Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2020, Az. 3 StR 95/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1954

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sicherungsverfahren: Erforderliche Feststellungen für die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus


Tenor

1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 13. November 2019 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg.

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Der Beschuldigte litt zum Zeitpunkt der Tat an einer schizophrenen Psychose. Er riss im Bereich einer Tankstelle die Fahrertür eines Pkw auf, hielt dem Fahrer ein scharfes Küchenmesser an den Hals und forderte ihn auf auszusteigen. Nachdem der Geschädigte dem nachgekommen war, setzte der Beschuldigte sich selbst in das Fahrzeug und fuhr damit Richtung [X.]    . Dort wollte er eine bekannte [X.] Sängerin aufsuchen und verletzen. Kurz vor Erreichen der [X.] gab er sein Vorhaben auf und kehrte nach [X.] zurück, wo er den Pkw "Wochen später" in erheblich beschädigtem Zustand auf einer Polizeiwache abgab.

4

Die [X.] hat - ohne dies näher zu begründen - angenommen, dass die Erkrankung des Beschuldigten bei Tatbegehung die Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit zur Folge hatte.

5

In [X.] ist der Beschuldigte nicht vorbestraft. 2015 war er in [X.] wegen Raubes eines Pkw zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dass diese Tat psychotisch motiviert war, konnte nicht festgestellt werden.

II.

6

Die Anordnung der Maßregel hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

7

1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf - neben der höhergradigen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung erheblicher rechtswidriger Taten - nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der [X.] schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (st. Rspr.; etwa [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 3 StR 46/19, [X.], 371, 372 mwN). Das Tatgericht hat in diesem Zusammenhang im Einzelnen darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen [X.] auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die [X.] auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; etwa [X.], Beschlüsse vom 26. Juli 2016 - 3 [X.], juris Rn. 5; vom 5. September 2019 - 4 [X.], juris Rn. 7 mwN). Es ist insbesondere gehalten zu untersuchen, ob in der Person des Beschuldigten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen eine übliche Ursache für strafbares Verhalten und somit normalpsychologisch zu erklären ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Juni 2016 - 4 StR 196/15, [X.], 275, 276; vom 5. September 2019 - 4 [X.], juris Rn. 7).

8

2. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das [X.] hat zwar für sich genommen rechtsfehlerfrei dargelegt, dass der Beschuldigte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Es hat aber nicht in nachvollziehbarer Weise belegt, dass zwischen diesem Zustand und der Begehung der abgeurteilten Tat ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Hierzu im Einzelnen:

9

Gemäß den [X.] hatte der Beschuldigte aufgrund seiner Psychose die Wahnvorstellung entwickelt, die [X.] Sängerin verfolgen zu müssen. Nach seiner Einlassung wolle er schon seit zehn Jahren erreichen, dass sie das Verhältnis zu ihren Fans ändere und sich zum [X.] Glauben bekenne. Bereits am Silvesterabend 2018 habe er ein Konzert besucht, um sie von der Bühne zu werfen; doch dann habe sie ihm leidgetan. Auch jetzt habe er zu ihr nach [X.]     fahren wollen, sei aber umgekehrt, weil er erkannt habe, dass sie unzurechnungsfähig sei und es keinen Sinn habe, sie zu verletzen.

Auf der Grundlage dieser Einlassung ist das [X.] ohne nähere Begründung in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Begehung der Tat aufgehoben war, weil das Ansichbringen des Fahrzeugs der "Läuterung" der Sängerin gedient habe. Mit diesen äußerst knapp gehaltenen Ausführungen hat die [X.] nicht in nachprüfbarer Weise dargelegt, inwieweit die zweifelsohne wahnbedingte Motivation sich auf die konkrete Tat, mit der der Beschuldigte gewaltsam ein Fahrzeug an sich brachte, auswirkte. Es erschließt sich insbesondere nicht, weshalb dabei gerade die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein soll. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte bereits im Jahr 2015 einen Pkw mit Schlägen gegen den Fahrer erbeutet hatte, ohne dass damals Feststellungen dazu getroffen wurden, dass dies wahnbedingt geschah.

Die Sache bedarf deshalb im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen zu dem äußeren Tatgeschehen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

Schäfer     

        

Spaniol     

        

Paul   

        

Berg     

        

Erbguth     

        

Meta

3 StR 95/20

23.06.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 13. November 2019, Az: 22 KLs 28/19

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.06.2020, Az. 3 StR 95/20 (REWIS RS 2020, 1954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1954

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 63/17 (Bundesgerichtshof)

Revision im Sicherungsverfahren: Verletzung des Rechts des Beschuldigten auf das letzte Wort bei anschließender Äußerung …


4 StR 12/20 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Schuldfähigkeitsprüfung hinsichtlich Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit; Gefährlichkeitsprognose bei längerer …


4 StR 81/21 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsverfahren: Urteilsdarlegung zur Schuldunfähigkeit bei Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis


4 StR 115/22 (Bundesgerichtshof)

Tatrichterliche Ausführungen bei Ablehnung der Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus


1 StR 34/22 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Unklare Begründung der Unterbringungsentscheidung bezüglich der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.