Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.12.2014, Az. 2 StR 211/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 24

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 211/14
vom
29. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

-
2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 29.
Dezember 2014 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 [X.]
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9.
Juli 2013 mit den Feststellungen aufgeho-ben
a) im Fall II.3.
der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe
und
c)
im Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben
hat es dem
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Angeklagten untersagt, berufs-
und gewerbsmäßig von Personen unter 21 [X.] Abbildungen anzufertigen oder solche Personen als Schauspieler oder Fo-tomodel auszubilden, zu beraten oder zu vermitteln. Darüber hinaus hat das [X.]
zugunsten der Nebenklägerin [X.]

eine Adhäsionsentschei-dung getroffen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte
mit der [X.]
der Verlet-zung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Be-schlussformel
ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet
im Sinne des § 349 Abs.
2 [X.].
1. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung des
Angeklagten we-gen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen (Taten zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]

) richtet, zeigt sie aus den Gründen der Zuschrift des [X.] keinen Rechtsfehler auf.
Auch der Adhäsionsausspruch hält im
Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das
[X.] hat bei der Bemessung des der Nebenklä-gerin [X.]

zugesprochenen [X.] in Höhe von 1.000

die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin berück-sichtigt.
Dies entspricht
der bisherigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 18.
Juni 2014 -
4 [X.]; Beschluss vom 2. September 2014 -
3 [X.]/14).
Der [X.] hält indes aus den im Beschluss vom 8.
Oktober 2014 (2 StR 337/14) dargelegten Gründen sowohl die Einbe-ziehung der wirtschaftlichen Verhältnisse des
Schädigers
als auch eine Erörte-rung der Vermögensverhältnisse der
Geschädigten
bei der Entscheidung über die Höhe der billigen Entschädigung im Sinne des § 253 Abs.
2 BGB für rechts-fehlerhaft.
Ungeachtet dessen
hat sich der vom [X.] zugrunde gelegte
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Bewertungsmaßstab hier jedenfalls
nicht zu Lasten des Angeklagten ausge-wirkt. Angesichts der geringen Höhe des [X.] und im Hinblick [X.], dass das [X.] die wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich an-spruchsmindernd und damit zugunsten des Angeklagten in Ansatz gebracht hat, kann ein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler ausgeschlossen werden.
2. Dagegen hat
die Revision
zu
Fall II.3.
der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]

) mit der [X.] der Verletzung formellen Rechts Erfolg.
Nach den insoweit
getroffenen Feststellungen setzte sich die zum [X.] dreizehnjährige
Nebenklägerin
in der Wohnung des Angeklagten zur Anfertigung von Fotoaufnahmen auf ein Sofa.
Während der Angeklagte Fotos machte, kniete er sich vor die Nebenklägerin, die keine Unterhose trug, führte einen Finger in ihre
Scheide ein
und manipulierte an ihrer
Klitoris.
a) Die von dem Angeklagten erhobene [X.] der Verletzung des §
244 Abs. 3 [X.] ist begründet.
Der [X.] liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu-grunde:
In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte die Spurensuche nach [X.] zum Beweis der Tatsache, dass sich auf dem [X.] DNA-Spuren der Nebenklägerin befänden. Das [X.] hat diesen [X.] als Beweisermittlungsantrag eingestuft
und ausgeführt, die Aufklärungs-pflicht gebiete eine Beweiserhebung nicht, weil selbst das Fehlen von DNA-Spuren nicht den Schluss zuließe, der Angeklagte habe die ihm vorgeworfene sexuelle Handlung
nicht begangen.

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Dies
hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das [X.] hat den Antrag rechtsfehlerhaft als Beweisermittlungsantrag
gewertet. In dem Antrag wurde ein konkretes Beweismittel zwar nicht ausdrücklich
benannt. Der
Antragsbegründung
war
jedoch im Wege der gebotenen Auslegung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 57.
Aufl., §
244 Rn.
39) unzweifelhaft
zu entnehmen, dass der Angeklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehr-te. Auch die Begründung, mit der das [X.] das Beweisbegehren
zurück-gewiesen hat, ist nicht frei von [X.]. Die Erwägung, das Fehlen von DNA-Spuren spräche nicht gegen die Tatbegehung durch den Angeklagten, wäre zwar grundsätzlich geeignet gewesen, eine Zurückweisung des Antrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der [X.] (§
244 Abs.
3 Satz
2
[X.]) zu rechtfertigen. Hierfür hätte es aber
einer eingehenderen Be-gründung bedurft. [X.] das Tatgericht einen Beweisantrag wegen Bedeutungs-losigkeit
zurückweisen, muss es darlegen, warum es aus der [X.] keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die [X.] an diese
Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz-
oder Hilfstatsache durch [X.] festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss geblieben ist. Dies nötigt zu einer Einfügung der behaupteten [X.] in das bis dahin
gewonnene Beweisergebnis (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
Mai 2013 -
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StR 143/13, [X.], 611). Hieran fehlt es.
Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung im Fall II.3. der Urteilsgründe auf diesem Verfahrensfehler beruht.
b) Darüber hinaus hat die Revision auch aufgrund
einer weiteren Verfah-rensbeanstandung,
mit der die Verletzung des §
244 Abs.
3 [X.] gerügt wird, Erfolg. Dem
liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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-
6
-
Nach der Vernehmung der Nebenklägerin stellte der Angeklagte den [X.],
ein
ärztliches
Gutachten
bezüglich seiner Erektionsprobleme, die ein me-dizinisches Problem seien, einzuholen. Das
Gutachten werde belegen, dass die Nebenklägerin
-
anders als von ihr ausgesagt
-
nach der Tat bei ihm keine Erektion habe wahrnehmen können.
Das [X.] hat auch diesen Antrag als Beweisermittlungsantrag gewertet
und ihn
ohne weitere
Begründung zu-rückgewiesen.
Entgegen der Ansicht des [X.]s handelte es sich auch bei die-sem Antrag
um einen Beweisantrag. An
der bestimmten Behauptung einer Be-weistatsache fehlte
es nicht deshalb, weil der Angeklagte im Zusammenhang mit den Tatvorwürfen zum Nachteil der Nebenklägerin
P.

eingeräumt hatte, mit dieser
eine intime Beziehung gehabt und mit ihr "r-nehmlich sexuell verkehrt"
zu haben ([X.]). Ein Beweisantrag liegt zwar dann nicht vor, wenn eine Beweisbehauptung wider besseres Wissen und [X.] lediglich zum Schein aufgestellt wird (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 10.
April 1992 -
3 [X.], [X.], 397, 398; [X.], [X.] 1999, 81, 82). Eine
solche Intention
des Angeklagten ist hier aber nicht ausreichend belegt. Denn aus der
Einlassung
des
Angeklagten ergibt
sich nicht ohne [X.], dass die behaupteten Erektionsprobleme zum Zeitpunkt der ihm vorgewor-fenen Tat
zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]

nicht bestanden. Das Land-gericht hätte
die begehrte Beweisaufnahme daher nur aus den in §
244 Abs.
3 und §
244 Abs.
4 [X.] genannten Gründen ablehnen
dürfen. Fehlt -
wie hier
-
eine solche Begründung, kann
sie
im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht nachgeholt werden (vgl. [X.], [X.], 7.
Aufl., §
244 Rn.
233).

c) Als rechtsfehlerhaft
erweist sich schließlich
auch die
Zurückweisung des Antrags, das Video
der
Wohnung des Angeklagten in Augenschein zu nehmen und mehrere
Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass 11
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sich entgegen der Aussage der Nebenklägerin in der
Wohnung keine Aktfotos an den Wänden befanden.
Auch dieser Antrag enthielt die bestimmte Behauptung einer konkreten [X.]. Seine Zurückweisung hätte daher einer
hinreichenden
Be-gründung
bedurft, um dem [X.] die Möglichkeit zu eröffnen, die Rechtmäßig-keit der Ablehnung zu überprüfen
(vgl. LR-Becker, 26.
Aufl., §
244 Rn.
134). Eine entsprechende
Begründung durch das [X.], das den Antrag rechtsfehlerhaft als Beweisermittlungsantrag behandelt hat, fehlt. Dazu,
ob die Zeugenvernehmung aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Be-deutung war

244 Abs.
3 Satz
2 [X.]), weil die [X.] nicht geeig-net gewesen wäre, die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zu erschüttern oder ob -
soweit es die beantragte Einnahme des Augenscheins
betrifft
-
die Beweis-aufnahme aus diesem Grund unter Aufklärungsgesichtspunkten
nicht erforder-lich war

244 Abs.
5 Satz
1 [X.]), verhält sich der Ablehnungsbeschluss des [X.]s nicht. Angesichts der bereits durchgreifenden
weiteren Verfah-rensrügen kann
dahinstehen, ob die Verurteilung im Fall II.3. auch auf dieser
Gesetzesverletzung
beruht.
3. Die Aufhebung der Verurteilung im
Fall II.3.
der Urteilsgründe entzieht dem [X.] die Grundlage.
4. Aufgrund der zwischen Strafe und Maßregel bestehenden Wechsel-wirkung (vgl. [X.]/[X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl.,
§
46 Rn.
70) ist zudem
die Anordnung des [X.] aufzuheben.
Für die neue [X.] weist der [X.] darauf hin, dass für den Fall, dass das Tatgericht er-neut ein Berufsverbot verhängen sollte, dieses auf den Umgang mit Personen 14
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-
8
-
weiblichen Geschlechts
zu beschränken wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Januar 2014
-
3 StR 388/13, NStZ-RR 2014, 177).
Fischer Appl

[X.]

Eschelbach Ott

Meta

2 StR 211/14

29.12.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.12.2014, Az. 2 StR 211/14 (REWIS RS 2014, 24)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 24

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2 StR 211/14

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