10. Senat | REWIS RS 2020, 3721
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(Übergangener Beweisantrag; keine Rügeobliegenheit nach § 295 ZPO bei ausdrücklichem Hinweis des FG auf die fehlende Erforderlichkeit der beantragten Beweiserhebung)
1. NV: Wenn das Gesetz lediglich die Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung fordert, darf ein Gericht --eidesstattliche oder schlichte-- Erklärungen der Beteiligten oder dritter Personen jedenfalls dann, wenn keine objektiven Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen, nicht von vornherein als Mittel der Glaubhaftmachung ausschließen.
2. NV: Das Recht eines Rechtsmittelführers, das Übergehen eines Beweisantrags durch das FG als Verfahrensmangel zu rügen, geht auch dann, wenn in der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine ausdrückliche Rüge unterblieben ist, nicht nach § 295 ZPO verloren, wenn das FG dem späteren Rechtsmittelführer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verdeutlicht hat, dass es die beantragte Beweiserhebung nicht für erforderlich hält (Fortführung u.a. des BFH-Beschlusses vom 26.11.2008 - IX B 122/08, BFH/NV 2009, 600).
3. Nach Zurückverweisung durch den BFH wurde der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung beim FG übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Kosten wurden dem Beklagten auferlegt (Beschluss vom 07.07.2022 - nicht dokumentiert).
Auf die Beschwerde des [X.] wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 17.10.2019 - 4 K 1426/18 aufgehoben.
Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
I.
Gegen den Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) hat der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) am 21.02.2017 Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2013 und 2014 erlassen. Am 03.04.2017 ging der Einspruch des [X.] beim [X.] ein.
Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand wegen der versäumten Einspruchsfrist behauptete der Kläger, er habe sich vom 19.02.2017 bis zum 25.03.2017 in [X.] aufgehalten, um seine pflegebedürftige [X.]utter ([X.]) zu betreuen. Er legte hierzu innerhalb der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist eine eidesstattliche Versicherung seiner in [X.] wohnhaften [X.]ante ([X.]) vor, in der es heißt, der Kläger sei mehrmals im Jahr zu [X.]esuch, um die pflegebedürftige [X.] zu betreuen. Er habe vom 19.02.2017 bis zum 25.03.2017 bei [X.] gewohnt. Ferner wies der Kläger auf die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) hin, wonach Privatleute bei Abwesenheitszeiten bis zur Dauer üblicher Urlaubsreisen keine besonderen Vorkehrungen im Hinblick auf den Zugang fristauslösender [X.]chriftstücke treffen müssten.
Das [X.] verwarf den Einspruch als unzulässig. Der Kläger habe den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Er habe trotz entsprechender Aufforderung des [X.] keine weiteren [X.]eweismittel vorgelegt, die seinen Aufenthalt in [X.] hätten dokumentieren können (z.[X.]. Flugtickets, [X.]ahnfahrkarten, [X.], [X.]). Darüber hinaus wies das [X.] ausdrücklich darauf hin, dass die angefochtenen [X.]escheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden und daher unabhängig von der Unzulässigkeit des Einspruchs jederzeit ein Änderungsantrag gestellt werden könne.
Während des anschließenden finanzgerichtlichen Verfahrens legte der --in [X.] wohnhafte-- Kläger diverse Unterlagen vor, die seiner Auffassung nach seine Fahrt nach [X.] und seinen dortigen Aufenthalt belegen könnten.
Ferner legte der Kläger eine schriftliche Erklärung seines [X.]ruders ([X.]) vor, wonach dieser den Kläger am 19.02.2017 in der Nähe von [X.] getroffen habe und dann mit ihm gemeinsam zu [X.] gefahren sei. [X.] sei am 23.03.2017 nach [X.] zurückgefahren. Der Kläger sei noch bis zum 25.03.2017 bei [X.] geblieben.
Aus den Kontoauszügen und [X.], die von dem [X.] ([X.]) angefordert wurden, ergeben sich darüber hinaus weder Hinweise auf einen Aufenthalt des [X.] in [X.] noch --mit Ausnahme einer in der [X.]undesrepublik [X.] ([X.]) vorgenommenen [X.]argeldabhebung von 1.300 € am 15.03.2017-- Hinweise auf einen Aufenthalt des [X.] in [X.] im maßgebenden Zeitraum. Zu der genannten [X.]argeldabhebung hat der Kläger behauptet, er habe seine Kreditkarte vor Antritt seiner Reise seinem 13-jährigen [X.] ([X.]) übergeben, damit dieser sich mit [X.]argeld versorgen könne. [X.] habe dann in [X.]egleitung des bereits volljährigen [X.]tiefsohnes des [X.] die Abhebung vom 15.03.2017 getätigt.
Der Kläger benannte [X.] schriftsätzlich als Zeugen sowohl für die [X.]argeldabhebung als auch für den Aufenthalt des [X.] in [X.]. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] (P) erschien krankheitsbedingt nicht zur mündlichen Verhandlung; der Kläger erklärte sich aber mit der Durchführung der Verhandlung einverstanden.
Das [X.] wies die Klage --ohne Vernehmung des [X.]-- ab. Die eidesstattlichen Versicherungen der [X.] und des [X.] seien zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds nicht geeignet, da der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, dass ihm keine anderen objektiven [X.]eweismittel zur Verfügung stünden.
[X.]it seiner [X.]eschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache, Divergenz und eines Verfahrensmangels.
Das [X.] hält die [X.]eschwerde für unbegründet.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein vom Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).
1. Das [X.] hat seine aus § 76 Abs. 1 [X.]O folgende [X.]flicht zur [X.]achaufklärung verletzt, indem es den vom Kläger gestellten Antrag auf Vernehmung des [X.] übergangen hat.
a) Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende [X.]atsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. [X.]enatsbeschluss vom 12.02.2018 - X B 64/17, [X.], 538, Rz 11, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich des im [X.]treitfall gestellten Beweisantrags vor. Insbesondere war eine Vernehmung des zum Haushalt des [X.] gehörenden [X.] offenkundig geeignet, Erkenntnisse zu der behaupteten und entscheidungserheblichen durchgehenden Abwesenheit des [X.] im Zeitraum vom 19.02.2017 bis zum 25.03.2017 sowie zu der Bargeldabhebung vom 15.03.2017 zu erbringen.
b) Zwar hat das [X.] vorrangig angeführt, der Kläger habe seinen behaupteten Aufenthalt in [X.] mittels objektiver Beweismittel glaubhaft zu machen (so [X.]. 8 des [X.]-Urteils). Doch stellt das [X.] darüber hinaus zutreffend darauf ab, dass der Kläger glaubhaft machen müsse, zum angegebenen Zeitraum nicht an seinem ständigen Wohnort in [X.] gewesen zu sein ([X.]. 7 und 9 des [X.]-Urteils). Folglich kam es nach der Rechtsansicht des [X.] nicht nur auf eine Glaubhaftmachung der Anwesenheit in [X.], sondern auch auf eine Glaubhaftmachung der Abwesenheit von der Wohnung in [X.] an. Insoweit stellt die Zeugenvernahme des [X.] ein geeignetes und erhebliches Beweismittel dar.
c) [X.]ollte das Unterbleiben der beantragten Zeugenvernehmung --Gleiches gilt für die unterlassene Würdigung der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der [X.] und der schriftlichen Erklärung des B-- darauf beruhen, dass das [X.] sich durch die von ihm angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung an der Erhebung des beantragten Beweises und der Verwertung der vorgelegten Erklärungen gehindert gesehen hat, wäre diese Rechtsansicht nicht allein entscheidungserheblich gewesen und im Übrigen die vom [X.] vorgenommene Interpretation dieser Rechtsprechung unzutreffend.
Im [X.]-Beschluss vom 11.02.1976 - 2 BvR 849/75 ([X.] 41, 332) hat das [X.] sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob neben einer eidesstattlichen Versicherung noch weitere Mittel der Glaubhaftmachung erforderlich sind. Nach der bis dahin bestehenden Rechtsprechung des [X.] wurde dies nicht verlangt. Mit dem genannten Beschluss hat das [X.] die von ihm gestellten Anforderungen --im Anschluss an eine Gesetzesänderung-- zwar verschärft. Es hat aber ausdrücklich ausgeführt, der dortige Beschwerdeführer hätte seine schlichte Behauptung entweder durch objektive Beweismittel (z.B. Fahrkarten, Rechnungen des dortigen Reiseveranstalters) oder durch eidesstattliche Versicherungen (im dortigen Fall z.B. von Mitreisenden oder Freunden bzw. vom Arbeitgeber) belegen können. Dies zeigt, dass das [X.] zusätzliche Erklärungen [X.] nun eidesstattliche Versicherungen dritter [X.]ersonen oder Zeugenaussagen-- neben der eigenen Erklärung desjenigen Beteiligten, der die Wiedereinsetzung begehrt, nicht etwa von vornherein ausschließen will.
Von dem im vorstehenden Absatz genannte [X.]-Beschluss geht auch der --vom [X.] im angefochtenen Urteil zitierte-- [X.]enatsbeschluss vom 13.12.2001 - X R 42/01 ([X.] 2002, 533) ausdrücklich aus. Dort hat der [X.]enat unter entsprechender Bezugnahme auf die Entscheidung des [X.] in [X.] 41, 332 den Rechtssatz aufgestellt, dass eine eidesstattliche Versicherung nur dann "uneingeschränkt" zur Glaubhaftmachung geeignet sei, wenn keine objektiven Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stünden. Dem lag ein Fall zugrunde, in dem ein [X.]rozessbevollmächtigter zwar behauptet hatte, einen fristgebundenen [X.]chriftsatz an einem bestimmten [X.]ag zur [X.]ost gegeben zu haben, das --von ihm nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu [X.] aber nicht vorgelegt hatte. Damit ist der [X.]treitfall nicht vergleichbar, da der Kläger als [X.]rivatperson keiner [X.]flicht zur förmlichen Dokumentation seiner Reisen unterlag. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der [X.]enat mit dieser Entscheidung die in der [X.]-Rechtsprechung gestellten, aber auch ausreichenden --und verfassungsrechtlich abgeleiteten bzw. begrenzten-- Anforderungen an die Glaubhaftmachung hat verschärfen wollen.
Im vom [X.] zitierten [X.]-Beschluss vom 10.10.2003 - VI B 95/03 ([X.] 2004, 219), der wiederum auf den [X.]enatsbeschluss in [X.] 2002, 533 Bezug nimmt, hatte der dortige [X.]rozessbevollmächtigte ebenfalls nur eine eigene Erklärung abgegeben. Die vom [X.] dort angeforderten weiteren Mittel der Glaubhaftmachung ([X.]elefax-[X.]rotokolle, eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten) wurden hingegen nicht vorgelegt, obwohl sie bei einem professionellen [X.]rozessbevollmächtigten --anders als bei einer [X.]rivatperson wie dem Kläger-- vorhanden sein müssen.
Auch im Beschluss vom 13.10.2005 - IV B 21/05 ([X.] 2006, 328) hätte es der [X.] ausdrücklich ausreichen lassen, wenn der dortige Antragsteller neben der eigenen Erklärung seines [X.]rozessbevollmächtigten noch eine eidesstattliche Versicherung von dessen Büroangestellter vorgelegt hätte. Daraus folgt, dass Erklärungen als Mittel der Glaubhaftmachung nicht stets ausgeschlossen sind.
In Ausnahmefällen kann sogar eine schlichte Erklärung des Beteiligten zur Glaubhaftmachung ausreichen ([X.]-Beschluss vom 26.03.1997 - 2 BvR 842/96, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 1770, unter III.1.).
d) Entgegen der Auffassung des [X.] hat der Kläger sein [X.] nicht verloren.
aa) Nach § 295 der Zivilprozessordnung (Z[X.]O), der über § 155 [X.]atz 1 [X.]O sinngemäß auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (ständige Rechtsprechung seit dem [X.]-Beschluss vom 05.10.1967 - V B 29/67, [X.]E 90, 452, B[X.]tBl II 1968, 179), kann die Verletzung einer --verzichtbaren-- Verfahrensvorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn der Beteiligte bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Der [X.]enat kann offenlassen, ob diese Vorschrift --entgegen ihrem Wortlaut, der eine "nächste" mündliche Verhandlung voraussetzt-- auch dann anzuwenden ist, wenn sich der gerichtliche Verfahrensfehler und das Unterbleiben einer Rüge --wie hier-- in "derselben" mündlichen Verhandlung ereignen (ebenso bereits [X.]enatsbeschluss vom 11.12.2019 - X B 40/19, [X.] 2020, 231, Rz 33).
bb) Gleichfalls kann der [X.]enat offenlassen, ob § 295 Z[X.]O überhaupt anwendbar ist, wenn der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht durch einen [X.]rozessbevollmächtigten vertreten ist.
Die wohl überwiegende Auffassung im [X.] --der auch der beschließende [X.]enat [X.] verneint diese Frage (tragend z.B. [X.]-Entscheidungen vom 13.03.1996 - II R 39/94, [X.] 1996, 757, und vom 25.05.2011 - VI B 3/11, [X.] 2012, 46, Rz 7; gleichlautend, aber nicht tragend [X.]-Beschluss vom 16.02.1998 - VIII B 46/97, [X.] 1998, 875). Auch nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08, [X.], 862, Rz 46 f.) darf die Vorschrift des § 295 Z[X.]O bei nicht vertretenen Beteiligten nicht überdehnt werden. Die Gegenauffassung wendet § 295 Z[X.]O hingegen auch zu Lasten von nicht vertretenen Beteiligten an ([X.]-Beschluss vom 25.10.2005 - VII B 316/04, [X.] 2006, 341, unter II.2.). Nach einer vermittelnden Auffassung soll das [X.] bei einem nicht vertretenen Beteiligten nur dann verloren gehen, wenn der betreffende [X.] bei einer [X.]arallelwertung in der [X.] erkennbar war; in den konkret entschiedenen Fällen hat der [X.] jeweils die Erkennbarkeit für einen Laien bejaht ([X.]-Beschluss vom 01.12.2011 - I B 80/11, [X.] 2012, 954, Rz 7; im Ergebnis wohl auch [X.]-Beschluss vom 29.10.2008 - VII B 46/08, [X.] 2009, 120, unter II.3.; vgl. auch Urteil des [X.] vom 02.07.1976 - VI C 4.76, BVerwGE 51, 66).
cc) Vorliegend hat der Kläger im Beschwerdeverfahren vorgetragen, er habe das [X.] während der mündlichen Verhandlung daran erinnert, dass [X.] vor dem [X.]itzungssaal auf seine Vernehmung warte. Darin läge eine in laienhafter Weise vorgenommene Rüge der Nichtvernehmung des [X.], was für den Nichteintritt der Rechtsfolge des § 295 Z[X.]O nach allen vertretenen Auffassungen genügt.
Der [X.]enat geht davon aus, dass diese Behauptung des [X.] der Wahrheit entspricht, auch wenn sie nicht im [X.]rotokoll der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] enthalten ist.
(1) Unstreitig hatte der Kläger die Vernehmung des [X.] in seinen vorbereitenden [X.]chriftsätzen beantragt. Ebenso ist aktenkundig, dass die Berichterstatterin des [X.] [X.] am 10.10.2019 --eine Woche vor der mündlichen [X.] angerufen hatte. Dabei ist nach dem Inhalt des von der Berichterstatterin angefertigten Gesprächsvermerks zwar zunächst kein direkter Kontakt zwischen ihr und [X.] zustandegekommen; vielmehr hat sie lediglich auf den Anrufbeantworter des [X.] gesprochen. Dort hat sie die Nachricht hinterlassen, der Kläger könne [X.] als Zeugen zur mündlichen Verhandlung mitbringen. Darüber hinaus hat der Kläger vorgetragen, [X.] habe am [X.] bei der Berichterstatterin zurückgerufen. In diesem [X.]elefonat --über das in der [X.]-Akte kein Vermerk vorhanden ist-- habe die Berichterstatterin gefragt, ob angesichts des unmittelbar bevorstehenden [X.]ermins auf eine förmliche Ladung des [X.] verzichtet werden könne. Es sei dann vereinbart worden, dass [X.] als präsenter Zeuge zum [X.]ermin mitgebracht werde.
Zumindest die vom [X.] ausgegangene Anregung, der Kläger könne [X.] als präsenten Zeugen mitbringen, wird damit von [X.] und von der Berichterstatterin des [X.] übereinstimmend dargestellt und somit vom beschließenden [X.]enat zugrunde gelegt.
(2) Darüber hinaus hat der [X.]enat keinen Zweifel daran, dass der Kläger den [X.] zur mündlichen Verhandlung mitgebracht hat und [X.] während der Verhandlung vor dem [X.]itzungssaal auf seinen Aufruf wartete.
Nach dem Inhalt des [X.]elefongesprächs vom 10.10.2019 --sowohl bei Zugrundelegung der Version des Aktenvermerks als auch der Version des [X.]-- war zu erwarten, dass [X.] als präsenter Zeuge zur mündlichen Verhandlung gestellt würde. Das [X.] hat auf Anfrage des [X.]enats erklärt, sein [X.]erminsvertreter habe den Kläger auf dem Flur vor dem Verhandlungssaal zusammen mit einer jungen männlichen [X.]erson gesehen, ohne aber angeben zu können, ob es sich dabei um [X.] gehandelt habe. Die drei berufsrichterlichen Mitglieder des beim [X.] entscheidenden [X.]enats konnten hierzu keine eigenen Erkenntnisse mitteilen. Damit stehen die Erklärungen des [X.] und der Mitglieder des [X.]-[X.]enats dem --vom [X.]enat insoweit für höchst plausibel gehaltenen-- [X.]achverhaltsvortrag des [X.] zur Anwesenheit des [X.] nicht entgegen.
(3) Darüber hinaus legt der [X.]enat seiner Entscheidung aber auch die vom Kläger vorgebrachte Behauptung zugrunde, er habe das [X.] an die Vernehmung des vor dem [X.]itzungssaal wartenden [X.] erinnert. Da für den [X.]enat feststeht, dass die Vernehmung des [X.] schriftsätzlich beantragt war, die Berichterstatterin dem [X.] eine Woche vor dem [X.]ermin wegen dieser Frage zumindest eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, und [X.] während der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]itzungssaal auf seinen Aufruf wartete, erschiene es dem [X.]enat als ausgesprochen lebensfremd, wenn der Kläger, der um die Bedeutung einer Aussage des [X.] wusste, das Gericht während der mündlichen Verhandlung nicht auf die Anwesenheit und das Erfordernis der Vernehmung des [X.] hingewiesen hätte.
Diese [X.]achverhaltsannahme des [X.]enats wird durch die Antworten der Beteiligten und der seinerzeitigen Mitglieder des beim [X.] entscheidenden [X.]pruchkörpers auf die entsprechende gerichtliche Anfrage nicht ausgeschlossen. Zwar hat sich der [X.]erminsvertreter des [X.] an Hinweise oder Anträge des [X.] zur Vernehmung des [X.] nicht erinnern können. Demgegenüber hat es der Vorsitzende des [X.]-[X.]enats für "denkbar" gehalten, dass der Kläger zu [X.]itzungsbeginn auf die Anwesenheit des [X.] im Zeugenbereich vor dem [X.]itzungssaal hingewiesen habe. Die Berichterstatterin hat erklärt, der Kläger habe im Verlauf der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass [X.] mit ihm gekommen sei. Der Kläger habe allerdings nicht zu verstehen gegeben, dass er die Vernehmung des [X.] wünsche. Im Gegensatz dazu konnte der berufsrichterliche Beisitzer sich ausdrücklich daran erinnern, dass der Kläger ein mögliches Zeugnis des [X.] angesprochen habe.
dd) Unabhängig davon ist der [X.]enat nach Einholung der Erklärungen der Mitglieder des [X.]-[X.]enats der Auffassung, dass eine Rügeobliegenheit des [X.] im vorliegenden Fall auch aus Rechtsgründen nicht bestanden hat.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine ausdrückliche Rüge zur Vermeidung des Eintritts der in § 295 Z[X.]O vorgesehenen Rechtsfolge jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn das [X.] in seinem Urteil begründet, weshalb es von der Beweiserhebung abgesehen hat. Grund hierfür ist, dass eine Rüge lediglich eine überflüssige [X.] darstellen würde, wenn bereits aus dem Urteil selbst hervorgeht, dass dem [X.] die Existenz des angebotenen Beweismittels bewusst war (vgl. nur [X.]-Beschlüsse vom 26.11.2008 - IX B 122/08, [X.] 2009, 600, m.w.N.; vom 29.06.2011 - X B 242/10, [X.] 2011, 1715, Rz 10 ff., und vom 06.08.2018 - X B 22/18, [X.], 1237, Rz 24).
Vorliegend hat der Vorsitzende des [X.]-[X.]enats auf Anfrage mitgeteilt, der dortige [X.]enat habe während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung über die Frage beraten, ob [X.] von Amts wegen zu vernehmen sei. Dies sei vom [X.]enat verneint worden. Der Vorsitzende geht davon aus, dass er dem Kläger in diesem Zusammenhang verdeutlicht habe, der [X.]enat erachte eine förmliche Beweiserhebung nicht für notwendig. Hierfür sei eine Erinnerung an die behauptete Anwesenheit des [X.] vor dem [X.]itzungssaal mit [X.]icherheit nicht erforderlich gewesen.
Wenn der Vorsitzende des [X.] dem Kläger aber während der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verdeutlicht hat, dass der [X.]enat die Vernehmung des [X.] nicht für erforderlich hält, dann durfte umgekehrt auch der Kläger --wie der Vorsitzende des [X.] selbst ausführt-- eine ausdrückliche Erinnerung/Rüge nicht für erforderlich halten. In einer solchen [X.]ituation stellt sich eine Rüge noch wesentlich eindeutiger als in den vom [X.] bereits entschiedenen Fällen, in denen die Kenntnis des [X.] von dem Beweismittel erst aus den Urteilsgründen hervorgeht, als "überflüssige [X.]" dar.
2. Der [X.]enat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 [X.]O zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.
4. Von einer weiteren Darstellung des [X.]achverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der [X.]enat gemäß § 116 Abs. 5 [X.]atz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.
Meta
17.12.2020
Beschluss
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 17. Oktober 2019, Az: 4 K 1426/18, Urteil
§ 76 Abs 1 FGO, § 295 ZPO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.12.2020, Az. X B 154/19 (REWIS RS 2020, 3721)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 3721
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VIII B 121/20 (Bundesfinanzhof)
Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Einwurfs einer angeblich auf dem Postweg verlorengegangenen Sendung durch den Bevollmächtigten
Durchgreifende Verfahrensrüge unterlassener Sachaufklärung - kein Verlust des Rügerechts
Rüge der verfahrensfehlerhaften Unterlassung einer Zeugenvernehmung bei Verzicht auf mündliche Verhandlung - Darlegung der grundsätzlichen …
VII B 121/19 (Bundesfinanzhof)
Zur Auslegung des Klagebegehrens bei mündlicher Verhandlung in Abwesenheit der Klägerin
Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags - Anforderungen an die Rüge der Nichtvernehmung von …
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