Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.10.2018, Az. 30 W (pat) 531/16

30. Senat | REWIS RS 2018, 2425

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "PID" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 101 070.0

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 25. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 26. März 2015 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

soll für die Dienstleistungen

4

„Klasse 41: Veröffentlichung von medizinischen Texten im Bereich der Psychotherapie; Organisation von Seminaren, Arbeitsgruppen, Arbeitskreisen und Kongressen im Bereich der Psychotherapie;

5

Klasse 44: Zusammenstellung psychotherapeutischer Berichte; Psychotherapeutische Dienstleistungen; Zusammenstellen von psychotherapeutischen Behandlungen; Psychotherapeutische Beratungs und Betreuungsdienstleistungen durch Ärzte und sonstiges medizinisches Fachpersonal; Psychotherapeutische Beratungsdienstleistungen; Psychotherapeutische Beratung in Bezug auf die Gesundheit; Psychotherapeutische Beratung; Psychotherapeutische Auskünfte; Erteilung von Auskünften in Bezug auf die Psychotherapie; Erstellen von psychotherapeutischen Berichten; Beratungen in Bezug auf psychotherapeutische Dienstleistungen; Beratungen auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Gesundheitspflege; Beratungen auf dem Gebiet der Psychotherapie; Auskünfte über Neuerungen und aktuelle Themen im Bereich der Psychotherapie; Auskünfte in Bezug auf psychotherapeutische Dienstleistungen; Psychotherapeutische Versorgung“

6

in das beim [X.] geführte Register eingetragen werden.

7

Mit Beschluss vom 20. April 2016 hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 44 des [X.]s die Anmeldung zurückgewiesen, da es der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen an jeder Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) fehle.

8

Bei der angemeldeten Bezeichnung handele es sich nachweislich um die offizielle medizinische Fachabkürzung für „Präimplantationsdiagnostik“.

9

[X.] in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen dann aber lediglich den Hinweis entnehmen, dass diese sich inhaltlich/thematisch speziell mit den psychotherapeutischen Fragen und Auswirkungen einer Präimplantationsdiagnostik beschäftigen. Damit weise die Bezeichnung [X.] einen so engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen auf, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehle.

Aus diesen Gründen bestehe an der angemeldeten Bezeichnung zudem auch ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt, die er jedoch nicht näher begründet hat. Er hat auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässig. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist weder ein konkreter Antrag noch eine Begründung erforderlich. Fehlt ein Antrag, ist von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang auszugehen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 66 Rdnr. 40).

[X.] in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen jedenfalls an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. [X.] [X.] 2012, 610 (Nr. 42) - [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) -smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen [X.]/[X.]). Hierbei ist der Formulierung „und/oder“ zu entnehmen, dass auch das Verständnis der (am Handel) beteiligten Fachkreise für sich allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdnr. 46).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken bzw. Buchstabenkombinationen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; [X.] 2009, 952, 953, Nr. 10 - [X.]; [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2005, 417, 418 - [X.]; [X.] 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.] 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2010, 1100, Nr. 23 - [X.]!; [X.] 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - [X.]).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke [X.] in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf.

[X.] um die lexikalisch nachweisbare (medizinische) Fachabkürzung für „Präimplantationsdiagnostik“ handelt (vgl. DUDEN-online zu „[X.]“). Dies ist den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen neben dem (medizinischen) Fachverkehr (Ärzte, Apotheker, Therapeuten, medizinisches Fachpersonal) auch Teile des allgemeinen Verkehrs gehören, jedenfalls soweit sie mit der Präimplantationsdiagnostik konfrontiert werden, auch ohne weiteres bekannt. Die Präimplantationsdiagnostik ([X.]) umfasst die Methoden zellbiologischer und molekulargenetischer Untersuchungen, die dem Entscheid darüber dienen, ob ein durch In-vitro-Fertilisation erzeugter Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt werden soll oder nicht (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Pr% C3%A4implantationsdiagnostik).

In diesem Sinne wird der (Fach)Verkehr die angemeldete Bezeichnung auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen verstehen.

Zwar beschäftigen sich die beanspruchten Dienstleistungen ihrem Gegenstand und Inhalt nach nicht unmittelbar mit der Präimplantationsdiagnostik, sondern mit der Psychotherapie und damit mit der „gezielten professionellen Behandlung psychischer Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln“ (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Psychotherapie zu „Psychotherapie“).

Zutreffend hat die Markenstelle jedoch darauf hingewiesen, dass psychotherapeutische Dienstleistungen begleitend zu einer Präimplantationsdiagnostik angeboten werden können oder sich speziell mit den psychischen Auswirkungen einer Präimplantationsdiagnostik und der dabei regelmäßig zu treffenden Entscheidungen in Bezug auf die Implantation eines außerhalb des Körpers („in-vitro“) erzeugten Embryos in die Gebärmutter der Frau beschäftigen können.

[X.] im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen aus dem Bereich der Psychotherapie dann aber in einem für die angesprochenen Verkehrskreise sofort und ohne weiteres erkennbaren Hinweis darauf, dass diese sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach mit den Auswirkungen der Präimplantationsdiagnostik auf die Psyche der betroffenen Menschen bzw. den Möglichkeiten und Formen einer psychotherapeutischen Begleitung oder Therapie im Rahmen von präimplantationsdiagnostischen Maßnahmen befassen.

[X.] als Abkürzung für Präimplantationsdiagnostik damit möglicherweise nicht unmittelbar Merkmale und Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen aus dem Bereich der Psychotherapie beschreibt, so besteht jedenfalls ein enger beschreibender Bezug zu diesen Dienstleistungen. Der Verkehr wird in [X.] lediglich einen Sachhinweis auf Inhalt, Thematik und Ausrichtung der beanspruchten Dienstleistungen aus dem Bereich der Psychotherapie sehen, darin aber keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.

[X.] für sich gesehen mehrere Bedeutungen haben kann.

[X.] als Abkürzung für „Präimplantationsdiagnostik“ nahe.

Zudem ist in rechtlicher Hinsicht ein Wortzeichen schon dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es – wie hier – zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage stehenden Dienstleistungen bezeichnet ([X.], [X.] Int. 2004, 410, 412, Rdn. 38 – [X.]; [X.], [X.] 2008, 900, Rdn. 15 – SPA II).

3. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

4. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 531/16

25.10.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.10.2018, Az. 30 W (pat) 531/16 (REWIS RS 2018, 2425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2425

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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