Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.08.2010, Az. 4 BN 6/10

4. Senat | REWIS RS 2010, 4069

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Gegenstand

Schluss auf hinreichend verfestigte Planung


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

2

1. Als [X.] i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die hilfsweise als Grundsatzrüge erhoben wird, macht die Beschwerde geltend, das Normenkontrollgericht sei in Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] zu Art. 6 [X.] davon ausgegangen, dass an die Ermittlungstiefe bei der [X.] im Rahmen der Bauleitplanung geringere Anforderungen zu stellen seien als an die Verträglichkeitsprüfung für Projekte. Das Normenkontrollgericht weiche auch insofern ab, als es die gerichtliche Kontrolle (auch) bei der [X.] bei in Bezug genommenen Einschätzungen von Fachbehörden auf eine bloße "Vertretbarkeit" hin reduziere.

3

1.1 Die behauptete [X.] genügt nicht den [X.] gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Zwar leitet die Beschwerde mehrere Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil ab, die sie der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1) gegenüberstellt. Die von der Beschwerde aufgestellten Rechtssätze lassen sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen; sie verfehlen den rechtlichen Ansatz des [X.].

4

Das Normenkontrollgericht hat zu § 34 Abs. 2 [X.]atSchG, der Art. 6 Abs. 3 [X.] umsetzt und gemäß § 1 a Abs. 4 BauGB auf die Bauleitplanung anzuwenden ist, ausgeführt, dass im Planaufstellungsverfahren der Schutz von FFH-Gebieten bzw. streng geschützten Arten umfassend geprüft worden sei ([X.], 24) und nach einer Bewertung des [X.] ([X.]) davon ausgegangen werden könne, dass die Planung für das direkt an das Plangebiet angrenzende FFH-Gebiet "[X.]" keine negativen Auswirkungen haben werde. Die im angegriffenen Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen führten zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele oder Schutzzwecke des benachbarten FFH-Gebiets ([X.], 48). Mit diesen Ausführungen fasst das Normenkontrollgericht das Ergebnis der Vorprüfung zusammen, die der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung vorgeschaltet ist, und attestiert der Antragsgegnerin damit, dass sie keinen Anlass hatte, eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung durchzuführen. Sind erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgebietes schon nach einer Vorprüfung "offensichtlich" ausgeschlossen, erübrigt sich nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] eine Verträglichkeitsprüfung. Die FFH-Vorprüfung beschränkt sich auf die Frage, ob "nach Lage der Dinge ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen" besteht (Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 [X.] 46.07 - [X.] 451.91 [X.] Nr. 29 S. 91; Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 60). Rechtssätze zur Ermittlungstiefe bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung hat das Normenkontrollgericht nicht aufgestellt.

5

1.2 Auch soweit die Beschwerde hilfsweise als Grundsatzrüge sinngemäß danach fragt, ob bei der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung in der Bauleitplanung der gleiche Maßstab anzulegen sei wie an die Planfeststellung, unterscheidet sie nicht hinreichend zwischen der FFH-Vorprüfung und der eigentlichen [X.] und überträgt die rechtlichen Anforderungen, die das [X.] in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 an die [X.] stellt (a.a.[X.] Rn. 61 f. - "beste einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse"), auf die Vorprüfung. Abgesehen davon hat das Normenkontrollgericht bei der Prüfung des naturschutzrechtlichen Habitatschutzes in der Bauleitplanung keinen abweichenden Maßstab gegenüber der Prüfung im Rahmen einer Planfeststellung angewandt.

6

2. Die Frage, ob nach dem Satzungsbeschluss gewonnene, zusätzliche bzw. neuere Erkenntnisse zur FFH-Verträglichkeit in der gerichtlichen Prüfung berücksichtigt werden dürfen, hält die Beschwerde für klärungsbedürftig, weil das Normenkontrollgericht die naturschutzrechtliche Prüfung "im Ergebnis" als zutreffend erachtet und dabei mehrfach auf neuere Untersuchungen zurückgegriffen habe (Beschwerdebegründung S. 18). Die Beschwerde geht jedoch auch mit dieser Frage an den Feststellungen des [X.] vorbei.

7

Unabhängig davon, dass es nach dem Ergebnis der Vorprüfung keiner FFH-Verträglichkeitsuntersuchung bedurfte, ist das Normenkontrollgericht nicht davon ausgegangen, dass es Ermittlungs- und Bewertungsdefizite - bei der Vorprüfung - gegeben habe, die durch nachträgliche Untersuchungen im Sinne der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung (Beschwerdebegründung S. 19) "aufgefangen" worden seien. Schon aus diesem Grund erweist sich die aufgeworfene Frage als nicht entscheidungserheblich. Der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz des [X.] auf Seite 23 bezieht sich (nur) darauf, dass "ohne 'Zeitschranke' ... die Frage von artenschutzrechtlichen Vollzugshindernissen (s.o.) weiter 'unter Kontrolle' gehalten werden musste" ([X.]). Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.

8

Abgesehen davon stellt das Normenkontrollgericht ausdrücklich fest, dass die bis zum Satzungsbeschluss zusammengestellten [X.] für eine ordnungsgemäße Abwägung der natur-, habitat- und artenschutzrechtlichen Fragen ausreichend waren ([X.]). In diesem Zusammenhang nimmt es nachträgliche Untersuchungen nur zum Anlass, um zu prüfen, ob die [X.] defizitär sein könnten ([X.], 36). Das gilt auch für die von der Beschwerde in Bezug genommen Ausführungen auf Seite 27, die die Frage betreffen, ob das Plangebiet selbst ein potentielles FFH-Gebiet darstellen könnte und eine Gebietsmeldung aus fachfremden Erwägungen unterblieben sei.

9

3. Auch die zwei Grundsatzrügen zum Artenschutzrecht führen nicht zur Zulassung der Revision.

3.1 Die als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit der den [X.] des § 42 Abs. 1 Nr. 3 [X.]atSchG 2002 geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 ([X.] 2873) einschränkenden Vorschriften des § 42 Abs. 5 Satz 2 und 3 [X.]atSchG 2002 und deren Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. d [X.], ist nicht entscheidungserheblich.

Das Normenkontrollgericht hat zwar - insoweit missverständlich - der artenschutzrechtlichen Prüfung den Obersatz vorangestellt, der [X.] nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 [X.]atSchG 2002 stehe der Vollzugsfähigkeit des angegriffenen Bebauungsplans nicht entgegen, weil die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 62 [X.]atSchG 2002 oder des § 42 Abs. 5 Satz 2 [X.]atSchG 2002 vorlägen ([X.]). Es prüft dann aber nicht, ob bereits die Verwirklichung des [X.]s gemäß § 42 Abs. 5 Satz 2 [X.]atSchG ausgeschlossen sein könnte, sondern hebt darauf ab, dass der Antragsgegnerin von der Oberen Naturschutzbehörde ([X.]) eine Befreiung in Aussicht gestellt worden ist, die dem Beigeladenen auch tatsächlich bereits erteilt worden sei. Maßgeblich ist nach Auffassung des [X.] nur, ob überhaupt eine Befreiung erteilt worden ist ([X.] f.). Im [X.] daran prüft das Gericht, ob gleichwohl ("wäre allenfalls") ein "absolutes Planungshindernis" vorliegen könnte ([X.]). Diese Prüfung zielt erkennbar auf die Frage, ob die geschützten Fledermäuse in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Befreiung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen können (§ 62 Abs. 1 Satz 1 [X.]atSchG 2002 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 [X.]). Dass der [X.] gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 [X.]atSchG 2002 erfüllt ist, stellt das Normenkontrollgericht auch an dieser Stelle nicht in Frage. Es zieht lediglich - wie der Hinweis "vgl." deutlich macht - den Grundgedanken des § 42 Abs. 5 Satz 2 [X.]atSchG 2002 heran, um deutlich zu machen, dass es zur Beurteilung, ob die Art in ihrem Bestand, d.h. als lebensfähiges Element in einem günstigen Erhaltungszustand erhalten bleibt, nicht genügt, auf die Möglichkeit zu verweisen, dass die betroffenen Arten auf andere Landschaftsteile ausweichen oder dass Ausgleichshabitate geschaffen werden können, wenn die betroffene Art gerade auf diese Stätte "speziell" angewiesen ist ([X.]). Vor diesem Hintergrund stellt sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage der Gemeinschaftskonformität des § 42 Abs. 5 Satz 2 [X.]atSchG 2002 nicht. Unabhängig davon beruht die Beschwerde auf der Annahme, dass sich der vorliegende Fall von den der Rechtsprechung des [X.] zugrunde liegenden Fallkonstellationen unterscheide, weil es nicht lediglich um wechselnde Ruhestätten, sondern um die in [X.] bedeutendsten Wochenstuben der Fledermäuse handele (Beschwerdebegründung S. 28). Eine solche Feststellung hat das Normenkontrollgericht indes nicht getroffen.

3.2 Die Frage,

ob sich die Verbotsvorschriften des besonderen Artenschutzrechts bauplanungsrechtlich nur und erst dann als Planungshindernis auswirken, wenn eine geschützte und betroffene Art in ihrem Bestand oder in ihrer Entwicklung auf ein bestimmtes Gebiet - speziell - angewiesen ist,

stellt sich in dieser Allgemeinheit nicht und beruht zudem wiederum auf Prämissen, die das Normenkontrollgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat.

Das Normenkontrollgericht ist nicht davon ausgegangen, dass ein Planungshindernis "nur und erst dann" unter den in der Frage umschriebenen Voraussetzungen anzunehmen ist. Es stellt nicht in Abrede, dass die Verbotsvorschriften des besonderen Artenschutzrechts grundsätzlich ein Planungshindernis im Rahmen der Bauleitplanung darstellen können, sondern geht nur davon aus, dass im vorliegenden Fall kein Planungshindernis vorliegt, weil eine Befreiung gemäß § 62 [X.]atSchG 2002 erteilt worden ist.

4. Mit der Frage,

ob die zuständige Behörde eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach den §§ 5, 6 BImSchG mit Auflagen zum Lärmschutz versehen darf, die über die Anforderungen der [X.] hinausgehen, wenn die entsprechenden Beschränkungen nicht in den Festsetzungen des Bebauungsplans vorgegeben, sondern als [X.] lediglich der Begründung des Bebauungsplans zugrunde gelegt worden sind,

macht die Beschwerde geltend, die Voraussetzungen für einen zulässigen Konflikttransfer seien nicht gegeben, weil im Bebauungsplan Festsetzungen von [X.] fehlten und die Antragsgegnerin aufgrund defizitärer Ermächtigungsgrundlagen des [X.] auch nicht habe davon ausgehen können, dass auf [X.] der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eine mit ihren [X.] im Einklang stehende Entscheidung erfolgen würde.

Das Normenkontrollgericht ist indes nicht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen defizitär seien, sondern ist der Auffassung, der Rechtmäßigkeit der Abwägung stehe nicht entgegen, dass nicht alle [X.] "kongruent" in planerische Festsetzungen eingemündet seien ([X.]9). Dass die Gemeinde von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nehmen darf, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des [X.] auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. nur Beschluss vom 15. Oktober 2009 - BVerwG 4 [X.] 53.09 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Frage, unter welchen Umständen der Schluss auf eine hinreichend verfestigte Planung gerechtfertigt erscheint, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und entzieht sich einer abstrakten Klärung (Beschluss vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - [X.] 406.11 § 1 BauGB Nr. 75, [X.]). Die Beschwerde beschränkt sich der Sache nach auf einen Angriff auf die Auffassung des [X.], das davon ausgeht, dass eine Regelung der Details zum Lärmschutz im Genehmigungsverfahren - wie auch die zwischenzeitlich erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung belegt - gewährleistet sei. Dass es - wie die Beschwerde offensichtlich meint - zur Bewältigung der Lärmschutzproblematik die Anforderungen der [X.] übersteigender Lärmschutzmaßnahmen bedarf (Beschwerdebegründung S. 34), hat das Normenkontrollgericht nicht angenommen. Auf die von der Beschwerde bemühte Auslegung des § 6 Abs. 1 BImSchG kommt es auch aus diesem Grund nicht an.

5. Da die Beschwerde aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen war, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob - wie der [X.] der Antragsgegnerin und des Beigeladenen vorträgt - die von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Normenkontrollantrags entgegen der Auffassung des [X.] zu verneinen wären; denn selbst wenn dies zuträfe, bliebe die Beschwerde erfolglos, weil die angefochtene Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO jedenfalls im Ergebnis richtig wäre.

Meta

4 BN 6/10

13.08.2010

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 23. Juli 2009, Az: 1 KN 22/05, Urteil

§ 6 Abs 1 BImSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.08.2010, Az. 4 BN 6/10 (REWIS RS 2010, 4069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4069

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