Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2007, Az. XII ZR 11/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1768

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 26. September 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 Zur Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 5 BGB und zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnis-sen nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Ehegatten die erste Hälfte ihrer zwanzigjährigen Ehe in der früheren [X.] verbracht hatten und dort beide einer [X.] Berufstätigkeit nachgegangen sind (im [X.] an die [X.]surteile vom 23. Mai 2007 - [X.]/04 - [X.], 1232, vom 28. Februar 2007 - [X.] - [X.], 793 und vom 25. Oktober 2006 - [X.]/03 - [X.], 200). [X.], Urteil vom 26. September 2007 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Dr. Ahlt und Dose für Recht erkannt: Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des 2. [X.]s für Familiensachen des [X.] vom 30. November 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Parteien streiten im Scheidungsverbundverfahren noch um den nachehelichen Ehegattenunterhalt. 1 Der am 5. Februar 1960 geborene Antragsteller und die am [X.] 1960 geborene Antragsgegnerin hatten am 28. Mai 1982 die Ehe geschlos-sen, aus der zwei am 11. September 1982 und am 7. Oktober 1984 geborene Kinder hervorgegangen sind. Nachdem sich die Parteien im Juli 2001 getrennt hatten, wurde ihre Ehe auf den im August 2002 zugestellten Scheidungsantrag durch [X.] vom 10. März 2004 geschieden. Der [X.] ist seit dem 6. August 2004 rechtskräftig. Am 24. Juni 2006 hat der Antragsteller erneut geheiratet; das am 4. Mai 2001 geborene Kind seiner neuen Ehefrau hat er am 4. Januar 2007 als eigenes Kind angenommen. 3 Während ihrer Ehe in der früheren [X.] gingen beide Parteien [X.] nach; die Kinder wurden in einer Kinderkrippe, einem Kindergarten und einem Hort betreut. In dieser [X.] erzielte die Antragsgegnerin aus ihrer Tätigkeit als Bauingenieurin Einkünfte in Höhe von [X.], [X.] der Antragsteller aufgrund seiner leitenden Tätigkeit in einer Stärkefabrik schon seinerzeit ein herausgehobenes Einkommen von [X.] erhielt. Seit Januar 1992 war die Antragsgegnerin bei verschiedenen Arbeitge-bern zunächst in Teilzeit (6 Stunden täglich) tätig und zwischenzeitlich kurzfris-tig arbeitslos. Ab Juli 1998 arbeitete sie als selbständige Bauingenieurin. [X.] sie ihre Selbständigkeit aufgegeben hatte, arbeitete sie ab März 2002 [X.] in einer auf zwei Jahre befristeten Stelle und erhielt sodann eine bis zum 31. März 2006 befristete Vollzeitanstellung bei dem [X.] Daraus erzielt sie ein Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 1.406,38 •. Der Antragsteller wurde nach dem Beitritt der neuen Bundesländer Geschäftsführer der [X.] seines früheren Arbeitgebers. In dieser Position war er zeitweilig auch in M.
berufstätig und lebte nur an den Wochenenden mit der An-tragsgegnerin und den Kindern in der Ehewohnung. Im [X.]punkt der Eheschei-dung erzielte er ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 4.851,52 •. 4 Das Amtsgericht hat den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.116 • zu zahlen. Die Berufung des Antragstellers, mit der er eine Befristung des nach-ehelichen Unterhalts auf die [X.] bis einschließlich März 2006 beantragte, hat 5 - 4 - das [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom [X.] zugelassene - Revision des Antragstellers.
Entscheidungsgründe: 6 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der nacheheliche Aufsto-ckungsunterhalt der Antragsgegnerin sei weder nach § 1573 Abs. 5 BGB zu befristen, noch nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den angemessenen Le-bensbedarf zu begrenzen. Zwar gebe es keine feste [X.]grenze für die [X.] oder die Dauer der Kindererziehung, von der ab eine Befristung des [X.] ausgeschlossen sei. Allerdings nähere sich eine Ehedauer von 10 Jahren dem Grenzbereich, in dem der Dauer der Ehe als Billigkeitskrite-rium durchschlagendes Gewicht für eine dauerhafte Unterhaltsgarantie [X.]. Denn dann sei mit zunehmender Verflechtung der Lebensverhältnisse und häufig wachsender wirtschaftlicher Abhängigkeit des Unterhaltsberechtigten zu rechnen. Bei einer Ehedauer von mehr als 10 Jahren komme eine zeitliche Be-grenzung des [X.] daher nur dann in Betracht, wenn die Ehe zu keinen Nachteilen, insbesondere in der Erwerbsbiografie eines [X.] - 5 - partners, geführt habe und es nach der Gestaltung der Ehe zu einer weitgehend selbständigen Lebensführung beider Ehepartner gekommen sei. 8 Diese Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung des [X.] seien hier nicht gegeben. Schon angesichts der Ehedauer von mehr als 20 Jahren scheide eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs aus. Es komme daher nicht darauf an, ob der Vortrag des Antragstellers zutreffe, wonach die Antragsgegnerin die gemeinsamen Kinder nicht überwiegend [X.] habe. Angesichts der Ehedauer von mehr als 20 Jahren habe die Verflech-tung der Lebensverhältnisse stetig zugenommen. Dass es vorliegend nach der Gestaltung der Ehe - abweichend vom Regelfall - zu einer weitgehend selb-ständigen Lebensführung beider Ehepartner gekommen sei, habe der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragsteller nicht dargelegt. Eine andere Auffassung sei auch nicht im Hinblick auf die neuere höchst-richterliche Rechtsprechung zur Bewertung der Haushaltstätigkeit und Kinder-erziehung während der Ehe geboten. Weil die Gesetzeslage unverändert ge-blieben sei, führe die Änderung der Rechtsprechung nicht dazu, dass nun in größerem Umfang als bisher von den [X.] Gebrauch gemacht werden könne. Eine Unterhaltsbegrenzung aus Billigkeitsgründen sei auch nicht deswegen geboten, weil die Parteien im [X.]punkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erst 42 bzw. 41 Jahre alt waren. Sei die 20 Jahre dauernde Ehe in recht jungen Jahren geschlossen, so sei die zunehmende Verflechtung der Lebensverhältnisse bereits in einem noch nicht sehr fortgeschrittenen Alter eingetreten. Dass in solchen Fällen die Unterhaltspflicht länger andauere als in Fällen vergleichbarer Ehedauer bei späterer Heirat, rechtfertige keine abwei-chende Beurteilung. 9 - 6 - Eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts sei auch nicht nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Diese Vorschrift unterscheide sich zwar in ihren Rechtsfolgen von § 1573 Abs. 5 BGB. Für die Voraussetzungen sei der Maßstab jedoch ebenfalls die Dauer der Ehe und die überwiegende Kinder-betreuung, angesichts dessen auch diese Vorschrift keine Anwendung finde. 10 11 Der Umstand, dass die Ehe noch vor dem Beitritt der neuen [X.] zur [X.] geschlossen worden sei, ändere daran nichts, weil das frühere Recht nur für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten fortgelte, dessen Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden sei. Dass der Antragsteller nach dem früheren Recht der [X.] keine Veranlas-sung gesehen habe, mit der Antragsgegnerin einen Ehevertrag zu schließen, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Im Übrigen habe der Antragsteller auch nach dem Beitritt noch die Möglichkeit zum Abschluss eines Ehevertrages [X.]. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 12 I[X.] Die Begründung des Berufungsurteils trägt die Entscheidung, mit der ei-ne Befristung des [X.] versagt wurde, nicht. Insbesondere durfte das Berufungsgericht eine Begrenzung des [X.] nach § 1573 Abs. 5 oder § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mit der Begründung versa-gen, eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs scheide schon ange-sichts einer Ehedauer von mehr als 20 Jahren aus und der Antragsteller habe 13 - 7 - nicht hinreichend dargelegt, dass hier eine Abweichung vom Regelfall geboten sei. 14 1. Schon aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften des § 1573 Abs. 5 und des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, dass der nacheheliche Unter-halt in erster Linie ehebedingt entstandene Nachteile des unterhaltsberechtigten Ehegatten ausgleichen will. Allerdings verschafft der Aufstockungsunterhalt dem unterhaltsberechtig-ten Ehegatten schon dem Grunde nach einen Anspruch auf Teilhabe an dem während der Ehe erreichten Lebensstandard ([X.] FamRZ 1981, 745, 750 f.). Insoweit unterscheidet er sich von anderen Tatbeständen des nacheheli-chen Unterhalts, wie dem Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB (vgl. insoweit [X.] [X.], 965, 971), dem Unterhaltsanspruch bis zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach § 1574 BGB oder dem Ausbil-dungsunterhalt nach § 1575 BGB, die im Ansatz auf den Ausgleich ehebeding-ter Nachteile abstellen (vgl. BT-Drucks. 7/4361 S. 15). 15 Gleichwohl sah das durch das [X.] eingeführte Unterhaltsrecht ur-sprünglich keine ausdrückliche Befristungsmöglichkeit und auch kaum Raum für [X.] vor. Schon seinerzeit wurde jedoch ein zeitlich unbe-grenzter Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen als mit dem Grundsatz der Eigenverantwortung nach § 1569 BGB unvereinbar [X.]. Vor allem in Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte durch die Ehe keine nennenswerten beruflichen Nachteile erlitten hatte und die Ehe nicht von längerer Dauer war, wurde eine zeitlich unbegrenzte Lebensstandardgaran-tie als unbillig empfunden (Griesche in [X.] [1992] § 1578 Rdn. 58). Um [X.] im Einzelfall ausschließen zu können, hat der Gesetzgeber bereits durch das [X.] vom 20. Februar 1986 in 16 - 8 - § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Möglichkeit zur Begrenzung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen eingeführt (BT-Drucks. 10/2888, [X.]; vgl. auch Dose, Ausgewählte Fragen der Unterhaltsreform [X.], 1289, 1293). 17 Außerdem war seinerzeit wegen der ungünstigen Entwicklung am [X.] weit häufiger und für längere [X.]räume Unterhalt wegen Arbeitslo-sigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB und Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zugesprochen worden, als es der Gesetzgeber vor Inkrafttreten des [X.] vorausgesehen hatte (Griesche in [X.] [1992] § 1573 Rdn. 42). Dadurch hatten der Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit und der Aufstockungsun-terhalt (§ 1573 Abs. 1 und 2 BGB) eine Bedeutung erlangt, die dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit in § 1569 BGB widersprach. Weil diese Rechtswirk-lichkeit mit der Sicherung des angemessenen Unterhalts als vorrangigem Ziel des nachehelichen Unterhalts nur noch schwer vereinbar war, führte der Ge-setzgeber neben der Möglichkeit zur Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB auch die Möglichkeit zur zeitlichen Befristung der Ansprüche auf Arbeitslosen- und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 5 BGB) ein (BT-Drucks. 10/2888, [X.]). Beide Vorschriften sollen nach dem Willen des Gesetzgebers unbillige Ergebnisse durch einen lebenslangen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen verhindern und somit auch den Widerspruch zwischen dem Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung und dem Zweck des [X.] lösen. 18 2. Nach dem Wortlaut des § 1573 Abs. 5 BGB kann u.a. der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zeitlich begrenzt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsfüh-19 - 9 - rung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vor-übergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend betreut hat oder betreut. Die [X.] der Kindeserziehung steht dabei der Ehedauer gleich. 20 a) Trotz dieses Wortlauts scheidet eine Befristung des [X.] nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des [X.]s nicht schon allein wegen einer langen Ehedauer aus, auch wenn diese mehr als 20 Jahre beträgt. Zwar hat § 1573 Abs. 5 BGB als unterhaltsbegrenzende Norm [X.] und findet deswegen vor allem bei kurzen und kinderlosen Ehen Anwendung. Die Vorschrift ist allerdings nicht auf diese Fälle beschränkt. Denn das Gesetz legt in § 1573 Abs. 5 BGB, ebenso wie in § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB, keine bestimmte Ehedauer fest, von der ab eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht mehr in Betracht kommt. Wie der [X.] inzwischen mehrfach ausgeführt hat, widerspräche es auch dem Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, den Billigkeitsgesichtspunkt "Dauer der Ehe" im Sinne ei-ner festen [X.]grenze zu bestimmen, von der ab der Unterhaltsanspruch grund-sätzlich keiner zeitlichen Begrenzung mehr zugänglich sein kann. Vielmehr stellt das Gesetz die Ehedauer als Billigkeitsgesichtspunkt gleichrangig neben die "Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit". Bei der [X.] sind zudem die Arbeitsteilung der Ehegatten und die Ehedauer ledig-lich zu "berücksichtigen"; jeder einzelne Umstand lässt sich also nicht zwingend für oder gegen eine Befristung ins Feld führen. Zudem beanspruchen beide As-pekte, wie das Wort "insbesondere" verdeutlicht, für die Billigkeitsprüfung keine Ausschließlichkeit ([X.]surteile vom 23. Mai 2007 - [X.] ZR 254/04 - [X.], 1232, 1236, vom 28. Februar 2007 - [X.] - [X.], 793, 21 - 10 - 799 f., vom 25. Oktober 2006 - [X.]/03 - [X.], 200, 203 und vom 12. April 2006 - [X.] ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007). 22 Die zeitliche Begrenzung des [X.] nach § 1573 Abs. 5 BGB setzt somit - wie die Begrenzung des Unterhalts nach den eheli-chen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB - stets eine indivi-duelle Billigkeitsabwägung voraus, die alle Umstände des Einzelfalles einbe-zieht. Das Ergebnis dieser Billigkeitsabwägung kann deswegen auch bei länger als 20 Jahre andauernden Ehen zu einer Begrenzung des nachehelichen Un-terhalts führen, während sie bei erheblich kürzeren Ehen aus anderen Gründen ausgeschlossen sein kann ([X.]surteil vom 12. April 2006 - [X.] ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007). b) In seiner neueren Rechtsprechung stellt der [X.] im Einklang damit und mit dem vorrangigen Zweck des nachehelichen Unterhalts nicht mehr ent-scheidend auf die Ehedauer, sondern darauf ab, ob sich eine nacheheliche Ein-kommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ein [X.] Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unter-haltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann (zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dose [X.], 1289, 1294 f.). Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB bie-tet deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - [X.] im Sinne einer fortwirkenden Mitverantwortung. Ist die nacheheli-che [X.] nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zu-rückzuführen, dass beide Ehegatten schon [X.] infolge ihrer Berufsaus-bildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zu-mutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnis-sen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verzichten und sich mit dem [X.] - 11 - dard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (BT-Drucks. 10/2888, [X.]). 24 c) Die Begrenzung des [X.] aus Billigkeitsgründen nach § 1573 Abs. 5 BGB setzt nicht zwingend voraus, dass der [X.]punkt, ab dem der Unterhaltsanspruch entfällt, bereits erreicht ist. Wenn die dafür [X.] Umstände bereits eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist eine Entscheidung über eine Begrenzung nicht einer späteren Abände-rung nach § 323 Abs. 2 ZPO vorzubehalten, sondern schon im [X.] zu treffen ([X.]surteil vom 28. Februar 2007 - [X.] - [X.], 793, 798 f.). Ob die für eine Begrenzung ausschlaggebenden Umstände allerdings bereits im Ausgangsverfahren zuverlässig vorhersehbar sind, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beantworten (vgl. [X.]surteile vom 12. April 2006 - [X.] ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1008 und vom 28. Februar 2007 - [X.] - [X.], 793, 800 einer-seits sowie [X.]surteile vom 25. Oktober 2006 - [X.]/03 - [X.], 200, 204 und vom 23. Mai 2007 - [X.]/04 - [X.], 1232, 1236 andererseits). d) Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kom-menden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisions-gericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeits-prüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat ([X.]sur-teil vom 28. Februar 2007 - [X.] - [X.], 793, 800 m.w.N.). Das ist hier indes der Fall. 25 2. Auf der Grundlage dieser neueren Rechtsprechung des [X.]s durfte sich das Berufungsgericht nicht auf die pauschale Aussage beschränken, schon 26 - 12 - angesichts der Ehedauer von mehr als 20 Jahren scheide eine zeitliche Be-grenzung des Unterhaltsanspruchs aus; der Antragsteller habe auch nicht aus-nahmsweise eine Abweichung von diesem Regelfall dargelegt. 27 a) Wie schon ausgeführt, ist die Ehedauer im Rahmen der [X.] der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB nur eines von mehre-ren Kriterien für die Billigkeitsentscheidung. Daneben hätte das Berufungsge-richt jedenfalls das Alter der Parteien berücksichtigen müssen, zumal die An-tragsgegnerin bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags erst 41 Jahre alt war. Denn im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist es unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände leichter, die Lebensverhältnisse der früheren Ehegatten wieder zu entflechten, wenn die Parteien sehr jung ge-heiratet hatten und trotz zwanzigjähriger Ehe noch in der ersten Hälfte ihres Berufslebens stehen. Als Argument gegen eine untrennbare Verflechtung der [X.] hätte das Berufungsgericht weiter berücksichtigen müssen, dass die [X.] die erste Hälfte ihrer Ehe in der früheren [X.] verbracht haben und wegen der dort üblichen Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder beide einer vollschich-tigen Erwerbstätigkeit nachgehen konnten. Entsprechend fiel ihr monatliches Erwerbseinkommen seinerzeit mit [X.] für den Antragsteller und [X.] für die Antragsgegnerin nicht so extrem auseinander, wie es heute der Fall ist. Jedenfalls seinerzeit war das [X.] deswegen nicht vorrangig auf ehebedingte Nachteile, sondern auf den unterschiedlichen [X.] der Parteien zurückzuführen. 28 b) Ob sich diese Verhältnisse seit der [X.] in Folge der [X.] stärkeren zeitlichen Beanspruchung des Antragstellers entschei-dend geändert haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Entgegen 29 - 13 - seiner Auffassung lässt sich eine über den [X.]punkt der Scheidung fortdauern-de Verflechtung nicht damit begründen, dass die Parteien während der Ehezeit ein gemeinsames Girokonto unterhalten hatten, zumal dieses gemeinsame Konto nach der Scheidung der Ehegatten längst aufgehoben sein dürfte. 30 Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts ist der Antragsteller hinsichtlich fehlender [X.] Nachteile auch nicht darlegungs- und be-weisfällig geblieben. Er hat zunächst pauschal vorgetragen, dass der Einkom-mensunterschied der Parteien nicht auf ehebedingte Nachteile zurückzuführen sei. Ergänzend hat er unter Hinweis auf die Betreuungsmöglichkeiten in den neuen Bundesländern und die angestellte Reinigungskraft darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin während des überwiegenden Teils der Ehezeit be-rufstätig sein konnte. Inzwischen ist sie in ihrem erlernten Beruf als Bauingeni-eurin bei einem öffentlichen Arbeitgeber wieder in Vollzeit beschäftigt. Ob sich gleichwohl infolge der Ehe oder wegen der Dauer der Kindererziehung noch heute ehebedingte Einkommenseinbußen ergeben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. 3. Das angefochtene Urteil ist deswegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Auf der Grundlage der Feststellun-gen des Berufungsgerichts lässt sich nicht entscheiden, ob die Einkommensdif-ferenz der Parteien ganz oder teilweise auf fortwirkende ehebedingte Nachteile zurückzuführen oder ob sie eine Folge des umfassenden Strukturwandels nach der [X.] ist, die auch andere Arbeitnehmer unabhängig von ihrer ehelichen Situation getroffen hat. 31 Für die Billigkeitsentscheidung des Berufungsgerichts wird es weiter [X.] ankommen, ob die Antragsgegnerin trotz ursprünglicher Befristung ihres Arbeitsvertrages bis zum 31. März 2006 weiterhin in Vollzeit in ihrem erlernten 32 - 14 - Beruf beschäftigt ist und wie sich die Gesundheitsprognose nach ihrer Erkran-kung im Jahre 2002 aus heutiger Sicht darstellt. 33 Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, dass der Antragsteller inzwischen das am 4. Mai 2001 geborene minderjährige Kind seiner zweiten Ehefrau adoptiert hat und auch für dieses unterhaltspflichtig ist (§ 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB; [X.]surteil vom 15. März 2006 - [X.] ZR 30/04 - FamRZ 2006, 683, 686). Hahne [X.] [X.] Ahlt Dose
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.03.2004 - 16b [X.]/02 - [X.], Entscheidung vom 30.11.2004 - 10 UF 87/04 -

Meta

XII ZR 11/05

26.09.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2007, Az. XII ZR 11/05 (REWIS RS 2007, 1768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1768

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