Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2014, Az. XII ZB 709/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4221

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 709/13

vom

9. Juli 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 233 Satz 1 und 2 Fc, 85 Abs. 2
a) Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbe-sondere zu [X.] und deren Notierung ebenso wie diese ver-lässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssi-cherheit bieten als ihr analoges Pendant.
b) Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfah-renshandlung -
hier der Einlegung der Beschwerde
-
mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang.
[X.], Beschluss vom 9. Juli 2014 -
XII [X.] 709/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 9.
Juli 2014
durch den Vor-sitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke
und [X.], Dr.
Nedden-Boeger
und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10.
Zivilsenats
und [X.] des [X.] vom 21.
November 2013 wird auf Kosten der Antragstellerin [X.].
Wert: 14.132

Gründe:
I.
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann,
im Schei-dungsverbund
noch
auf Zugewinnausgleich in Höhe von 35.000

Mit Schluss-
und Endurteil vom 6.
August 2013, das keine Rechtsbehelfsbeleh-rung enthielt und am Folgetag zugestellt wurde, hat das Amtsgericht den An-tragsgegner zur
Zahlung von 20.868,32

n-trag abgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 9.
September 2013 (ei-nem
Montag) durch einen von ihrem
Verfahrensbevollmächtigten unterzeichne-ten Schriftsatz Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt.
Das [X.] hat die Antragstellerin am 17.
Oktober 2013 [X.] hingewiesen, dass eine Beschwerdebegründung nicht eingegangen war. Am 25.
Oktober 2013 hat die
Antragstellerin die Beschwerdebegründung einge-1
2
-
3
-
reicht
und Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der [X.] beantragt, wobei sie zur Begründung unter ande-rem Folgendes ausgeführt hat: In der Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten würden Handakten ausschließlich als elektronische Akten geführt und sämtliche Fristen von einer hierfür besonders geschulten und eingewiesenen Kanzleian-gestellten, deren Arbeit nie Anlass zu Beanstandungen gegeben habe, sowohl in der EDV als auch in einem [X.] in Papierform notiert. Sobald fest-stehe, dass ein Rechtsmittel einzulegen sei, werde in der EDV eine neue Akte angelegt, wobei die Fristen nach Eingang des anzufechtenden Urteils oder [X.] bereits zur Ursprungsakte eingetragen würden. Bei Anlage der neuen Rechtsmittelakte prüfe die Mitarbeiterin nochmals, ob alle Fristen notiert seien, und übertrage diese
auf die neue Akte. Im Ergebnis erfolge mithin eine dreifa-che Fristnotierung in den elektronischen Akten und im [X.]. Die Fristversäumung im vorliegenden Fall beruhe darauf, dass versehentlich zwar die Beschwerde-, nicht aber die [X.] notiert und zu-sätzlich bei Anlage der Rechtsmittelakte Überprüfung und Übertragung verges-sen worden seien.
Das [X.] hat die begehrte Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand abgelehnt und die Beschwerde der
Antragstellerin
verworfen. Hier-gegen wendet sich diese mit ihrer
Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG i.V.m. §§
574 Abs.
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt sind und die Antragstellerin auch nicht aufzuzeigen vermag, 3
4
-
4
-
dass eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§
574 Abs.
2 ZPO).
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, die Beschwerde sei fristgemäß beim Amtsgericht eingelegt worden. Dieses
habe nämlich zu Unrecht altes
Verfahrensrecht angewandt, so dass nach dem Grundsatz der [X.] die Entscheidung mit dem Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung statthaft
wäre,
anfechtbar sei. Die Antragstellerin habe jedoch die Begrün-dungsfrist nicht eingehalten und sei daran auch nicht ohne ihr Verschulden ge-hindert gewesen, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben sei. Bei einem -
wie hier
-
anwaltlich ver-tretenen Beteiligten entfalle die Kausalität zwischen dem [X.] und der Fristversäumung im Regelfall, da im Hinblick auf die bei einem Anwalt vorauszusetzenden Grundkenntnisse von Verfahrensrecht und Rechtsmittelsys-tem davon auszugehen sei, dass der Beteiligte keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedürfe. Dies gelte in Anbetracht der eindeutigen Re-gelung zur Dauer der Rechtsmittelbegründungsfrist auch im vorliegenden Fall. Die Fristversäumung beruhe nicht ausschließlich auf einem Büroversehen in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Denn von [X.] habe bei Vorlage der Akten zur Wahrung der Beschwerdefrist überprüft
werden müssen, ob die [X.] in den Akten zutreffend vermerkt sei. Dies sei hier ersichtlich nicht erfolgt.
2. Rechtlich beanstandungsfrei hat das [X.] erkannt, dass im vorliegenden Verfahren gemäß Art.
111 Abs.
5 FGG-RG
die nach Inkrafttre-ten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den [X.] der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwen-5
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-
5
-
den sind und das Amtsgericht somit
gemäß §
116 Abs.
1 FamFG durch [X.] hätte entscheiden müssen. Nach dem Grundsatz der [X.] stand der Antragstellerin daher gegen das Schluss-
und Endurteil die Be-schwerde nach §
59 Abs.
1 FamFG offen, die sie gemäß §
64 Abs.
1 FamFG fristwahrend beim Amtsgericht einlegen konnte (Senatsbeschluss vom 29.
Mai 2013 -
XII
[X.]
374/11
-
FamRZ 2013, 1215 Rn.
7 mwN).
Insoweit erinnert die Rechtsbeschwerde ebenso wenig etwas wie dage-gen, dass die Beschwerdebegründung erst am 25.
Oktober 2013 und damit nach Ablauf der am 7.
Oktober 2013 endenden Frist zur Begründung der Be-schwerde bei dem [X.] eingegangen
ist.
3. Das [X.] hat die Beschwerde der Antragstellerin zu Recht als unzulässig verworfen, weil die Begründungsfrist des §
117 Abs.
1 Satz
3 FamFG
versäumt ist.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor, denn
die
Antragstellerin
hat die [X.] nicht unverschuldet i.S.d. §§
117 Abs.
5 FamFG, 233 Satz
1 ZPO versäumt. Wie das [X.] zutreffend
ausführt, beruht das Versäumnis auf ei-nem Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten, welches sich die Antrag-stellerin nach §
113 Abs.
1 FamFG i.V.m.
§
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen muss.
a) Die Auffassung des [X.]s, das Unterbleiben der Rechtsbehelfsbelehrung sei trotz des auch in [X.] bis Ende 2013 (seit 1.
Januar 2014: §§
117 Abs.
5 FamFG, 233 Satz
2 ZPO) entspre-chend anwendbaren §
17 Abs.
2 FamFG nicht kausal für die Fristversäumung der anwaltlich vertretenen Antragstellerin geworden, ist rechtlich nicht zu [X.]. Sie steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Senatsbe-7
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10
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6
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schlüsse vom 18.
Dezember 2013 -
XII
[X.]
38/13
-
FamRZ 2014, 643 Rn.
19; vom 27.
Februar 2013 -
XII [X.]
6/13
-
FamRZ 2013, 779 Rn.
7 und vom 13.
Juni 2012 -
XII
[X.]
592/11
-
FamRZ 2012, 1287 Rn.
7
f.) und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.
b) Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht kann sich die Antragstellerin nicht durch die Ausführungen zur Kanzleiorganisation
ihrer Verfahrensbevollmächtigten entlasten.
aa) Die Sorgfaltspflicht in [X.] verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von [X.] zu ge-währleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermögli-chung einer
Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fris-tenkontrolle gehört insbesondere, dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fris-tenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notie-rung laufender [X.] einschließlich deren Eintragung in den Fris-tenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich dann grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf (Senatsbeschluss vom 27.
November 2013
-
XII
[X.]
116/13
-
FamRZ 2014, 284 Rn.
7 mwN).
Die-se anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte nicht zu-gleich zur Bearbeitung mit vorgelegt worden ist, so dass der Rechtsanwalt in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen hat 11
12
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7
-
([X.] Beschlüsse vom 20.
Dezember 2012 -
III
[X.]
47/12 -
juris Rn.
7; vom 22.
September 2011 -
III
[X.]
25/11 -
juris Rn.
8 und vom 8.
Februar 2010 -
II
[X.]
10/09 -
MDR 2010, 533 Rn.
7 mwN).
bb) Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher
Form als Papierakte
oder aber als elektroni-sche Akte
geführt wird. Wie die Vorschrift des §
50 Abs.
5 BRAO zeigt, kann sich ein Rechtsanwalt zum Führen der Handakten der elektronischen Daten-verarbeitung bedienen. Entscheidet er sich hierfür, muss die elektronische Handakte jedoch ihrem Inhalt nach der herkömmlichen entsprechen und insbe-sondere zu [X.] und deren Notierung ebenso wie diese verläss-lich Auskunft geben können. Wie die elektronische [X.]führung ge-genüber dem herkömmlichen [X.] darf auch die elektronische Handakte grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant (vgl. [X.] Beschluss vom 17.
April 2012 -
VI
[X.]
55/11
-
FamRZ
2012, 1133 Rn.
8; [X.] [X.], 84).
Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Ver-fahrenshandlung -
hier der Einlegung der Beschwerde
-
mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang.
Der Rechtsanwalt muss die erforderliche Einsicht in die Handakte nehmen, indem er sich entweder die Papierakte
vorle-gen lässt oder das digitale Aktenstück am Bildschirm einsieht.
Dass die Hand-akte ausschließlich elektronisch
geführt wird, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass den Rechtsanwalt im Ergebnis geringere Überprüfungspflichten als bei herkömmlicher Aktenführung treffen.

13
14
-
8
-
cc)
Nach den Ausführungen der Antragstellerin zur Kanzleiorganisation ihrer Verfahrensbevollmächtigten war wegen eines doppelten Versehens des Kanzleipersonals die Notierung der Rechtsmittelbegründungsfrist sowohl im [X.] als auch in der elektronischen Handakte unterblieben. Dies [X.] die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bei der gebotenen [X.] der elektronischen Handakte anlässlich der Beschwerdeeinlegung ebenso bemerken müssen
wie bei herkömmlicher Aktenführung.
Dose

Weber-Monecke

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.08.2013 -
202 F 1984/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.11.2013 -
10 UF 1361/13 -

15

Meta

XII ZB 709/13

09.07.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2014, Az. XII ZB 709/13 (REWIS RS 2014, 4221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4221

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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