Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Unerlaubtes Handeltreiben mit Schusswaffen durch Onlineverkauf der Waffen und Lieferung nach Deutschland
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2018 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit S[X.]husswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Verbringen von S[X.]husswaffen in den Geltungsberei[X.]h des Waffengesetzes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 99.100,33 Euro angeordnet sowie eine Anre[X.]hnungsents[X.]heidung über in [X.] vollzogene Auslieferungshaft getroffen. Die hiergegen geri[X.]htete, auf die Sa[X.]hrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
1. Na[X.]h den Feststellungen erwarb der Angeklagte, ein in [X.] lebender [X.], in [X.] na[X.]h dortigem Re[X.]ht erlaubnisfreie S[X.]husswaffen und bot sie, ebenfalls von [X.] aus, über [X.] Internetdomänen insbesondere in [X.] zum Kauf an. Dabei war ihm bewusst, dass es si[X.]h bei den von ihm versandten Waffen um na[X.]h [X.] Re[X.]ht erlaubnispfli[X.]htige S[X.]husswaffen handelte. Au[X.]h wusste er um die Gefährli[X.]hkeit dieser Waffen, aus denen Gummiges[X.]hosse mit potentiell tödli[X.]her Wirkung abgefeuert werden konnten. In 176 Fällen wurden die Waffen von Erwerbern aus [X.] bestellt. Der Angeklagte versandte die Waffen über einen [X.] Postdienstleister an die von den Erwerbern angegebene Lieferadressen, wo sie von diesen in Empfang genommen wurden.
2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf nur die - von ihr gerügte - Anwendbarkeit [X.] Strafre[X.]hts auf das Handeltreiben mit den Waffen.
a) Das in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3, § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelte Gebot, Waffenhandel nur mit behördli[X.]her Erlaubnis vorzunehmen, an das die Strafbarkeitsbestimmung des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] [X.] als Blankettnorm anknüpft, erfasst au[X.]h den an potenzielle Käufer in [X.] geri[X.]hteten Internethandel mit Waffen aus dem Ausland. Dies ergibt si[X.]h im Umkehrs[X.]hluss aus § 21 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 [X.], wona[X.]h die Waffenhandelserlaubnis versagt werden kann, wenn der Antragsteller weder seinen gewöhnli[X.]hen Aufenthalt no[X.]h eine gewerbli[X.]he Niederlassung im (räumli[X.]hen) Geltungsberei[X.]h dieses Gesetzes hat, der dem Geltungsberei[X.]h des Grundgesetzes entspri[X.]ht (vgl. [X.]/[X.], Waffenre[X.]ht, 10. Aufl., § 21 [X.] Rn. 21). Diese Auss[X.]hlussnorm bezieht si[X.]h gerade auf sol[X.]he Fälle, in denen vom Ausland aus eine Waffenhandelstätigkeit im Inland entfaltet wird, da der Vertrieb von Waffen im Reisegewerbe oder in ähnli[X.]her Weise außerhalb einer gewerbli[X.]hen Niederlassung na[X.]h § 35 Abs. 3 [X.] grundsätzli[X.]h ohnehin verboten ist.
aa) Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Vors[X.]hrift des § 3 StGB ein materieller (NK-StGB/Böse, 5. Aufl., Vor § 3 Rn. 53, § 3 Rn. 2) oder ein prozessualer Tatbegriff ([X.]/[X.], 3. Aufl., § 3 Rn. 6, § 9 Rn. 45; [X.]/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., Vor § 3 Rn. 314, § 9 Rn. 66) zugrunde liegt, der im vorliegenden Fall angesi[X.]hts der tateinheitli[X.]hen Verurteilung wegen unerlaubten [X.] von S[X.]husswaffen in den Geltungsberei[X.]h des Waffengesetzes eine Anwendbarkeit [X.] Strafre[X.]hts begründen würde.
bb) Denn der Angeklagte hat im Inland Waffenhandel getrieben.
Na[X.]h der Begriffsbestimmung in Abs[X.]hnitt 2 Nr. 9 Anlage 1 [X.] „treibt Waffenhandel, wer gewerbsmäßig oder selbstständig im Rahmen einer wirts[X.]haftli[X.]hen Unternehmung S[X.]husswaffen oder Munition ankauft, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsu[X.]ht, anderen überlässt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt.“ Der Ankauf der Waffen, ihr „[X.]“ (zum Begriff vgl. [X.]/[X.], 3. Aufl., § 1 [X.] Rn. 197; [X.]/B. [X.], Waffenre[X.]ht, 10. Aufl., § 1 [X.] Rn. 63) sowie die Entgegennahme von Bestellungen dur[X.]h den Angeklagten erfolgten zwar in [X.]. Jedo[X.]h ist dur[X.]h das „Überlassen“ der Waffen in [X.] ein inländis[X.]her Handlungsort begründet (§ 3 StGB).
Der Begriff des „Überlassens“ ist in Abs[X.]hnitt 2 Nr. 3 Anlage 1 [X.] definiert. Dana[X.]h „überlässt eine Waffe ..., wer die tatsä[X.]hli[X.]he Gewalt darüber einem anderen einräumt“. Dies ges[X.]hah mit der Übergabe der Waffen dur[X.]h das Beförderungsunternehmen an die jeweiligen Erwerber in [X.].
Der Beförderer wird in sol[X.]hen Fällen in der Regel als gutgläubiger Tatmittler in den Transport einges[X.]haltet; bei der Bestimmung des Handlungsortes wird seine Tätigkeit dem (mittelbaren) Täter, vorliegend also dem Angeklagten, zugere[X.]hnet ([X.]/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 40 f.). Dem entspri[X.]ht, dass die Begriffsbestimmung des „[X.]“ in Abs[X.]hnitt 2 Nr. 5 Anlage 1 [X.] diesem au[X.]h das [X.] einer Waffe zuordnet.
Den Erwerbern ist die tatsä[X.]hli[X.]he Gewalt über die Waffen dur[X.]h das Beförderungsunternehmen als Tatmittler des Angeklagten in [X.] eingeräumt worden. Entgegen der Ansi[X.]ht der Revision enthält § 34 Abs. 1 Satz 5 [X.] insoweit keine „re[X.]htli[X.]he Fiktion und Antizipation des Besitzwe[X.]hsels“ an den Empfänger bereits zu dem Zeitpunkt, in dem eine Übergabe an das Beförderungsunternehmen erfolgt.
Na[X.]h ihrem systematis[X.]hen Zusammenhang im Rahmen des § 34 Abs. 1 [X.], der innerhalb des Unterabs[X.]hnitts „Obhutspfli[X.]hten, Anzeige-, Hinweis- und Na[X.]hweispfli[X.]hten“ den Grundsatz des Überlassens von Waffen nur an waffenre[X.]htli[X.]h Bere[X.]htigte regelt, stellt diese Regelung ledigli[X.]h klar, dass bei der Übergabe der Waffen an einen Transporteur zur Beförderung an eine dritte Person auf deren Bere[X.]htigung (und ni[X.]ht auf eine sol[X.]he des Transporteurs) abzustellen ist ([X.]/[X.], aaO, § 34 [X.] Rn. 4).
Eine hierüber hinausgehende „gesetzli[X.]he Fiktion“ des Übergangs der tatsä[X.]hli[X.]hen Gewalt auf den Erwerber bereits im Zeitpunkt der Übergabe an den Transporteur enthält die Norm demgegenüber ni[X.]ht. Das zeigt si[X.]h au[X.]h darin, dass das Gesetz das [X.] einer Waffe dem „Verbringen“ zuordnet (Abs[X.]hnitt 2 Nr. 5 Anlage 1 [X.], s.o.); wer eine Waffe „verbringt“, hat sie no[X.]h ni[X.]ht einem anderen „überlassen“. Für das „Überlassen“ kommt es mithin allein auf das Einräumen der tatsä[X.]hli[X.]hen Gewalt über die Waffen dur[X.]h den als Tatmittler des Angeklagten handelnden Transporteur an die Erwerber an; dies ges[X.]hah in [X.].
[X.]) Au[X.]h die Annahme von Tateinheit zwis[X.]hen dem unerlaubten Handeltreiben mit S[X.]husswaffen und ihrem unerlaubten Verbringen in den Geltungsberei[X.]h des Waffengesetzes begegnet keinen re[X.]htli[X.]hen Bedenken. Das Verbringen tritt ni[X.]ht hinter dem Handeltreiben zurü[X.]k (anders [X.]/B. [X.], aaO, § 34 Rn. 88; [X.]/[X.], aaO, § 52 [X.] Rn. 35, 161 unter Verweis auf [X.], Urteil vom 3. März 1977 - 2 StR 390/76, insoweit in [X.]St 27, 135 ni[X.]ht abgedru[X.]kt). Das anders lautende Urteil des Bundesgeri[X.]htshofs vom 3. März 1977 (aaO) erging zum alten Re[X.]ht, das - abwei[X.]hend vom früheren Re[X.]ht - keine besondere Erlaubnispfli[X.]ht für die Einfuhr von S[X.]husswaffen vorsah. Mit § 29 [X.] ist der Gesetzgeber insoweit aber zum Erfordernis der Erlaubnis für das Verbringen ins Inland zurü[X.]kgekehrt ([X.]/[X.], aaO, § 29 Rn. 3). Die Umgangsform (§ 1 Abs. 3, § 2 Abs. 3 [X.]) des [X.] stellt daher gegenüber derjenigen des Handeltreibens weiteres Unre[X.]ht dar und tritt ni[X.]ht im Wege der [X.] zurü[X.]k (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 52 [X.] Rn. 152).
Mutzbauer |
|
Sander |
|
S[X.]hneider |
|
Berger |
|
Mosba[X.]her |
|
Meta
27.08.2019
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Berlin, 18. Dezember 2018, Az: 510 KLs 21/18
§ 1 Abs 3 WaffG, § 2 Abs 2 WaffG, § 21 Abs 1 S 1 WaffG, § 21 Abs 4 Nr 2 Alt 2 WaffG, § 52 Abs 2 Nr 2 Buchst c WaffG, § 3 StGB, § 9 StGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2019, Az. 5 StR 196/19 (REWIS RS 2019, 4135)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 4135
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 574/10 (Bundesgerichtshof)
Unerlaubter Waffenbesitz: Konkurrenz bei gleichzeitiger Ausübung der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen an verschiedenen Orten
1 StR 574/10 (Bundesgerichtshof)
4 StR 431/06 (Bundesgerichtshof)
1 StR 433/18 (Bundesgerichtshof)
Einstufung von in ihrer Funktion beeinträchtigter Waffen als Kriegswaffen
Kein erheblicher Verstoß gegen waffenrechtliche Aufbewahrungspflicht