Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.12.2017, Az. B 9 SB 68/17 B

9. Senat | REWIS RS 2017, 87

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Schwerbehindertenrecht - GdB-Feststellung - Höhe des Gesamt-GdB - übereinstimmender GdB-Vorschlag mehrerer Sachverständiger - keine Bindung des Gerichts - Tatsachenwürdigung als tatgerichtliche Aufgabe - eigene Prüfung und Bewertung des Gerichts - Verfahrensfehler - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 26. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 26.7.2017 hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle des anerkannten GdB von 40 verneint. Die bei dem Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund einer psychischen Störung, Lungenfunktionseinschränkung, koronare Herzkrankheit mit Stentimplantation, Impingementsyndrom beider Schultergelenke und degenerativer Hüftgelenksveränderungen mit Varikosis und Hüftprothese links mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 sowie wegen des degenerativen Wirbelsäulensyndroms mit einem Einzel-GdB von 10 bedingten keinen höheren GdB, da eine Addition der einzelnen Werte nicht stattfinde. In Übereinstimmung mit dem [X.] sei davon auszugehen, dass ein [X.] von 40 dem Gesamtmaß der behinderungsbedingten Teilhabebeeinträchtigung des [X.] gerecht werde. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim B[X.] Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G), weil das [X.] entgegen der Gutachten des Sachverständigen Dr. S. und [X.] einen GdB von nur 40 für begründet halte. Zudem liege ein Verfahrensmangel vor (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G), weil das [X.] mit seiner Entscheidung die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 S 1 [X.]G überschritten habe.

2

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 [X.]G abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

3

1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160 [X.] 17; B[X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.] 11; B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

4

Der Kläger hält es für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung,

        

"inwieweit … die entscheidenden Gerichte in [X.] bei ihrer Entscheidung von der Bewertung eines Sachverständigen abweichen 'dürfen'; insbesondere, wenn mehrere Sachverständige übereinstimmend eine andere Auffassung vertreten, als die des entscheidenden Gerichts".

5

Es ist fraglich, ob es sich bereits um eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G handelt, also um eine Frage, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann. Nicht dazu gehören Fragen, wie die vorliegende, die Denkgesetze oder Erfahrungssätze bzw wissenschaftliche Erkenntnisse betreffen, die sich auf die Feststellung und Würdigung von Tatsachen beziehen (vgl dazu B[X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] 9).

6

Aber auch für diesen Fall hat der Kläger die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen vermeintlichen Rechtsfrage nicht hinreichend dargetan. Hierzu wäre es zunächst erforderlich gewesen, die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen und die darauf beruhende Rechtsprechung des B[X.] darzulegen und Ausführungen dazu zu machen, weshalb sich die Beantwortung der vermeintlichen Rechtsfrage nicht bereits hieraus ergeben könnte. Denn rechtlicher Ausgangspunkt für die Feststellung des GdB ist stets § 69 Abs 1, 3 und 4 [X.]B IX (siehe B[X.] [X.] 4-3250 § 69 [X.] 10 Rd[X.] 16 bis 21 mwN). Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (B[X.]E 4, 147, 149 f; B[X.]E 62, 209, 212 ff = [X.] 3870 § 3 [X.] 26 S 83 ff; B[X.] [X.] 4-3250 § 69 [X.] 10), wobei das Gericht nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (1. Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen muss. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des [X.] kommt es indes nach § 69 [X.]B IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Zu all diesen Voraussetzungen verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Tatsächlich lässt sie aber erkennen, dass das [X.] das getan hat, was seine Aufgabe ist, nämlich ausgehend von einem bestimmten Sachverhalt eine Beweiswürdigung anhand der feststehenden medizinischen Tatsachen vorzunehmen und den [X.] anhand der [X.] selbst zu beurteilen (vgl B[X.] Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - Rd[X.] 5 mwN, stRspr). Im Grunde kritisiert der Kläger mit seinen Ausführungen lediglich die Beweiswürdigung des [X.] (vgl § 128 Abs 1 S 1 [X.]G), womit er gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des [X.] rügen wollte (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 7 S 10).

7

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auch darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des [X.] ebenfalls nicht gerecht.

8

Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf die Darlegung vermeintlicher Aufklärungsmängel (§ 103 [X.]G) durch das [X.] ohne zuvor den Sachverhalt und den gesamten Verfahrensgang darzustellen. "Bezeichnet" iS des § 160a Abs 2 S 3 [X.]G ist ein Verfahrensmangel allerdings nur dann, wenn die ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 14). Dies wird aber nur dann erkennbar, wenn zuvor diese Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verfahrensgang dargestellt und einer rechtlichen Wertung unterzogen werden. Hieran fehlt es. Sofern der Kläger ein Überschreiten der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 S 1 [X.]G durch das [X.] rügt, scheitert dieses Vorhaben, im Rahmen der Beschwerde, bereits an dem Umstand, dass nach § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 [X.]G gestützt werden kann. Die Stellung eines weiteren Beweisantrags hat der Kläger selbst nicht behauptet, ebenso wenig wie eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Überdies legt die Beschwerde auch nicht dar, welches Vorbringen zudem zu erwarten gewesen wäre. In diesem Zusammenhang wäre es auch erforderlich gewesen, sich mit den Grundsätzen der Bildung des [X.] auseinanderzusetzen (vgl B[X.] Beschluss vom 17.4.2013 - B 9 SB 69/12 B - Juris mwN) und darzulegen, warum die Annahme eines GdB von 50 hätte erfolgen müssen.

9

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 9 SB 68/17 B

22.12.2017

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Koblenz, 14. Januar 2016, Az: S 7 SB 151/14

§ 69 Abs 1 S 1 SGB 9, § 2 VersMedV, Anlage Teil A Nr 3 VersMedV, Anlage Teil A Nr 2 Buchst a VersMedV, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 411 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.12.2017, Az. B 9 SB 68/17 B (REWIS RS 2017, 87)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 87

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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