Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 03.11.2010, Az. VIII ZR 330/09

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1727

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) MIET- UND WEG-RECHT

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Gegenstand

Wohnraummiete: Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an der Miete wegen eines Mangels der Wohnung


Leitsatz

Wegen eines Mangels der Wohnung, von dem der Vermieter keine Kenntnis hat, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht erst an den Mieten geltend machen, die fällig werden, nachdem der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hat .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 6. November 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 28. Februar 2011 bewilligt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des [X.]; die Miete beläuft sich seit April 2006 auf monatlich 330 €. Die Beklagten entrichteten die Miete für die Monate April, Juni und Juli 2007 nicht; für den Monat Mai 2007 zahlten sie am 11. Mai 2007 einen Betrag in Höhe von 165 €. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 kündigte der Kläger das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß. Am 8. August 2007 zahlten die Beklagten 495 € mit der Bestimmung "für Mai bis August", am 5. September 2007 weitere 330 € mit der Bestimmung "Sept. restl. Miete" sowie am 8. Oktober 2007 165 € mit der Bestimmung "Miete".

2

Der Kläger hat die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung von 1.155 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Zahlungsklage zur Zahlung von 495 € nebst Zinsen sowie zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Räumungsklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der [X.], sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff.).

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

5

Der Zahlungsanspruch des [X.] sei in Höhe von 495 € nebst Zinsen begründet. Auf diesen Betrag habe sich der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsrückstand durch die Zahlungen der [X.] reduziert. Zu einer Minderung der Miete seien die [X.] nicht berechtigt gewesen. Das Tropfen des [X.] überschreite bereits die [X.] nicht. Hinsichtlich des [X.] sei eine Minderung nach § 536c [X.] ausgeschlossen, weil die [X.] es versäumt hätten, dem Kläger den Mangel anzuzeigen. Die Aussage der Zeugin [X.] , die eine Anzeige anlässlich eines Gesprächs der Parteien in der Wohnung der [X.] im März 2007 bestätigt habe, sei nicht glaubhaft, weil sie zum eigentlichen Beweisthema nur ungenaue und teilweise widersprüchliche Angaben gemacht habe.

6

Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung stehe dem Kläger hingegen nicht zu. Das Mietverhältnis sei durch die Kündigung des [X.] vom 5. Juni 2007 nicht beendet worden, weil den [X.] wegen des [X.] ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des dreifachen [X.] zugestanden habe und sie deshalb nicht in Zahlungsverzug geraten seien.

7

Dem Mieter stehe ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 Abs. 1 [X.] auch dann zu, wenn er sich zuvor nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen habe und sein Recht zur Mietminderung wegen unterlassener Mängelanzeige ausgeschlossen sei. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der §§ 536b und 536c [X.] habe die Kenntnis des Mieters von einem Mangel lediglich zur Folge, dass er mit den [X.] ausgeschlossen sei. § 320 [X.] betreffe jedoch die primäre Leistungspflicht, für die die Mängelanzeige nicht erheblich sei. Dies werde vor allem daran deutlich, dass der Mieter trotz Verlust der [X.] nicht den [X.] aus § 535 [X.] auf Gebrauchsüberlassung einer mangelfreien Mietsache verliere. Das Zurückbehaltungsrecht habe den Sinn, auf den Vermieter Druck hinsichtlich der Mangelbeseitigung auszuüben; dieser Anspruch bleibe dem Mieter nach allgemeiner Auffassung aber trotz Verlust des [X.] erhalten.

II.

8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Dem Kläger steht der geltend gemachte Räumungsanspruch aus § 546 [X.] zu, weil die von ihm am 5. Juni 2007 ausgesprochene und gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 [X.] begründete fristlose Kündigung das Mietverhältnis mit den [X.] beendet hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der als Kündigungsgrund geltend gemachte Verzug der [X.] mit den Mietzahlungen nicht wegen eines Zurückbehaltungsrechts im Hinblick auf den in der Wohnung aufgetretenen Schimmelpilzbefall ausgeschlossen. Ein auf den Anspruch auf Beseitigung eines Mietmangels gestütztes Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 320 Abs. 1 Satz 1 [X.] erstreckt sich nicht auf Mietzahlungen, die der Mieter für einen vor der Anzeige des - dem Vermieter unbekannten - Mangels liegenden Zeitraum schuldet.

9

1. Bei Ausspruch der Kündigung des [X.] am 5. Juni 2007 bestand ein Rückstand gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 [X.], weil die [X.] die jeweils bis zum dritten Werktag fällige Miete für April 2007 nicht und für Mai 2007 nur zur Hälfte bezahlt hatten und sich somit für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug befanden.

2. Der Verzug der [X.] mit der Mietzahlung für diesen Zeitraum war nicht durch ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen.

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass in der Wohnung der [X.] während der Mietzeit ein Mangel in Form eines [X.] aufgetreten ist. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Zutreffend ist das Berufungsgericht ferner davon ausgegangen, dass der Ausschluss der [X.] des Mieters nach §§ 536b und 536c [X.] dessen Erfüllungsanspruch aus § 535 Satz 2 [X.] grundsätzlich unberührt lässt ([X.], Urteil vom 18. April 2007 - [X.], [X.], 484 Rn. 28). Es kommt deshalb, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, entscheidend darauf an, ob ein Verzug der [X.] mit der Zahlung der Miete gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 [X.] deshalb ausgeschlossen war, weil ihnen wegen eines auf Beseitigung des [X.] gerichteten Erfüllungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht zustand.

b) Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 [X.] dient dazu, auf den Schuldner Druck zur Erfüllung der eigenen, im Gegenseitigkeitsverhältnis zur geltend gemachten Forderung stehenden Verbindlichkeit auszuüben. Hiervon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus. Solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist, kann ein Zurückbehaltungsrecht jedoch die ihm zukommende Funktion, auf den Schuldner Druck auszuüben, nicht erfüllen. Aus diesem Grund kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters für einen Zeitraum, in dem er dem Vermieter den Mangel nicht angezeigt hatte und der Mangel dem Vermieter auch sonst nicht bekannt war, nach [X.] und Glauben von vornherein nicht in Betracht ([X.], [X.], 475 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., [X.] Rn. 127; Schenkel, [X.], 502, 504). Die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts auch für diesen Zeitraum würde dazu führen, dass eine Vertragsverletzung des Mieters - nämlich die unterlassene Anzeige des Mangels gemäß § 536c Abs. 1 [X.] - eine Kündigung des Vermieters wegen ausbleibender Mietzahlungen verhindern oder zumindest hinauszögern könnte, weil der Vermieter einerseits wegen fehlender Kenntnis von dem Mangel an der alsbaldigen Wiederherstellung eines vertragsgemäßen Zustandes gehindert wäre und andererseits ein zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigender Zahlungsverzug erst eintreten könnte, wenn es nach "Ausschöpfung" des Zurückbehaltungsrechts zu weiteren Zahlungsrückständen käme.

Eine unbillige Benachteiligung des Mieters ist mit dem Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts für vor der Mängelanzeige fällig gewordene Mietzahlungen nicht verbunden. Denn bei Fortbestand des Mietverhältnisses steht dem Mieter die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gegenüber den ab der Mängelanzeige fällig werdenden Mietforderungen zu. Im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses hingegen kommt ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangelbeseitigungsanspruchs ohnehin nicht mehr in Betracht, denn es handelt sich dabei um einen in die Zukunft gerichteten Erfüllungsanspruch, der nur während der Dauer des Mietverhältnisses besteht (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 2006 - V[X.] ZR 284/05, [X.], 696 Rn. 12 f.).

3. Da den [X.] mithin gegenüber der Mietforderung des [X.] für die Monate April und Mai 2007 die Einrede aus § 320 Abs. 1 [X.] nicht zustand, kommt es nicht mehr auf die weitere von der Revision aufgeworfene Frage an, ob bereits das Bestehen der Einrede den Verzug ausschließt oder es zumindest einer Geltendmachung im Prozess bedarf (vgl. dazu [X.], Urteil vom 18. Januar 1991 - [X.], [X.]Z 113, 232, 236; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2006, § 543 Rn. 57; [X.], Mietrecht, 9. Aufl., § 543 [X.] Rn. 97).

[X.].

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist, keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der [X.] und somit zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

[X.]                                       Dr. Frellesen                                        Dr. Milger

                Dr. Achilles                                           Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 330/09

03.11.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 6. November 2009, Az: 63 S 17/08, Urteil

§ 242 BGB, § 320 Abs 1 BGB, § 535 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 03.11.2010, Az. VIII ZR 330/09 (REWIS RS 2010, 1727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 S 88/17

VIII ZR 19/14

VIII ZR 19/14

VIII ZR 125/11

VIII ZR 330/09

V ZR 11/18

6 O 274/20

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