Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2011, Az. 1 StR 52/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8969

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Gegenstand

Strafverfahren: Verwertung eines Geständnisses bei unzulässiger Verständigung über den Schuldspruch


Leitsatz

Allein die unzulässige Verständigung über den Schuldspruch führt nicht zu einem Verbot, das auf Grund der Verständigung abgegebene Geständnis des Angeklagten zu verwerten.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. November 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Der [X.] merkt an:

Der Angeklagte wurde u.a. wegen fünf Fällen des [X.] (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) verurteilt, die er mit weiteren Personen begangen hat. [X.] (§ 244a StGB) hat die [X.] nicht erörtert.

In den Urteilsgründen wird gemäß § 267 Abs. 3 Satz 5 [X.] angegeben, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c [X.]) vorausgegangen ist. Dem Urteil (insbesondere [X.]) ist weiter zu entnehmen, dass die Verständigung sich auch darauf erstreckte, dass die Taten abweichend von der Anklageschrift nicht bandenmäßig begangen worden seien (im [X.] heißt es u.a.: "Bei dem Geständnis des Angeklagten [X.] brauchen keine Merkmale enthalten sein, die für ein bandenmäßiges Vorgehen sprechen").

Der [X.] sieht daher Anlass darauf hinzuweisen, dass der Schuldspruch nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf (§ 257c Abs. 2 Satz 3 [X.]) und dass auch die Staatsanwaltschaft darauf hinzuwirken hat, dass das Gesetz beachtet wird (vgl. [X.] Nr. 127 Abs. 1 Satz 1). Schwerer Bandendiebstahl ist eine Qualifikation und betrifft daher den Schuldspruch. Eine Verständigung darüber, dass keine bandenmäßige Begehung vorliegt, ist in diesem Fall, in dem es nicht nur um eine strafzumessungsrelevante Feststellung geht, unzulässig (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 28. September 2010 - 3 [X.] Rn. 8).

Gleichwohl ist die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat keine Verfahrensrüge erhoben. Er hat weder eine Verletzung des § 257c Abs. 2 Satz 3 [X.] beanstandet, noch ein Verwertungsverbot gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 [X.] geltend gemacht. Auch wenn in den Urteilsgründen, ohne dass dies erforderlich wäre (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 [X.] Rn. 8; [X.], Beschluss vom 19. August 2010 - 3 [X.] Rn. 16) Einzelheiten der Verständigung mitgeteilt werden, bedarf es zur Beanstandung der Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 257c [X.] der Erhebung einer formgerechten (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]) Verfahrensrüge (vgl. auch [X.], Beschluss vom 13. Januar 2010 - 3 [X.]). Der Umstand, dass das Revisionsgericht im Rahmen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] bei zugleich erhobener umfassender Sachrüge den Urteilsinhalt ergänzend berücksichtigen kann (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99; [X.]St 45, 203, 204 f.), befreit nicht von der Anbringung einer Verfahrensrüge. Da eine solche nicht erhoben ist, ist die Beweiswürdigung schon deshalb nicht auf eine Verletzung des Verwertungsverbots des Geständnisses zu überprüfen.

Hinzu kommt, dass ohnehin kein Verwertungsverbot gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 [X.] vorliegt. Bei einer, wenn auch fehlerhaften, Verständigung, besteht ein Verwertungsverbot nach dem Gesetz nur "in diesen Fällen", d.h. in den in § 257c Abs. 4 Sätze 1 und 2 [X.] aufgeführten Fällen. Gemeint sind Konstellationen, in denen sich das Gericht von der Verständigung lösen will. Wenn die "Vertragsgrundlage" für das Geständnis entfallen ist, erfordert das Gebot der [X.], dass auch dieses keinen Bestand mehr hat. Bindung des Gerichts und Geständnis des Angeklagten stehen in einer Wechselbeziehung, die das Gericht nicht folgenlos einseitig auflösen kann (vgl. [X.], [X.], 53. Aufl., Rn. 28 zu § 257c [X.]).

Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht aber nicht einseitig von der Verständigung gelöst, sondern diese in vollem Umfang eingehalten, weshalb der [X.] auch keine derartige Rüge erhoben hat. Ein Verwertungsverbot - diese Wirkung knüpft das Gesetz allein an das Scheitern der Verständigung (vgl. [X.], Beschluss vom 19. August 2010 - 3 [X.] Rn. 7) - besteht daher nicht.

Auch im Übrigen weist die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler auf. Das vom Verteidiger vor dem Tatgericht vorgetragene "schlanke" Geständnis, wozu der Angeklagte erklärte, "dass er die Erklärung seines Verteidigers als seine eigene Einlassung verstanden wissen wolle" ([X.]), ist jedenfalls insoweit rechtsfehlerfrei als glaubhaft angesehen worden, als der Angeklagte die Begehung der Taten zugegeben hat. Das [X.] hat eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und sich von der Richtigkeit des Geständnisses insoweit überzeugt und dies ohne Rechtsfehler begründet. Dass der Angeklagte nicht wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt wurde, beschwert ihn genauso wenig wie die in Anbetracht der Gesamtumstände milde Gesamtfreiheitsstrafe von [X.]n. Das [X.] erwähnt zu dieser Gesamtfreiheitsstrafe in den Urteilsgründen u.a. ([X.]), dass "im Rahmen der Verständigung Einigkeit darüber bestand, dass für den Fall, dass der Angeklagte geständig ist, eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als [X.]n zu verhängen wäre" (im [X.] heißt es: "gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe zu verhängen sein wird, die [X.] nicht übersteigt"). Eine Mindeststrafe wird nicht genannt. Der [X.] neigt zu der Auffassung, dass bei Mitteilung eines möglichen Verfahrensergebnisses (§ 257c Abs. 3 Satz 2 [X.]) stets ein Strafrahmen, also [X.] und [X.] anzugeben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 [X.] Rn. 6 mwN). Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie sich hier ein (etwaiger und auch nicht gerügter) Verfahrensfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben könnte. Insbesondere hat der [X.] nicht die Besorgnis, wegen der nicht genannten [X.] könne sich die [X.] auf eine nicht zulässige "Punktstrafe" festgelegt haben (vgl. [X.]sbeschluss aaO).

Die [X.] hat im Übrigen sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe ausführlich und rechtsfehlerfrei begründet. Bedenken, die Strafzumessungserwägungen seien nicht ernst gemeint, sondern sollten lediglich die bereits feststehende Strafe begründen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 28. September 2010 - 3 [X.] Rn. 10), hat der [X.] nicht. Über die Einzelstrafen wurde sich nicht verständigt und bezüglich der Gesamtstrafe ist nach der Formulierung "nicht mehr als" nicht davon auszugehen, dass sich die [X.] auf eine nicht zulässige "Punktstrafe" (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 345/10) festgelegt hat.

Nack     

        

Rothfuß     

        

Elf     

        

Jäger     

        

[X.]     

        

Meta

1 StR 52/11

01.03.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 15. November 2010, Az: 2 KLs 955 Js 164127/10, Urteil

§ 257c Abs 2 S 3 StPO, § 257c Abs 4 S 3 StPO, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2011, Az. 1 StR 52/11 (REWIS RS 2011, 8969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8969

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