Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.05.2016, Az. VII R 23/14

7. Senat | REWIS RS 2016, 10800

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Gegenstand

Keine Steuerentlastung für den Betrieb von Standheizungen in Omnibussen mit nicht gekennzeichnetem Gasöl


Leitsatz

NV: Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen wirtschaftlichen Bedürfnisses für die Verwendung nicht gekennzeichneten Gasöls zum Verheizen ist eng auszulegen. Im Fall des Betriebs von Standheizungen in Omnibussen sind hierfür grundsätzlich keine Anhaltspunkte erkennbar. Rein finanzielle Erwägungen reichen in der Regel nicht aus .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 16. April 2014  4 K 3161/13 VE aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein kommunales Dienstleistungsunternehmen, das mit Bussen den öffentlichen Personennahverkehr betreibt. Der von den Bussen verbrauchte Dieselkraftstoff wird teilweise zum Antrieb der Motoren und teilweise zum Betrieb der Standheizungen genutzt.

2

Auf Antrag der Klägerin vergütete der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) für denjenigen Teil des Dieselkraftstoffs, der im [X.] zum Betrieb der Standheizungen in Bussen genutzt worden war, gemäß § 49 Abs. 1 des [X.] in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([X.]) Energiesteuer in Höhe von ... €. Dieser [X.] ergab sich aus der Differenz zwischen dem [X.] für Dieselkraftstoff unter Berücksichtigung der Steuerbegünstigung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] einerseits und dem [X.] für gekennzeichnetes [X.] Heizöl andererseits. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

3

Für das [X.] lehnte das [X.] einen entsprechenden [X.] ab. Gleichzeitig forderte das [X.] die für 2011 ausgezahlte Steuerentlastung zurück. Das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Zur Begründung verwies das [X.] auf die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung sowie die Möglichkeit, durch den Einbau separater Tanks gekennzeichnetes Heizöl für die Standheizungen zu verwenden. Im Unterschied zum Schienenverkehr, bei dem weniger Möglichkeiten der Nachrüstung und eine geringere Zahl von Versorgungseinrichtungen zur Verfügung stünden, fehle im Omnibusverkehr ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis für die Verwendung des Dieselkraftstoffs zum Verheizen i.S. des § 49 Abs. 1 [X.].

4

Das Finanzgericht ([X.]) hob den Rückforderungsbescheid für das [X.] auf und verpflichtete das [X.], für das [X.] der Klägerin die beantragte Steuerentlastung zu gewähren. Zum einen habe das [X.] keinen Ermessensspielraum. Zum anderen liege im Streitfall ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis für die Verwendung nicht gekennzeichneten Dieselkraftstoffs zum Verheizen vor, da der Einbau separater Tanks mit wirtschaftlich nicht vertretbaren Kosten verbunden wäre (5.840 € netto Umrüstungskosten pro Bus, 27.600 € netto für einen eigenen Lagertank und eine Tankanlage sowie jährlich 159.000 € zusätzliche Personalkosten). Weder die Richtlinie 2003/96/[X.] (EnergieSt[X.]) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom ([X.] Nr. L 283/51) noch die Richtlinie 95/60/[X.] ([X.] 95/60/[X.]) des Rates vom 27. November 1995 über die steuerliche Kennzeichnung von Gasöl und Kerosin ([X.] Nr. L 291/46) führten zu Einschränkungen. Insbesondere sei kein Kontrolldefizit zu befürchten. Das Urteil ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ([X.]) 2015, Beilage 1, S. 14 veröffentlicht.

5

Mit seiner Revision macht das [X.] geltend, rein finanzielle Erwägungen seien für ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis i.S. des § 49 Abs. 1 [X.] nicht ausreichend. Vielmehr müssten weitere Erwägungen hinzutreten (z.B. technische Bedürfnisse oder Umweltschutz- und Gesundheitsaspekte), die trotz Verwendung ungekennzeichneten [X.] eine steuerliche Begünstigung rechtfertigten. Dies ergebe sich aus der Systematik des [X.] und den unionsrechtlichen Vorgaben. Ausnahmen von der [X.] oder steuerermäßigtes Heizöl seien gemäß Art. 1 Abs. 2 [X.] 95/60/[X.] nur aus Gründen der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit oder aus anderen technischen Gründen zulässig. Durch die weite Auslegung des § 49 Abs. 1 [X.] durch das [X.] käme es zu einer Umkehrung dieses [X.]. Eine ausreichende Überwachung zur Verhinderung von Missbrauch wäre unter diesen Umständen nicht mehr gewährleistet (Kontrolldefizit).

6

Die Klägerin macht geltend, das [X.] habe zutreffend die beim Verheizen gekennzeichneten [X.] entstehenden Mehrkosten mit den daraus folgenden Steuerentlastungen verglichen, um das besondere wirtschaftliche Bedürfnis i.S. des § 49 Abs. 1 [X.] festzustellen. Da der Verbrauch von Dieselkraftstoff zum Verheizen nachgewiesen werden müsse, sei nicht zu befürchten, dass bei dieser Vorgehensweise für jedes mit Dieselkraftstoff betriebene Kraftfahrzeug, das über eine Heizung verfüge, die Steuerentlastung gemäß § 49 Abs. 1 [X.] begehrt werde. Darüber hinaus gelte die Kennzeichnungspflicht der [X.] 95/60/[X.] nur für originär steuerbefreite oder steuerbegünstigte Mineralöle, nicht aber für eine nachträgliche Steuerentlastung. Das auf der Kennzeichnungspflicht beruhende Überwachungssystem laufe dadurch nicht leer, da eine Steuerentlastung gemäß § 49 Abs. 1 [X.] nur beim Nachweis der Verwendung voll versteuerten, nicht gekennzeichneten [X.] zum Verheizen gewährt werde. Die Steuerentlastung decke sich auch mit Ziffer 18 der Erwägungen der EnergieSt[X.], wonach als Heizstoff verwendete Energieerzeugnisse in der Regel niedriger als die als Kraftstoff verwendeten Energieerzeugnisse versteuert werden sollen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Busse im Fall des Einbaus eines Kombitanks aufgrund der geringeren Kapazität des [X.] täglich statt alle zwei Tage betankt werden müssten und hierdurch erhöhte Personalkosten entstünden.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 [X.]O). Die Klägerin hat für den in den Standheizungen verbrauchten Dieselkraftstoff keinen Anspruch auf eine Steuerentlastung gemäß § 49 Abs. 1 [X.].

8

Die Steuerentlastung gemäß § 49 Abs. 1 [X.] wird auf Antrag für nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.] versteuerte [X.] gewährt, soweit sie nachweislich verheizt worden sind und ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis für die Verwendung nicht gekennzeichneten [X.] zum Verheizen vorliegt. Die Höhe der Steuerentlastung richtet sich nach der Differenz zum günstigeren [X.] gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Entlastungsberechtigt ist gemäß § 49 Abs. 3 [X.] der Verwender.

9

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Gewährung der Steuerentlastung nach § 49 Abs. 1 [X.] nicht im Ermessen der Finanzbehörde liegt. Vielmehr führt § 49 Abs. 1 [X.] zu einem zwingenden Entlastungsanspruch, dessen Voraussetzungen der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Dies betrifft auch den unbestimmten Rechtsbegriff des besonderen wirtschaftlichen Bedürfnisses für die Verwendung nicht gekennzeichneten [X.] zum Verheizen.

Entgegen der Auffassung des [X.] reicht es für ein solches Bedürfnis aber nicht aus, dass die Umrüstung der Standheizungen der Busse mit separaten Tanks im Vergleich zur erzielbaren Steuerentlastung mit hohen Kosten verbunden wäre (Umrüstungskosten einschließlich der Schaffung entsprechender Versorgungseinrichtungen sowie erhöhte Personalkosten). Deshalb kann im Streitfall offen bleiben, ob diese Kosten tatsächlich in der von der Klägerin genannten Höhe zu berücksichtigen wären.

Zur Begründung ist insbesondere auf den Wortlaut des § 49 Abs. 1 [X.] und die Regel-Ausnahme-Systematik des [X.] bei der Verwendung gekennzeichneten [X.] zum Verheizen zurückzugreifen. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass nach dem Erwägungsgrund 18 der EnergieSt[X.] die Verwendung eines Energieerzeugnisses als Heizstoff niedriger als die Verwendung als Kraftstoff besteuert werden soll und die Kennzeichnungspflicht der [X.] 95/60/[X.] nur für steuerbefreite oder steuerbegünstigte Verwendungen, nicht aber für [X.] wie § 49 Abs. 1 [X.] gilt (vgl. Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 9. September 2004 [X.]/02, [X.]:C:2004:499, [X.], 411). Die Mitgliedstaaten müssen jedoch durch wirksame Steueraufsichtsmaßnahmen dafür Sorge tragen, dass der günstigere [X.] nicht missbräuchlich in Anspruch genommen wird (EuGH-Urteil [X.]/[X.] vom 27. November 2003 [X.]/00, [X.]:[X.], 639, [X.], 86). Vor dem Hintergrund dieser unionsrechtlichen Vorgaben sieht § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] vor, den günstigeren [X.] grundsätzlich nur für [X.] anzuwenden, die [X.] der §§ 2 bis 8 der Verordnung zur Durchführung des [X.] gekennzeichnet sind. Das [X.] nach § 49 Abs. 1 [X.], das zu einer Anwendung des [X.]s für nicht gekennzeichnete [X.] führt, hat dagegen einen Ausnahmecharakter. Dies wird auch durch den Wortlaut des § 49 Abs. 1 [X.] deutlich, der nicht nur ein wirtschaftliches Bedürfnis, sondern ein "besonderes" wirtschaftliches Bedürfnis für die Verwendung nicht gekennzeichneten [X.] zum Verheizen verlangt. Auch wenn § 49 Abs. 1 [X.] den Nachweis der Verwendung zum Verheizen voraussetzt und dessen Anwendung deshalb kein allgemeines Kontrolldefizit auslösen kann, folgt daraus, dass [X.] die unionsrechtliche Vorgabe, die missbräuchliche Inanspruchnahme des günstigeren [X.]s zu verhindern, primär durch die möglichst umfassende Berücksichtigung der Kennzeichnungspflicht umsetzt und den [X.] nur ausnahmsweise auch auf nicht gekennzeichnete [X.] ausdehnen will. Im Übrigen ist aus den Regelungen für den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr in Art. 24 EnergieSt[X.] und § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] abzuleiten, dass dem Gesetzgeber die Problematik der Standheizungen und der hierzu in den Kraftfahrzeugen mitgeführten Energieerzeugnisse bewusst war. Hätte er für Standheizungen im Rahmen des § 49 Abs. 1 [X.] auf die Verwendung gekennzeichneten [X.] verzichten wollen, wäre somit eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen, zumal eine solche Ausdehnung wegen der großen Zahl der betroffenen Fahrzeuge und des pro Fahrzeug relativ geringen Entlastungsbetrags einen erheblichen Verwaltungsaufwand zur Folge hätte.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist § 49 Abs. 1 [X.] und insbesondere der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen wirtschaftlichen Bedürfnisses eng auszulegen. Allein das Missverhältnis zwischen den Kosten, die durch den Einbau separater Tanks für gekennzeichnetes Heizöl entstünden, und dem erzielbaren Entlastungsbetrag ist hierfür nicht ausreichend. Anderenfalls würde das dargelegte Regel-Ausnahme-Prinzip infrage gestellt, wenn nicht sogar umgekehrt. Denn für den Betrieb der Standheizungen in Omnibussen des öffentlichen Personennahverkehrs wird regelmäßig keine große Menge Dieselkraftstoff benötigt, so dass der potentielle Entlastungsbetrag pro Fahrzeug gering ausfällt. Sonstige Gesichtspunkte, die zu einem besonderen wirtschaftlichen Bedürfnis für die Verwendung nicht gekennzeichneten [X.] zum Verheizen führen, sind nach Auffassung des Senats nicht erkennbar. Daran ändert auch der Hinweis der Klägerin nichts, sie arbeite als kommunales Dienstleistungsunternehmen nicht kostendeckend. Auch bei [X.] kann es jedenfalls dann nicht auf rein finanzielle Erwägungen ankommen, wenn --wie im [X.] keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Versagung des Entlastungsbetrags für die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens von entscheidender Bedeutung ist. Der weitere Hinweis der Klägerin, beim Einbau separater Tanks sei wegen der geringeren [X.] eine tägliche Betankung statt alle zwei Tage erforderlich, ist ebenfalls weder ausreichend noch schlüssig. Denn die Größen des separaten Tanks und des Haupttanks könnten an die Verbrauchsverhältnisse angepasst werden, so dass es trotz des begrenzten Platzes bei den Niederflurbussen zu keiner Änderung der Betankungsintervalle käme.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VII R 23/14

31.05.2016

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 16. April 2014, Az: 4 K 3161/13 VE, Urteil

§ 49 Abs 1 EnergieStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.05.2016, Az. VII R 23/14 (REWIS RS 2016, 10800)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10800

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