Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 6 B 14/16

6. Senat | REWIS RS 2016, 5201

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Neubewertung einer Aufsichtsarbeit; Überdenkensverfahren


Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Neubescheidung über das Ergebnis der von ihm abgelegten zweiten juristischen Staatsprüfung. Er hat sich mit seiner Klage gegen die [X.]ewertung der Aufsichtsarbeiten [X.], [X.] und [X.] gewandt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die [X.]eteiligten einen Vergleich geschlossen, in dem sich die [X.]eklagte bereit erklärt hat, die Aufsichtsarbeit [X.] durch zwei neue Prüfer bewerten zu lassen und den Kläger im Hinblick auf die Gesamtnote erneut zu bescheiden. Im Gegenzug hat der Kläger von seinen Angriffen auf die [X.]ewertung der Aufsichtsarbeit [X.] Abstand genommen und die [X.]eteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten [X.] und [X.] übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren im Umfang des für erledigt erklärten Teils eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Neubewertung der Aufsichtsarbeit [X.] hat zu keiner besseren [X.]ewertung geführt. Die [X.]eklagte hat den Kläger dahingehend beschieden, dass es bei der ursprünglich zu Grunde gelegten [X.]ewertung der Aufsichtsarbeit [X.] und der bisherigen Gesamtnote verbleibe. Auf den im [X.]erufungsverfahren angebrachten Antrag auf Neubescheidung über die Gesamtnote nach vorzunehmender Neubewertung der Aufsichtsarbeiten [X.] und [X.] hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die [X.]eklagte unter teilweiser Aufhebung der entgegenstehenden [X.]escheide verpflichtet, die Aufsichtsarbeit [X.] erneut zu bewerten und über die Gesamtnote erneut zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die [X.]eklagte [X.]eschwerde eingelegt und jeweils die Zulassung der Revision begehrt.

II

2

Weder die [X.]eschwerde des [X.] (1.) noch die [X.]eschwerde der [X.]eklagten (2.) haben Erfolg.

3

1. Der Kläger kann mit seiner auf die Revisionszulassungsgründe des [X.] im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (a.) und der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (b.) gestützten [X.]eschwerde nicht durchdringen.

4

a. Aus der [X.]eschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das Oberverwaltungsgericht, wie der Kläger rügt, das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs aus § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat. Es geht ins Leere, wenn der Kläger geltend macht, das [X.]erufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit seinem Vorbringen zu den an ein Überdenkensverfahren zu stellenden Anforderungen in [X.]ezug auf die [X.]ehandlung der vorgebrachten Einwendungen und die Verfehlung dieser Anforderungen durch die Prüfer der Aufsichtsarbeit [X.] bei der [X.]ehandlung der von ihm mit seinem Widerspruch erhobenen [X.] befasst.

5

Zwar hat sich das Oberverwaltungsgericht dem besagten Vortrag des [X.] nicht in einem in sich geschlossenen Zusammenhang zugewandt. Jedoch finden sich in den Urteilsgründen hinreichende [X.]elege dafür, dass es ihn zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner auf etwaige Fehler bei der [X.]eurteilung der Aufsichtsarbeit [X.] gerichteten Prüfung die von dem [X.] im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme zu den von dem Kläger erhobenen [X.] in [X.]ezug gesetzt ([X.]) und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es den Inhalt der Stellungnahme für beachtlich erachtet hat. Das Oberverwaltungsgericht hat darüber hinaus zu der Stellungnahme des [X.] - wenn auch im Hinblick auf die verneinte Frage der [X.]efangenheit - ausgeführt, die Prüfer hätten sich im Überdenkensverfahren mit den begründeten Einwendungen des Prüflings auseinanderzusetzen, müssten jedoch nicht auf jeden Aspekt dieser Einwendungen schriftlich eingehen. Es hat hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, der Stellungnahme des [X.] lasse sich trotz ihrer Kürze entnehmen, dass der Prüfer die Einwendungen des [X.] zur Kenntnis genommen und sich im Hinblick auf diese erneut mit der gefertigten Aufsichtsarbeit auseinandergesetzt habe. Denn der Zweitprüfer habe ausgeführt, der Kläger strebe eine [X.]ewertung mit acht Punkten an und räume ein, dass in seiner Arbeit Licht und Schatten verteilt seien. Der Zweitprüfer habe sich zudem ausdrücklich mit der Frage einer höheren [X.]ewertung der Arbeit beschäftigt. Dies ergebe sich aus seiner Erklärung, dass er eine [X.]ewertung mit sieben Punkten nach wie vor für angemessen halte (UA S. 20).

6

Im Übrigen gilt hier wie auch sonst, dass die mit dem Gebot des rechtlichen Gehörs verbundene Verpflichtung des Gerichts, das Vorbringen jedes [X.]eteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, nicht bedeutet, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der [X.]eteiligten in den Urteilsgründen behandeln muss. Vielmehr sind nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO in dem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines [X.]eteiligten in den Urteilsgründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler [X.]edeutung betrifft (stRspr, vgl. etwa m.w.N.: [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 27. Januar 2015 - 6 [X.] 43.14 [[X.]:[X.]:[X.]] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 25). Eine derartige Konstellation besteht hier nicht. Das Oberverwaltungsgericht ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu anderen Schlussfolgerungen gelangt, als sie der Kläger für richtig hält. Dagegen schützt der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.

7

b. Eine grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von [X.]edeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen des [X.] ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen erfüllt sind.

8

Der Kläger möchte zunächst grundsätzlich geklärt wissen,

"ob der aus den Art. 12 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der [X.]ewertung im Lichte seiner substantiierten Einwände bereits hinreichend erfüllt ist, wenn der Prüfer in seiner Stellungnahme nur behauptet, sich mit diesen auseinandergesetzt zu haben und/oder diese pauschal zurückweist, oder ob es vielmehr erforderlich ist, dass der Prüfer die Einwände des Prüflings in seiner Stellungnahme grundsätzlich im Einzelnen bescheidet."

9

Der derart umschriebenen Frage kommt die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr der Kläger beimisst, nicht zu, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist.

Zum einen stellt sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht in entscheidungserheblicher Weise. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass sich die mit der Aufsichtsarbeit [X.] befassten Prüfer - wie von der Fragestellung vorausgesetzt und in der [X.]eschwerdebegründung durch den Verweis auf zwei von den Oberverwaltungsgerichten [X.] und [X.] entschiedene Fälle konkretisiert - in ihren im Rahmen des [X.] abgegebenen Stellungnahmen nur behauptet hätten, sich mit den von dem Kläger angebrachten Einwänden auseinandergesetzt zu haben, bzw. diese Einwände pauschal zurückgewiesen hätten. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr, wie bereits ausgeführt, im Hinblick auf die Stellungnahme des [X.] die Feststellung getroffen, dass dieser die Einwendungen des [X.] zur Kenntnis genommen hat und auf deren Grundlage in eine erneute Auseinandersetzung mit der Aufsichtsarbeit eingetreten ist. Auch die Stellungnahme des [X.]s hat das Oberverwaltungsgericht in [X.]ezug auf Ausführlichkeit und Gehalt nicht in dem von dem Kläger beschriebenen Sinne eingeordnet. Es hat sie im Gegenteil in seine Prüfung betreffend das Vorliegen von [X.]eurteilungsfehlern einbezogen.

Zum anderen hängen der Umfang und die [X.]egründungstiefe, die eine im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme aufweisen muss, von der Substanz der im konkreten Fall vorgebrachten Einwendungen des Prüflings ab. Sie sind deshalb einer allgemeinen, von den Umständen des Einzelfalls unabhängigen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich (vgl. [X.], Urteil vom 3. Februar 2004 - [X.]/03 - [X.]E 204, 546 <554> und zur [X.]egründung von Prüfungsbewertungen allgemein: [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 8. März 2012 - 6 [X.] 36.11 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 411 Rn. 11).

Grundsatzbedeutung misst der Kläger des Weiteren den miteinander zusammenhängenden Fragen zu,

"welche Auswirkungen es auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung hat, wenn grundlegende Anforderungen für die Durchführung des Überdenkungsverfahrens - wie etwa das Erfordernis einer zeitnahen Stellungnahme des Prüfers - missachtet werden und ob und inwieweit hiergegen Rechtsschutz zu gewähren ist,"

sowie

"wann eine Stellungnahme noch 'zeitnah' im Sinne des Postulats des [X.] (siehe [X.], 132 ff., 3. Leitsatz) erfolgt, und wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten imstande ist."

Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung.

[X.]eide Fragen sind in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Ob Verfahrensfehler bei der Durchführung des [X.] Auswirkungen - und gegebenenfalls welche - auf die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsentscheidung haben, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur in [X.]ezug auf den jeweils in Rede stehenden Verfahrensfehler beantworten. Wird die in der [X.]eschwerdebegründung aufgeworfene erste Frage deshalb unter [X.]erücksichtigung des [X.] einschränkend dahingehend verstanden, dass es dem Kläger lediglich um die Auswirkungen von Verstößen gegen das Erfordernis einer zeitnahen Stellungnahme des Prüfers auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung geht, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Denn zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, da sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. Nach der Rechtsprechung des Senats verbieten es weder der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Gestaltung des Prüfungsverfahrens noch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, eine [X.]ewertung einer Prüfungsleistung mit entsprechender neuer [X.]egründung nachzuholen und auf diese Weise einen früheren [X.]egründungsmangel zu korrigieren. Zwar sollen die inhaltliche [X.]efassung mit der Prüfungsleistung und deren [X.]ewertung (samt [X.]egründung) grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung erfolgen, sie sind aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - [X.]VerwGE 91, 262 <270 ff.>). Dies gilt grundsätzlich auch für das Überdenkensverfahren. Erfolgt die inhaltliche [X.]efassung mit der Prüfungsleistung und deren [X.]ewertung nicht mehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung, kann dies zwar gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen wegen einer Amtspflichtverletzung führen. Verzögerungen bei der Durchführung des [X.] haben jedoch ebenso wenig wie Verstöße gegen das allgemeine verfahrensrechtliche Gebot der Zügigkeit des Verfahrens (vgl. § 10 Satz 2 VwVfG) die Fehlerhaftigkeit der Prüfungsentscheidung zur Folge, solange keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Verzögerung auch auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Solche Anhaltspunkte hat der Kläger nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.

Die zweite Frage des [X.] ist ebenfalls in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Wann eine Stellungnahme noch "zeitnah" erfolgt, lässt sich nicht losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilen.

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeit [X.] nicht aus der langen Dauer des im vorliegenden Fall durchgeführten [X.] herleiten könne, selbstständig tragend darauf gestützt, dass die von dem Kläger begehrte Neubewertung der Aufsichtsarbeit [X.] den Abstand zwischen erbrachter Prüfungsleistung und [X.]ewertung nur noch weiter vergrößern und damit dem Zweck eines möglichst zeitnah durchgeführten [X.] erst recht zuwiderlaufen würde. Auf diesen [X.]egründungsstrang geht der Kläger mit den beiden hier in Rede stehenden Fragen nicht ein. Ist eine angegriffene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende [X.]egründungen gestützt, kann die Revision jedoch nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser [X.]egründungen ein [X.] geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 4. Oktober 2013 - 6 [X.] 13.13 - [X.] 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 20 und vom 15. Mai 2015 - 6 [X.] 53.14 - juris Rn. 6).

2. Die auf den [X.] der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde der [X.]eklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.

Die [X.]eklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Gibt es einen allgemeingültigen [X.]ewertungsgrundsatz des Inhalts, dass die [X.]ewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf?

Wenn ja, stellt es einen Widerspruch in diesem Sinne dar, wenn der Prüfer eine Lösung als im konkreten Fall vertretbar ansieht, sie aber zugleich - etwa als unglücklich - abwertet?"

Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung.

Die Frage, ob es einen allgemeingültigen [X.]ewertungsgrundsatz des Inhalts gibt, dass die [X.]ewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf, ist nicht klärungsbedürftig; denn sie lässt sich entgegen der Auffassung der [X.]eklagten ohne weiteres bejahen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der den [X.] bei [X.] Wertungen verbleibende Entscheidungsspielraum überschritten, wenn die [X.] Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige [X.]ewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 16. August 2011 - 6 [X.] 18.11 - juris Rn. 16 m.w.N.). Es bedarf keiner vertieften [X.]egründung, dass allgemeingültige [X.]ewertungsmaßstäbe jedenfalls dann verletzt werden, wenn die [X.]egründung einer [X.]ewertung nicht in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist. Ebenso wenig muss in einem Revisionsverfahren geklärt werden, dass eine in diesem Sinne widersprüchliche [X.]egründung nicht bereits dann vorliegt, wenn eine Lösung zwar als vertretbar, aber nicht als optimal bewertet wird. Ob es im Sinne der zweiten Frage der [X.]eklagten einen Widerspruch darstellt, wenn der Prüfer eine Lösung als im konkreten Fall vertretbar ansieht, sie aber zugleich - etwa als "unglücklich" - kritisiert, ist eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht auf den Rechtssatz, dass die [X.]ewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf, überhaupt entscheidungserheblich abgestellt hat. Hieran bestehen allerdings Zweifel.

Die [X.]eklagte knüpft mit den von ihr als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen vor allem an den von dem Oberverwaltungsgericht verwandten Satz an, das Votum des [X.]s der Aufsichtsarbeit [X.] sei widersprüchlich und verletze damit allgemeine [X.]ewertungsmaßstäbe ([X.]). Näheren Aufschluss über den Rechtssatz, auf den das Oberverwaltungsgericht seine Einschätzung, das in Rede stehende Votum sei fehlerhaft, gestützt hat, geben indes erst die mit dem besagten Satz zusammenhängenden weiteren Gründe des [X.]erufungsurteils ([X.] f.). Darin heißt es, der Prüfer habe den Aufbau der Aufsichtsarbeit zum einen als unglücklich, zum anderen aber als wohl vertretbar bezeichnet. Ein vertretbares Ergebnis könne unzureichend begründet sein, oder ein grundsätzlich vertretbarer Aufbau könne im Einzelfall auf Grund von [X.]esonderheiten des Falls unglücklich sein. Soweit aber ein Aufbau als im konkreten Fall vertretbar angesehen werde, könne dieser nicht widerspruchsfrei zugleich als unglücklich abgewertet werden. Falls der [X.] lediglich seine persönliche, nicht zu Lasten des [X.] gehende Auffassung zum Ausdruck habe bringen wollen, sei dies nicht hinreichend deutlich geworden. Denn die [X.]ezeichnung als vertretbar werde durch den Zusatz "wohl" eingeschränkt, was bereits Zweifel daran wecke, ob der [X.] den Prüfungsaufbau tatsächlich als vertretbar angesehen habe. Auch stelle der die Vertretbarkeit betreffende Satz nur einen Nachklapp im [X.] an die Passage dar, in der sich der [X.] kritisch über den Prüfungsaufbau äußere. Auf Grund dieses Kontextes der Aufbaukritik müsse angenommen werden, dass diese maßgeblich für die [X.]ewertung gewesen sei und nicht lediglich eine beiläufige, für die [X.]ewertung unerhebliche Mitteilung der persönlichen Auffassung des Prüfers darstelle.

Nach diesen Erwägungen des [X.] liegt die Annahme nicht fern, dass es im Ergebnis nicht auf einen eigenständigen [X.]ewertungsgrundsatz der Widerspruchsfreiheit in dem von der [X.]eklagten angenommenen Sinne, sondern vielmehr auf den allgemeingültigen [X.]ewertungsgrundsatz abgestellt hat, dass richtige oder vertretbare Aufgabenlösungen nicht als falsch bewertet werden dürfen. Durch diesen Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des [X.] auch der jenseits der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit des fachwissenschaftlichen [X.]ereichs einer Prüfungsbeurteilung bestehende [X.]eurteilungsspielraum der Prüfer für prüfungsspezifische Wertungen - insbesondere im Hinblick auf die für die Notenvergabe entscheidende Gewichtung der Stärken und Schwächen der jeweiligen [X.]earbeitung - beschränkt ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 13. Mai 2004 - 6 [X.] 25.04 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 406 S. 68 und vom 16. August 2011 - 6 [X.] 18.11 - juris Rn. 16). Ein entsprechendes Verständnis des [X.]erufungsurteils zu Grunde gelegt, wäre das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen den besagten Grundsatz auch dann vorliegt, wenn ein Prüfer eine Antwort zwar als vertretbar ansieht, diese aber bei der [X.]ewertung abwertet, weil sie nicht die optimale Lösung darstelle (vgl. dazu: [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 634). Das Oberverwaltungsgericht hätte danach unter Würdigung der von ihm festgestellten Umstände des konkreten Einzelfalls einen [X.]eurteilungsfehler bejaht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

6 B 14/16

21.09.2016

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 17. November 2015, Az: 3 Bf 167/13, Urteil

Art 12 Abs 1 GG, § 10 Abs 2 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 6 B 14/16 (REWIS RS 2016, 5201)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5201

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 B 39/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Überdenken der Bewertung von Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Überdenkensverfahrens; Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung …


6 B 12/23 (Bundesverwaltungsgericht)

Zweite juristische Staatsprüfung; Notenheraufsetzung im Überdenkensverfahren; statthafte Klageart


VII R 15/21 (Bundesfinanzhof)

Unzulässigkeit einer gemeinsam abgestimmten Überdenkung durch mehrere Prüfer im Überdenkungsverfahren


6 B 1/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Offene Zweitbewertung und Nachbewertung von Klausuren der Zweiten Juristischen Staatsprüfung


4 K 264/18 (FG München)

Unbeachtlichkeit von Fehlern im Überdenkungsverfahren


Referenzen
Wird zitiert von

15 ZB 16.30425

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.