Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2003, Az. LwZB 1/03

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2003, 681

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[X.]in der [X.]:ja[X.]Z:[X.]: ja[X.] § 48 Abs. 2 Satz 2Der Beginn der Rechtsmittelfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nachder Verkündung wird nicht dadurch gehindert, daß die betroffene [X.] von demkonkreten [X.] keine Kenntnis hatte.ZPO § 233Gelingt es dem Anwalt einer [X.] trotz mehrfacher, auch schriftlicher Anfragennicht, von dem Gericht zu erfahren, ob, gegebenenfalls wann und gegebenenfallsmit welchem Inhalt eine Entscheidung verkündet worden ist, so beruht die Versäu-mung der Rechtsmittelfrist auch dann nicht auf dem Verschulden des Anwalts, wenndie absolute Frist des § 48 Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V.m. § 517 ZPO abgelaufen ist. Esist der [X.] nicht zuzumuten, fristwahrend ein Rechtsmittel gegen eine zu welchemZeitpunkt und mit welchem Inhalt auch immer ergangene Entscheidung einzulegen.[X.], [X.]. v. 18. November 2003 - [X.] 1/03 -OLG [X.], [X.], hat am 18. Novem-ber 2003 durch den Vizepräsidenten des [X.] [X.] Prof. [X.] und [X.] sowie die ehrenamtlichen [X.] und [X.]:Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der [X.]uß des3. Zivilsenats - [X.] - des [X.] in [X.] vom 14. [X.] im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteilder Beklagten erkannt worden ist.Der Beklagten wird gegen die Versäumung der [X.] in den vorigen Stand gewährt.Der Gegenstandswert für das [X.] 11.433,30 Gründe:I.Nach Beweisaufnahme und Verhandlung beraumte das Landwirtschafts-gericht mit am 5. Februar 2002 verkündetem [X.]uß einen Termin zur [X.] einer Entscheidung auf den 26. Februar 2002 an. An diesem [X.] -kündete es einen den [X.]en unmittelbar danach zugesandten [X.]uß, wo-nach der [X.] auf den 6. März 2002 verlegt werde. Nach weite-ren sechs verkündeten, den [X.]en aber nicht mitgeteilten Verlegungsbe-schlüssen kam es am 4. April 2002 zur Verkündung eines [X.]eils, das nicht invollständiger Form abgefaßt war, erst am 21. Oktober 2002 zur Geschäftsstellegelangte und den [X.]en am 23. Oktober 2002 zugestellt wurde. [X.] Nachfrage hatten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten nochvon einer Verlegung des [X.]s auf den 21. März 2002 erfahren.Weitere schriftliche Nachfragen vom 27. Mai, 25. Juni, 23. Juli (mit Hinweis aufden drohenden Ablauf der absoluten Berufungsfrist) und 2. September 2002,ob denn nun eine Entscheidung verkündet worden sei und gegebenenfalls [X.], blieben unbeantwortet.Mit am 6. November 2002 bei dem [X.] eingegangenenSchriftsatz hat die Beklagte gegen das [X.]eil des Landwirtschaftsgerichts, dassie in Höhe von 11.433,30 e-dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.]. Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehntund die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des [X.]usses erstrebt.[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft ([X.], [X.]. v. 29. Mai 2002, [X.], NJW 2002, 2473, vorgesehen für [X.]Z 151, 42). Dem steht nicht [X.] 4 -gegen, daß der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 r-steigt. Diese Wertgrenze gilt nach § 26 Nr. 8 EGZPO nur für die Statthaftigkeitder Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, nicht aber für die Rechtsbe-schwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden [X.]uß([X.], [X.]. v. 19. September 2002, [X.], NJW-RR 2003, 132). Sie istauch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde hat sich zwar auf diesen [X.] nicht ausdrücklich berufen, der Sache nach aber geltend gemacht,die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auf einer Würdigung, die [X.] den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten [X.] in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigenderWeise erschweren. Eine solche Handhabung des Verfahrensrechts verletztden Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes(Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. [X.] 77, 275, 284;BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. [X.], [X.]. v. 4. Juli 2002, [X.], NJW 2002,3029, 3030 f, vorgesehen für [X.]Z 151, 221; [X.]. v. 20. Februar 2003,V [X.], [X.]. [X.], zur [X.]. vorgesehen; [X.]. v. 30. April 2003,V [X.], [X.]. [X.], zur [X.]. [X.] Die Rechtsbeschwerde ist [X.]) Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts,daß die Beklagte die Berufung verspätet eingelegt hat. Die einmonatige Beru-fungsfrist (§ 517 ZPO) beginnt, unabhängig von der Zustellung des [X.]eils,nach §§ 48 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 2 Satz 3 [X.] spätestens mit dem Ablauf- 5 -von fünf Monaten nach der Verkündung. Da das [X.]eil hier am 4. April 2002verkündet wurde, lief sie am 4. Oktober 2002 ab, so daß die am [X.] eingegangene Berufung nicht fristgerecht war.Soweit das [X.]eil unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften verkündetwurde, die das Berufungsgericht im einzelnen dargelegt hat, hindert dies nichtden Fristenlauf. Voraussetzung dafür ist lediglich eine wirksame Verkündung,die hier außer Zweifel steht (vgl. [X.], [X.]. v. 29. September 1998,KZB 11/98, [X.], 143, 144; [X.]. v. 6. Dezember 1988, [X.] 27/88,NJW 1989, 1156, 1157).Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann von einer An-wendung der §§ 48 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 2 Satz 3 [X.] auch nicht deswe-gen abgesehen werden, weil die Beklagte von dem konkreten Verkündungs-termin keine Kenntnis hatte und ihre Bemühungen, vom [X.] zu erfahren, erfolglos blieben. Für die sachlich gleiche Vorschriftdes § 516 ZPO a.F. (jetzt § 517 ZPO) hat der [X.] allerdings an-genommen, daß die Norm dann unanwendbar sein könne, wenn die be-schwerte [X.] im Verhandlungstermin nicht vertreten gewesen und zu [X.] auch nicht ordnungsgemäß geladen worden sei ([X.]. v. 20. April 1977,IV [X.], [X.] § 88 Nr. 3; zweifelnd [X.]. v. 1. März 1994, [X.], NJW-RR 1994, 1022). Dahinter steht die Erwägung, daß der Norm [X.] zugrunde liege, daß eine [X.], die vor Gericht streitig verhandelthabe, mit dem Erlaß einer Entscheidung rechnen müsse und es ihr daher [X.] werden könne, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalteine Entscheidung ergangen sei ([X.], [X.]. v. 20. April 1977, IV [X.]aaO). Ausgehend davon könne die Frist des § 516 ZPO a.F. (jetzt § 517 ZPO)nicht zu Lasten einer [X.] zu laufen beginnen, die zu dem der Entscheidung- 6 -vorausgehenden Verhandlungstermin nicht ordnungsgemäß geladen und ver-treten gewesen sei. Denn sie habe mit einer Entscheidung nicht zu rechnenbrauchen und auch dahingehende Erkundigungen nicht einziehen müssen.Solche Überlegungen tragen hier nicht. Wie die Rechtsbeschwerde nichtverkennt, war die Beklagte in dem der Entscheidung vorausgehenden Ver-handlungstermin ordnungsgemäß vertreten. Daß eine Entscheidung ergehenkonnte, wußte sie. Zu den jeweils angesetzten [X.]en brauchtesie nicht geladen zu werden (§ 218 ZPO). Es war ihr daher zuzumuten, [X.] zu erkundigen, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt eine Ent-scheidung ergangen sein mochte. Nicht anders hat es der [X.] der Beklagten gesehen und sich dementsprechend verhalten. Daß [X.] im konkreten Fall erfolglos blieben, hindert nicht den Lauf derFrist, sondern kann im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Standvon Bedeutung sein. § 517 ZPO und die sachgleichen und auf denselbenWertungen beruhenden Vorschriften der §§ 48 Abs. 2 Satz 2, 21 Satz 2 Satz 3[X.] setzen zwar - wenn man der Rechtsprechung des [X.]sfolgt - die generelle Möglichkeit der beschwerten [X.] voraus, daß sie [X.] Entscheidung zu ihren Lasten Kenntnis erhält, nimmt aber nicht Rücksichtauf die konkreten Umstände des Falles. Ziel der Norm ist es, unabhängig [X.] Zustellung des [X.]eils und damit auch unabhängig von einer konkretenKenntnis der beschwerten [X.] nach Ablauf einer längeren Frist, die im [X.] zur Einlegung der Berufung trotz bestehender Erschwernisse [X.], für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu sorgen (vgl. [X.]/[X.], 2. Aufl., [X.], § 517 Rdn. 2). [X.] würde verfehlt, wollte man konkreten Umständen, die im Einzelfall einer- 7 -rechtzeitigen Berufungseinlegung entgegenstanden, für den Fristablauf [X.]) Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde aber gegen die Versa-gung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach § 233 ZPO ist sie zugewähren, wenn eine [X.] ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist,zu der die Berufungsfrist des § 517 ZPO gehört, einzuhalten. Diese Vorausset-zungen sind hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gegeben.aa) Ein Verschulden der Beklagten selbst ist nicht ersichtlich und vomBerufungsgericht auch nicht in Erwägung gezogen worden. Ein [X.] Prozeßbevollmächtigten, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zu-rechnen lassen müßte, liegt ebenfalls nicht vor. Allerdings trifft es zu - [X.] Berufungsgericht ausgeht -, daß der Prozeßbevollmächtigte einer [X.], indessen Gegenwart Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumtworden ist, sein weiteres Prozeßverhalten an der Möglichkeit ausrichten muß,daß in dem [X.] ein [X.]eil ergangen ist, das die von ihm vertre-tene [X.] beschwert. Dies hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten [X.] verkannt. Gestützt auf die gerichtliche Auskunft ist er davon ausgegan-gen, daß am 21. März 2002 eine möglicherweise seine [X.] beschwerendeEntscheidung verkündet worden ist, und hat in der Folgezeit drei schriftlicheAnfragen an das Gericht gerichtet, um zu erfahren, welche Entscheidung er-gangen sei. Diese blieben sämtlich unbeantwortet. Eine weitere [X.] Bemühungen war nicht zu verlangen. Es ist nicht seine Aufgabe, [X.] Verstöße des Gerichts gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörsdurch überobligationsmäßige Anstrengungen auszugleichen. Er durfte vielmehrdarauf vertrauen, daß seine Anfragen ordnungsgemäß bearbeitet und so recht-- 8 -zeitig beantwortet würden, daß seiner [X.] keine Nachteile entstünden. So-weit das Berufungsgericht meint, er habe vorsorglich fristwahrende Berufungeinlegen müssen, überspannt es die Anforderungen in einer Weise, die im Er-gebnis zu einer nicht zu rechtfertigenden Erschwerung des Zugangs zu demvon der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug führen würde und [X.] der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ver-letzte (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Denn eine Berufunggegen ein am 21. März 2002 verkündetes [X.]eil wäre von vornherein unzuläs-sig gewesen, da an diesem Tag keine Entscheidung ergangen war. Auch derWeg, ein Rechtsmittel gegen ein möglicherweise zu welchem Zeitpunkt und mitwelchem Inhalt auch immer ergangenes [X.]eil einzulegen, kam nicht ernsthaftin Betracht. Wenn man überhaupt trotz des [X.] die vorläufige Einle-gung eines Rechtsmittels für zumutbar erachtet, dann allenfalls gegen ein Ur-teil, von dessen Existenz die [X.] Kenntnis hat und dessen Tenor sie kennt,mögen auch Tatbestand und Entscheidungsgründe ihr noch nicht zugestelltworden sein (vgl. [X.]Z 2, 347, 349 f.; [X.], [X.]. v. 27. November 1969,IV [X.], [X.], 159). Nicht angesonnen werden kann ihr hingegen,ein Rechtsmittel aufs Geratewohl einzulegen, auch auf die Gefahr hin, daß ei-ne Entscheidung noch gar nicht ergangen ist oder wegen des Inhalts oderUmfangs von ihr nicht angefochten werden kann (vgl. auch [X.], [X.]. v.10. März 1956, [X.], [X.] § 551 Ziff. 7 Nr. 3; Wiedereinsetzungnach [X.], [X.]. v. 27. November 1969, IV [X.] aaO gewährt, da sichdie das Rechtsmittel eröffnende Zulassung erst aus den nach Ablauf der [X.] zugestellten [X.]eilsgründen ergab).b) Die Beklagte hat ihr Wiedereinsetzungsgesuch fristgerecht einge-reicht (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO). Das Hindernis zur Berufungseinlegung entfiel- 9 -erst mit Zustellung des [X.]eils am 23. Oktober 2002. Die Beklagte hatte zwarzuvor durch Zustellung einer Rechtsmittelschrift des [X.] am 12. [X.] mittelbar davon erfahren, daß zwischenzeitlich offensichtlich ein [X.]eilergangen war. Hieraus konnte sie aber nicht ersehen, daß auch sie durch das[X.]eil beschwert wurde. Der am 6. November 2002 eingegangene Wiederein-setzungsantrag, verbunden mit der nachgeholten Prozeßhandlung (§ 236Abs. 2 Satz 2 ZPO), war daher rechtzeitig.[X.] die Kosten des [X.], zu denen auch [X.] des für die Beklagte erfolgreichen Rechtsbeschwerdeverfahrens gehö-ren, ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen ([X.],[X.]. v. 24. Juli 2000, [X.], [X.], 3284, 3286).[X.] Krüger Lem-ke

Meta

LwZB 1/03

18.11.2003

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2003, Az. LwZB 1/03 (REWIS RS 2003, 681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 681

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