Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15.12.2011, Az. 1 BvR 1248/11

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2011, 359

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Abwägung zwischen Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und dem Schutz geistigen Eigentums andererseits hinsichtlich Unterlassungsansprüchen bzgl der Berichterstattung über Kopierschutzsoftware ("AnyDVD") - hier: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen BGH-Entscheidung zur Versagung von Unterlassungsansprüchen im "AnyDVD"-Verfahren


Gründe

1

Die [X.]beschwerde betrifft einen Urheberrechtsstreit, der eine Abwägung von Rechten des geistigen Eigentums gegen die Meinungs- und Pressefreiheit erforderte.

2

1. Die Beschwerdeführerinnen sind Inhaberinnen von Bild- und Tonträgerrechten an [X.] und -DVDs. Der im Ausgangsverfahren beklagte Verlag ([X.]r) betreibt einen Nachrichtendienst im [X.].

3

Dort veröffentlichte er im Jahr 2005 einen Artikel über die Software "[X.]", einen Treiber, der im Hintergrund automatisch und unbemerkt eingelegte DVD-Filme entschlüsselt. In dem Artikel wurde auch erwähnt, dass die Umgehung von [X.]unter anderem in [X.] und [X.] verboten sei. Mehrere Wörter des Artikels waren als ([X.] ausgestaltet; ein [X.] führte zum [X.]auftritt des Unternehmens, das "[X.]" anbot und zum Herunterladen bereitstellte.

4

Die Beschwerdeführerinnen wandten sich an den [X.]n und forderten ihn zur Unterlassung dieses [X.]s auf. In weiteren [X.]-Artikeln berichtete der [X.] daraufhin über dieses Abmahnverfahren und verlinkte darin seinen ursprünglichen Artikel.

5

2. Mittels einstweiliger Verfügung ließen die Beschwerdeführerinnen dem [X.]n verbieten, den Bezug der Software "[X.]" durch das Setzen eines [X.] auf einen [X.]auftritt der Herstellerfirma, auf dem diese Software zum Download angeboten wird, zu ermöglichen.

6

Gegen das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes letztinstanzliche Urteil ([X.], [X.], [X.]) legte der [X.] [X.]beschwerde ein. Diese wurde von der [X.] des [X.] des [X.] mit Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 BvR 1936/05 - ([X.], 153) nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Grundsatz der Subsidiarität verletzt sei; die aufgeworfenen Rechtsfragen seien zunächst im Hauptsacheverfahren durch die Fachgerichte zu klären.

7

Auch in der Hauptsache obsiegten die Beschwerdeführerinnen vor dem [X.] ([X.], [X.], [X.] = [X.], S. 192) und dem [X.] ([X.], [X.], [X.]). Hiergegen richtete sich die Revision des [X.]n.

8

3. Der [X.] hat mit dem angegriffenen Urteil ([X.], 240 - [X.]) das Berufungsurteil aufgehoben, das Urteil des [X.]s abgeändert und die Klage abgewiesen. In seinem Urteil führt der [X.] - zusammengefasst - aus:

9

a) Rechtlich unbedenklich sei zwar die Beurteilung des [X.]s, die Beschwerdeführerinnen seien zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche wegen Verletzung des § 95a des [X.] ([X.]) berechtigt, weil sie bei den von ihnen hergestellten Bild- und Tonträgern wirksame Kopierschutzmaßnahmen im Sinne dieser Bestimmung verwendeten (Rn. 15 des angegriffenen Urteils). Jedoch stehe den Beschwerdeführerinnen ein Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Teilnehmerhaftung nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 [X.] jedenfalls deshalb nicht zu, weil die beanstandeten Handlungen des [X.]n vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der [X.] ([X.]) und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und vom Recht auf freie Berichterstattung nach Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 2 [X.] und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst würden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei bei der rechtlichen Beurteilung der beanstandeten Beiträge des [X.]n streng zwischen der - sich von "[X.]" distanzierenden und daher grundsätzlich als zulässig anzusehenden - redaktionellen Berichterstattung als solcher und der [X.]setzung zu unterscheiden, werde dem Gewährleistungsgehalt dieser Grundrechte nicht gerecht.

Die Vorschrift des § 95a [X.] beruhe auf Art. 6 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie; ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, [X.]). Nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten bei Verletzungen der in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vorzusehen und alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die betreffenden Sanktionen müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Bei der Auslegung der Richtlinie sowie des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts (§ 95a [X.]) seien nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 [X.] die in dieser niedergelegten Grundrechte zu beachten.

Der Grundrechtsschutz umfasse die Meinungs- und Pressefreiheit in sämtlichen Aspekten (Rn. 21). Er erstrecke sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Meinungsäußerung oder Berichterstattung. Der beanstandete [X.] gehöre in diesem Sinne zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung (Rn. 22). Er beschränke sich nicht auf eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden [X.]seite, sondern erschließe vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen, in diesem Fall über das Herstellerunternehmen der Software. Die verschiedenen [X.]s in den genannten Artikeln des [X.]n seien in die Beiträge und in die in ihnen enthaltenen Stellungnahmen als Belege und ergänzende Angaben eingebettet und würden schon aus diesem Grund nicht nur vom Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst (Rn. 24).

Das Berufungsgericht habe darüber hinaus dem Umstand, dass der [X.] Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des [X.]hatte, ein zu großes Gewicht beigemessen (Rn. 25 ff.). Grundsätzlich dürfe auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden seien, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse bestehe und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen mache. Ein solches überwiegendes Informationsinteresse könne auch gegeben sein, wenn die Berichterstattung eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand habe. Gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen. Demgegenüber sei nicht ersichtlich, dass der Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse der Beschwerdeführerinnen durch die Setzung des [X.]s erheblich vertieft worden sei. Denn für den durchschnittlichen [X.]nutzer sei es bereits aufgrund der Angabe des Namens des [X.] mit Hilfe von Suchmaschinen ohne Weiteres möglich gewesen, dessen [X.]auftritt aufzufinden. Ferner habe das Berufungsgericht außer [X.] gelassen, dass in den Beiträgen des [X.]n deutlich auf die Rechtswidrigkeit des Downloadangebots hingewiesen worden sei (Rn. 28).

b) Aus denselben Gründen stünden den Beschwerdeführerinnen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch nicht nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu. Die Frage, ob diese Grundsätze bei Verstößen gegen § 95a [X.] überhaupt zur Anwendung gelangen, könne daher offenbleiben.

c) Einer Vorlage an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Auslegung der durch den Streitfall aufgeworfenen Fragen des Unionsrechts bedürfe es nicht. Die anzuwendenden Grundsätze seien durch die Rechtsprechung der [X.] Gerichte geklärt.

Mit ihrer [X.]beschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihres durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten geistigen Eigentums.

Das verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Verfügungs- und Verbotsrecht des Urhebers sei einfachrechtlich in §§ 15 ff., § 97 [X.] normiert; ergänzende Schutzbestimmungen enthalte unter anderem § 95a [X.]. Die [X.]"[X.]" sei danach verboten. Das [X.] habe zu Recht die Verurteilung des [X.]n auf die Grundsätze der [X.]wegen der Förderung des rechtswidrigen Gebarens des Softwareunternehmens durch die [X.]setzung gestützt. Das aufhebende Urteil des [X.]s leide - zu Lasten des geistigen Eigentums - an einem Abwägungsdefizit im Sinne der Kammerrechtsprechung in den Geräteabgabefällen (Hinweis auf [X.], Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2742/08 -, ZUM 2011, [X.], Rn. 17 ff., und - 1 BvR 2760/08 -, GRUR 2011, [X.], Rn. 17 ff.).

Zum einen verkenne der [X.], dass sich selbst dann nichts am Ergebnis der Abwägung des [X.]s ändern würde, wenn man die [X.]setzung nicht nur von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Medienfreiheit), sondern auch von [[X.]-4d6c-877a-82ebcf6a987c]Art. 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]] (Meinungsfreiheit) gedeckt sähe. In jedem Falle diene die [X.]setzung nur der Ergänzung und stehe nicht im Zentrum der Berichterstattung. Zum zweiten übergehe der [X.] seine eigene, zutreffende Rechtsprechung (BGHZ 158, 343 <352 ff.> - Schöner Wetten), wonach der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des verlinkten Angebots entscheidende Bedeutung für die Bejahung einer Haftung des [X.]setzers zukomme.

Die positive Kenntnis des [X.]n von der Rechtswidrigkeit des Softwareangebots habe im Streitfall schon aufgrund des eigenen Hinweises in dem Artikel auf die Rechtswidrigkeit festgestanden. Ohne seine "Schöner Wetten"-Entscheidung zu erwähnen, werfe der [X.] dem Berufungsgericht eine Überbewertung der Kenntnis des [X.]n von der Rechtswidrigkeit des verlinkten Angebots vor. Auf den vorangegangenen Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 3. Januar 2007 (a.a.[X.]) habe sich der [X.] dabei nicht stützen können. Die Frage, ob sich der [X.]setzer den verlinkten Inhalt "zu eigen mache", sei kein maßgebliches Kriterium. Wolle man hingegen mit dem [X.] die [X.]setzung der Meinungsfreiheit unterstellen, müsse man auch davon ausgehen, dass sich der [X.]setzer den gegebenenfalls rechtswidrigen Inhalt zu eigen mache, und zwar unabhängig von etwaigen distanzierenden Äußerungen. Es gelte dann nichts anderes, als wenn der [X.] die Software selbst zum Download angeboten hätte.

Auch das Argument des [X.]s, gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen, trage nicht. So dürfe in einem Beitrag über Kinderpornografie auch nicht auf kinderpornografische Seiten verlinkt werden. Das Argument des [X.]s müsse daher umgedreht werden: Je schwerwiegender der Verstoß sei, desto weniger sei seine Verlinkung zulässig.

Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Weder kommt ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist sie zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt. Ob sie wegen Fehlens einer verfassungsrechtlich tragfähigen und damit ausreichend substantiierten Begründung (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.]G) bereits unzulässig ist, kann dahinstehen. Jedenfalls besitzt die [X.]beschwerde keine Erfolgsaussicht in der Sache.

1. Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der [X.] Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. [X.]E 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>).

Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende [X.]en beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. [X.]E 89, 1 <9>). Auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten ist es allerdings regelmäßig nicht Sache des [X.], den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 [X.] -, ZUM 2011, [X.], Rn. 87). Die Schwelle eines Verstoßes gegen [X.]recht, den das [X.] zu korrigieren hat, ist vielmehr erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. [X.]E 89, 1 <9 f.>; 95, 28 <37>; 97, 391 <401>; 112, 332 <358 f.>).

Als konkurrierende [X.] ist hier, wie der [X.] erkannt hat und die Beschwerdeführerinnen nicht in Abrede stellen, die Meinungs- und Pressefreiheit des [X.]n zu berücksichtigen. Der [X.] hat hierzu die grundrechtlichen Maßstäbe zutreffend herausgearbeitet (Rn. 21 ff. des angegriffenen Urteils).

Eine gesetzliche Regelung zur Zulässigkeit und zu den Grenzen von [X.] existiert nicht. Das Urheberrechtsgesetz enthält mit § 95a lediglich eine Vorschrift, die technische Maßnahmen, welche ihrerseits dem Schutz von Urheberrechten dienen, vor Umgehung schützen soll. Hierzu zählen etwa Kopiersperren auf [X.] und DVDs, wie sie von der Software "[X.]" entschlüsselt werden können. Mangels einer gesetzlichen Regelung hat die Abwägung der konkurrierenden [X.]en anhand der anerkannten presserechtlichen und urheberrechtlichen Maßstäbe zu erfolgen, wie sie von der Rechtsprechung herausgearbeitet worden sind.

2. So verfährt auch der [X.] im angegriffenen Urteil. Seine Grundrechtsabwägung begegnet dabei keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Die Prüfung der Abwägung im Streitfall befindet sich im Rahmen der Jurisdiktionsbefugnis des [X.]; sie ist anhand des Maßstabes der [X.] Grundrechte vorzunehmen.

Zwar wäre die Regelung des § 95a [X.] selbst an den EU-Grundrechten zu messen, weil ein Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten insofern nicht ersichtlich ist (vgl. auch [X.], 153 <157 f.>). Der [X.] Gesetzgeber hat keinen solchen Spielraum gesehen; er hat sich vielmehr wegen des [X.] (vgl. dazu deren Erwägungsgründe 1, 4, 6 und 7) im Sinne einer "in diesem Bereich besonders wichtige(n) einheitliche(n) Anwendung und Auslegung in allen Mitgliedstaaten" (BTDrucks 15/38, [X.]) für eine eng am Wortlaut der Richtlinie orientierte Umsetzung entschieden.

Darauf kommt es jedoch im Streitfall nicht an. Denn Gegenstand des angegriffenen Urteils ist nicht eine grundrechtliche Überprüfung von § 95a [X.], sondern die Frage, ob ein nach den Grundsätzen der Teilnehmerhaftung in Verbindung mit § 95a [X.] möglicherweise bestehender zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch im konkreten Fall wegen der entgegenstehenden [X.] des [X.]n zu versagen ist. Die Abwägung der konkurrierenden [X.]en der Beteiligten ist vom [X.] am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Die einschlägige Richtlinie ist zwar ihrerseits im Lichte der [X.] Grundrechte, also insbesondere Art. 11, Art. 17 Abs. 2 [X.], auszulegen, enthält aber keine vollharmonisierende Regelung für die notwendige Abwägung zwischen dem Schutz vor Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie einerseits und der Meinungs- und Pressefreiheit andererseits (zur Nichtanwendbarkeit [X.]r Grundrechte bei Umsetzung vollharmonisierenden Unionsrechts vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 19. Juli 2011, a.a.[X.], Rn. 91).

Grundsätzliche, gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage an den [X.] zwingende Zweifel bestehen weder am Fehlen einer diesbezüglichen Regelung in der Richtlinie noch an der Erforderlichkeit, bei ihrer Anwendung die Meinungs- und Pressefreiheit in die Abwägung einzubeziehen. Zutreffend verweist der [X.] auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] (Rn. 30).

b) Bei Zugrundelegung anerkannter presserechtlicher und urheberrechtlicher Maßstäbe des [X.]rechts ist gegen die Abwägung des [X.]s nichts zu erinnern, auch wenn ein anderes Ergebnis ebenfalls verfassungsrechtlich vertretbar gewesen sein mag (vgl. Barnitzke, K&R 2011, S. 329 <330 f.>).

aa) So begegnet es keinen Bedenken, dass der [X.] das Setzen eines [X.]s in einem Online-Artikel wegen seiner Einbettung in eine pressetypische Stellungnahme neben der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterstellt. Denn es ist Teil des meinungsbildenden [X.], dessen Schutz Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinn hat, sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren (vgl. [X.]E 85, 1 <22>). Die Pressefreiheit schützt - insoweit darüber hinausgehend - auch die bloß technische Verbreitung von Äußerungen Dritter, selbst soweit damit keine eigene Meinungsäußerung des Verbreiters verbunden ist (vgl. [X.]E 21, 271 <278 f.>).

Soweit in der [X.]beschwerde das vom [X.] gefundene [X.] als - selbst bei Hinzutreten des Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG - nicht zwingend angegriffen wird, übersehen die Beschwerdeführerinnen, dass in einer Konstellation, in der sich konkurrierende [X.]en gegenüberstehen, die [X.]beschwerde regelmäßig nur mit dem Argument Erfolg haben könnte, dass abwägungsrelevante Umstände oder Rechtspositionen nicht oder fehlerhaft berücksichtigt oder grundrechtsrelevant fehlgewichtet wurden. Dies zeigt die [X.]beschwerde jedoch nicht auf. Der [X.] gelangt zum Überwiegen der Meinungs- und Pressefreiheit des [X.]n im Übrigen insbesondere deswegen, weil die [X.]setzung nicht auf eine technische Dienstleistung zu reduzieren und dadurch isoliert zu betrachten sei, sondern wegen ihres informationsverschaffenden Charakters am grundrechtlichen Schutz teilhabe. Diese Einschätzung ist von [X.] wegen nicht zu beanstanden.

bb) Dem angegriffenen Urteil kann nicht mit verfassungsrechtlicher Relevanz entgegengehalten werden, es weiche in einem entscheidenden Punkt von der früheren Rechtsprechung des [X.]s in der "Schöner Wetten"-Entscheidung ab. Dabei kann dahinstehen, ob dies überhaupt zutrifft (vgl. [X.], NJW 2011, [X.]; [X.], [X.] 9/2011 [X.]).

Jedenfalls wäre selbst eine Abweichung von früherer Rechtsprechung, gleich ob sie offengelegt wird oder nicht, für sich genommen nicht geeignet, ein grundrechtlich relevantes Abwägungsdefizit zu begründen. Die Zivilgerichte müssen bei der Entscheidung des ihnen unterbreiteten Einzelfalls die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende [X.]en beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. [X.]E 89, 1 <9>). Unrichtige Anschauungen von Grundrechten sind insbesondere dann verfassungsrechtlich bedeutsam, wenn darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen leidet (vgl. [X.]E 112, 332 <358 f.>). Gegebenenfalls kann ein Gericht sogar gehalten sein, frühere Rechtsprechung zu revidieren, um eine verfassungsgemäße Entscheidung treffen zu können. Eine Rechtsprechungsänderung mag im Einzelfall unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes Bedeutung erlangen (vgl. [X.]E 122, 248 <277 f.> m.w.N.); ein Gleichheitsproblem (vgl. [X.]E 19, 38 <47>) oder ein [X.]liegt in ihr aber grundsätzlich nicht.

cc) Weiter geht die [X.]beschwerde fehl, soweit sie die Frage, ob sich der [X.]setzer den verlinkten Inhalt zu eigen mache, für nicht maßgeblich hält (vgl. [X.], 153 <156 f.>). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen wird der Inhalt der durch einen [X.] in Bezug genommenen [X.]seite nicht schon qua Verlinkung zum Teil der vom Presseorgan geäußerten eigenen Meinung.

dd) Schließlich bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Erwägung des [X.]s, gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen. Entgegen der Darstellung in der [X.]beschwerde behauptet der [X.] nicht, schon das durch die Schwere des Rechtsverstoßes ausgelöste Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertige ohne Weiteres die [X.]setzung. Der [X.] wendet sich vielmehr umgekehrt gegen die Meinung der Vorinstanz, ein schwerer Urheberrechtsverstoß gebiete schon für sich ein Zurücktreten der Pressefreiheit.

Zutreffend nimmt der [X.] in seiner Abwägung zusätzlich in den Blick, dass die [X.]setzung als solche den Eingriff in Urheberrechte nicht erheblich vertiefe, weil die Seite des Softwareherstellers auch über eine Suchmaschine problemlos gefunden werden könne.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1248/11

15.12.2011

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 14. Oktober 2010, Az: I ZR 191/08, Urteil

Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG, Art 6 EGRL 29/2001, Art 8 Abs 1 EGRL 29/2001, Art 6 EU, Art 11 Abs 1 EUGrdRCh, Art 11 Abs 2 EUGrdRCh, Art 17 Abs 2 EUGrdRCh, Art 51 Abs 1 S 1 EUGrdRCh, § 95a UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15.12.2011, Az. 1 BvR 1248/11 (REWIS RS 2011, 359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 359


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 1248/11

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1248/11, 15.12.2011.


Az. I ZR 191/08

Bundesgerichtshof, I ZR 191/08, 14.10.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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