Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.11.2020, Az. VII ZB 37/18

7. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 982

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Beginn der Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs bei Ersetzung der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung durch einen Prozessvergleichs im zweiten Rechtszug


Leitsatz

Wird die in einem erstinstanzlichen Urteil getroffene Kostengrundentscheidung durch eine im zweiten Rechtszug im Wege des Prozessvergleichs getroffene Kostenregelung ersetzt, kann, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, eine Verzinsung zu erstattender Kosten nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst von einem Antragszeitpunkt nach dem Vergleichsschluss verlangt werden; maßgeblich ist das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich bezogenen Kostenfestsetzungsantrags (Abgrenzung von BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - X ZB 2/15, NJW 2016, 165).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des [X.] vom 23. April 2018 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] in der [X.] (13 O 197/15) vom 9. November 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Verzinsung des prozessualen [X.] des [X.] für die erste Instanz.

2

Das [X.] hat die [X.]eklagte mit Endurteil vom 4. Oktober 2016 unter anderem zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Mit am 10. November 2016 beim [X.] eingegangenem Kostenausgleichsantrag hat der Kläger für die erste Instanz auszugleichende Kosten in Höhe von 7.560,90 € angemeldet und Zinsantrag gestellt.

3

Die [X.]eklagte hat [X.]erufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht am 11. Oktober 2017 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, der unter anderem die Regelung beinhaltet, dass von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen der Kläger 7 % und die [X.]eklagte 93 % zu tragen haben.

4

Mit Kostenausgleichsantrag, eingegangen beim [X.] am 20. Oktober 2017, hat der Kläger für die zweite Instanz weitere Kosten in Höhe von 1.823,70 € angemeldet. Unter [X.]erücksichtigung der bei der [X.]eklagten angefallenen Kosten hat das [X.] am 9. November 2017 einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, mit dem es die von der [X.]eklagten an den Kläger nach dem Vergleich zu erstattenden Kosten auf 8.487,81 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz gemäß § 247 [X.]G[X.] hieraus seit dem 20. Oktober 2017 festgesetzt hat. Von den Kosten in Höhe von 8.487,81 € entfallen 6.942,75 € auf die erste sowie 1.545,06 € auf die zweite Instanz.

5

Auf die sofortige [X.]eschwerde des [X.] hat das [X.]eschwerdegericht den [X.]eschluss dahingehend geändert, dass die [X.]eklagte die für die erste Instanz festgesetzten Kosten (6.942,75 €) schon ab dem 10. November 2016, ab Eingang des nach Erlass des landgerichtlichen Urteils gestellten [X.] zu verzinsen hat. Mit der vom [X.]eschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die [X.]eklagte die Aufhebung dieses [X.]eschlusses und die Zurückweisung der sofortigen [X.]eschwerde des [X.].

II.

6

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

7

1. Das [X.]eschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.] 2018, 358 abgedruckt ist, hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe hinsichtlich des erstinstanzlichen [X.] in Höhe von 6.942,75 € nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO Anspruch auf eine Verzinsung ab dem Tag des Eingangs des [X.], also ab dem 10. November 2016. Zwar könnten grundsätzlich Zinsen gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst ab Eingang eines neuen Kostenausgleichsantrags nach Abschluss des Vergleichs in zweiter Instanz verlangt werden, mit dem die Parteien eine neue Grundlage für die Kostenverteilung geschaffen hätten. Jedoch habe der [X.] mit [X.]eschluss vom 22. September 2015 ([X.], [X.], 165) entschieden, dass in dem Fall, dass eine erstinstanzliche Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 ZPO in der zweiten Instanz wegen einer Klagerücknahme wirkungslos werde und an deren Stelle eine inhaltsgleiche Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO trete, der [X.] Zinsen nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO schon ab Eingang des auf Grundlage der erstinstanzlichen Kostentscheidung gestellten Kostenausgleichsantrags verlangen könne, sofern zugunsten des [X.]s durchgehend eine vollstreckbare [X.] vorgelegen habe. Diese Überlegungen seien auf die hiesige Konstellation zu übertragen, bei der die erstinstanzliche Kostenentscheidung nicht durch gerichtliche Entscheidung, sondern durch Parteivereinbarung geändert worden sei. Entscheidend sei allein, ob ohne zeitliche Unterbrechung eine durchgehende Möglichkeit des [X.]s bestanden habe, die erstinstanzlich angefallenen Kosten im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Dies sei im Umfang von 93 % der Kosten der Fall, denn aufgrund des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils hätte der Kläger 100 % der angemeldeten Kosten gegenüber der [X.]eklagten vollstrecken können. Diese Vollstreckungsmöglichkeit sei erst mit Abschluss des Vergleichs vom 11. Oktober 2017 entfallen, durch den jedoch gleichzeitig und ohne zeitliche Unterbrechung eine neue Vollstreckungsmöglichkeit hinsichtlich der selben Kosten im Umfang von 93 % geschaffen worden sei.

8

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat im Kostenfestsetzungsbeschluss den Zinsbeginn für die Verzinsung der festgesetzten Kosten der ersten Instanz zu Recht auf den 20. Oktober 2017, anknüpfend an das Eingangsdatum des auf den [X.] gestützten Kostenausgleichsantrags, festgesetzt.

9

a) Der Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten kann auf Antrag (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden, § 103 Abs. 1 ZPO, welcher eine zumindest vorläufig vollstreckbare [X.] enthält. Ist Zinsantrag gestellt, ist im Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des [X.] mit fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz nach § 247 [X.]G[X.] zu verzinsen sind.

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss setzt die Kostenregelung um, die die Parteien in dem vor dem [X.]erufungsgericht geschlossenen Vergleich vom 11. Oktober 2017 vereinbart haben. Weil dem Gläubiger Zinsen nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO frühestens von dem Zeitpunkt an zustehen, zu dem der Titel vorliegt, bestimmt sich - mangels anderweitiger Vereinbarung im Vergleich - der Zinsbeginn nach dem Eingangsdatum des auf den Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bezogenen [X.].

b) Die vergleichsweise getroffene Kostenregelung ermöglicht es nicht, für den [X.]eginn des [X.] auf den Eingang des auf die [X.] im für vorläufig vollstreckbar erklärten landgerichtlichen Urteil gestützten Kostenausgleichsantrags abzustellen.

aa) Den frühestmöglichen [X.]eginn der [X.] bildet stets das Vorliegen des vollstreckbaren Titels. Der im Kostenfestsetzungsverfahren zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss füllt lediglich die [X.] hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus, er ist sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines [X.]estands von der [X.] abhängig. Wird sie aufgehoben oder abgeändert, verliert ein auf ihrer Grundlage erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Aufhebung oder Abänderung seine Wirkung (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 21. März 2013 - [X.] Rn. 11, [X.], 2438; [X.]eschluss vom 5. Mai 2008 - [X.] Rn. 5, NJW-RR 2008, 1082). Entsprechendes gilt, wenn die Kostenfestsetzung nur beantragt, aber noch nicht erfolgt war, bezogen auf den hierauf gestellten Zinsantrag. So liegt der Fall hier, denn die [X.] des landgerichtlichen Urteils hat keinen [X.]estand mehr. Der Abschluss des Vergleichs hat den Prozess und dessen Rechtshängigkeit beendet (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 17. Aufl., § 794 Rn. 19; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 794 Rn. 13), das landgerichtliche Urteil und der darauf beruhende Kostenfestsetzungsantrag sind wirkungslos geworden. Wird die [X.] eines Urteils durch einen [X.] ersetzt, ist sie nicht mehr zur Kostenfestsetzung geeignet. Für die Verzinsung ist deshalb der auf den Vergleich gestützte Festsetzungsantrag maßgebend, es sei denn, die Parteien haben sich auf den Fortbestand der früheren [X.] geeinigt (vgl. [X.], [X.], 23. Aufl., Rn. [X.] 112).

bb) Der Vergleich enthält keinerlei Vereinbarung zu [X.]. Die Auslegung der im Vergleichswege getroffenen Kostenvereinbarung ergibt nicht, dass die Parteien der landgerichtlichen [X.] prozessual oder materiell-rechtlich weiter eine [X.]edeutung beimessen wollten, die es erlauben könnte, den Zinsbeginn an den Eingang des Kostenausgleichsantrags anzuknüpfen, der auf der Grundlage der landgerichtlichen Entscheidung beantragt wurde. Vergleichsweise vereinbart wurde eine andere, wenn auch teilweise übereinstimmende Kostenregelung, wonach die [X.]eklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen hat. Weder haben die Parteien die [X.] von der prozessbeendenden Wirkung des Vergleichs ausgenommen noch eine Regelung getroffen, dass es ganz oder zumindest im Umfang von 93 % der Kosten bei der gerichtlichen [X.] verbleiben soll (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 30. November 2000 - 11 W 3051/00, [X.], 414, juris Rn. 5 f.; [X.], [X.]eschluss vom 23. Januar 1992 - 9 W 104/91, [X.], 1007).

3. Entgegen der Auffassung des [X.]eschwerdegerichts können die vom [X.] entwickelten Grundsätze zur Verzinsung des [X.] bei Abänderung einer [X.] im Rechtsmittelverfahren nicht auf den Fall des Abschlusses eines [X.]s in zweiter Instanz übertragen werden.

a) Mit [X.]eschluss vom 20. Dezember 2005 (X Z[X.] 7/05, [X.], 1140) hat der [X.] entschieden, dass er bei einer Änderung der Kostenquote im [X.]erufungsverfahren derjenige [X.]etrag der erstinstanzlichen Kosten, der übereinstimmend sowohl nach der erst- wie nach der zweitinstanzlichen [X.] zu erstatten ist, seit dem Eingang des (ursprünglichen) [X.] zu verzinsen ist. Zur [X.]egründung hat er ausgeführt, dass auch in Fällen, in denen das [X.]erufungsgericht eine andere Kostenquote bestimmt, darin regelmäßig keine Aufhebung der erstinstanzlichen Kostengrund-entscheidung zu sehen sei. Vielmehr werde die Kostenentscheidung - wie die Sachentscheidung - nur insoweit abgeändert, als sie inhaltlich von der Vorentscheidung abweiche. Die Zusammenfassung der teilweisen [X.]estätigung und teilweisen Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im [X.]erufungsurteil diene lediglich der Vereinfachung, eine Aufhebung der erstinstanzlichen [X.] im Ganzen sei damit jedoch nicht verbunden. [X.]ei einer solchen Sachlage müsse hinsichtlich der Verzinsung der für die erste Instanz zu erstattenden Kosten weiterhin auf den Eingang des ursprünglichen Kostenausgleichsantrags abgestellt werden, da ansonsten jede noch so geringfügige Verschiebung der Kostenquote zu einem späteren Einsetzen der Verzinsung führen würde, was für den [X.] nachteilig wäre und zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde.

Anknüpfend hieran hat der [X.] mit [X.]eschluss vom 22. September 2015 ([X.], [X.], 165) entschieden, dass der Zinsbeginn auf den Eingang des auf Grundlage der vorangegangenen Entscheidung eingereichten [X.] zu bestimmen ist, wenn eine zugunsten eines [X.]eklagten ergangene [X.] aufgrund einer Klagerücknahme wirkungslos ist und durch eine inhaltsgleiche Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 4 ZPO zugunsten des [X.]eklagten ersetzt wird. Denn werde eine [X.] nur teilweise aufgehoben oder abgeändert, bilde sie weiterhin eine geeignete Grundlage für die Verzinsung hinsichtlich derjenigen Kosten, die sowohl nach der ursprünglichen als auch nach der geänderten Entscheidung zu erstatten seien. Für die Konstellation, dass die [X.] zwar formell wirkungslos, aber durch eine inhaltlich gleichlautende, ebenfalls vollstreckbare Kostenregelung ersetzt werde, könne nichts anderes gelten. Zwar beruhe formal betrachtet die Durchsetzbarkeit des Erstattungsanspruchs nicht mehr auf der ursprünglichen Entscheidung, für den Fortbestand des daran anknüpfenden [X.] reiche es aber aus, wenn zugunsten des Gläubigers durchgehend eine vollstreckbare [X.] vorgelegen habe, er also ohne zeitliche Unterbrechung die Möglichkeit gehabt hätte, den Anspruch auf Ersatz der in Rede stehenden Kosten durchzusetzen.

b) Ob diese Rechtsprechung auf den Fall übertragen werden kann, dass die Parteien die [X.] der ersten Instanz in einem [X.] in zweiter Instanz durch eine andere ersetzen, ist umstritten. Während sich das [X.] mit [X.]eschluss vom 10. Juli 2019 (3 W 542/19, NJW 2019, 3525) der Auffassung des [X.]eschwerdegerichts angeschlossen hat, wird diese Frage in der Literatur, teilweise unter [X.]ezugnahme auf ältere obergerichtliche Entscheidungen ([X.], [X.]eschluss vom 30. September 2013 - 17 W 78/13, [X.] 2014, 365, juris Rn. 9; [X.], [X.]eschluss vom 8. Februar 1996 - 11 W 749/96, NJW-RR 1996, 703, juris Rn. 4 f.; [X.], [X.]eschluss vom 31. August 1992 - 23 W 428/92, [X.] 1993, 585, juris Rn. 2; [X.], [X.]eschluss vom 23. Januar 1992 - 9 W 104/91, [X.], 1007) überwiegend verneint ([X.]/Voit/[X.], 17. Aufl., § 104 Rn. 12; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 41. Aufl., § 104 Rn. 16a; [X.]eckOK ZPO/[X.], Stand: 1. September 2020, § 103 Rn. 13a; [X.]/Jonas-Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 104 Rn. 27; a. A. [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 104 Rn. 6).

c) Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass nach Abschluss eines Vergleichs in der Rechtsmittelinstanz, soweit die Parteien hierzu im Vergleich nichts Abweichendes vereinbaren, eine Verzinsung der hiernach zu erstattenden Kosten der ersten Instanz nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst von einem Antragszeitpunkt nach dem Vergleichsabschluss verlangt werden kann.

Der Kläger kann darum die Verzinsung des prozessualen [X.] erster Instanz erst ab dem 20. Oktober 2017 verlangen. Zwar ist die vergleichsweise vereinbarte Kostenregelung, wonach die [X.]eklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen hat, bezogen auf die Kosten der ersten Instanz im Hinblick auf 93 % teilidentisch. Für den Fall, dass schon ein Kostenfestsetzungsbeschluss für die erste Instanz erlassen worden wäre, hätte der Kläger aus diesem bis zum Vergleichsabschluss vollstrecken können. Durch den Vergleichsabschluss ist die Kostenquote des landgerichtlichen Urteils obsolet geworden, diese Situation prozessualer Überholung hätte auch bei Erlass eines [X.]erufungsurteils, in dem die Kostenquote so abgeändert worden wäre, entstehen können.

Gleichwohl lässt sich die für die Abänderung gerichtlicher Kostenentscheidungen in der Rechtsmittelinstanz entwickelte Rechtsprechung zum Zinsbeginn nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO wegen gravierender Unterschiede der jeweiligen Ausgangssituation nicht auf einen in zweiter Instanz abgeschlossenen [X.] mit Kostenregelung übertragen, zudem besteht in dieser Konstellation kein [X.]edürfnis für eine Vorverlagerung des Zinsbeginns anknüpfend an einen früheren Kostenfestsetzungsantrag.

aa) Mit dem in zweiter Instanz geschlossenen [X.] regeln die Parteien ihre [X.]eziehung neu. Der Vergleich bildet eine Zäsur, die Parteien vereinbaren die [X.]eendigung des Rechtsstreits, entkoppelt vom bisherigen [X.]. Mit dem Abschluss des Vergleichs in zweiter Instanz verlieren alle zuvor getroffenen Entscheidungen ihre Wirksamkeit, jede früher ergangene Entscheidung als [X.]asis der Kostenfestsetzung entfällt. Von ihr geht - vorbehaltlich einer Regelung dazu im Vergleich - keine Wirkung mehr aus. Vielmehr gilt nach § 98 Satz 2 ZPO Kostenaufhebung, sofern sich die Parteien nicht auch über die Kosten des Rechtsstreits verglichen haben. Verständigen sich die Parteien im Vergleich über die Kosten, gilt diese neue Regelung anstelle der ersatzlos weggefallenen [X.] aus dem wirkungslos gewordenen erstinstanzlichen Urteil. Durch den Vergleich wird eine völlig neue Grundlage für die Kostenverteilung geschaffen.

bb) Anders als im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidungen (§ 308 Abs. 2 ZPO) können die Parteien im Vergleich die Kostentragung völlig frei und insbesondere unabhängig vom [X.] vereinbaren, mögen die [X.] auch regelmäßig bei den Vergleichsgesprächen eine zentrale Rolle spielen. Die Parteien sind weder gehalten, die Vereinbarung zu den Kosten entsprechend dem jeweiligen Nachgeben in der Hauptsache zu treffen, noch haben sie sich dabei an den Erfolgsaussichten im Prozess zu orientieren, wie dies §§ 91 ff. ZPO für die gerichtliche Kostenentscheidung vorgeben. Vielmehr bilden die Prozesskosten einen Teil der zur Disposition der Parteien stehenden Verhandlungsmasse.

Aus diesem Grund erlaubt eine durch Vergleich getroffene [X.] - anders als die gerichtliche Kostenentscheidung, die sich an dem Obsiegen beziehungsweise Unterliegen, mithin den Erfolgsaussichten im Prozess zu orientieren hat - nicht ohne Weiteres einen Rückschluss darauf, ob damit eine [X.]estätigung oder Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Entscheidung samt der darauf beruhenden [X.] verbunden sein sollte. Selbst der Vereinbarung einer mit der ursprünglichen [X.] identischen [X.] im Vergleich lässt sich nicht entnehmen, ob die Parteien damit eine [X.]estätigung oder Aufrechterhaltung des bisherigen [X.] aussprechen wollten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 8. Februar 1996 - 11 W 749/96, NJW-RR 1996, 703, juris Rn. 4). Gleichfalls wird - vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte - keine Entscheidung über den Fortbestand des materiellen Gehalts der ersten [X.] getroffen. Es fehlt also gerade an der Kontinuität der Kostenentscheidung, welche aber zentraler Gesichtspunkt dafür ist, um bei [X.] im Rechtsmittel die Verzinsung des [X.] erster Instanz ab dem Eingang des [X.] erster Instanz laufen zu lassen, wenn und soweit sich die [X.]en (durchgehend) decken.

cc) Es besteht auch kein [X.]edürfnis, die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zu gerichtlichen Kostenentscheidungen ergangen ist, auf in zweiter Instanz abgeschlossene [X.]e mit Kostenregelung zu erstrecken. Zum einen sind die Parteien frei, im Vergleich [X.] zu Haupt- und Nebenforderungen zu begründen oder die Modalitäten der Verzinsung des prozessualen Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu regeln. Zum anderen besteht die Möglichkeit, eine erstinstanzlich getroffene [X.] als solche mit dem Vergleich ausdrücklich zu bestätigen oder etwa zu vereinbaren, dass ein hierauf ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss zwischen den Parteien weiter Geltung beanspruchen soll. Die Parteien haben also die Möglichkeit, im Vergleich eine Schlechterstellung hinsichtlich des Verzinsungsbeginns des prozessualen [X.] erster Instanz zu vermeiden, der bei einer gerichtlichen Entscheidung aufgrund der formalen Anknüpfung an die Letztentscheidung, die die erstinstanzlich getroffene Kostenentscheidung teilweise bestätigt, entstehen kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

[X.]     

      

Graßnack

      

Sacher     

      

[X.]orris     

      

Meta

VII ZB 37/18

04.11.2020

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Nürnberg, 23. April 2018, Az: 12 W 253/18, Beschluss

§ 103 Abs 1 ZPO, § 104 Abs 1 S 2 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.11.2020, Az. VII ZB 37/18 (REWIS RS 2020, 982)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 196-197 REWIS RS 2020, 982


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZB 37/18

Bundesgerichtshof, VII ZB 37/18, 04.11.2020.


Az. 12 W 253/18

OLG Nürnberg, 12 W 253/18, 23.04.2018.


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