Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2017, Az. VI ZR 501/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10250

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:300517UVIZR501.16.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

30. Mai 2017

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 106 Abs. 3, § 108
a)
§ 108 [X.] räumt den Stellen, die für die Beurteilung sozialrechtlicher Fragen originär zuständig sind, hinsichtlich der Beurteilung bestimmter un-fallversicherungsrechtlicher Vorfragen den Vorrang vor den Zivilgerichten ein. Diesen Vorrang haben die Zivilgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen; er setzt der eigenen Sachprüfung -
auch des Revisionsgerichts -
Grenzen.
b)
Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer sozialversicherungs-rechtlichen Haftungsprivilegierung in der Person des in Anspruch genomme-nen Schädigers aus der uneingeschränkten Prüfungskompetenz der Zivilge-richte unterliegenden Gründen zwar nicht erfüllt sind, sich aber die Frage stellt, ob seine Haftung in Hinblick auf die Privilegierung eines weiteren Schädigers nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses beschränkt ist.
[X.], Urteil vom 30. Mai 2017 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30.
Mai 2017
durch den Vorsitzenden Richter
Galke, den
Richter
Wellner die Richterinnen von
Pentz und [X.] und [X.] Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 18. Februar 2016 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus gemäß § 6 Abs. 1 [X.] überge-gangenem Recht ihres Arbeitnehmers
auf Ersatz des diesem infolge eines Un-falls entstandenen [X.] in Anspruch.
Die Klägerin betreibt ein Transportunternehmen. Sie
wurde von der [X.], die ein Bedachungsunternehmen betreibt, damit beauftragt, Kies für die 1
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Befüllung zweier nebeneinander liegender [X.] auf einer Baustelle anzuliefern. Zu diesem Zweck fuhr der bei der Klägerin angestellte Kraftfahrer [X.] am 17. September 2013 mit einem Betonmischer mit Förderband zu der Baustelle. Die beiden Garagen stehen in ca. 1 bis 1,5 m Abstand zueinander. Zwischen den [X.]n hatten die Mitarbeiter der [X.] eine Bock-leiter aufgestellt. Zwei Mitarbeiter der [X.] waren bereits auf das erste Dach gestiegen. Um den Kies auf die [X.] aufzubringen, musste auch der Arbeitnehmer der Klägerin, Herr [X.], auf das Garagendach steigen. Im Rahmen der Befüllung der Flachdächer war er dafür zuständig, den Kies mittels Fernbedienung auf die Dächer zu befördern; die Mitarbeiter der [X.] soll-ten den Kies dann auf den Dächern verteilen. Nachdem das erste Garagendach befüllt war, stieg ein Mitarbeiter der [X.] die Leiter hinunter, stellte diese an der nächsten Garage auf und stieg auf das andere Dach. Danach stieß er die Leiter zu den auf dem ersten Garagendach verbliebenen Arbeitern. Bei dem Versuch, von dem ersten Dach hinunterzusteigen, kam Herr [X.] an der zweiten Stufe von oben zu Fall und brach sich den linken Arm. Die Klägerin zahlte das Herrn [X.] zustehende Arbeitsentgelt gemäß § 3 [X.] fort.
Die Klägerin macht geltend, die Leiter sei zusammengeklappt, als Herr [X.] herabgestiegen sei. Sie ist der Auffassung, es sei Sache der Mitarbeiter der [X.] gewesen, für die Sicherheit bei der Nutzung der verwendeten Leiter zu sorgen.
Das Amtsgericht
hat die auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 4.619,98

gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der
Klägerin
hatte kei-nen Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die
Kläge-rin
ihr
Klagebegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offen
bleiben, ob dem Arbeitnehmer der Klägerin infolge des Unfalls im Grundsatz ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 278 [X.] oder ein deliktischer Schadensersatzanspruch aus § 831 Abs. 1, § 823 Abs. 1
[X.]
gegen die [X.] erwachsen sei.
Denn zugunsten der Mitarbeiter der [X.] greife die Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Alt.
3, § 105 Abs. 1 [X.]. Der Unfall habe sich bei einer vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit von
Mitarbeitern
der Klägerin und der [X.] auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet. Diese Haftungsprivilegierung komme der -
nicht durch ein selbst auf der [X.] tätiges Organ handelnden -
[X.] über die Grundsätze des ge-störten [X.]s zugute. Dies gelte nicht nur für den delikti-schen Anspruch, sondern auch für einen möglichen vertraglichen Anspruch des Herrn [X.]
gegen die Beklagte. Der Rechtsgedanke des § 840 Abs.
2 [X.] sei auf die vertragliche Haftung zu erstrecken. Hafte der Vertragspartner lediglich aufgrund des ihm nach § 278 [X.] zugerechneten Verschuldens seines Erfül-lungsgehilfen und könne ihm kein eigenes Verschulden ([X.] etc.) vorgeworfen werden, so hafte der Erfüllungsgehilfe im Innenverhältnis [X.]. Eine Haftung
der [X.] wäre
nur dann zu bejahen, wenn diese eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung
getroffen
und im [X.] damit stehende Pflichten verletzt
habe. Dies habe die Klägerin aber nicht behauptet.
Zur Klärung der Frage, ob der Rechtsgedanke des §
840 Abs. 2 [X.] auch bei einer vertraglichen Haftung des Geschäftsherrn zur Anwendung kommt, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

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II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Senat an einer [X.] allerdings nicht bereits deshalb gehindert, weil das Berufungsgericht die [X.] nicht wiedergegeben hat. Ohne die Wiedergabe der [X.] leidet das Berufungsurteil zwar regelmäßig an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, der zur Aufhebung und Zurückverwei-sung führt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2016 -
VI [X.], [X.], 1194
Rn. 7; vom 21. Februar 2017 -
VI [X.], juris
Rn. 10, jeweils mwN). Die ausdrückliche Wiedergabe der Anträge ist jedoch entbehrlich, wenn sich dem Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des Berufungsführers noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt ([X.], Urteil vom 17. De-zember 2013 -
II ZR 21/12, [X.], 217 Rn. 18 mwN).
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Das Berufungsgericht hat un-ter Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts ausge-führt, dass die Klägerin
die Erstattung der von ihr geleisteten Lohnfortzahlung begehre, das Amtsgericht die Klage abgewiesen habe und die Berufung sich hiergegen richte. Diesen Ausführungen ist
hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Klägerin
mit der Berufung ihr erstinstanzliches Klagebegehren unein-geschränkt weiterverfolgt.
Dass das Berufungsgericht den als Nebenforderung geltend gemachten Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten nicht gesondert erwähnt hat, ist dabei unschädlich. Eines
ausdrücklichen Hinweises auf die Nebenforderung hätte es nur dann bedurft, wenn die Klägerin sie
fallen-gelassen oder ihren Antrag in sonstiger Weise geändert hätte.
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2. Das angefochtene Urteil unterliegt aber deshalb der Aufhebung, weil das Berufungsgericht die Bestimmung des § 108 [X.] nicht beachtet hat. Es hat die Tatbestandsvoraussetzungen der in § 106 Abs. 3 Alt. 3 i.V.m. § 105 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelten Haftungsprivilegierung für gegeben erachtet, ohne den den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten
der Sozialgerichts-barkeit
zukommenden Vorrang hinsichtlich der Beurteilung sozialversicherungs-rechtlicher Vorfragen zu beachten.
a) Gemäß § 108 Abs. 1 [X.] sind Gerichte außerhalb der Sozialge-richtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 [X.] ge-nannten Ansprüche unter anderem hinsichtlich der Frage, ob ein Versiche-rungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der [X.] und der Sozialgerichte gebunden. Nach § 108 Abs. 2 [X.] hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Absatz 1 er-gangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt es dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.
Die Vorschrift
verfolgt das Ziel, divergierende Beurteilungen zu vermei-den und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen [X.] zu gewährleisten. Für den Geschädigten untragbare Ergebnisse, die sich ergeben könnten, wenn zwischen den
Zivilgerichten
und den [X.] bzw. Sozialgerichten unterschiedliche Auffassungen über das [X.] eines Versicherungsfalles
bestehen und dem
Geschädigten
deshalb we-der Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen [X.] zuerkannt wird, sollen verhindert werden
(vgl. Senatsurteil vom 20.
November 2007 -
VI [X.], [X.], 255 Rn. 9; Senatsbeschluss vom
20.
September 2005 -
VI [X.], [X.]Z 164, 117 Rn. 10).
Aus diesem Grund räumt § 108 [X.] den Stellen, die für die Beurteilung sozialrechtlicher 9
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Fragen originär zuständig sind,
hinsichtlich der Beurteilung bestimmter unfall-versicherungsrechtlicher Vorfragen den
Vorrang vor den Zivilgerichten
ein (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 -
VI [X.], [X.], 820 Rn. 12; vom 20.
April 2004 -
VI [X.], [X.]Z 158, 394, 396 f.; BSG, Urteil vom 27. März 2012 -
B 2
U 5/11 R, [X.] 2012, 826 Rn. 23; [X.] in: [X.], ju-risPK-[X.], 2. Aufl. 2014, § 108 [X.] Rn. 3,
5; BeckOK-SozR/[X.], [X.] § 108 Rn. 2 [Stand: 31. Juli 2016]; vgl. zur Vorgängerbestimmung in §
638 RVO: Senatsurteile vom 19. Oktober 1993 -
VI [X.], [X.], 1540, 1541; vom 24. Juni 1980 -
VI [X.], [X.], 822). Diesen Vor-rang
haben die Zivilgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen; er
setzt der eigenen Sachprüfung -
auch des Revisionsgerichts
-
Grenzen
(vgl. [X.] vom 20. April 2004 -
VI [X.], [X.]Z 158, 394, 397; vom 22. April 2008 -
VI [X.], [X.], 820 Rn. 9, 12; vom 20.
November 2007 -
VI
[X.], [X.], 255 Rn. 9, 13; vom 12.
Juni 2007 -
VI [X.], [X.], 1131 Rn. 17 ff.; [X.]/[X.], [X.], 16.
Aufl., [X.]. 79 Rn. 11; vgl. zur Vorgängerbestimmung in §
638 RVO: Senatsurteil vom 24. Juni 1980 -
VI [X.], [X.], 822).
b) Der den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten der Sozialge-richtsbarkeit in § 108 [X.] eingeräumte Vorrang bezieht sich nicht nur auf die Entscheidung, ob ein Unfall -
wie in § 105 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorausge-setzt -
als Versicherungsfall zu qualifizieren ist, sondern erstreckt sich auch auf die
Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte -
wie in § 106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] gefordert
-
im Unfallzeitpunkt Versicherter der gesetzlichen [X.] war
(vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 2008 -
VI [X.], [X.]Z 177, 97 Rn. 9; vom 22. April 2008 -
VI [X.], [X.], 820 Rn. 12; vom 12.
Juni 2007 -
VI [X.], [X.], 1131 Rn. 16; vom 20. Dezember 2005 -
VI [X.], [X.], 416 Rn. 21, jeweils mwN; [X.], 153, 155; BeckOK-Sozialrecht/[X.], § 108 Rn. 9, 11 [Stand: 31. Juli 2016]).
Denn 12
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die Versicherteneigenschaft ist
eine notwendige Voraussetzung für die Aner-kennung
eines Unfalls als Arbeitsunfall
(§ 8 Abs. 1 Satz 1 [X.])
und damit als Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 [X.]). Eine eigenständige Beurteilung die-ser Fragen ist den Zivilgerichten dementsprechend grundsätzlich verwehrt. Da sie die vorrangige Entscheidungszuständigkeit der Unfallversicherungsträger bzw. der Sozialgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen haben,
sind [X.] dazu, in welchem Umfang die Bindungswirkung gemäß § 108 Abs. 1 [X.] eingetreten ist, zwingend erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 20. April 2004 -
VI [X.], [X.]Z 158, 394, 397; vom 22. April 2008 -
VI [X.], [X.], 820 Rn. 9; vom 20. November 2007 -
VI [X.], [X.], 255 Rn. 9).
c) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn
die Voraussetzungen einer sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung in der Person des in [X.] genommenen Schädigers aus
der uneingeschränkten Prüfungskompe-tenz der Zivilgerichte unterliegenden
(vgl. dazu Senatsurteil vom 17.
Juni 2008 -
VI [X.], [X.]Z 177, 97 Rn. 10 ff.; [X.]/Ricke, [X.] §
108 Rn. 8 [Stand: Dezember 2016]) Gründen zwar nicht erfüllt sind, sich aber die Frage stellt, ob seine Haftung in Hinblick auf die Privilegierung eines weiteren [X.] nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses be-schränkt ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November 2014 -
VI [X.], [X.]Z 203, 224 Rn. 18 ff.).

Denn
die Anwendbarkeit des
§ 108 [X.] hängt nicht davon ab, dass eine Haftungsbefreiung des in Anspruch genommenen Schädigers unmittelbar aufgrund der §§ 104 bis 106 [X.] in Betracht kommt.
Maßgeblich ist [X.] des klaren Wortlauts der Bestimmung allein, dass ein Gericht außer-halb der Sozialgerichtsbarkeit über "Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 [X.] genannten Art"
zu entscheiden hat. "Ersatzansprüche der in den 13
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§§
104 bis 107 [X.] genannten Art"
sind aber jegliche Ansprüche
vertragli-cher oder deliktischer Natur, die auf Ersatz des Personenschadens
gerichtet sind und
auf ein Geschehen gestützt werden, das einen Versicherungsfall [X.] kann
(vgl. Senatsbeschluss vom 20. September 2005 -
VI [X.], [X.]Z 164, 117 Rn. 11; BSG, Urteile vom 27. März 2012 -
B 2 U 5/11 R, [X.] 2012, 826 Rn. 13 ff.; vom 1. Juli 1997 -
2 [X.] 26/96, [X.], 279
Rn. 20 ff.; [X.] in [X.], jurisPK-[X.], 2. Aufl. 2014, § 108 [X.], Rn.
8; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 104 [X.], Rn. 9 [Stand: August 2012]; [X.]. in [X.]/[X.], [X.], § 108 [X.], Rn. 4 [Stand: Dezember 2009]; [X.], [X.], 4. Aufl., § 108 Rn. 3).
Hierzu gehören auch die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche des bei der Verbringung des gelieferten [X.] auf die Flachdächer verunglückten Mitarbeiters der Klägerin gegen die
nicht durch ein selbst auf der Betriebsstätte tätiges Organ handelnde Beklagte aus §§ 280
Abs. 1, § 278, § 831 Abs. 1, §
823 Abs. 1 [X.]
auf Ersatz seines [X.]. Eine andere Beurteilung liefe der Intention des Gesetzge-bers zuwider, divergierende Beurteilungen zu vermeiden
und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten.

d) Mit diesen
Grundsätzen steht das angefochtene Urteil nicht in [X.]. Die getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, ob und in wel-chem Umfang eine Bindungswirkung gemäß § 108 Abs. 1 [X.] eingetreten ist. Ihnen ist
weder zu entnehmen, ob im Streitfall überhaupt eine Entscheidung eines [X.] oder Sozialgerichts über das Vorliegen eines Versicherungsfalls
ergangen ist, noch lassen sie Rückschlüsse darauf zu, ob eine solche Entscheidung für die Parteien unanfechtbar
geworden ist
und damit Bindungswirkung entfaltet. Die Unanfechtbarkeit setzt voraus, dass der Be-scheid des [X.] gemäß § 77 SGG bestandskräftig oder das Sozialgerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Bestandskraft kann gegenüber den Parteien
aber nur dann eingetreten sein, wenn sie in der 15
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gebotenen Weise am sozialversicherungsrechtlichen Verfahren beteiligt worden sind. Denn ihre Rechte dürfen durch die Bindungswirkung nach § 108 [X.] nicht verkürzt werden. Um das rechtliche Gehör von Personen, für die der [X.] hat, zu gewährleisten, be-stimmt § 12 Abs. 2 [X.] X, dass sie zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht es aus, dass der Bescheid ihre [X.] nachteilig berührt oder berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 20. April 2004 -
VI [X.], [X.]Z 158, 394 397; vom 17.
Juni 2008 -
VI [X.], [X.]Z 177, 97 Rn. 9; vom 22. April 2008 -
VI [X.], [X.], 820 Rn.
10; vom 20. November 2007 -
VI [X.], [X.], 255 Rn. 10 ff.; vom 12. Juni 2007 -
VI [X.], [X.], 1131 Rn. 25 ff., 30; [X.], 160, 162; BVerwGE 18, 124, 129; [X.]/Ricke, [X.] § 108 Rn. 2a ff. [Stand: März 2017]).

III.
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§
562 Abs.
1, § 563 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Das [X.] wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Fehlt es an einer für beide Parteien unanfechtbaren Entscheidung des [X.] oder eines Sozialgerichts über das Vorliegen eines Versicherungsfalls, so ist der Rechtsstreit nur dann gemäß § 108 Abs. 2 [X.] auszusetzen, wenn die -
vom Berufungsgericht bislang lediglich unterstellte -
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vertragliche oder deliktische Haftung der [X.] im Grundsatz zu bejahen ist. Sind dagegen schon die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Normen nicht erfüllt, so ist die Frage, ob der [X.] eine Haftungsprivilegie-rung ihrer Mitarbeiter gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3, § 105 Abs. 1 [X.] nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu Gute kommt, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich (vgl. Senatsurteil vom 20.
April 2004 -
VI [X.], [X.]Z 158, 394
[X.].; [X.], [X.], 809 un-ter III.).
2. Ist der Unfall des Arbeitnehmers der Klägerin in einem [X.] Verfahren als Arbeitsunfall
anerkannt worden und entfaltet diese Entscheidung für beide Parteien Bindungswirkung, so kann die (unter-stellte) Haftung der [X.] in Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Privilegierung ihrer Mitarbeiter gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3, § 105 Abs.
1 [X.] nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses
beschränkt oder ausgeschlossen sein.
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats können in den [X.], in denen zwischen mehreren [X.] ein Gesamtschuldverhältnis be-steht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschä-diger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 [X.] nicht
durch eine sozialversicherungsrecht-liche Haftungsprivilegierung des [X.] gestört wäre. Die [X.] beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im [X.] unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei [X.], nämlich der [X.] Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversi-18
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cherung, nicht gerechtfertigt wäre, den [X.] den Schaden alleine tragen zu lassen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der [X.] "in Höhe des [X.]"
freizustellen, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg-denkt. Dabei ist unter "[X.]"
die Zuständigkeit für die Schadens-verhütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der [X.] zu verstehen
(Senatsurteil vom 18. November 2014 -
VI [X.], [X.]Z 203, 224, Rn. 19 mwN).
b) Diese Grundsätze
gelten
auch dann, wenn die Beklagte nicht (oder nicht nur) deliktisch, sondern wegen der Verletzung vertraglicher Schutzpflich-ten (auch) vertraglich zum Ersatz des dem Arbeitnehmer der Klägerin entstan-denen Personenschadens verpflichtet wäre (§ 280 Abs. 1, § 278 [X.] in [X.] mit einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte). Denn auch in diesem Fall bestände zwischen der [X.] und ihren
(unterstellt) deliktisch haften-den
Mitarbeitern -
lässt man die
sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivile-gierung
außer Betracht -
ein Gesamtschuldverhältnis. Die Beklagte
wäre ver-pflichtet, dasselbe [X.] zu befriedigen wie ihre
wegen der Verlet-zung deliktischer Verkehrssicherungspflichten haftenden Mitarbeiter.
Die für die Annahme einer Gesamtschuld erforderliche Gleichstufigkeit der Verpflichtungen folgte
daraus, dass weder die Beklagte noch ihre Mitarbeiter
nur subsidiär
oder vorläufig für die Verpflichtung des jeweils anderen einstehen müssten
(vgl. Senatsurteil vom 18. November 2014 -
VI [X.], [X.]Z 203, 224, Rn.
21 mwN).
Der
hypothetische Innenausgleich
zwischen den [X.] sich ebenfalls nach den eben
aufgezeigten Grundsätzen. Selbst
wenn die Beklagte auch oder
nur vertraglich haftete,
käme es für die Beurteilung der Frage, was
auf sie
als "außenstehende" [X.]in im Innenverhältnis zu
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ihren Mitarbeitern (privilegierte Erstschädiger)
entfiele, wenn die [X.] nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung
gestört wäre, maßgeblich auf die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit auf das Gewicht ihres Beitrags an der Schadensentstehung
an
(vgl. Se-natsurteile vom 23. Januar 1990 -
VI [X.], [X.]Z 110, 114, 119 ff.; vom 17.
Februar 1987 -
VI [X.], NJW 1987, 2669, 2670; vom 12. Juni 1973 -
VI
[X.], [X.]Z 61, 51 [X.]. und Rn. 12, 15: "Der Konflikt entsteht letztlich durch ein Zusammentreffen der beiden grundsätzlich unterschiedlichen Unfallhaftungs-systeme der Sozialversicherung und des deliktischen (oder anderen) Haftpflichtrechts. Es erscheint sinngemäß und angemessen, wenn der Geschädigte daher die [X.] beider Regelungsbereiche lediglich nach den in ihnen entstandenen Verantwor-tungsteilen in Anspruch nehmen kann"). Hierfür bedarf es nicht der Heranziehung des § 840 Abs. 2 [X.]. Dieses Ergebnis
folgt
vielmehr
bereits aus der Bestim-mung des § 254 [X.], nach der sich die Verteilung des Schadens im Innenver-hältnis mehrerer Ersatzpflichtiger richtet (vgl. Senatsurteil vom 12. Juni 1973 -
VI [X.], [X.]Z 61, 51 [X.]. und Rn.
12; [X.], Urteil vom 18. November 2014 -
KZR 15/12, [X.]Z 203, 193
Rn. 41;
vom 10. Juli 2014 -
III ZR 441/13, NJW 2014, 2730 Rn. 21; [X.]/[X.], [X.], 76. Aufl., § 426 Rn.
14), ebenso wie aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Pflicht verletzt hat, sich im Innenausgleich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, in der Erfüllung eben dieser Pflicht nicht genügend überwacht worden zu sein (Se-natsurteile vom 11.
November 2003 -
VI ZR
13/03, [X.]Z 157, 9, 17; vom 10. Mai 2005 -
VI [X.], [X.], 1087, 1088; [X.]/[X.], aaO).
c) Träfe die Beklagte
dementsprechend
kein "Eigenanteil" an der [X.] in Form einer eigenen Organisation-
oder Verkehrssicherungs-pflichtverletzung und beruhte ihre Haftung lediglich auf einer Zurechnung frem-den Verschuldens (§ 278 [X.]), wäre sie nicht zum Ersatz des dem geschädig-ten Arbeitnehmer der Klägerin entstandenen Personenschadens verpflichtet.
22
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14

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Galke
Wellner
von Pentz

Oehler
Klein

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.03.2015 -
92 [X.] 1194/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.02.2016 -
1 [X.] -

Meta

VI ZR 501/16

30.05.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2017, Az. VI ZR 501/16 (REWIS RS 2017, 10250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10250

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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