Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 18/10 R

8. Senat | REWIS RS 2011, 1552

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Unterkunft und Heizung - Heiz- und Betriebskostennachforderung - keine unmittelbare Kenntnis des zuständigen Sozialhilfeträgers - sozialgerichtliches Verfahren - Streitgegenstand - Auslegung von Anträgen und Rechtsbehelfen - § 44 Abs 1 S 2 und S 3 SGB 12 keine gegenüber § 48 SGB 10 eigenständige Regelung)


Leitsatz

Der Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wegen einer Heiz- und Nebenkostennachforderung setzt nicht voraus, dass der zuständige Sozialhilfeträger unverzüglich von der Nachforderung in Kenntnis gesetzt wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. April 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Zahlung zusätzlicher 220,70 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat März 2007 wegen einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für das Kalenderjahr 2006.

2

Die 1982 geborene Klägerin bezieht seit dem 1.7.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.] - ([X.]), wobei an Kosten der Unterkunft 225 Euro für [X.], 65 Euro für einen Betriebskostenvorschuss und 45 Euro für einen Heizkostenvorschuss erbracht wurden (Bescheid vom 27.8.2007 für die [X.] vom 1.1. bis 31.10.2007, mit dem Heizkosten zunächst nur in Höhe von 32,50 Euro übernommen wurden; Bescheid vom 8.10.2008, mit dem rückwirkend der Heizkostenvorschuss in voller Höhe übernommen wurde). Mit dem ersten Antrag auf Grundsicherungsleistungen hatte die Betreuerin der Klägerin am 15.6.2005 eine Erklärung mit ua folgendem Inhalt unterschrieben: "Soweit sich aus meinem Mietvertrag jährliche Nebenkostenabrechnungen ergeben, werde ich auch diese umgehend, d.h. spätestens bis zur Fälligkeit bzw. 4 Wochen nach Erhalt der Rechnung, dem Sozialamt zur Überprüfung vorlegen. Ansonsten besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme dieser einmaligen Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe."

3

Am 20.3.2007 erhielt die Klägerin eine Heiz- und Betriebskostenabrechnung des Vermieters für das [X.] mit einer Nachforderung für Heizkosten in Höhe von 129,82 Euro und von Nebenkosten in Höhe von 90,88 Euro. Erst am [X.] reichte die Betreuerin der Klägerin die Rechnung mit der Bitte um Erstattung der von der Klägerin mittlerweile verauslagten Kosten in Höhe von 220,70 Euro ein. Die Beklagte lehnt dies ab, weil ihr die Rechnung verspätet vorgelegt worden sei (Bescheid vom 26.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.7.2008).

4

Das Sozialgericht ([X.]) Köln hat die Beklagte verurteilt, "den Nachzahlungsbetrag der Klägerin aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das [X.] in Höhe von 220,70 € zu übernehmen" (Urteil vom [X.]); das [X.] ([X.]) [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, dass es sich bei der Heiz- und Betriebskostenabrechnung um einen Bedarf an Unterkunfts- und Heizkosten handele, der im Monat März 2007 entstanden und sofort fällig geworden sei. Dieser Bedarf sei nicht dadurch entfallen, dass die Rechnung beglichen worden sei, bevor ein Erstattungsantrag bei der Beklagten eingereicht worden sei. Insoweit stehe einer Leistung der Beklagten § 44 Abs 1 Satz 2 [X.], wonach der Bewilligungszeitraum der Grundsicherung bei einer Änderung der Leistung zugunsten des Berechtigten am [X.] beginne, in dem die Voraussetzung für die Änderung eingetreten und mitgeteilt worden sei, schon deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift keine einmaligen Bedarfe erfasse. Ein Ausschluss der geltend gemachten Leistungen ergebe sich auch nicht aus der von der Betreuerin unterzeichneten Erklärung über die rechtzeitige Vorlage von Nebenkostenabrechnungen.

5

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 18 Abs 1 [X.] iVm § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]. Die Klägerin habe nicht zeitnah die Nebenkostenabrechnung vorgelegt, sodass ihr weder für den Monat März 2007 noch für die [X.] danach eine höhere Leistung zustehe.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] und des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Ob und in welcher Höhe die [X.]lägerin für März 2007 einen Anspruch auf höhere Leistungen (220,70 [X.]) hat, kann nicht abschließend entschieden werden. Hierzu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) des [X.], die es dem Senat ermöglichen würden, Grund und Höhe des Anspruchs zu überprüfen. Allerdings hat das [X.] zu Recht entschieden, dass die Vorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]II (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.] 3022 - erhalten hat) für einmalige Bedarfsänderungen wie eine Heiz- und Betriebskostennachforderung keine Anwendung findet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der [X.] vom 27.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 SGG), soweit darin für den Monat März 2007 eine höhere Leistung - beschränkt auf [X.]osten der Unterkunft und Heizung - abgelehnt wurde (zur Beschränkung in diesem Sinn später). Gegen diesen Bescheid wendet sich die [X.]lägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG), weil sich das [X.]lagebegehren an § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] - ([X.]) misst (dazu später). Bei Anwendung dieser Vorschrift genügt wie in Fällen des § 44 [X.] nicht die reine Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl nur das Senatsurteil vom 10.11.2011 - [X.] [X.] 12/10 R - Rd[X.]2 mwN). Dies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - der Bescheid vom 27.8.2007 schon ein solcher nach § 48 [X.] ist (dazu später) und höhere Leistungen als im ändernden und als im abgeänderten Bescheid verlangt werden.

Entgegen der Ansicht des [X.] ist zwar der Bescheid vom 8.10.2008, soweit die Beklagte rückwirkend für den Monat März 2007 die noch fehlenden 12,50 [X.] zum von der [X.]lägerin tatsächlich gezahlten monatlichen Heizkostenvorschuss bewilligt hat, gemäß § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden, weil dieser Bescheid unmittelbar den vorliegenden Streitgegenstand erfasst (dazu später); jedoch ist der Senat mangels Verfahrensrüge daran gehindert, diesen Bescheid materiellrechtlich in seine Prüfung einzubeziehen (vgl nur das Senatsurteil vom 25.8.2011 - [X.] [X.] 29/10 R - Rd[X.]0 mwN). Da die Sache ohnedies aus anderen Gründen an das [X.] zurückzuverweisen ist und das [X.] dann den Änderungsbescheid vom 8.10.2008 einzubeziehen hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, welche prozessualen und materiellrechtlichen Auswirkungen das Verbot der Nichtberücksichtigung im Revisionsverfahren für den Senat - evtl Teilerledigung des [X.]lageantrags in Höhe von 12,50 [X.] (vgl zu einer vergleichbaren Problematik das Senatsurteil vom 25.8.2011, aaO) - bei einer abschließenden Entscheidung des Senats besäße.

Bei dem Bescheid vom 26.9.2007, mit dem die Beklagte ausdrücklich die beantragte Übernahme der [X.]osten für die Heiz- und Betriebskostenabrechnung des Jahres 2006 abgelehnt hat, handelt es sich demgegenüber um einen wiederholenden Bescheid ohne eigenen Regelungscharakter (vgl dazu nur [X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 32); seines Erlasses hätte es nicht mehr bedurft, weil der am [X.], also innerhalb der für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.8.2007 geltenden Monatsfrist (§ 84 Abs 1 SGG), bei der [X.] eingegangene Antrag auf Erstattung gemäß § 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]) als Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.8.2007 zu werten ist, allerdings beschränkt auf den Monat März 2007 und den Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Insoweit handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (Senatsurteil vom 14.4.2011 - [X.] [X.] 18/09 R - Rd[X.]0 mwN). Dies gilt auch, wenn sich - wie hier - der Leistungsempfänger gegen einen Änderungsbescheid (§ 48 [X.]) wendet, mit dem die Gesamtleistung der Hilfe für den Lebensunterhalt bei gleichbleibender Leistung für Unterkunft und Heizung neu bewilligt wurde. Die verfahrensrechtliche Ausgangslage ist dann nicht anders als bei einem Erstbescheid bzw einem Neubescheid nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums. Eine streitgegenständliche Beschränkung allein auf die Heiz- und Nebenkostennachforderung ist allerdings unzulässig; eine Beschränkung ergibt sich deshalb nur hinsichtlich der Leistungshöhe der Unterkunftskosten insgesamt (vgl [X.] <[X.]>, Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - Rd[X.]3) auf weitere 220,70 [X.].

Die Auslegung des [X.] als Widerspruch folgt der Rechtsprechung des [X.] zum sog Meistbegünstigungsprinzip. Danach sind nicht nur im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern auch im Verwaltungsverfahren gestellte Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen. Insbesondere ist derjenige Rechtsbehelf gegen denjenigen Verwaltungsakt als eingelegt anzusehen, der nach Lage der Sache in Betracht kommt und Erfolg versprechen kann ([X.], 77, 79 = [X.]-4100 § 104 [X.] mwN; [X.] 4-3500 § 18 [X.] RdNr 22; [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.]I, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21 ff mwN); auf diese Weise wird iS des § 2 Abs 2 [X.] sichergestellt, dass die [X.] Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (vgl dazu: [X.] in juris [X.] [X.], 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005).

Erkennbar ging es der [X.]lägerin lediglich um Überprüfung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung für den Monat März, weil im Monat März vom Vermieter die Nachforderung geltend gemacht worden ist. Folge davon ist, dass der Bescheid vom 27.8.2007 für die Monate Januar und Februar sowie für die [X.] ab April insgesamt und für März 2007 bezüglich der sonstigen Sozialhilfeleistungen (etwa Regelsatzleistung) bestandskräftig geworden ist und die (nach Aktenlage) geringfügige Leistungsminderung ab 1.1.2007 aufgrund eines erhöhten Einkommens der [X.]lägerin gegenüber dem früheren Bewilligungsbescheid (vom [X.] für die [X.] bis 31.10.2007) keiner Überprüfung bedarf. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung sind jedenfalls durchgehend in gleicher Höhe erbracht worden. Nach Aktenlage wird sich nicht das Problem ergeben, auf welche Leistung nach Beschränkung des Streitgegenstands ggf höheres Einkommen anzurechnen ist, wenn es fehlerhaft berücksichtigt worden wäre (vgl dazu [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, § 19 [X.]II RdNr 34 mwN).

Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 27.8.2007 über die Ablehnung höherer einmaliger Leistungen der [X.]osten für Unterkunft und Heizung (220,70 [X.]) misst sich - entgegen anderer Ansichten in der sozialhilferechtlichen Literatur ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]II, 18. Aufl 2010, § 44 [X.]II Rd[X.]0; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.]II, 8. Aufl 2008, § 44 [X.]II RdNr 7; Gröschel-Gundermann in [X.]/[X.], [X.]I/[X.]II/[X.], § 44 [X.]II RdNr 5, Stand April 2005; [X.] in [X.]/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 44 [X.]II Rd[X.]3, Stand September 2008; [X.] in [X.]/[X.], [X.]II mit [X.], 4. Aufl 2009, § 44 [X.]II RdNr 7) - an § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 [X.] [X.] ([X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]2; [X.], Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - Rd[X.]3); denn spätestens seit Inkrafttreten des [X.]II finden die Vorschriften der §§ 39 ff [X.] für die Wirksamkeit und Aufhebung von Verwaltungsakten grundsätzlich auch bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Anwendung ([X.], 137 ff Rd[X.]4 ff = [X.] 4-1300 § 44 [X.]1; Falterbaum in [X.]/[X.], [X.]II, [X.] § 44 RdNr 9, Stand März 2009). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 [X.] [X.] ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie vorliegend - vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, zugunsten des Betroffenen eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Ob dies der Fall ist, kann vom Senat mangels tatsächlicher Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach nicht geprüft werden, weil sich das [X.] ausschließlich mit der Frage befasst hat, ob § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]II einschlägig ist.

Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung iS des § 48 Abs 1 [X.] (gegenüber dem Bescheid vom [X.]) ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] lediglich darauf abzustellen, ob der Bescheid aufgrund der objektiven Verhältnisse unter den geänderten Bedingungen so nicht hätte erlassen werden dürfen (vgl nur: Schütze in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 48 Rd[X.]2 mwN; [X.] in LP[X.]-[X.], 3. Aufl 2011, § 48 RdNr 27 mwN). Soweit in der sozialhilferechtlichen Literatur ein eigenständiger Begriff der Wesentlichkeit (mindestens 15 % höhere Leistungen) vertreten wird (vgl hierzu nur: Falterbaum in [X.]/[X.], [X.]II, [X.] § 44 [X.]II Rd[X.]1 mwN, Stand März 2009; [X.]reiner in Oestreicher, [X.]I/[X.]II, § 44 [X.]II Rd[X.]1, Stand Juni 2006), entbehrt dies einer gesetzlichen Grundlage (vgl auch [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, § 44 [X.]II RdNr 21). § 44 Satz 2 und Satz 3 [X.]II normieren nämlich keine gegenüber § 48 [X.] völlig eigenständige Regelung, sondern modifizieren diese nur, soweit es den Leistungsbeginn betrifft ([X.]reikebohm in [X.]reikebohm/Spellbrink/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 44 [X.]II RdNr 3).

Gemäß § 42 Abs 1 Nr 2 [X.]II (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des [X.]II und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670 - erhalten hat) iVm § 29 Abs 1 und Abs 3 [X.]II (ebenfalls idF, die die Norm durch dieses Gesetz erhalten hat) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zwar unterfallen auch einmalige [X.]osten dieser Vorschrift und stellen einen Bedarf im Monat der Fälligkeit dar ([X.], Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - Rd[X.]5); jedoch beurteilt sich im Rahmen des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.] die wesentliche Änderung gegenüber der früheren Sach- und Rechtslage nach dem [X.]punkt der tatsächlichen Verursachung der [X.]osten ([X.], aaO, Rd[X.]3), also hier den Verhältnissen des Jahres 2006. Mangels anderweitiger Regelungen ist die Nachforderung des Vermieters der [X.]lägerin mit ihrer Geltendmachung fällig geworden; nicht zu prüfen ist, ob diese Forderung des Vermieters gerechtfertigt war. Es genügt, dass die Zahlung der [X.]lägerin auf der Grundlage einer Vereinbarung gezahlt worden ist, es sich also um eine ernsthafte Forderung handelte ([X.]E 104, 179 ff [X.]6 mwN = [X.] 4-4200 § 22 [X.]). Inwieweit dies vorliegend der Fall ist, hat das [X.] nicht festgestellt. Nicht festgestellt ist außerdem die Angemessenheit der [X.]osten der Unterkunft und Heizung für das [X.] unter Berücksichtigung der Nachforderung des Vermieters.

Einer Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.] und einer daraus resultierenden möglichen höheren Leistung für März 2007 steht nicht die Regelung des § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]II entgegen. Danach beginnt der Bewilligungszeitraum bei einer Änderung der Leistung (zugunsten des Empfängers) am [X.], in dem die Voraussetzungen für die Änderung eingetreten und mitgeteilt worden sind. Unabhängig davon, ob der Regelung überhaupt zu entnehmen ist, dass der Bewilligungszeitraum bei späterer Mitteilung erst am Tage dieser Mitteilung bzw mit dem Monatsanfang oder erst mit dem auf die Mitteilung folgenden Monat beginnt, gilt § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]II jedenfalls nicht für eine aus einem einmalig erhöhten Bedarf resultierende Veränderung (so auch [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, § 44 [X.]II RdNr 25.2). Dafür sprechen sowohl Wortlaut, Historie und Systematik der Vorschrift als auch Sinn und Zweck der Regelung.

§ 44 Abs 1 [X.]II macht insgesamt deutlich, dass die Vorschrift nur einen mehr als einmonatigen Bewilligungszeitraum (in der Regel nach Satz 1 zwölf Monate) regelt. Insoweit wird in Satz 2 ausdrücklich auf einen solchen Bewilligungszeitraum Bezug genommen, dessen Beginn aus Praktikabilitätsgründen (Geltung des Monatsprinzips) zugunsten des Leistungsempfängers auf den Monatsanfang vorverlegt wird; Ziel dieser Regelung ist es, eine taggenaue Berechnung möglichst zu vermeiden ([X.] in jurisP[X.]-[X.]II, § 44 [X.]II RdNr 25). Deshalb beginnt der neue Bewilligungszeitraum bei einer Änderung der Verhältnisse zu Lasten des Berechtigten nach Satz 3 auch erst mit dem Beginn des Folgemonats. § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]II kann sich dann aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf einmalige Bedarfserhöhungen in einem einzelnen Monat beziehen. Weil der zusätzliche (einmalige) Bedarf an einem bestimmten [X.] eintritt und weder auf den [X.] aufzuteilen ist noch sich auf den Bedarf der Folgemonate bezieht, geht es weder um die Vermeidung einer taggenauen Berechnung der Monatsleistung, noch kann, wie das [X.] zu Recht ausgeführt hat, zu einem späteren [X.]punkt ein neuer Bewilligungszeitraum in Gang gesetzt werden.

Die Richtigkeit dieser Auslegung belegen die Gesetzesmaterialien. Zwar existieren keine Gesetzesbegründungen zu § 44 [X.]II selbst; jedoch kann auf die Gesetzesmaterialien zum Grundsicherungsgesetz ([X.]) zurückgegriffen werden (so auch [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, § 44 [X.]II RdNr 3). Darin ist zur inhaltlich gleichen Regelung des § 6 [X.] ausgeführt (BT-Drucks 14/5150, [X.] zu § 6), die Leistungen würden in [X.] festgesetzt und zeitabschnittsweise bewilligt. [X.] Veränderungen in den Verhältnissen ein, die für die Gewährung bzw Höhe der Leistung erheblich seien, müsse dies unverzüglich mitgeteilt werden. Eine hieraus resultierende Veränderung des Anspruches zugunsten der Berechtigten solle dann dazu führen, dass mit dem [X.] ein neuer Bewilligungszeitraum beginne, in dem die Veränderung eingetreten und mitgeteilt worden sei. Anderenfalls beginne der neue Bewilligungszeitraum mit dem [X.] nach Eintritt der Veränderung. Wenngleich diese Aussage der Gesetzesbegründung, falls sie sich nicht lediglich auf eine Änderung zu Lasten des Berechtigten bezieht, keine Grundlage in einer gesetzlichen Regelung gefunden hat - sie beruht sonst möglicherweise auf dem vom Senat nicht geteilten Verständnis, die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts fänden überhaupt keine Anwendung (vgl zu dieser Problematik: [X.] [X.] 4-1300 § 44 [X.]5 Rd[X.]4 ff; [X.], Urteil vom 10.11.2011 - [X.] [X.] 12/10 R - RdNr 32) -, so zeigt sie doch, dass der Gesetzgeber Änderungen vor Augen hatte, die über die Dauer eines Monats hinaus fortwirken, bezogen auf zusätzliche Bedarfe also in der Folgezeit immer wieder neu entstehen, nicht lediglich als einmaliger Bedarf ungedeckt bleiben.

Entgegen der Ansicht der [X.] steht einer nachträglichen Leistung an die [X.]lägerin § 18 Abs 1 [X.]II nicht entgegen. Danach setzt die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistungen vorliegen. Abgesehen davon, dass bei den Grundsicherungsleistungen nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung ohnedies der sogenannte [X.]enntnisgrundsatz durch das Antragsprinzip ersetzt ist und weder die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes (vgl dazu [X.]E 104, 207 ff = [X.] 4-3530 § 6 [X.]) noch eine Änderung des Bedarfs während des Bewilligungszeitraums einen neuen Antrag voraussetzt (vgl zur vergleichbaren Situation im Rahmen des [X.]I [X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.]), soll § 18 [X.]II nur einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilferecht sicherstellen ([X.] [X.] 4-1300 § 44 [X.]5 Rd[X.]; [X.] in jurisP[X.]-[X.]II, § 18 [X.]II Rd[X.]3 ff mwN; vgl auch [X.] [X.] 4-3500 § 18 [X.] Rd[X.]). Es ist nicht vorrangige Aufgabe des § 18 [X.]II, Leistungen für die Vergangenheit auszuschließen, sondern ein rechtzeitiges Eingreifen des Sozialhilfeträgers auch ohne Antrag zu gewährleisten ([X.] [X.] 4-3500 § 18 [X.] Rd[X.]). Die [X.]enntnis braucht sich deshalb nicht auf die Höhe der zu erbringenden Leistung, sondern allein auf den Bedarf und die Hilfebedürftigkeit beziehen; der Sozialhilfeträger muss also lediglich [X.]enntnis vom Bedarfsfall als solchem haben ([X.], aaO, Rd[X.]5). Dies war vorliegend der Fall, weil die [X.]lägerin durchgehend im Leistungsbezug stand; ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung war ebenfalls gestellt.

Dass die fällige Betriebs- und Heizkostenabrechnung von der [X.]lägerin selbst - ohne die finanzielle Hilfe Dritter - bereits vor der Geltendmachung bei der [X.] beglichen worden ist, lässt ihren Bedarf und den Anspruch auf höhere Leistungen nicht entfallen. Es gilt insoweit nichts anderes als bei Leistungen mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 44 [X.] (vgl dazu [X.]E 104, 213 ff Rd[X.]3 ff = [X.] 4-1300 § 44 [X.]). [X.]einer Entscheidung bedarf zum gegenwärtigen [X.]punkt, ob mit Rücksicht auf die in § 48 Abs 4 [X.] angeordnete entsprechende Anwendung des § 44 Abs 4 [X.] die vom Senat für die rückwirkende Leistungsgewährung im Rahmen des § 44 Abs 4 [X.] aufgestellten [X.]riterien (vgl [X.] aaO) im vollen Umfang gelten. Die von der Betreuerin der [X.]lägerin unterschriebene Erklärung über Nebenkostenabrechnungen rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Für das Revisionsgericht bindend hat das [X.] hierzu ausgeführt, dass die [X.]lägerin keine vertragliche Willenserklärung abgegeben, sondern lediglich bestätigt habe, die (unzutreffende) Rechtsansicht der [X.] zur [X.]enntnis genommen zu haben. Es kann damit dahinstehen, ob ein solcher Vertrag - etwa gemäß § 58 Abs 1 [X.] iVm § 134 [X.] wegen eines Verstoßes gegen § 53 Abs 2 [X.] - überhaupt rechtswirksam wäre.

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 8 SO 18/10 R

10.11.2011

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Köln, 11. März 2009, Az: S 10 SO 82/08, Urteil

§ 42 S 1 Nr 2 SGB 12 vom 02.12.2006, § 29 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 29 Abs 3 SGB 12 vom 02.12.2006, § 44 Abs 1 S 2 SGB 12 vom 27.12.2003, § 44 Abs 1 S 3 SGB 12 vom 27.12.2003, § 18 Abs 1 SGB 12, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 10, § 96 SGG, § 95 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 18/10 R (REWIS RS 2011, 1552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1552

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