Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2016, Az. 3 StR 482/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17924

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:120116B3STR482.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 482/15
vom
12. Januar 2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen erpresserischen Menschenraubes
u.a.

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2
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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 12. Januar 2016 gemäß § 349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.
April 2015 mit den Feststellungen aufge-hoben.

[X.] wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hatte die Angeklagten unter anderem des erpresseri-schen Menschenraubs schuldig gesprochen und den Angeklagten B.

zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren sowie den Angeklagten Y.

zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Angeklagten hatte der Senat das erstinstanzliche Urteil we-gen eines Rechtsfehlers bei der Beweiswürdigung mit den Feststellungen auf-gehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine an-dere [X.] des [X.]s zurückverwiesen. Diese hat nunmehr ge-gen die Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Frei-heitsberaubung sowie wegen versuchter besonders schwerer räuberischer [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und [X.]
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bung jeweils auf dieselben Gesamtfreiheitsstrafen wie zuvor erkannt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit ihren Revisionen beanstanden die Ange-klagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel ha-ben mit der Rüge Erfolg, bei dem Urteil habe ein [X.] mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsge-such mit Unrecht verworfen worden ist, § 338 Nr. 3, § 24 StPO. Auf die übrigen Verfahrensbeanstandungen sowie die Sachrüge kommt es deshalb nicht an.
1. Der Rüge liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zu-grunde:
Der Verteidiger des Angeklagten Y.

nahm am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der [X.] Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: "Wir geben Ih-rer Zukunft ein Zuhause: JVA" bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: "2. Große [X.] bei [X.] Rostock". In der Zeile darunter hieß es: "1996 bis heute". Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des [X.], der wie folgt lautete: "Das ist mein 'Wenn du raus kommst, bin ich in [X.]". Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: -Verkäufer! :-))" kommentiert, was wiede-rum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, "geliked" wurde. Zu Beginn des nächsten [X.] lehnte der Angeklagte Y.

daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer [X.] wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Angeklagte B.

schloss sich diesem Gesuch an. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienst-lich zu dem
den Facebook-Account betreffenden Inhalt des Ablehnungsgesu-2
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ches wie folgt: "Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde [X.] nicht zu meinen privaten Lebensverhältnis-sen äußern." Am 28. Januar 2015 wies die [X.] die Ablehnungsgesu-che der Angeklagten als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönli-chen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.
2. Die in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobene Rüge ist begründet.
Die Ablehnung eines [X.]s ist nach
§ 24 Abs. 2 StPO
gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten [X.] Grund zu
der Annahme hat, der [X.] nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unpar-teilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser
Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 8. Mai 2014 -
1 [X.], [X.]R StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 23; Urteil vom 12. November 2009 -
4 [X.], [X.]R StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 21).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumen-tiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Be-trachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Straf-verfahren nicht objektiv, sondern habe [X.] an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des [X.] und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem kon-4
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kreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt. Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorein-genommenheit eines im Bereich des Strafrechts
tätigen [X.]s nicht zu ver-einbaren.
3. [X.] bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Ent-scheidung. Der Senat hat von der in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eröffneten Mög-lichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein zu demselben Land gehören-des
anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das neue Tatgericht gegebenenfalls bei der Bestimmung der Rechtsfolgen auch den weiteren Zeitablauf in den Blick zu nehmen haben wird.
[X.]Schäfer Gericke

Spaniol Tiemann
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Meta

3 StR 482/15

12.01.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2016, Az. 3 StR 482/15 (REWIS RS 2016, 17924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17924

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Erpresserischer Menschenraub: Absicht des Ausnutzens der Bemächtigungslage zur Begehung einer Erpressung


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3 StR 482/15

1 StR 726/13

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