27. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 15074
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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.12.2014 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
A.
Der Kläger war aufgrund mehrerer schriftlicher Dienstverträge vom 01.01.1977 bis 30.09.2008 Vorstandsmitglied bei der Beklagten. Er begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung von weiteren Versorgungsbezügen, soweit sie seit dem 01.09.2010 um den Arbeitnehmeranteil einer gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt worden sind.
Er verlangt die Hälfte des Kürzungsbetrages für den Zeitraum vom 01.09.2010 bis 31.05.2013, insgesamt 13.830,11 €. Ferner begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab 01.06.2013 Versorgungsbezüge ohne Anrechnung des Arbeitnehmeranteils der gesetzlichen Altersrente zu zahlen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen, das wie folgt zu ergänzen ist:
Der Kläger war, nachdem er zuvor sozialversicherungspflichtig tätig gewesen war und aus diesen Arbeitsverhältnissen Rentenansprüche erworben hatte, vom 01.01.1977 an Mitglied des Vorstands der Beklagten; zuletzt war er ihr Vorstandsvorsitzender. Sein Anstellungsverhältnis war zunächst im Dienstvertrag vom 28.12.1976 geregelt (Bl. 26 ff.). Seine Bestellung galt danach zunächst bis zum 31.12.1981. Seine Versorgungsansprüche waren dort in § 11 geregelt, dort heißt es:
„1) Dem Vorstandsmitglied und seinen Hinterbliebenen wird Versorgung nach den für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften und nach Maßgabe dieses Vertrages gewährt.
…
2 f): Soweit das Vorstandsmitglied für voraufgegangenen im Beamtenverhältnis oder in einem sonstigen versicherungsfreien Arbeitszeugnis zurückgelegte Dienstzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert ist und/oder soweit die Sparkasse nach der Bestellung Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, werden die auf die Nachversicherung bzw. die Beiträge der Sparkasse entfallenden Rentenanteile auf die laufenden Versorgungsbezüge angerechnet. Die Höhe der der Rentenanrechnung unterliegenden Rentenanteile bestimmt sich nach dem Verhältnis der vollen Versicherungsjahre, für die die Beträge entrichtet wurden, zu den gesamten Versicherungsjahren. Die Anrechnung der Rentenanteile erfolgt im Verhältnis des Beitragsanteils des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers zu den Gesamtbeiträgen für den jeweiligen Zeitraum.
Bei Anwendung von § 170 a LBG NW i. d. F. vom 6. 5. 1970 bleiben die auf die Versorgungsbezüge anzurechnenden Rentenanteile außer Ansatz.“
Mit Wirkung vom 01.08.1984 wurde § 55 BeamtVG geändert. Er regelte (auszugsweise), dass Versorgungsbezüge neben Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen oder aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze (i. e. 75 %) gezahlt werden.
Dessen Auswirkung auf die Versorgungssituation des Klägers wurde in einem Aktenvermerk vom 23.08.1984 (Bl. 43) folgendermaßen bezeichnet:
„Laut PDV sind höchstens 70 % der ruhegeldfähigen Bezüge als Ruhegeld zu zahlen. Die Anrechnungsbestimmungen des § 55 Beamt-VG gehen von einem höchstens 75%-igen Ruhegehalt aus. Tritt der Versorgungsfall im normalen Rentenalter ein, verbleiben Herrn U von den eigenen Rentenansprüchen lediglich 5 % der entsprechenden ruhegehaltfähigen Bezüge.“
In den Jahren 1986 und 1991 kam es zum Abschluss weiterer Folge-Dienstverträge mit dem Kläger, die nicht zur Akte gereicht worden sind und deren Inhalte nach Auffassung beider Parteien für die Entscheidung des Rechtsstreits irrelevant sind.
Ein weiterer Dienstvertrag vom 29.02.1996 mit dem Kläger (Bl. 75 ff.) enthält neben seiner Wiederbestellung vom 01.01.1997 bis 31.12.2001 zum einen eine Neufestsetzung des monatlichen Grundbetrages von jährlich 179.000 DM zuzüglich einer – nicht ruhegehaltsfähigen – 15%igen Zulage.
Im selben Jahr, unter dem Datum vom 18.09.1996 erließen die Sparkassenverbände Nordrhein-Westfalen neue Empfehlungen für den Abschluss von Dienstverträgen mit Vorständen (Bl. 82 ff.), die nach ihrem Wortlaut nur neu und erstmalig zu bestellende Vorstände betrafen. Darin heißt es unter anderem:
„Für Vorstandsmitglieder, die den „Umstieg“ nicht wünschen, oder bei denen keine Bereitschaft des Verwaltungsrates der Sparkasse hierzu besteht, gelten die bisherigen Empfehlungen fort“.
und:
„Die Verbandsempfehlungen beinhalten -allseitigen Vorstellungen und dem politischen Willen folgend- eine völlige Abkehr vom Beamtenrecht. Das wirkt sich insbesondere bei der nicht mehr am Beamtenversorgungsrecht angelehnten Ruhegeldzusage aus. Diese hat eine eigenständige dienstvertragliche Regelung gefunden, die erst ab der 2. Vertragsperiode Wirksamkeit erlangt und zudem die Zahlung eines 13. Versorgungsbezuges ausschließt. Ferner wird weder für die aktive Dienstzeit noch für die Zeit des Ruhestands ein Beihilfeanspruch zugestanden.“
Als Ausgleich für den Wegfall des Beihilfenanspruches, der Aufwandsentschädigung von Zahlungen von Verbundunternehmen an Vorstandsmitglieder (Provinzial, LBS) und des Entstehens der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosen-versicherung wurde eine spürbare Anhebung der Grundbeträge empfohlen.
Dem beigefügt war ein Muster-Dienstvertrag (vgl. Bl. 222 ff.).
Dieser wurde zum Anlass genommen, verschiedene Synopsen zu erstellen, d.h. die Gegenüberstellung der potentiellen dienstvertraglichen Rechte des Klägers nach dem empfohlenen Mustervertrag mit seiner jetzigen vertraglichen Situation. Eine solche Synopse überreichte der Kläger als Anlage zu seinem Schreiben vom 20.06.1997 (Bl. 217) einem Mitarbeiter des westfälischen-lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, Herrn S. Zu § 11 heißt es, seine derzeitige Situation betreffend: „Anrechnung nach § 55 BeamtVG“.
Demgegenüber sah der Muster-Dienstvertrag folgende Regelung vor (Bl. 224):
„Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie aus Zusatzversorgungskassen werden auf das Ruhegeld angerechnet. Von der Anrechnung ausgenommen sind Leistungen die auf Zahlungen des Vorstandsmitglieds beruhen.“
In einer Verwaltungsratssitzung vom 23.06.1997 (Bl. 169 f.) wurde beschlossen, eine Neuregelung der Anstellungsbedingungen der bestehenden Dienstverträge mit den Vorstandsmitgliedern zu treffen. Wörtlich heißt es in dem Sitzungsprotokoll:
„Für unser Haus empfiehlt es sich, den Vorschlag des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes aufzugreifen und zur Vorbereitung einer evtl. Personalentscheidung im Verwaltungsrat die Anstellungsbedingungen sowie deren Änderungen im Hinblick auf die neuen Empfehlungen in einem Ausschuß zu beraten. Hierzu würde es sich anbieten, den Kreditausschuß damit zu beauftragen, ohne die Beschlußzuständigkeit des Verwaltungsrates in Frage zu stellen.
Es wird daher vorgeschlagen, den Kreditausschuß mit der Vorbereitung zu beauftragen.“
Es folgten entsprechende Sitzungen des Kreditausschusses. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Protokolle der Sitzung Bezug genommen.
Es wurde eine weitere Synopse zur Vorlage beim Kreditausschuss erstellt (Bl. 220 ff.), in der es unter „Dienstvertrag Herr Spark.-Dir. U“ zu „Bisher § 11“ heißt:
„Volle Anrechnung aller Rentenzahlungen nach § 55 BeamtVG.“
Obwohl der bestehende Dienstvertrag eigentlich noch bis Ende 2001 wirksam gewesen wäre, wurde unter dem 25.03.1999 ein neuer Dienstvertrag mit dem Kläger geschlossen (Bl. 77 ff.). Der Vergütungsgrundbetrag betrug nun 339.350,00 DM brutto zuzüglich einer – nun - ruhegehaltsfähigen Zulage von 15 %. Der Beihilfeanspruch des Klägers blieb erhalten, ebenso ein Anspruch auf Reisekosten, Trennungsentschädigung und Umzugskostenvergütung nach den Vorschriften für den öffentlichen Dienst.
Hinsichtlich seiner Versorgung regelt § 11:
„1. Dem Vorstandsmitglied und seinen Hinterbliebenen wird Versorgung nach den für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften nach Maßgabe dieses Vertrages gewährt.
…
2. a) Tritt der Versorgungsfall ein, so sind als Ruhegeld ab 1. Juli 1998 55 v. H. der ruhegeldfähigen Bezüge oder die entsprechende Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.
…
2. c) Als ruhegeldfähiger Bezug gilt monatlich ein Zwölftel des bei Eintritt des Versorgungsfalles vertraglich zustehenden Jahresgrundbetrages und der 15%-igen allgemeinen Zulage.
…
2. e) Soweit das Vorstandsmitglied für voraufgegangene im Beamtenverhältnis oder einem sonstigen versicherungsfreien Arbeitsverhältnis zurückgelegte Dienstzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert ist und/oder die Sparkasse nach der Bestellung Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, werden die auf die Nachversicherung bzw. die Beiträge der Sparkasse entfallenden Rentenanteile auf die laufenden Versorgungsbezüge angerechnet. Die Höhe der Rentenanrechnung bestimmt sich nach dem Verhältnis der vollen Versicherungsjahre, für die Beiträge entrichtet wurden, zu den gesamten Versicherungsjahren. Die Anrechnung der Rentenanteile erfolgt im Verhältnis des Beitragsanteils des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers zu den Gesamtbeiträgen für den jeweiligen Zeitraum. Bei Anwendung von § 55 BeamtVG bleiben die nach Satz 1 bis 3 auf die Versorgungsbezüge anzurechnenden Rentenanteile außer Ansatz.“
Dieser Dienstvertrag enthält im Rubrum die Bezeichnung „Sparkasse Wittgenstein,… vertreten durch den Verwaltungsrat, dieser vertreten durch das Vorsitzende Mitglied und ein weiteres Mitglied, nachstehend Sparkasse genannt…“.
Am Tage der Unterzeichnung war der neue Dienstvertrag auch Gegenstand einer Verwaltungsratssitzung, wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das zur Akte gereichte Protokoll dieser Sitzung (Bl. 85 ff.). Vorgelegen hatte dem Verwaltungsrat eine weitere Synopse, in der den Regelungen des voraufgegangenen Dienstvertrages in einer mittleren Spalte die neuen Regelungen gegenübergestellt wurden, die in einer Spalte rechts außen erläutert wurden. Zur Anrechnung von Rentenbezügen verhält sich die Synopse nicht.
Unter dem 21.06.2006 kam es zu einem weiteren, letzten Dienstvertrag mit dem Kläger (Bl. 9 ff.). Die Regelung hinsichtlich seiner Versorgung entspricht wörtlich derjenigen im voraufgegangenen Vertrag vom 25.03.1999.
Zum 30.09.2008 beendete der Kläger sein Anstellungsverhältnis. Mit Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 25.08.2010 wurde die ihm aus den versicherungspflichtigen Dienstverhältnissen vor dem 01.01.1977 zustehende Rente auf 826,39 € festgesetzt (Bl. 16 f.). Die kommunale Versorgungskasse stellte sich mit Schreiben vom 20.10.2010 auf den Standpunkt, dass dieser Betrag dem Kläger zu 100 % auf die wegen seiner Vorstandstätigkeit zu gewährende Versorgung anzurechnen sei (Bl. 20 f.). Entsprechend wurden seine Versorgungsbezüge gekürzt.
Der Kläger trägt -unbestritten- vor, dass ihm für die Zeit vom 01.09.2010 bis 31.05.2013 insgesamt eine Rente von 27.660,23 € zustand, um die seine Versorgungsbezüge gekürzt worden sind. Er nimmt die Kürzung nur wegen des Arbeitgeberanteils i.H.v. 50 % hin und hat die Auffassung vertreten, die Einbehaltung der anderen Hälfte der Rente i.H.v. 13.830,11 € sei ungerechtfertigt.
Mit der Klage begehrt er zum einen die Zahlung dieses Betrages als Pension nebst Rechtshängigkeitszinsen und des Weiteren die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab dem 01.06.2013 die Versorgungsbezüge ohne Anrechnung des Arbeitnehmeranteils der Altersrente zu zahlen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass eine Anrechnung aufgrund der vertraglichen Regelung erst dann statthaft sei, wenn die beamtenrechtliche Höchstversorgungsgrenze von 75 % mit den Rentenbezügen überschritten werde. Von dieser Lesart der Neuregelung seien sowohl der damalige Verwaltungsratsvorsitzende, der Zeuge Q, als auch er selbst bei der Verlängerung des Dienstvertrages vom 25.03.1999 ausgegangen. Selbst wenn dem nicht so wäre und eine Einigung insofern nicht erzielt worden sei, so sei die Vertragslücke in Anlehnung an die Empfehlungen des Sparkassenverbandes vom 18.09.1996 dahingehend zu schließen, dass man sich auf jeden Fall darauf verständigt hätte, dass eine Anrechnung jedenfalls solcher Rentenansprüche nicht erfolgen sollte, die auf Zahlungen des Vorstandsmitglieds selbst beruhten, also durch seinen Arbeitnehmeranteil verdient worden seien. Er beruft sich insoweit auf eine entsprechende Handhabung bei weiteren Vorstandsmitgliedern in deren neugefassten Dienstverträgen und begehrt Gleichbehandlung.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Anwendung von § 55 BeamtVG bzw. des darin enthaltenen Prinzips der vollen Anrechnung von Rentenbezügen jenseits des Pension-Höchstbetrages sowohl im Dienstvertrag vom 25.03.1999 als auch im Folgevertrag vom 21.06.2006 (auf den im Übrigen allein und entscheidend abzustellen sei) eindeutig vereinbart worden sei. Dies folge aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Vertragswerkes und auch der Genesis, insbesondere unter Berücksichtigung der dem Verwaltungsrat am 25.03.1999 bei Beratung der Neufassung vorgelegten Synopse. Die Abzüge seien daher zu Recht erfolgt.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Vernehmung der Zeugen Q, B, H, G und C antragsgemäß verurteilt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei nach § 11 des Dienstvertrages vom 21.06.2006 die vollständige Anrechnung der gesetzlichen Rente auf die Versorgungsbezüge vereinbart, die Beklagte verstoße aber gegen Treu und Glauben, wenn sie sich darauf berufe. Die Kammer sei nach der Vernehmung des Zeugen Q davon überzeugt, dass die Parteien am 25.03.1999 übereinstimmend – wenn auch rechtlich unzutreffend – davon ausgegangen seien, dass es einer Anpassung des Vertragsverhältnisses an die Empfehlungen der Sparkassenverbände NRW vom 18.09.1996 nicht bedürfe. Wäre die Rechtslage zutreffend beurteilt worden, so wäre eine Anrechnung zumindest entsprechend der genannten Empfehlung erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Tenors und der Begründung wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung verfolgt die Beklagte den in erster Instanz gestellten Klageabweisungsantrag weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie das erstinstanzliche Vorbringen.
Die Beklagte macht insbesondere geltend:
Das Landgericht habe zutreffend auf den übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien ausgeführt, der Wortlaut von § 11 des Dienstvertrages vom 21.06.2006 sehe eine vollständige Anrechnung der gesetzlichen Rente des Klägers auf seine Versorgungsbezüge vor.
Dies sei auch vereinbart worden und maßgeblich. Insbesondere habe jenseits des Vertragswortlauts keine Einigkeit dahingehend bestanden, dass eine Anrechnung der Rente auf die Versorgungsbezüge erst dann stattfinden könne, wenn die Summe beider 75 % des ruhegeldfähigen Grundbetrages übersteige.
Der Zeuge G, Vorsitzender des Verwaltungsrates im Jahre 2006, habe ausgesagt, über die Rentenanrechnung sei überhaupt nicht gesprochen worden, dies sei niemals Thema gewesen.
In keinem der vorangegangenen Dienstverträge sei eine nur teilweise Anrechnung von gesetzlichen Renten vorgesehen gewesen, sondern immer und nur die volle Anrechnung. So habe es der Kläger auch selbst verstanden, wie sich aus der Darstellung in den verschiedenen, teils aus seiner eigenen Feder stammenden Synopsen ergebe.
Auf eine Einigkeit zwischen dem Zeugen Q und dem Kläger komme es nicht an, weil Entscheidungsträger für den Inhalt des Anstellungsvertrages nicht Herr Q als Vorsitzender des Verwaltungsrates, sondern der Verwaltungsrat selbst sei. Herr Q sei nur Vertreter, dessen Vertretungsmacht auch nur soweit reiche, wie er Beschlüsse des eigentlichen Entscheidungsträgers, des Verwaltungsrates ausführe. Schließe er Verträge jenseits davon, so fehle ihm insoweit die erforderliche Vertretungsmacht mit der Folge, dass entsprechend geschlossene Verträge schwebend unwirksam wären. Eine Genehmigung durch den Verwaltungsrat sei -unstreitig- nicht erfolgt.
Zwischen dem Verwaltungsrat und dem Kläger habe auch nach der Darstellung in der Klage nie Einigkeit bestanden, erst recht nicht in Form einer Beschlusslage.
Aus der Aussage des Zeugen Q ergebe sich lediglich, dass über die Frage der Anrechnung gesetzlicher Renten nur im mit der Vorbereitung des neuen Dienstvertrages beauftragten Kreditausschuss, nicht aber im Verwaltungsrat gesprochen worden sei.
Der neue Dienstvertrag vom 25.03.1999 sei ein Konglomerat aus dem alten Dienstvertrag des Klägers mit dem neuen Mustervertrag des Dachverbandes. Es sei ein neues, eigenständiges und individuelles Vertragswerk entstanden, nicht etwa die Umsetzung des Mustervertrages ohne jede Änderung erfolgt.
Auch treffe nicht zu, dass eine Anrechnung der gesetzlichen Rente entsprechend den Verbandsempfehlungen bei einer Nachverhandlung erfolgt wäre. So habe z.B. der Zeuge G ausgesagt, schon wegen der Höhe der Bezüge des Klägers habe es Mitglieder des Verwaltungsrates gegeben, bei denen die Schmerzgrenze erreicht gewesen sei. Weitere finanzielle Zugeständnisse seien Mitte 2006 nicht erreichbar gewesen.
Für eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben sei vorliegend kein Raum. Ebenso scheide eine Auslegung des Dienstvertrages aus. Insbesondere sei der Gesichtspunkt der Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge nicht irrig übergangen worden und ungeregelt geblieben. Ein Inhaltsirrtum bei einer der Parteien liege auch nicht vor, im Übrigen sei die Anfechtungsfrist abgelaufen. Das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage sei nicht anzuwenden, weil die Versorgung nicht Geschäftsgrundlage, sondern Gegenstand des Vertrages gewesen sei. Außerdem sein das Festhalten an der getroffenen Regelung für den Kläger nicht unzumutbar.
Die Feststellungsklage hätte als unzulässig abgewiesen werden müssen, weil für die Zeit vom 01.06.2013 bis 30.09.2014 die Leistungsklage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorrangig gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens 1. Instanz.
Er meint zusätzlich, der geltend gemachten Anspruch folge jedenfalls aus Verschulden beim Vertragsschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf ihre in zweiter Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Dem Kläger steht weder der geltend gemachten Zahlungsanspruch noch die begehrte Feststellung zu.
I. Zahlungsantrag (13.830,11 €)
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 13.830,11 € aus § 11 des Dienstvertrags vom 21.06.2006.
Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts regelt § 11 des Dienstvertrages vom 21.06.2006 für den Kläger eine vollständige Anrechnung der gesetzlichen Rente auf seine Versorgungsbezüge. Das hat die Beklagte, vertreten durch die Kommunale Versorgungskasse, dem Kläger mit Schreiben vom 20.10.2010 auch mitgeteilt. Der geltend gemachte Anspruch besteht danach nicht.
Der Kläger hat diese Auffassung seiner Klage im Ausgangspunkt auch zugrunde gelegt (vgl. bereits die Klageschrift, Bl. 3 unten), behauptet allerdings, das davon abweichende tatsächlich Gewollte – keine Anrechnung - sei maßgeblich; das kann allerdings nicht festgestellt werden.
Es oblag dem Kläger, den ggf. für ihn günstigen Sachverhalt schlüssig darzulegen und zu beweisen. Ein vom maßgeblichen schriftlichen Vertrag vom 21.06.2006 abweichenden übereinstimmenden Willen der Parteien im vorgenannten Sinne oder ein Verstoß der Beklagte gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) lässt sich aber entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht feststellen.
a.
Besteht ein übereinstimmender Wille der Parteien, so ist dieser rechtlich auch dann allein maßgeblich, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. nur Palandt/Ellenberger, § 133, Rn. 8 mwN).
Es kann im Einzelfall gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens und damit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sich der Arbeitgeber auf eine ihm zustehende Rechtsposition beruft. Dies ist rechtsmissbräuchlich, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG, BAGE 87, 200, 204 f.). Solche besonderen Umstände liegen insbesondere dann vor, wenn durch das Verhalten der einen Seite für die andere ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Lage entstanden ist (BAG, NJOZ 2007, 2975, Rn. 41 mwN).
b.
Die Behauptung des Klägers ist gemessen daran bereits in rechtlicher Hinsicht nicht schlüssig dargelegt und die Feststellungen des Landgerichts insoweit nicht bindend i. S. v. § 529 I Nr. 1 ZPO.
aa.
Wie oben bereits ausgeführt, sieht der Vertrag vom 21.06.2006 in § 11 Nr. 2 d), den der Verwaltungsrat gebilligt und mit dem Kläger geschlossen hat, unstreitig die volle Anrechnung der gesetzlichen Rente vor. Eine identische Regelung findet sich in dem Vertrag vom 25.03.1999. Auch die vorherigen Verträge der Beklagten mit dem Kläger sahen die vollständige Anrechnung vor.
bb.
Für die Frage des übereinstimmenden Willens der Parteien zur Nichtanrechnung „bis zu 75 %“, der aus dem Vertrag 1999 in den Vertrag 2006 übernommen worden sein müsste, kommt es auf Seiten der Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers auf den Verwaltungsrat als das zuständige Organ, und nicht auf den Kreditausschuss oder den damaligen Vorsitzenden Q des Verwaltungsrates an. Auch ein etwaiger Vertrauenstatbestand für den Kläger konnte im vorliegenden Fall nur durch den Verwaltungsrat als Gremium gebildet werden.
Denn für den Abschluss der Dienstverträge mit dem Kläger als Vorstand war der Verwaltungsrat zuständig (§ 14 Abs. 2 b SpkG NRW a. F.; siehe Bl. 406); zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten, die der Senat teilt, Bezug genommen, zuletzt im Schriftsatz vom 30.07.2015 (Bl. 602 ff.) nebst Anlagen (Bl. 622 ff.) Bezug genommen.
Die Zuständigkeit des Verwaltungsrates war dem Kläger jedenfalls aufgrund der geschlossenen Verträge auch bekannt. Diese wurden erst nach entsprechenden Sitzungen und Beschlüssen des Verwaltungsrates geschlossen und nicht nur vom Vorsitzenden, sondern auch von einem weiteren Mitglied unterzeichnet.
Es kommt deshalb auf die Ausführungen des Klägers zu Rechtsscheingesichtspunkten nicht an. Für den Kläger ersichtlich wurde vor dem Abschluss des Vertrages vom 25.03.1999 im Kreditausschuss und mit dem Zeugen Q nur Vorgespräche zum erst noch abzuschließenden Dienstvertrag geführt; verbindliche Vereinbarungen konnten in diesem Verhältnis – für den Kläger ersichtlich - nicht getroffen werden hinsichtlich der Frage der Anrechnung.
Soweit der Vorsitzende des Verwaltungsrates Q dem Kläger damals zugesagt haben sollte, dass eine Anrechnung nicht erfolgen werde, hätte er sein Vertretungsmacht – für den Kläger erkennbar - überschritten; eine wirksame Vereinbarung über das Unterlassen der Anrechnung wäre auch so nicht wirksam zustande gekommen.
Dem Kläger war auch die - offenbar von ihm initiierte - Situation zur Anrechnung bekannt; dass zeigt sich insbesondere in dem Vermerk aus 1984, den Synopsen, die teilweise von ihm selbst gefertigt wurden und liegt seinem gesamten Vorbringen zugrunde.
cc.
Nach der vom Kläger für seine Auffassung vorgelegte Stellungnahme des Zeugen Q vom 08.06.2012 (Bl. 44) gingen sowohl der Verwaltungsrat als auch der Kläger 1999 nur davon aus, dass eine Rentenanrechnung „faktisch“ nicht zum Tragen kommt. Eine gesicherte Rechtsposition oder einen Vertrauenstatbestand wurde damit für den Kläger schon deshalb nicht begründet, weil es bei der bisherigen Anrechnungsvorschrift im Vertrag verblieb und – auch wegen der dynamischen Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften und insbesondere § 55 BeamtVG (vgl. BAG, a.a.O.) – die Anrechnung möglich blieb (wovon die Parteien im Prozess auch ausgehen). Das musste – selbst wenn entsprechende Erklärungen im Kreditausschuss und vom Zeugen Q erfolgt sein sollten – dem Kläger bewusst sein, zumal er keine ausdrückliche anderweitige Erklärung des Verwaltungsrates als Gremium im Jahre 1999 schlüssig darlegt und auch z. B. bei dem Vorstandsmitglied Völker anders verfahren wurde.
Im Übrigen sei nur ergänzend darauf hingewiesen, dass die schriftliche Stellungnahme des Zeugen Q auch nicht relevant ist. Er hat nämlich bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht abweichend bekundet, dass nur im Kreditausschuss und nicht mehr im Verwaltungsrat über die Anrechnung gesprochen worden ist; im Übrigen habe nur er selbst mit dem Kläger über die Problematik gesprochen, er wisse nicht, was die Übrigen Verwaltungsratsmitglieder darüber gedacht hätten, er gehe davon aus, dass sie nach dem bisherigen Rechtszustand davon ausgegangen seien, dass keine Anrechnung erfolge. Angesichts der Maßgeblichkeit des Verwaltungsrates als Gremium ist die Aussage des Zeugen somit bereits unergiebig. Das Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 25.03.1999 passt in diesen Zusammenhang, weil es zu der Frage der Rentenanrechnung keine Angaben enthält; insbesondere führt die entsprechende Synopse die Regelung in § 11 Abs. 2 (alt und neu) nicht auf.
Auch die Aussage des Zeugen B ergibt nicht anderes; er hat vielmehr bekundet, es solle bei der Anrechnung i. S. d. Vorverträge bleiben, er sei nicht davon ausgegangen, dass eine gesetzliche Rente nicht angerechnet werde.
Aus den Aussagen der übrigen Zeugen ergibt sich nichts zugunsten des Klägers; insbesondere hatten sie keine Erinnerung daran, dass über die Frage der Anrechnung gesprochen worden sei. Das behauptet auch der Kläger selbst nicht.
Ein „Präjudiz“ für den Jahre später geschlossenen Dienstvertrag aus 2006, auf Seiten der Beklagten noch dazu mit anderer Besetzung des Verwaltungsrates und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vorherigen Verträge, die unstreitig alle gerade die volle Anrechnung vorsahen, war damit nicht verbunden. Dem Kläger war vielmehr auch zu diesem Zeitpunkt die Problematik bekannt, es hätte ihm oblegen, auf eine klare Regelung im Vertrag hinzuwirken, die gerade die von ihm geltend gemachte Nichtanrechnung vorsah; das hat er aber gerade nicht getan.
Ein schützenswertes Vertrauen hinsichtlich der Nichtanrechnung konnte daher für den Kläger nicht entstehen.
Die erneute Vernehmung der Zeugen ist nicht erforderlich, weil deren Aussagen nicht anders als die Vorinstanz verstanden werden, sondern der rechtliche Ansatz abweichend vom Landgericht erfolgt und deshalb der Sachvortrag des Klägers unschlüssig und die Aussagen jedenfalls unergiebig sind. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann die nochmalige Vernehmung eines Zeugen unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen (d. h. seine Glaubwürdigkeit) noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit (d. h. die Glaubhaftigkeit) seiner Aussage betreffen (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 704, Rn. 6 mwN; NJW-RR 2009, 1291, Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier.
dd.
Aus dem vom Kläger damals veranlassten Aktenvermerk des Personalleiters der Beklagten vom 23.08.1984 kann er für sich schon deshalb nichts herleiten, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass dieser im Verwaltungsrat 1999 oder 2006 oder auch zuvor Thema war.
Es kommt daher nicht darauf an, dass der Aktenvermerk angesichts vorstehender Ausführungen keine verbindliche Aussage für die Beklagte betr. die Anrechnung zugunsten des Klägers treffen konnte, schon gar keine, die einen Vertrauenstatbestand für ihn begründen konnte.
2.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus Verschulden beim Vertragsschluss (vgl. Kläger Bl. 543) im geltend gemachten Umfang scheitert angesichts vorstehender Ausführungen schon an einer Pflichtverletzung, jedenfalls aber an einem kausal verursachten Schaden.
II. Feststellungsantrag
Der Feststellungsantrag (§ 256 I ZPO) ist zwar entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unzulässig, schon weil der Kläger im Laufe des Prozesses fällige Zahlungen nicht mit der Leistungsklage weiterverfolgen und den Antrag entsprechend umstellen muss (vgl. nur Zöller/Greger, § 256, Rn. 7a mwN) und weil die Beklagte als Anstalt des öff. Rechts erwarten lässt, dass sie bereits auf die Feststellung hin leisten würde (Zöller/Greger, § 256, Rn. 8 mwN).
Aus den vorstehenden Gründen zu I. ist der Feststellungsantrag allerdings unbegründet.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassung in der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs, und der Literatur getroffen hat.
Meta
03.03.2016
Oberlandesgericht Hamm 27. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 03.03.2016, Az. 27 U 24/15 (REWIS RS 2016, 15074)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 15074
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
II ZR 303/01 (Bundesgerichtshof)
Rückwirkende Anrechnung von Witwenrente
Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge
Kirchenbeamter, Rente, Anrechnung, Rentenversicherung, Besoldung
8 U 155/15 (Oberlandesgericht Hamm)
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