. Aufenthaltslandes zu beurteilen (vgl. [X.]/[X.] [2013] [X.]ang IV zu Art. 5 [X.]BGB Rn. 47).

Eine nicht staatenlose Person wie der Betroffene des vorliegenden Verfahrens ist Flüchtling nach Art. 1 Abschnitt [X.] GFK iVm dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 ([X.] 1969 II S. 1293, 1294), wenn sie sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des [X.] befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses [X.] nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will (vgl. auch § 3 Abs. 1 [X.]). Feststellungen dazu, ob dies auf den Betroffenen zutrifft, hat das [X.] - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang nicht getroffen.

(2) Die Annahme des [X.]s, die Volljährigkeit des Betroffenen ergebe sich aus dem wegen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 [X.]BGB maßgeblichen Recht der [X.] als dem Heimatrecht des Betroffenen, hält den [X.] der Rechtsbeschwerde nicht stand.

(a) Auf eine Verletzung ausländischen Rechts kann die Rechtsbeschwerde nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht gestützt werden. Der [X.] Tatrichter hat ausländisches Recht im Wege des [X.] zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit auf entsprechende Verfahrensrüge nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat. An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum [X.] das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem [X.] Recht verwandten Rechtsordnung und bei klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 - [X.] 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 13 f. mwN).

(b) Gemessen hieran ist das [X.] ohne ausreichende Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Volljährigkeit (auch) nach dem Recht der [X.] mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete.

Welches Volljährigkeitsalter nach dem Recht der [X.] gilt, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Während einige [X.]e von der Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres ausgehen ([X.] Beschluss vom 7. September 2017 - 18 [X.]/17 - juris Rn. 28 ff.; [X.] 2017, 111; [X.] Beschluss vom 23. Februar 2016 - 4 UF 186/15 - juris Rn. 9 ff.), stimmen andere mit der angefochtenen Entscheidung überein ([X.] Beschluss vom 5. September 2017 - 13 [X.]/17 - juris Rn. 14; [X.] [10. [X.]] Beschluss vom 3. Mai 2017 - 10 UF 6/17 - juris Rn. 17 ff.). Dabei ist der Ausgangspunkt jeweils identisch, wonach gemäß dem - bislang nicht ausdrücklich aufgehobenen - Art. 443 des [X.] der [X.] die Volljährigkeit auf das vollendete 21. Lebensjahr festgesetzt wird (vgl. auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.] Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. März 2006] „[X.]“ S. 14, 33). Unterschiedlich wird hingegen eingeschätzt, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dem im [X.] eingeführten [X.] der [X.] und insbesondere aus dessen Art. 168 ergeben, der nach den tatrichterlichen Feststellungen besagt, dass ein Kind unter 18 Jahren nur mit Zustimmung seiner Eltern bzw. des Inhabers der elterlichen Gewalt Verträge abschließen kann. Teilweise wird der [X.] allein als Gesetzeswerk gesehen, das die Rechte von Kindern in [X.] näher regele, nur Anwendung auf Personen unter 18 Jahren finde und keine Regelungen über den Eintritt der Volljährigkeit enthalte (vgl. [X.] Beschluss vom 23. Februar 2016 - 4 UF 186/15 - juris Rn. 11). Demgegenüber wird zur Begründung einer mit diesem Gesetzeswerk verbundenen - nach Art. 6 [X.] möglichen - stillschweigenden Änderung des Volljährigkeitsalters darauf verwiesen, dass das Gesetz unter anderem in Art. 271 ff. Bestimmungen zur Entlassung aus der elterlichen Sorge enthalte, die diejenigen im [X.] zu dieser Materie ersetzten und zum Teil von ihnen abwichen (vgl. [X.] Beschluss vom 5. September 2017 - 13 [X.]/17 - juris Rn. 13).

Das [X.] hat sich auf die Mitteilungen des [X.] der [X.] vom 3. Mai 2016 und der Botschaft der [X.] vom 30. September 2016 gestützt. Allerdings hatte Letztere noch unter dem 19. September 2016 erklärt, die Volljährigkeit werde „laut Zivilgesetzbuch mit 21 Jahren erreicht“. Angesichts dieser aus sich heraus unklaren Gesetzeslage, die zu divergierenden Beurteilungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung geführt hat, und den unterschiedlichen Auskünften der Behörden [X.]s durfte sich das [X.] nicht mit der ersichtlich auf einer vorläufigen Einschätzung beruhenden Auskunft des in Aussicht genommenen Gutachters begnügen, ihm scheine die Gesetzeslage klar zu sein. Vielmehr sind bei dieser Sachlage an die Ermittlungspflicht höhere Anforderungen zu stellen, die es gebieten, ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten einzuholen.

bb) Die Anwendbarkeit [X.] Rechts auf das Ende der Vormundschaft ergibt sich auch nicht aus Art. 13 Abs. 1 [X.], weil der Anwendungsbereich des [X.] Erwachsenenschutzübereinkommens in einem Fall wie dem vorliegenden nicht eröffnet ist (aA v. [X.] FamRZ 2015, 1822).

Nach Art. 1 Abs. 1 [X.] ist dieses Übereinkommen bei internationalen Sachverhalten auf den Schutz von Erwachsenen anzuwenden, die aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Eigenschaften nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen. Zwar ist gemäß Art. 2 Abs. 1 [X.] Erwachsener eine Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, und können die von Artikel 1 in Bezug genommenen Maßnahmen laut Art. 3 lit. c [X.] auch die Vormundschaft umfassen. Gleichwohl ist der Anwendungsbereich hier nicht eröffnet. Denn die Vormundschaft für den Betroffenen ist nicht wegen einer Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeit iSd Art. 1 Abs. 1 [X.] angeordnet worden. Die dort genannten Fähigkeiten sind nur persönlich, wenn sie zur Psyche oder zum Körper des Erwachsenen gehören, so dass nur Schutzmaßnahmen erfasst sind, die die Hilfsbedürftigkeit wegen einer psychischen oder körperlichen Behinderung oder Krankheit auffangen sollen (vgl. [X.] BT-Drucks. 16/3250 S. 33; [X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 1-4 [X.] Rn. 11; [X.]/[X.] Aufl. [X.]. Art. 24 [X.]BGB Rn. 2; [X.] FamRZ 2008, 1995, 1996 und 1999; [X.] 2017, 111; in diesem Sinn auch [X.] Beschluss vom 7. September 2017 - 18 [X.]/17 - juris Rn. 13). Um eine solche Hilfsbedürftigkeit handelt es sich bei der Minderjährigkeit jedoch nicht.

Nichts anderes folgt aus Art. 2 Abs. 2 [X.], der die Anwendung des Übereinkommens auf Maßnahmen sicherstellt, die hinsichtlich eines Erwachsenen zu einem Zeitpunkt getroffen worden sind, in dem er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (aA offensichtlich [X.]/v. [X.] BGB [2014] [X.] zu Art. 24 [X.]BGB Rn. 35a). Auch insoweit geht es allein um Maßnahmen in dem von Art. 1 Abs. 1 [X.] umschriebenen Rahmen. Denn mit Art. 2 Abs. 2 [X.] soll der Fall geregelt werden, dass die zuständigen Behörden in Anwendung des [X.] Maßnahmen getroffen haben, die auf den Schutz eines behinderten Kindes abzielen, wobei sie vorsehen, dass diese Maßnahmen nach der Volljährigkeit des Kindes weiterhin durchgeführt werden oder mit seiner Volljährigkeit wirksam werden ([X.] BT-Drucks. 16/3250 S. 33 f.); nach [X.] Recht kommen insoweit etwa eine gemäß § 1908 a BGB für einen 17-Jährigen eingerichtete, erst mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit wirksam werdende Betreuung, oder ein nach dieser Norm vor Vollendung des 18. Lebensjahres angeordneter Einwilligungsvorbehalt in Betracht.

c) Selbst wenn - wozu das [X.] keine Feststellungen getroffen hat - das für das Ende der für den Betroffenen angeordneten Vormundschaft ggf. gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]BGB anwendbare Recht der [X.] eine den §§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung enthalten sollte (vgl. dazu [X.] Beschluss vom 7. September 2017 - 18 [X.]/17 - juris Rn. 23, 25: Vormundschaft endet mit dem Eintritt der Volljährigkeit), kann die angefochtene Entscheidung keinen rechtlichen Bestand haben. Denn in jedem Fall hält die Annahme des [X.]s, dass der Betroffene mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig geworden sei, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das [X.] zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen auf der Grundlage ausreichender Ermittlungen zu treffen haben wird.

Dose     

      

[X.]     

      

Schilling

      

Nedden-Boeger     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 333/17

20.12.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 15. Mai 2017, Az: II-6 UF 175/16

§ 1773 Abs 1 BGB, § 1882 BGB, Art 7 Abs 1 BGBEG, Art 24 Abs 1 S 1 BGBEG, § 99 Abs 1 S 1 Nr 2 FamFG, § 152 Nr 4 FamFG, Art 8 Abs 1 EGV 2201/2003, Art 2 KSÜ, Art 5 KSÜ, Art 6 KSÜ, Art 15 Abs 1 KSÜ, Art 16 Abs 1 KSÜ, Art 12 Abs 1 FlüAbk, Art 1 Abs 1 ErwSchÜbk Haag, Art 13 Abs 1 ErwSchÜbk Haag

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2017, Az. XII ZB 333/17 (REWIS RS 2017, 283)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 409-410 REWIS RS 2017, 283


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 333/17

Bundesgerichtshof, XII ZB 333/17, 20.12.2017.


Az. 6 UF 175/16

Oberlandesgericht Hamm, 6 UF 175/16, 18.05.2016.


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