Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.03.2017, Az. 5 C 5/16

5. Senat | REWIS RS 2017, 13584

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rückforderung zu viel gezahlter Beihilfe; Zurechnung


Leitsatz

Adressat des Rückforderungsbegehrens aus § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist derjenige Beamte, der die in Rede stehende Geldleistung erlangt hat. Das ist nicht nur der Fall, wenn diese auf sein eigenes Konto überwiesen wurde, sondern auch dann, wenn sie einem fremden Konto gutgeschrieben wurde und er die Zahlung gegen sich gelten lassen muss.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von [X.], die ihm aufgrund gefälschter Zahnarztrechnungen zwischen Oktober 2003 und August 2008 gewährt wurden.

2

Er stand seit dem [X.] als Justizwachtmeister im Dienst des [X.]. Mit Ablauf des Monats Juni 2010 wurde er in den Ruhestand versetzt.

3

Im August 2008 fiel bei der [X.] auf, dass einem [X.] des [X.] eine gefälschte Zahnarztrechnung zugrunde lag. Daraufhin eingeleitete Ermittlungen ergaben, dass die Ehefrau des [X.] seit Juni 2002 in zahlreichen Fällen mit dem Namen des [X.] unterzeichnete [X.] unter Beifügung von gefälschten Zahnarztrechnungen eingereicht hatte. Diese Anträge waren von der in der Beihilfestelle tätigen Sachbearbeiterin [X.], einer Tante des [X.], entweder bewilligt oder in den Geschäftsgang gegeben worden. Die [X.] wurden jeweils auf das in den Anträgen angegebene Konto der Ehefrau ausgezahlt, für das sie allein verfügungsbefugt war, und von den beiden Frauen unter sich aufgeteilt.

4

Die Ehefrau des [X.] und die [X.] wurden wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen Bestechung beziehungsweise wegen Untreue und Bestechlichkeit rechtskräftig zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Die mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts gegen den Kläger erhobene [X.] wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Ehefrau des [X.] und die [X.] wurden als [X.] rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 555 287,95 € verurteilt. Eine gegen den Kläger erhobene Schadensersatzklage nahm der Beklagte zurück.

5

Mit Bescheid vom 4. Februar 2011 nahm das [X.] die im Einzelnen aufgeführten, zwischen dem 6. Oktober 2003 und dem 25. August 2008 erlassenen [X.] zurück, soweit diese auf gefälschten Zahnarztrechnungen beruhten. Der dagegen erhobene Widerspruch des [X.] ist ebenso erfolglos geblieben wie dessen Klage, Berufung und Revision.

6

Nach Anhörung des [X.] forderte das Landesverwaltungsamt [X.] mit Bescheid vom 2. März 2011 die zu Unrecht gewährte Beihilfe unter Abzug der bis dahin bereits erbrachten Teilzahlungen in Höhe von 550 283,96 € vom Kläger zurück. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht insoweit stattgegeben, als die Rückforderung einen Betrag von 198 229,56 € übersteigt, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die [X.] seien ihm gegenüber gemäß § 12 [X.] "zu viel gezahlt" worden. Der Kläger sei Empfänger der [X.], obwohl diese auf das Konto seiner Ehefrau gezahlt worden seien. [X.] aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei grundsätzlich der Adressat bzw. der Begünstigte des aufgehobenen Verwaltungsaktes. An diesen seien Leistungen auch dann gezahlt, wenn, wie hier, ein "Durchlaufempfänger" dazwischengeschaltet sei. Auf den Wegfall der Bereicherung könne er sich nicht berufen, weil er sich das Wissen seiner Ehefrau zurechnen lassen müsse und deshalb der verschärften Haftung gemäß § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB unterliege. Auch die Billigkeitsentscheidung sei nicht zu beanstanden.

7

Dagegen wendet sich die Revision des [X.], der insbesondere geltend macht, er habe nicht "etwas" im Sinne des § 812 BGB "erlangt", da er nicht bestimmt habe, dass die Zahlungen auf das Konto seiner Ehefrau erfolgen sollten. Der Beklagte müsse sich insoweit das Wissen seiner Mitarbeiterin [X.] zurechnen lassen. Der Kläger habe seine Ehefrau im Übrigen gerade nicht bevollmächtigt, betrügerisch erwirkte Zahlungen für ihn zu vereinnahmen oder strafbare Handlungen zu begehen. Er könne nicht für das Verhalten der [X.] oder das Organisationsverschulden des [X.] haften. Das kollusive Zusammenwirken der Täterinnen könne ihm nicht zugerechnet werden. Als Leistungsempfängerinnen könnten daher nur seine Ehefrau und [X.] angesehen werden. Darüber hinaus sei er entreichert, da seine Ehefrau und [X.] die erlangten Gelder ausgegeben hätten. Das Wissen seiner Ehefrau von der [X.] bzw. Rechtswidrigkeit der geleisteten Zahlungen könne ihm wegen des kollusiven Verhaltens seiner Ehefrau und [X.] nicht gemäß § 819 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. Er schulde die Rückzahlung der überzahlten Beträge auch nicht deshalb, weil ihm im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] der rechtliche Mangel der Zahlungen offensichtlich gewesen wäre, da er weder die Bescheide noch deren Inhalt gekannt habe oder habe kennen können. Jedenfalls sei die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] hier rechtsfehlerhaft, weil die besonderen Umstände der Taten, seine Gesundheits- und Lebenssituation und der Umstand, dass bereits Titel gegen die beiden Täterinnen bestünden, nicht berücksichtigt worden seien.

8

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit [X.]recht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dem Oberverwaltungsgericht ist nicht darin zu folgen, dass die von dem Beklagten getroffene Ermessensentscheidung über die Rückforderung gewährter Beihilfe fehlerfrei sei.

Die Rückforderung der Beihilfe findet, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, ihre Rechtsgrundlage in § 75 Abs. 2 des [X.] ([X.]) vom 19. März 2009 (GVBl. [X.]), der für die Rückforderung von Geldleistungen, die - wie hier - nicht Besoldung und Versorgung sind, § 12 des [X.]besoldungsgesetzes ([X.]) in der am 31. August 2006 geltenden Fassung, d.h. der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 ([X.]), für entsprechend anwendbar erklärt. Nach dessen Absatz 2 regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Satz 1). Von der Rückforderung kann aus [X.]n mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden (Satz 3). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die Rückforderung der im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Beihilfe von 198 229,56 € vorliegen (1.) und der Kläger richtiger Adressat der Rückforderung ist (2.). Die Ausschlusstatbestände des § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 814 sowie § 817 Satz 2 [X.] stehen der Rückforderung nicht entgegen (3.). Das Oberverwaltungsgericht ist ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht den Einwand des Wegfalls der Bereicherung geltend machen kann (4.). Allerdings ist die Ermessensentscheidung des Beklagten - entgegen der Ansicht des [X.] - ermessensfehlerhaft (5.).

1. Der Beklagte hat in der hier noch streitgegenständlichen Höhe zu viel Beihilfe im Sinne des § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] gezahlt.

Beihilfe ist im Sinne des § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu viel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2004 - 2 [X.] - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 31 S. 18). So war es hier. Das Landesverwaltungsamt des Beklagten hat mit Bescheid vom 4. Februar 2011 die [X.]e, mit denen die zurückgeforderte Beihilfe bewilligt und auf deren Grundlage sie ausgezahlt worden ist, zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Das hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in dem Verfahren [X.] 5 [X.] 4.16 entschieden. Auf die einschlägigen Erwägungen in den Gründen dieses Urteils wird verwiesen ([X.] ff.). Mit der rechtmäßigen Rücknahme der [X.]e entfiel der Rechtsgrund für die gezahlte Beihilfe.

2. Der Beklagte hat zu Recht den Kläger auf Rückzahlung der Beihilfe in Anspruch genommen.

Die Frage, wer zutreffender Adressat eines Rückforderungsbegehrens ist, bezieht sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] und ist deshalb allein nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben zu beantworten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rückforderung bezeichnet § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] mit der Wendung "zuviel gezahlter" Bezüge eigenständig und abschließend. Die Verweisung auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung beschränkt sich auf die Rechtsfolgen des Rückzahlungsanspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 [X.] 2.01 - [X.]E 116, 74 <77>). Das Merkmal "zuviel gezahlter" Bezüge hat eine doppelte Funktion. Es betrifft zum einen - wie aufgezeigt - das Erfordernis, dass die betreffenden Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht sein müssen. Zum anderen benennt es denjenigen, gegen den das Rückforderungsbegehren zu richten ist. Dieser ([X.] muss die in Rede stehende Geldleistung erlangt haben. Das ist nicht nur der Fall, wenn sie auf sein eigenes Konto überwiesen wurde, sondern auch dann, wenn sie einem fremden Konto gutgeschrieben wurde und er diese Zahlung gegen sich gelten lassen muss (vgl. [X.], Urteil vom 21. September 1989 - 2 [X.] 68.86 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 15 S. 10 ff.). Gemessen daran ist der Kläger zutreffender Adressat des Rückforderungsanspruchs. Die auf das Konto seiner Ehefrau überwiesenen [X.] hat er mit Blick auf die im Zusammenhang mit der Beantragung der Gewährung von Beihilfe jedenfalls von ihren Rechtsgedanken her anwendbaren zivilrechtlichen Grundsätze über das Handeln unter fremdem Namen (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2017 - 5 [X.] 4.16 - [X.]) gegen sich gelten zu lassen.

Wird bei der Nutzung eines fremden Namens bei dem Geschäftspartner der Anschein erweckt, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft geschlossen werden, und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, so finden nach der Rechtsprechung des [X.] die Regeln über die Stellvertretung und die zu den §§ 164 ff. [X.] entwickelten Grundsätze auch dann entsprechende Anwendung, wenn dem Handelnden ein Vertretungswille fehlte. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger regelmäßig nur dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2011 - [X.] - [X.]Z 189, 346 <351> m.w.[X.]). Gemessen an dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken muss sich der Kläger zurechnen lassen, dass seine Ehefrau in den von ihr gefertigten [X.]n ihr Konto als dasjenige angegeben hat, auf das die Beihilfe überwiesen werden solle.

Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des [X.] hat die Ehefrau die den Kläger als Antragsteller ausweisenden [X.] mit dessen Namenszug unterzeichnet. In den [X.]n war das Konto der Ehefrau als dasjenige angegeben, auf das die [X.] zu überweisen sei. Die Ehefrau hat die Beihilfestelle nicht lediglich über den Namen des Antragstellers, sondern über dessen Identität getäuscht. Den so hervorgerufenen Irrtum hielt sie auch im Folgenden aufrecht. Vom Empfängerhorizont eines unbeteiligten Organwalters im Dienste des Beklagten rührten die Anträge und damit auch die Bestimmung des [X.] von deren vermeintlichem Unterzeichner, dem Kläger, her. Aber auch nach der Vorstellung der insoweit bösgläubigen S. sollten die Anträge einschließlich der Angabe des [X.] für den Kläger als Beihilfeberechtigten gestellt werden.

Der Kläger ließ sich in [X.] auch durch seine Ehefrau vertreten. Nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des [X.] hatte der Kläger seine Ehefrau über eine Bevollmächtigung gemäß § 14 Abs. 1 VwVfG zur Vornahme von Verfahrenshandlungen im Verwaltungsverfahren hinaus konkludent zur umfassenden Wahrnehmung seiner [X.] ermächtigt, indem er dieser von der Zahlung der Arztrechnungen über die Ausfüllung und Einreichung der [X.] bis zur Zahlung der Beihilfe auf ihr Konto alle damit zusammenhängenden Aufgaben überließ, ohne sich in irgendeiner Weise darum zu kümmern. Die Ehefrau des [X.] hatte damit zumindest eine ähnliche Stellung wie eine Vertreterin im Sinne der §§ 164 ff. [X.].

Die Zurechnung des Handelns der Ehefrau ist auch nicht wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht ausgeschlossen. Das Risiko, dass der Vertreter die ihm eingeräumte Vertretungsmacht nach außen hin missbraucht, trägt in der Regel der Vertretene. Die pflichtwidrige Nichtbeachtung im Innenverhältnis bestehender Bindungen durch den Vertreter lässt dessen Vertretungsmacht im Außenverhältnis grundsätzlich unberührt. Dass der Kläger, wovon hier auszugehen ist, seine Ehefrau allein mit der Regelung seiner [X.], nicht hingegen auch mit der Einreichung und Abrechnung gefälschter Arztrechnungen betraut hatte, hindert somit eine Zurechnung grundsätzlich nicht, da diese Maßstäbe allein das der Vollmachtserteilung zugrunde liegende Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau betreffen.

Etwas anderes gilt nach zivilrechtlichen Grundsätzen, wenn der Vertreter kollusiv mit dem "Gegenüber" zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirkt oder von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht. Nach diesen Maßstäben unterliegt ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Vertreter und dem "Gegenüber" mit dem Ziel einer Schädigung des Vertretenen als Verstoß gegen die guten Sitten der Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 [X.] ([X.], Urteile vom 5. November 2003 - [X.] - NJW-RR 2004, 247 <248> und vom 28. Januar 2014 - [X.] - ZIP 2014, 615 <616>). Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsfigur in dem hier maßgeblichen Zusammenhang überhaupt Anwendung findet. Die Voraussetzungen einer Kollusion im vorgenannten Sinne liegen jedenfalls schon deshalb nicht vor, weil das einverständliche Zusammenwirken zwischen der S. und der Ehefrau des [X.] nicht mit dem Ziel einer Schädigung des [X.], sondern des Beklagten erfolgte. Die Anträge auf Bewilligung von Beihilfe waren auf den Erlass begünstigender Verwaltungsakte und damit nicht auf einen die Annahme einer Kollusion allein rechtfertigenden unmittelbaren Nachteil des [X.] gerichtet. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der in den Anträgen enthaltenen Bitte, die Beihilfe auf ein anderes Konto als das Gehaltskonto des [X.] zu überweisen.

3. Die Rückforderung der zu viel gezahlten Beihilfe ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht nach § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 814 [X.] oder § 817 Satz 2 [X.] ausgeschlossen. Die zuletzt genannten Bestimmungen regeln nicht den Umfang der Erstattung, sondern schließen den Bereicherungsanspruch dem Grunde nach aus. Sie sind deshalb von der den Umfang des Rückerstattungsanspruchs betreffenden Verweisung des § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht erfasst. Eine entsprechende Ergänzung des [X.] lässt § 12 Abs. 2 [X.] nicht zu (vgl. [X.], Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 [X.] 2.01 - [X.]E 116, 74 <77>).

4. Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht auf den Wegfall der Bereicherung im Sinne des § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 818 Abs. 3 [X.] berufen.

Aus § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 819 Abs. 1 Alt. 1 und § 818 Abs. 4 [X.] folgt insbesondere, dass sich derjenige nicht auf den Wegfall der Bereicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 [X.] berufen kann, der den Mangel des rechtlichen Grundes kannte. Die Voraussetzungen dieser verschärften Haftung lagen bei dem Kläger vor. Die verschärfte Haftung verlangt keine genaue Rechtskenntnis. Erforderlich und ausreichend ist, dass der Empfänger das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gekannt hat. Die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des [X.] beruht, reicht hingegen nicht aus ([X.], Urteile vom 17. Juni 1992 - [X.] - [X.]Z 118, 383 <392>, vom 12. Juli 1996 - [X.] - [X.]Z 133, 246 <250> und Beschluss vom 12. November 2009 - [X.]/09 - juris Rn. 4). Der Kenntnis des Empfängers steht die Kenntnis der Person gleich, derer sich der Empfänger zur Erledigung seiner Aufgaben bedient. Das folgt aus der im Rahmen des § 819 Abs. 1 [X.] entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 166 [X.]. Dieser Vorschrift ist der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen unabhängig von einem Vertretungsverhältnis zurechnen lassen muss. Er kann sich nicht auf seine eigene Unkenntnis berufen (stRspr, vgl. etwa [X.], Urteile vom 25. März 1982 - [X.]/81 - [X.]Z 83, 293 <295 f.> und vom 23. Januar 2014 - [X.] - NJW 2014, 1294 Rn. 11 sowie dem folgend [X.], Beschluss vom 21. Dezember 1990 - 3 B 47.89 - [X.] 316 § 48 VwVfG Nr. 64 S. 10 und Urteil vom 17. Dezember 2003 - 2 [X.] - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 30 S. 17).

Das Oberverwaltungsgericht hat in Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen zutreffend angenommen, dass sich der Kläger das Wissen seiner Ehefrau von der Rechtswidrigkeit ihres Handelns und der sich daraus ergebenden [X.] der überwiesenen Beihilfe anrechnen lassen muss. Er hat seiner Ehefrau - wie dargelegt - die Wahrnehmung seiner [X.] übertragen. Dass diese bei Ausübung des ihr übertragenen Wirkungskreises ihre Vertretungsmacht überschritten hat, ist für die Wissenszurechnung ohne Belang. Denn die Zurechnung entsprechend § 166 [X.] knüpft nicht an ein Vertretungsverhältnis an. Aus dem gleichen Grund erübrigt sich auch in diesem Zusammenhang ein Eingehen auf die zum Recht der Stellvertretung entwickelten Grundsätze des kollusiven Zusammenwirkens.

Die verschärfte Haftung des [X.] scheitert auch nicht an der Kenntnis des Beklagten vom Mangel des rechtlichen Grundes. Sie entfällt grundsätzlich, wenn der Leistende den Mangel des [X.] kennt oder der Empfänger eine solche Kenntnis bei ihm annimmt, wobei sich der Leistende die Kenntnis seines Vertreters entsprechend § 166 [X.] zurechnen lassen muss ([X.], Urteil vom 10. Dezember 1998 - [X.] - NJW 1999, 1024 <1025>). Trotz Kenntnis des Leistenden vom Mangel des [X.] bleibt es ausnahmsweise bei der verschärften Haftung des Empfängers, wenn der Mangel des [X.] darauf beruht, dass der Empfänger mit dem Vertreter des Leistenden kollusiv zusammengewirkt hat, es sei denn der Leistende hätte die Leistung auch in Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes erbracht ([X.], Urteil vom 9. Mai 2014 - [X.]/12 - NJW 2014, 2790 <2794> m.w.[X.]). Hier kann offenbleiben, ob für die Kenntnis vom Mangel des [X.] auf Seiten des Beklagten auf den Sachbearbeiter abzustellen ist, der den [X.] tatsächlich erlassen hat, aufgrund dessen die zurückgeforderte Beihilfe ausgezahlt wurde, oder ob es - wie vom Kläger vertreten - genügt, dass ein anderer Mitarbeiter über das entsprechende Wissen verfügt hat. In beiden Fällen bleibt es dabei, dass der Kläger der verschärften Haftung unterliegt.

Im ersten Fall wäre dem Beklagten die [X.] seiner Überweisungen nicht bekannt gewesen. Denn die [X.]e, auf denen die Zahlung der hier noch streitgegenständlichen Beihilfe beruht, wurden nicht von der S., sondern anderen Sachbearbeitern erlassen, die keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bescheide hatten. Im zweiten Fall hätte der Beklagte zwar über die S. Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes gehabt. Er hätte sich deren Wissen aber nicht zurechnen lassen müssen. Denn die S. hat mit der Ehefrau des [X.] kollusiv zum Nachteil des Beklagten zusammengewirkt und der Beklagte hätte zweifelsfrei die Beihilfe nicht ausgezahlt, wenn er von den gefälschten Arztrechnungen gewusst hätte.

5. Das angefochtene Urteil steht hingegen mit [X.]recht insoweit nicht im Einklang, als es entscheidungstragend davon ausgeht, die von dem Beklagten hinsichtlich der Rückforderung nach § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu treffende Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden.

Nach § 75 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] kann von der Rückforderung aus [X.]n mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Bei § 12 Abs. 2 Satz 3 [X.] handelt es sich um eine einheitliche Ermessensvorschrift, d.h. die Billigkeitsentscheidung ragt in den Bereich des Ermessens hinein und bestimmt damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 19. Oktober 1971 - [X.] 3/70 - [X.]E 39, 355 <366>). Dementsprechend hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Berücksichtigung etwaiger [X.] zu entscheiden (vgl. [X.], Urteile vom 27. Februar 1992 - 2 [X.] 28.91 - [X.] 240 § 59 [X.] Nr. 7 S. 11, vom 26. April 2012 - 2 [X.] 15.10 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 35 Rn. 31 und vom 26. April 2012 - 2 [X.] 4.11 - juris Rn. 19 und 25). Die Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in den Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (stRspr, vgl. z.B. [X.], Urteile vom 26. April 2012 - 2 [X.] 15.10 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 35 Rn. 24 und vom 15. November 2016 - 2 [X.] 9.15 - juris Rn. 32, jeweils m.w.[X.]). Da eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des erstattungspflichtigen Beamten den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich ihre Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel des Widerspruchsbescheids. Maßgebend ist die Erkenntnislage der Behörde zu diesem Zeitpunkt. Auch der gerichtlichen Überprüfung der Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren ([X.], Urteil vom 25. Januar 2001 - 2 A 7.99 - [X.] 240 § 12 [X.] Nr. 27 S. 10).

Diesen Anforderungen genügt die insbesondere in dem Widerspruchsbescheid getroffene Ermessensentscheidung nicht. Die dort niedergelegten Ermessenserwägungen sind unzureichend. Sie berücksichtigten nicht alle wesentlichen Billigkeitsaspekte des vorliegenden Falles. Der Beklagte hat insbesondere nicht gewürdigt, dass der Kläger weder von den Bestechungs- und Täuschungshandlungen seiner Ehefrau noch von den darauf beruhenden [X.]en und Zahlungen Kenntnis hatte. Dieser Umstand hätte als wesentlicher Gesichtspunkt in die Ermessenserwägungen einfließen müssen, auch wenn er nicht zwingend gebietet, von der Rückforderung insgesamt oder teilweise endgültig abzusehen. Ebenso wenig hat der Beklagte die Bedeutung des [X.] der S. an der Überzahlung in seine Erwägungen eingestellt und gewichtet. Gleiches gilt für den Umstand, dass er in Höhe des gesamten [X.] bereits einen rechtskräftigen Titel gegen die als [X.] zu Schadensersatz verurteilte Ehefrau des [X.] und S. besaß. Zudem fehlen hinreichende Ermessenserwägungen zu den persönlichen Lebensumständen und der wirtschaftlichen Situation des [X.] sowie zu den wirtschaftlichen Folgen der Rückforderung. Die Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte war auch nicht entbehrlich. Denn die von dem Beklagten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung bisher gewürdigten Aspekte (Verletzung der dem Kläger obliegenden beamtenrechtlichen Sorgfaltspflichten, Dauerhaftigkeit und [X.] der Einreichung falscher Arztrechnungen und Schadenshöhe) zu Lasten des [X.] gebieten nicht die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null im Sinne der getroffenen Entscheidung.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

5 C 5/16

22.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 26. November 2015, Az: OVG 7 B 5.15, Urteil

§ 12 Abs 2 S 1 BBesG, § 12 Abs 2 S 3 BBesG, § 75 Abs 2 BG BE 2009, § 812 BGB, § 164 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.03.2017, Az. 5 C 5/16 (REWIS RS 2017, 13584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13584

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

Au 2 K 17.1634 (VG Augsburg)

Rückforderung von Beihilfeleistungen an geschiedene Ehefrau wegen fehlender Billigkeitserwägungen rechtswidrig


B 5 K 17.535 (VG Bayreuth)

Rückforderung von Beihilfeleistungen


5 C 4/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Rücknahme von durch Bestechung und arglistige Täuschung erwirkten Beihilfebescheiden; Zurechnung


5 K 2939/19 (Verwaltungsgericht Münster)


14 CS 15.1273 (VGH München)

Rückforderung von Beihilfeleistungen - Anforderungan an die Rückforderung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.