Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2017, Az. VII ZR 301/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17113

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Gegenstand

Werkvertrag: Geltendmachung von Mängelrechten ohne Abnahme


Leitsatz

1. Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen.

2. Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 1. Oktober 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht Ansprüche aus abgetretenem Recht der Erbengemeinschaft nach dem am 24. April 2012 verstorbenen M. (im Folgenden: Besteller) geltend.

2

Der Besteller beauftragte den Beklagten 2008 mit der Erneuerung der Fassaden an zwei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass die Ausführungen der Fassadenarbeiten jeweils mit einem dampfdiffusionsoffenen [X.] sowie einem dampfdiffusionsoffenen Anstrichsystem auszuführen seien. Der Fassadenanstrich des einen Objektes sollte mit einem Keim- oder [X.], die Fassade des anderen Objektes nach Abschluss der Verputzarbeiten mit einem Keimfarbenanstrich, [X.], erfolgen.

3

Der Beklagte führte Arbeiten aus. Eine Abnahme der Arbeiten erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 4. September 2009 rügte der Besteller Mängel an den Objekten und setzte eine Frist zur Mangelbeseitigung bis 30. September 2009. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Oktober 2009 teilte der Beklagte dem Besteller mit, dass nach Einschaltung eines Privatsachverständigen eine Mangelhaftigkeit der ausgeführten Arbeiten nicht festzustellen sei. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:

"Unsere Mandantschaft hat auch nicht die falsche Farbe verwandt, sondern hat lediglich im Angebot zwei Markennamen als Beispiele aufgeführt. Auch hat der Sachverständige [X.] eindeutig ausgeführt, dass die verwandte Farbe nicht zu beanstanden ist."

4

Im November 2009 leitete der Besteller ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Fassaden nicht mit dem vereinbarten Material gestrichen worden seien. Das tatsächlich verwendete Material weiche qualitativ nachteilig von dem vereinbarten Material ab. Die Sanierungskosten schätzte der Sachverständige auf 28.917 € brutto. Dazu hat er in einem Ergänzungsgutachten ausgeführt, dass bei der im [X.] vorgeschlagenen Sanierung das Risiko bestehe, dass [X.] außerhalb der vertraglichen Gewährleistungsfrist zerstört werde.

5

Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens verstarb der Besteller. Er war mit der Tochter des [X.] verheiratet. Aus dieser Ehe stammt ein im Jahr 2007 geborenes Kind. Erben des Bestellers sind Sa. S. und sein Kind ([X.]). Unter dem 29. Januar 2013 schlossen der Kläger und die Ehefrau des Bestellers eine "Abtretungsvereinbarung", in der wie folgt ausgeführt ist:

"Die Erbengemeinschaft Sa. S./[X.] tritt hiermit an [X.] [d. i. der Kläger], Vater von Frau Sa. S., folgende Ansprüche ab:

(Unterschriften) L. S.           Sa. S.

V., den 29.01.2013"

6

Der Kläger hat Klage erhoben, mit der er unter anderem [X.] unter Berücksichtigung restlichen Werklohns von [X.] € in Höhe von 43.493,90 € als Kostenvorschuss geltend macht. Zur Begründung hat sich der Kläger auf die Erkenntnisse des selbständigen Beweisverfahrens bezogen und zusätzlich begründet, warum für eine vollständige Beseitigung der mangelhaften Arbeiten ein weiterer Aufwand von geschätzt 30.345 € notwendig sei.

7

Bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Parteien darüber gestritten, ob ein Kostenvorschuss vor Abnahme der ausgeführten Arbeiten verlangt werden kann. Dazu haben die erstinstanzlichen Anwälte des [X.] mit Schriftsatz vom 15. März 2013 erklärt, dass der Kläger hilfsweise für den Fall Schadensersatz statt eines Kostenvorschusses verlange, sollte das [X.] der Rechtsauffassung der Beklagtenseite zuneigen, ein Kostenvorschussanspruch könne vor Abnahme nicht geltend gemacht werden.

8

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.]eklagten führt zur Aufhebung der Entscheidung des [X.]erufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache.

I.

Das [X.]erufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Entscheidend sei, dass der [X.]esteller eine Frist zur Mangelbeseitigung bis 30. September 2009 gesetzt habe. Diese Frist habe der [X.]eklagte verstreichen lassen. Damit sei dem Kläger der Weg entweder zu § 280 [X.] eröffnet, der allerdings nur Schadensersatz gewähre, oder aber zum werkvertraglichen Gewährleistungsrecht, das auch den begehrten Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 [X.] gewähre. Die Frage, ob oder in welchen Fällen das werkvertragliche Gewährleistungsrecht schon vor der Abnahme anzuwenden sei, sei umstritten. Die herrschende Meinung gebe jedenfalls dann dem Werkvertragsrecht den Vorzug, wenn der Unternehmer die Leistung erbracht habe, das Werk also fertiggestellt sei. Würde man den [X.]esteller in einem solchen Fall auf die Rechte nach §§ 280 ff. [X.] beschränken, stünde er schlechter als der [X.]esteller, der das Werk in Unkenntnis der Mängel abgenommen oder sich die Mängel bei Abnahme vorbehalten habe. Dafür sei ein sachlicher Grund nicht vorhanden.

II.

Der Kläger ist als Inhaber der [X.] befugt, diese geltend zu machen. Zwar war die Abtretungsvereinbarung vom 29. Januar 2013 (schwebend) unwirksam. Die Vereinbarung ist jedoch dadurch wirksam geworden, dass der vom Familiengericht bestellte Ergänzungspfleger während des Revisionsverfahrens die Abtretungsvereinbarung genehmigt hat. Dies ist vom [X.] zu berücksichtigen.

1. Die Abtretungsvereinbarung war (schwebend) unwirksam, da das fünf Jahre alte Kind des [X.]estellers bei der Abtretungsvereinbarung nicht ordnungsgemäß vertreten war.

a) Nach § 2040 Abs. 1 [X.] können Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinsam verfügen. Für die Übertragung einer zum Nachlass gehörenden Forderung ist deshalb erforderlich, dass jeder Miterbe die Forderung durch Vertrag mit dem Erwerber abtritt, § 398 [X.]. Die "Abtretungsvereinbarung" enthält dementsprechend zwei Verträge. Zum einen die Einigung zwischen dem Kläger und der Ehefrau des [X.]estellers und zum anderen die Einigung zwischen dem Kläger und dem Kind des [X.]estellers, dieses vertreten durch die Ehefrau des [X.]estellers.

b) Zu dieser Vertretung war die Ehefrau des [X.]estellers nicht befugt.

Nach dem Tod des [X.]estellers stand ihr zwar das alleinige Sorgerecht zu (§ 1680 Abs. 1, § 1626 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und war sie deshalb grundsätzlich berechtigt, das Kind zu vertreten, § 1629 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Dieses Recht zur gesetzlichen Vertretung war aber nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ausgeschlossen. Aufgrund dieses [X.] handelte die Ehefrau des [X.]estellers für das Kind als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Das hatte zur Folge, dass die Wirksamkeit der "Abtretungsvereinbarung" von der Genehmigung des zur Vertretung des Kindes [X.]erechtigten abhing, § 177 Abs. 1 [X.].

2. Diese Genehmigung ist von dem hierfür vom Familiengericht bestellten Ergänzungspfleger während des Revisionsverfahrens erteilt worden. Damit ist die Abtretungsvereinbarung rückwirkend wirksam geworden, § 184 Abs. 1 [X.].

3. Die während des Revisionsverfahrens erfolgte Genehmigung durch den Ergänzungspfleger ist vom [X.] zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob die Wirksamkeit der "Abtretungsvereinbarung" die [X.] oder seine Aktivlegitimation betrifft.

a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.], dass die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessführungsbefugnis sich nicht auf die Tatsachen und [X.]eweismittel beschränkt, die dem [X.]erufungsgericht vorgelegen haben. Das Revisionsgericht hat vielmehr unter [X.]erücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz grundsätzlich selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben ([X.], Urteile vom 7. Juli 2008 - [X.], [X.] 2008, 711 Rn. 12; vom 24. Februar 1994 - [X.], [X.]Z 125, 196, 200 f., juris Rn. 15).

Zwar stellen die [X.]estellung eines Ergänzungspflegers und dessen Entscheidung zur Genehmigung der Abtretung Tatsachen dar, die erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht entstanden sind. Genehmigt aber der Ergänzungspfleger die Abtretung, wirkt die Genehmigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der "Abtretungsvereinbarung" am 29. Januar 2013 zurück, § 184 Abs. 1 [X.]. Damit lagen rückwirkend die Voraussetzungen für eine wirksame "Abtretungsvereinbarung" im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor.

b) Hinsichtlich der Aktivlegitimation entspricht es ständiger Rechtsprechung des [X.], § 559 ZPO einschränkend dahin auszulegen, dass in der Revisionsinstanz auch neue, im Hinblick auf die materielle Rechtslage relevante Tatsachen berücksichtigt werden können, wenn die Tatsachen unstreitig sind und schützenswerte [X.]elange der Gegenpartei nicht entgegenstehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die neuen Tatsachen erst während des Revisionsverfahrens bzw. nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der [X.]erufungsinstanz eingetreten sind ([X.], Urteil vom 23. September 2014 - [X.], [X.]Z 202, 242 Rn. 21).

Die neue Tatsache der Genehmigung der Abtretung zwischen dem Kläger und dem Kind des [X.]estellers ist erst - unabhängig von der rechtlichen Rückwirkung - im Revisionsverfahren eingetreten und damit zu berücksichtigen.

III.

Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts kann aber das [X.]estehen der [X.] nicht bejaht werden.

1. Die Ausführungen des [X.]erufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit es ausführt, ein Anspruch auf Vorschuss aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 [X.] bestehe bereits vor Abnahme.

a) [X.]ei Werkverträgen, die vor Inkrafttreten des [X.] vom 26. November 2001 ([X.]l. I S. 3138, im Folgenden: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) geschlossen wurden, setzten die Ansprüche des [X.]estellers gemäß §§ 633 ff. [X.] a.F. nach der Rechtsprechung des [X.] eine Abnahme nicht voraus. Vor der Abnahme standen diese Ansprüche und Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nebeneinander (vgl. [X.], Urteile vom 16. November 1993 - [X.], [X.], 242, 244, juris Rn. 21; vom 2. November 1995 - [X.], juris Rn. 22; vom 27. Februar 1996 - [X.], [X.]Z 132, 96, 100 f., 102 f., juris Rn. 10 und 15; vom 26. September 1996 - [X.], NJW 1997, 50, juris Rn. 12; vom 4. Dezember 1997 - [X.], [X.], 332, 334, juris Rn. 14; vom 25. Juni 2002 - [X.], juris Rn. 7; vom 14. Januar 2016 - [X.], [X.], 852 Rn. 33 = NZ[X.]au 2016, 304).

Den Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist ebenso wenig wie den Gesetzesmaterialien (vgl. [X.]T-Drucks. 14/6040, [X.] ff.) eine ausdrückliche Aussage dazu, ab welchem Zeitpunkt die Mängelrechte aus § 634 [X.] Anwendung finden, zu entnehmen.

Die Frage, ob die Mängelrechte aus § 634 [X.] vom [X.]esteller schon vor Abnahme geltend gemacht werden können, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (vgl. zum Streitstand: [X.], Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, [X.] ff.; [X.], [X.] im [X.]-Werkvertrag vor Abnahme, 2010, S. 35 ff.).

Der [X.] hat diese Frage bislang ausdrücklich offen gelassen (vgl. [X.], Urteile vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.], 1778 Rn. 28 = NZ[X.]au 2010, 768; vom 24. Februar 2011 - [X.], [X.], 1032 Rn. 17 a.E. = NZ[X.]au 2011, 310; vom 6. Juni 2013 - [X.] 355/12, NJW 2013, 3022 Rn. 16; vom 25. Februar 2016 - [X.] 49/15 Rn. 41, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). Es entspricht aber der Rechtsprechung des [X.]s, dass im Grundsatz die Abnahme des Werks den maßgebenden Zeitpunkt markiert, ab dem die Mängelrechte des [X.]estellers aus § 634 [X.] eingreifen ([X.], Urteile vom 6. Juni 2013 - [X.] 355/12, [X.]O; vom 25. Februar 2016- [X.] 49/15, [X.]O).

b) [X.]) Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass die Mängelrechte aus § 634 [X.] bereits vor Abnahme bestehen. Einige wollen dabei diese Mängelrechte schon während der Herstellung gewähren (Vorwerk, [X.], 1, 10 f.; Weise, [X.], 76 f.; [X.]/[X.], Stand: 1. Juli 2016, § 4 Abs. 7 Rn. 2; [X.], NJW-RR 2011, 603, 604, juris Rn. 8). Andere knüpfen an die Fälligkeit der Werkleistung an (Kapellmann/[X.]/[X.], [X.] und [X.], 5. Aufl., § 13 VO[X.]/[X.] Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des privaten [X.]aurechts, 5. Aufl., § 15 Rn. 317 f.; Sienz, [X.], 181, 184 f.; [X.], Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, [X.] ff., 178; [X.]/Motzke/[X.], [X.]aukommentar, 2. Aufl., § 634 [X.] Rn. 5 f.; wohl auch [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., § 634 Rn. 1 mit § 633 Rn. 21 f.). Einige Stimmen im Schrifttum wollen Mängelrechte aus § 634 [X.] gewähren, sobald der Unternehmer das Werk hergestellt hat (MünchKomm[X.]/[X.]usche, 6. Aufl., § 634 Rn. 3 f.; [X.] in Festschrift für [X.], 2010, [X.], 286 f.).

bb) Der überwiegende Teil der Literatur sowie der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung hält grundsätzlich die Abnahme für das Entstehen der Mängelrechte aus § 634 [X.] für erforderlich, will dem [X.]esteller diese Rechte unter bestimmten Umständen aber auch ohne Abnahme zubilligen. Eine solche Ausnahme wird etwa angenommen, wenn der Unternehmer das Werk hergestellt hat und der [X.]esteller die Abnahme wegen Mängeln zu Recht verweigert (vgl. [X.], [X.], 1504, 1509 f., juris Rn. 68 ff.; [X.], Urteil vom 22. Dezember 2015 - 4 U 26/12, juris Rn. 59 f.; [X.], [X.], 677, 684, juris Rn. 90 = NZ[X.]au 2015, 480; [X.], Urteil vom 25. Februar 2015 - 4 U 114/14, juris Rn. 96 ff.; [X.], [X.], 1861, 1863, juris Rn. 45 = NZ[X.]au 2015, 155; [X.], NZ[X.]au 2013, 306, 307; [X.]/[X.], [X.], 76. Aufl., Vor § 633 Rn. 7; [X.]/[X.]/Drossart, Privates [X.]aurecht, 2. Aufl., § 634 [X.] Rn. 3 f.; [X.]eckOGK/[X.], [X.], Stand: 1. November 2016, § 634 Rn. 32 f.; [X.], [X.], 1360, 1363 f.; [X.]eckOK [X.]/[X.], Stand: 1. Februar 2015, § 634 Rn. 3, 23; [X.]eck'scher VO[X.]/[X.]-Kommentar/[X.], 3. Aufl., § 4 Abs. 7 Rn. 6; [X.], [X.], 1063, 1072 f.; [X.]/[X.], [X.]auvertragsrecht, 2. Aufl., § 634 Rn. 9 ff.).

cc) Andere Stimmen in Schrifttum und Rechtsprechung gehen hingegen davon aus, dass Mängelrechte vor Abnahme auch nach Herstellung des Werks und bei berechtigter Abnahmeverweigerung durch den [X.]esteller ausgeschlossen sind (vgl. [X.]/[X.], 2014, [X.], § 634 Rn. 11; [X.], [X.], 319, 323 ff.; [X.], [X.] im [X.]-Werkvertrag vor Abnahme, 2010, [X.]-77; [X.], [X.] vor und nach der Abnahme im [X.] und [X.] [X.]auvertrag, 2013, [X.] ff., 218; [X.]/[X.], [X.], 16. Aufl., § 634 Rn. 3).

c) Der [X.] entscheidet nunmehr, dass der [X.]esteller Mängelrechte nach § 634 [X.] grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann. Soweit sich aus den Entscheidungen vom 11. Oktober 2012 ([X.] 179/11 und [X.] 180/11, [X.], 81 = NZ[X.]au 2013, 99 und juris) etwas anderes ergeben könnte, hält der [X.] daran nicht fest. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

[X.]) Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme. [X.]is zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des [X.]estellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 [X.] erfüllt. Könnte der [X.]esteller bereits während der [X.] Mängelrechte aus § 634 [X.] geltend machen, kann das mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein. Allerdings stehen dem [X.]esteller in der [X.] Erfüllungsansprüche und Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur Verfügung, die unter Umständen schon vor Fälligkeit bestehen können, wie § 323 Abs. 4 [X.] zeigt.

bb) [X.]ereits der [X.]egriff "Nacherfüllung" in § 634 Nr. 1, § 635 [X.] spricht dafür, dass die Rechte aus § 634 [X.] erst nach der Herstellung zum Tragen kommen sollen. Die Erfüllung des Herstellungsanspruchs aus § 631 Abs. 1 [X.] tritt bei einer Werkleistung regelmäßig mit der Abnahme ein, § 640 Abs. 1 [X.], so dass erst nach Abnahme von "Nacherfüllung" gesprochen werden kann.

cc) Aus dem nur für den [X.] geltenden § 635 Abs. 3 [X.] folgt, dass zwischen dem auf Herstellung gerichteten Anspruch aus § 631 Abs. 1 [X.] und dem [X.] Unterschiede bestehen. § 635 Abs. 3 [X.] eröffnet dem Unternehmer bei der geschuldeten Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 [X.] weitergehende Rechte als § 275 Abs. 2 und 3 [X.]. Herstellungsanspruch und [X.] können demnach nicht nebeneinander bestehen.

dd) Dafür, dass die Abnahme die Zäsur zwischen [X.] und der Phase darstellt, in der anstelle des Herstellungsanspruchs Mängelrechte nach § 634 [X.] geltend gemacht werden können, spricht zum einen die Regelung in § 634a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.], wonach die Verjährung von Mängelrechten in den meisten Fällen mit der Abnahme beginnt.

Zum anderen stellt die Abnahme auch im Übrigen eine Zäsur dar, da mit ihr die Fälligkeit des [X.] eintritt (§ 641 Abs. 1 [X.]), die Leistungsgefahr auf den [X.]esteller übergeht (§ 644 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und die [X.]eweislast für das Vorliegen von Mängeln sich umkehrt, soweit kein Vorbehalt nach § 640 Abs. 2 [X.] erklärt wird.

ee) Die Auslegung der werkvertraglichen Vorschriften dahingehend, dass dem [X.]esteller die Mängelrechte nach § 634 [X.] grundsätzlich erst nach Abnahme zustehen, führt zudem zu einem interessengerechten Ergebnis.

(1) Vor der Abnahme steht dem [X.]esteller der Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 [X.] zu, der ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung aus § 634 Nr. 1 [X.] die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel hat. Der [X.]esteller kann diesen Anspruch einklagen und, falls notwendig, im Regelfall nach § 887 ZPO vollstrecken.

Die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werks verbleibt beim Unternehmer, der Werklohn wird nicht fällig und die [X.]eweislast für das Vorliegen von Mängeln geht nicht auf den [X.]esteller über, solange er den Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 [X.] geltend macht.

(2) Die Interessen des [X.]estellers sind durch die ihm vor der Abnahme aufgrund des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zustehenden Rechte angemessen gewahrt: etwa Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 [X.], Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 [X.], Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung, § 280 Abs. 2, § 286 [X.], Rücktritt nach § 323 [X.] oder Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 314 [X.].

Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 [X.] ist zwar anders als die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 und 3 [X.] verschuldensabhängig (§ 280 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Eine den Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung liegt aber auch vor, wenn der Unternehmer die Frist aus § 281 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstreichen lässt (vgl. zum Kaufrecht: [X.], Urteil vom 29. April 2015 - [X.], NJW 2015, 2244 Rn. 12; Urteil vom 17. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 135 Rn. 11 ff.).

Der [X.]esteller hat hiernach die Wahl, ob er die Rechte aus dem [X.] oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden Mängelrechte aus § 634 [X.] geltend macht. Ein faktischer Zwang des [X.]estellers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges Werk besteht damit entgegen verbreiteter Meinung nicht. Im Übrigen wird der [X.]esteller, der eine Abnahme unter [X.] erklärt, über § 640 Abs. 2, § 641 Abs. 3 [X.] geschützt.

2. Die Abnahme ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht entbehrlich.

a) Der [X.]esteller kann allerdings in bestimmten Fällen berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 [X.] ohne Abnahme geltend zu machen. Das ist zu bejahen, wenn der [X.]esteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Macht der [X.]esteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die Minderung des [X.], so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2006 - [X.] 146/04, [X.]Z 167, 345 Rn. 26; Urteil vom 10. Oktober 2002 - [X.] 315/01, [X.], 88, 89, juris Rn. 11 = NZ[X.]au 2003, 35; Urteil vom 16. Mai 2002 - [X.] 479/00, [X.], 1399, 1400, juris Rn. 13; jeweils m.w.[X.]). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jedenfalls für den Fall fest, dass der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet. Verlangt der [X.]esteller Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1, § 280 Abs. 1 [X.], ist der Anspruch auf die Leistung nach § 281 Abs. 4 [X.] ausgeschlossen. Nichts anderes gilt, wenn der [X.]esteller im Wege der Minderung nur noch eine Herabsetzung des [X.] erreichen will. Auch in diesem Fall geht es ihm nicht mehr um den Anspruch auf die Leistung und damit um die Erfüllung des Vertrags ([X.], Urteile vom 19. Januar 2017 - [X.] 235/15 und [X.] 193/15, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt).

b) [X.]) Verlangt dagegen der [X.]esteller nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 [X.] einen Vorschuss für die zur [X.]eseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen, erlischt der Erfüllungsanspruch des [X.]estellers nicht. Denn das Recht zur Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss lassen den Erfüllungsanspruch (§ 631 [X.]) und den [X.] (§ 634 Nr. 1 [X.]) unberührt. Der [X.]esteller ist berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den ([X.] geltend zu machen (vgl. [X.], [X.], 1961, 1962 f., juris Rn. 56 = NZ[X.]au 2012, 771; [X.]/[X.], [X.], 76. Aufl., § 634 Rn. 4; [X.]/[X.]/Drossart, Privates [X.]aurecht, 2. Aufl., § 634 [X.] Rn. 16, 45; [X.]/[X.], 2014, [X.], § 634 Rn. 73).

bb) Ausnahmsweise kann die Forderung des [X.]estellers, ihm einen Vorschuss für die zur [X.]eseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu zahlen, zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der [X.]esteller den ([X.] aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann.

Das ist etwa der Fall, wenn der [X.]esteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. In dieser Konstellation kann der [X.]esteller nicht mehr zum ([X.] gegen den Unternehmer zurückkehren.

Weil die verbleibenden Rechte des [X.]estellers damit ausschließlich auf Geld gerichtet sind, entsteht ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte aus § 634 Nr. 2 bis 4 [X.] ohne Abnahme geltend gemacht werden können (vgl. [X.], Urteile vom 19. Januar 2017 - [X.] 235/15 und [X.] 193/15, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt).

c) Nach den bisherigen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis nicht vor.

Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch nur hilfsweise geltend gemacht und in der Hauptsache die Zahlung eines Vorschusses nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 [X.] verlangt. Den Feststellungen kann zudem nicht entnommen werden, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht hätte, weitere Arbeiten des [X.]eklagten am Werk unter keinen Umständen mehr zuzulassen.

IV.

Die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts kann daher keinen [X.]estand haben. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Den Parteien muss Gelegenheit gegeben werden, auf die Rechtsauffassung des [X.] zu reagieren.

[X.]      

        

Halfmeier      

        

Jurgeleit

        

Graßnack      

        

Sacher      

        

Meta

VII ZR 301/13

19.01.2017

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 1. Oktober 2013, Az: 13 U 1607/13 Bau

§ 280 Abs 1 BGB, § 281 BGB, § 634 Nr 1 BGB, § 634 Nr 2 BGB, § 634 Nr 3 BGB, § 634 Nr 4 BGB, § 637 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2017, Az. VII ZR 301/13 (REWIS RS 2017, 17113)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1604 WM2017,2123 REWIS RS 2017, 17113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Bauvertrag: Geltendmachung von Mängelrechten vor Abnahme der Werkleistung nach Übergang des Vertragsverhältnisses in ein Abrechnungsverhältnis; …


VII ZR 193/15 (Bundesgerichtshof)


VII ZR 235/15 (Bundesgerichtshof)


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