Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27.07.2010, Az. 2 BvR 616/09

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2010, 4424

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Vereinbarkeit der Kürzung von Versorgungsbezügen bei (unfreiwilliger) vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gem § 14 Abs 3 S 1 Nr 3 BeamtVG mit Art 33 Abs 5 GG


Gründe

1

Die [X.]beschwerde betrifft die Frage der [X.]mäßigkeit des sogenannten Versorgungsabschlags bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit auf der Grundlage des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] (in der Fassung vom 20. Dezember 2001, gültig ab 1. Januar 2003).

2

1. Der 1947 geborene und seit 1980 schwerbehinderte Beschwerdeführer - zuletzt als verbeamteter Lehrer der Besoldungsgruppe [X.] [X.] im Dienst des [X.] - war mit Wirkung zum 1. November 2005 wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Auf der Basis eines Ruhegehaltssatzes von 75 % hatte der Beschwerdeführer Anspruch auf ein erdientes Ruhegehalt in Höhe von 2.970,33 €. Der vom [X.] auf der Grundlage des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] festgesetzte Versorgungsabschlag in Höhe von 10,80 % führte zu einer Kürzung seiner Versorgungsbezüge um 320,80 €.

3

Das [X.] wies die Klage des Beschwerdeführers auf Berechnung und Auszahlung seiner Versorgungsbezüge ohne Vornahme eines Versorgungsabschlags mit Urteil vom 22. April 2008 ab. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte der [X.] mit Beschluss vom 6. Januar 2009 ab. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge und Gegenvorstellungen blieben erfolglos.

4

2. Mit seiner [X.]beschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem die Verletzung des Art. 33 Abs. 5 [X.].

5

Die [X.]beschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 [X.] nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist unbegründet.

6

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.], der für die Berechnung der Versorgungsbezüge derjenigen Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, einen zusätzlichen Zeitfaktor einführt und der die Höhe der Versorgungsbezüge an das Lebensalter bei Eintritt in den Ruhestand anknüpft und damit auch die unterschiedliche Dauer des Bezuges der Leistungen nach versorgungsmathematischen Gesichtspunkten berücksichtigt, verstößt - wie auch die darauf beruhenden Entscheidungen - nicht gegen Art. 33 Abs. 5 [X.].

7

1. Art. 33 Abs. 5 [X.] verpflichtet den Gesetzgeber, bei beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen den Kernbestand der Strukturprinzipien, welche die Institution des Berufsbeamtentums tragen und von jeher anerkannt sind, zu beachten und gemäß ihrer Bedeutung zu wahren. Dem Besoldungs- und [X.] verbleibt jedoch ein weiter Spielraum des politischen Ermessens, innerhalb dessen er die Versorgung der Beamten den besonderen Gegebenheiten, den tatsächlichen Notwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Jede gesetzliche Regelung des [X.]s muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten; sie mag für die Betroffenen insofern fragwürdig erscheinen. Daraus sich ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Das gilt für die Anwendung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in gleicher Weise wie für die Anwendung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 [X.] (stRspr, vgl. [X.] 26, 141 <158 f.>; 65, 141 <148>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <365>).

8

Zum hergebrachten, das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beamten in seinen Kernelementen prägenden und vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsatz der Beamtenversorgung gehört, das Ruhegehalt unter Wahrung des Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen aus dem letzten Amt zu berechnen. Art. 33 Abs. 5 [X.] fordert im Grundsatz, dass die Ruhegehaltsbezüge sowohl das zuletzt bezogene Diensteinkommen als auch die Zahl der Dienstjahre widerspiegeln (vgl. [X.] 114, 258 <286>; 117, 372 <381, 389>; [X.] 8, 232 <235> m.w.N.).

9

2. Die Regelung zum Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] hält sich im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben. Angesichts des weiten Spielraums politischen Ermessens beim Erlass von Besoldungs- und Versorgungsregelungen ist Art. 33 Abs. 5 [X.] für die Regelung von [X.] kein gesetzgeberischer Handlungsauftrag zu entnehmen, zwischen Fällen des antragsabhängigen und damit freiwilligen vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] sowie unfreiwilligen Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu unterscheiden.

a) § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] führt nicht zu einer Reduzierung des Ruhegehaltssatzes, sondern lediglich zu einer Verminderung des sich aus den Faktoren des Ruhegehaltssatzes und der ruhegehaltsfähigen Bezüge ergebenden Betrages. Die Länge der aktiven Dienstzeit eines Beamten, die entsprechend dem Leistungsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 [X.] bei der Beamtenversorgung Berücksichtigung finden muss, bleibt bei einer Festsetzung von [X.] für den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand auch weiterhin eine maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Versorgungsbezüge (so bereits [X.] 8, 232 <235>; in diesem Sinne auch [X.] 117, 372 <389>).

b) Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, dem Zusammenspiel von Alimentation und dienstlicher Hingabe dadurch Rechnung zu tragen, dass er einem vorzeitigen Ausscheiden eines Beamten - und damit einem Ungleichgewicht zwischen Alimentierung und Dienstleistung - durch eine Verminderung des Ruhegehalts Rechnung trägt. Andernfalls würde das Pflichtengefüge im Beamtenverhältnis insgesamt verschoben (vgl. [X.] 8, 232 <235 f.>; [X.], Nichtannahmebeschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Dezember 2007 - 2 BvR 797/04 -).

Versorgungsabschläge orientieren sich vor diesem Hintergrund zunächst allein an der Tatsache des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand und müssen von [X.] wegen nicht danach unterschieden werden, ob die Zurruhesetzung aus der Perspektive des Beamten freiwillig oder unfreiwillig erfolgte. Der Minderung des Ruhegehalts bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand sind verfassungsrechtlich ausnahmsweise dann Grenzen gesetzt, wenn das vorzeitige Ausscheiden aus dem aktiven Dienst auf [X.] beziehungsweise rechtskräftig festgestellten Umständen beruht, die der Verantwortungssphäre des Dienstherrn zuzurechnen sind (vgl. [X.] 8, 232 <236>).

c) Schließlich hat der Beamte mit Blick auf sonstige Grundsätze des Berufsbeamtentums - unter Beachtung des Alimentationsgrundsatzes - grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamten- und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Der Gesetzgeber darf vielmehr die Höhe der Bezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen und nicht allein aus finanziellen Erwägungen gerechtfertigt ist (stRspr, vgl. [X.] 8, 1 <12 ff.>; 18, 159 <166 f.>; 70, 69 <79 f.>; 76, 256 <310>).

Solche zusätzlichen sachlichen Gründe liegen vorliegend im bestehenden System der Altersversorgung begründet. Das geltende [X.] begünstigt Frühpensionierungen dadurch, dass der [X.] regelmäßig bereits mehrere Jahre vor der gesetzlichen Altersgrenze erreicht wird. Die mit dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand verbundenen Belastungen der Staatsfinanzen rechtfertigen deshalb Einschnitte in die Beamtenversorgung mit dem Ziel, das tatsächliche Pensionierungsalter anzuheben und die Zusatzkosten dadurch zu individualisieren, dass die Pension des Beamten um einen Abschlag gekürzt wird (vgl. [X.] 114, 258 <291 f.>; im [X.] daran auch [X.] 8, 232 <237>; aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 - 2 C 12/03 -, juris, Rn. 18).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 616/09

27.07.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Februar 2009, Az: 1 A 1246/08.Z.R, Beschluss

Art 33 Abs 5 GG, § 14 Abs 3 S 1 Nr 3 BeamtVG, § 69d Abs 5 BeamtVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27.07.2010, Az. 2 BvR 616/09 (REWIS RS 2010, 4424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09

3 ZB 15.2632

M 12 K 15.1058

AN 1 K 15.00638

3 ZB 22.1163

Zitiert

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