Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2003, Az. VI ZB 38/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4484

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[X.] ZB 38/02vom11. Februar 2003in dem [X.]:[X.]: neinZPO § 233 FdZur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisungerteilt hat, die von ihm in Gegenwart seiner Büroangestellten unterzeichneteRechtsmittelschrift per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu senden, die [X.] aufgrund einer Verwechslung eine nicht unterzeichnete Abschrift übermittelt.[X.], Beschluß vom 11. Februar 2003 - [X.]/02 - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 11. Februar 2003 durch [X.] Richterin Dr. Müller, [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zollbeschlossen:Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluß des7. Zivilsenats des [X.] vom [X.] aufgehoben.Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegendie Versäumung der Berufungsfrist gewährt.[X.]: 95.743,64 Gründe:[X.] Kläger begehrt wegen einer Lebensmittelvergiftung von dem [X.] im Wege der abgesonderten Befriedigung gem. § 157 [X.] Ersatz ma-terieller und immaterieller Schäden. Das [X.] hat der Klage teilweisestattgegeben. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des [X.] am8. März 2002 zugestellt worden. Am 8. April 2002, einem Montag, ist beim[X.] per Telefax eine Berufungsschrift aus der Kanzlei der Pro-zeßbevollmächtigten des [X.] eingegangen; zwei Tage später das Original.Beide Schriftstücke enthielten keine Unterschriften. Lediglich die zusammen mitdem Original eingereichte beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift war von- 3 -Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Hierauf wies das [X.] die Pro-zeßbevollmächtigten des [X.] am 9. oder 10. April 2002 hin.Am 15. April 2002 hat der Kläger (erneut) Berufung eingelegt und zu-gleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Be-rufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Fehlen der Un-terschrift auf der per Telefax übermittelten Rechtsmittelschrift beruhe auf einemVersehen einer Angestellten seiner Prozeßbevollmächtigten. Rechtsanwalt W.habe die Berufungsschrift in Anwesenheit der im Berufsausbildungsverhältnisbeschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] unterzeichnet und diese ange-wiesen, den Schriftsatz per Telefax an das [X.] zu übersenden.Da Frau [X.] auch eine beglaubigte und eine einfache Abschrift für die postali-sche Übersendung an das [X.] habe fertigen sollen, habe sieweitere Exemplare ausgedruckt und auf dem Schreibtisch abgelegt. [X.] habe sie per Telefax versehentlich ein nicht unterzeichnetes [X.].Mit dem angefochtenen Beschluß hat das [X.] den Wie-dereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des [X.] als unzu-lässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem [X.] seines Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe es ver-säumt, sein Büropersonal anzuweisen, Schriftstücke vor ihrer Absendung [X.] zu überprüfen. Daneben sei ihm vorzuwerfen, bei der [X.] nicht zugleich das [X.] unterschrieben zu haben. [X.] Organisationsmangel liege darin, daß keine organisatorischen Vorkeh-rungen dafür getroffen worden seien, per Telefax zu übermittelnde Schriftstückevon den Postsendungen zu trennen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit derRechtsbeschwerde.- 4 -II.Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinemverfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollenRechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprin-zip). Dieser verbietet es, einer [X.] die Wiedereinsetzung in den [X.] aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozeßbe-vollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nichtverlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entschei-dungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. [X.] 79,372, 376 f.; [X.], NJW-RR 2002, 1004, 1005).1. Das Berufungsgericht übersieht, daß es nach der ständigen Recht-sprechung des [X.] für den Ausschluß des einer [X.] zuzu-rechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der [X.] bzw. Anweisungenfür die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wennder Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig [X.] hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Frist-wahrung gewährleistet hätte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. September 1995- [X.] - [X.], 348; vom 18. März 1998 - [X.] - [X.], 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - [X.]/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - [X.]/01 -NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen,daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, [X.] befolgt ([X.], Beschluß vom 13. April 1997 - [X.] 5 -56/97 - NJW 1997, 1930). So liegt der Fall hier, denn der [X.] des [X.] hatte der Auszubildenden [X.] konkret aufgetragen, die von ihmin ihrer Gegenwart unterzeichnete Berufungsschrift per Telefax an das Ober-landesgericht zu senden. Hätte Frau [X.] diese Einzelanweisung befolgt, [X.] Berufungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daßsich Mängel bei der [X.] in einer [X.] ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl.hierzu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - [X.]/01 - NJW 2003,435 f. und [X.], Beschluß vom 9. Januar 2001 - [X.] 26/00 - NJW-RR 2001,782 f.).Das für die Fristversäumung ursächliche Versehen der Büroangestellten[X.] steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des [X.] nicht entgegen. Einer[X.] ist nur ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, nicht aber dasje-nige seines [X.] zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. [X.], [X.] 28. Oktober 1993 - [X.] - [X.], 955). Zwar trägt [X.] die Verantwortung dafür, daß eine einwandfreie [X.] rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht ([X.], Beschluß vom10. Februar 1982 - [X.] 76/81 - [X.], 471). Zur Erfüllung seiner Pflichtdarf der Anwalt aber eine einfache Aufgabe einer zuverlässigen Angestelltenübertragen, ohne daß er die ordnungsgemäße Erledigung überwachen muß([X.], Beschlüsse vom 10. Februar 1982, aaO und vom 4. November 1981- [X.] 59/81 und [X.] 60/81 - [X.], 190). Das gilt nicht nur für all-gemeine Weisungen, sondern auch und erst recht - wie hier - für eine konkretemündliche Weisung im Einzelfall ([X.], Beschlüsse vom 29. April 1994 - [X.]/93 - [X.], 1494 f. und vom 3. September 1998 - [X.] - [X.], 1170 f.). Die Versendung der Rechtsmittelschrift per Telefax ist eine ein-fache Bürotätigkeit, mit der eine im zweiten Lehrjahr stehende [X.] werden darf, sofern sie mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und- 6 -eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat(vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - [X.] - [X.], 238, 239;vom 6. Dezember 1995 - [X.] - [X.], 910 und vom 27. [X.]/01 - NJW-RR 2002, 1070, 1071). Diese Voraussetzungen sindhier erfüllt, wie der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen [X.] und der Auszubildenden [X.] glaubhaft gemacht hat.2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Prozeßbe-vollmächtigten des [X.] auch nicht vorgeworfen werden, bei der Unterzeich-nung der (später wohl als beglaubigte Abschrift eingereichten) [X.] zugleich das [X.] unterschrieben zu haben. Die Unterzeich-nung eines zweiten Exemplars der Berufungsschrift war zu diesem [X.] gar nicht möglich, denn nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des [X.] hat Frau [X.] weitere Exemplare erst nach Unterzeichnung des ersten aus-gedruckt. Dieser Arbeitsablauf ist nicht zu beanstanden, da zur wirksamen undrechtzeitigen Berufungseinlegung die Existenz eines einzigen Exemplars ge-nügte. Weitergehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung [X.] -3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht mit derErwägung des Berufungsgerichts versagt werden, den [X.] [X.] treffe ein Organisationsverschulden wegen unzureichender [X.], weil die per Telefax zu versendenden Schriftstücke nicht vonden zur postalischen Übersendung vorgesehenen Exemplaren getrennt [X.]. Ob die Organisationspflichten eine allgemeine Anweisung zu einer solchenTrennung erfordern, kann hier dahinstehen, da bei Befolgung der Einzelanwei-sung eine Verwechslung der Schriftstücke ausgeschlossen gewesen wäre undsich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht stellt.Müller [X.] Diederichsen Pauge Zoll

Meta

VI ZB 38/02

11.02.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2003, Az. VI ZB 38/02 (REWIS RS 2003, 4484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4484

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I ZB 31/16

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