Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2012, Az. 3 StR 293/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 857

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Gegenstand

Versuch einer Brandstiftung mit Todesfolge: Begehung durch Unterlassen; Garantenstellung aufgrund Ingerenz


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2012 wird

a) die Strafverfolgung im [X.] der Urteilsgründe hinsichtlich des Angeklagten [X.] gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Raubes beschränkt,

b) das vorgenannte Urteil

aa) soweit es den Angeklagten [X.] betrifft, im Schuldspruch zu [X.] der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte insoweit wegen Raubes verurteilt ist,

bb) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten und der nicht revidierende Mitangeklagte [X.]im [X.] der Urteilsgründe verurteilt worden sind, im Ausspruch über die im [X.] der Urteilsgründe gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten [X.]verhängten Einzelstrafen sowie die jeweiligen Gesamtstrafen,

cc) im Ausspruch über den angeordneten [X.] von Strafe des Mitangeklagten [X.]  .

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten [X.]und [X.]sowie den Mitangeklagten [X.]wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall [X.] der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung - hinsichtlich der Angeklagten jeweils durch Unterlassen - (Fall [X.] der Urteilsgründe) zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Gegen den Mitangeklagten hat es außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und ausgesprochen, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.

2

Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit sachlichrechtlichen Beanstandungen, der Angeklagte [X.]zudem mit einer nicht ausgeführten Verfahrensrüge. Die Rechtsmittel haben den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Strafverfolgung im Fall [X.] der Urteilsgründe wird hinsichtlich des Angeklagten [X.] mit Zustimmung des [X.] gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Raubes beschränkt. Das zieht die aus der [X.] ersichtliche Änderung des Schuldspruchs gegen diesen Angeklagten im Fall [X.] der Urteilsgründe nach sich. In dem danach verbleibenden Umfang weist der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

4

Trotz der Änderung des Schuldspruchs hat die gegen den Angeklagten [X.]in diesem Fall verhängte [X.] von sieben Monaten Bestand; denn das [X.] hat die durch die nunmehr vorgenommene Beschränkung der Strafverfolgung weggefallene tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung bei der Bemessung der Strafe nicht zu dessen Nachteil schärfend berücksichtigt.

5

2. Die Schuldsprüche im Fall [X.] der Urteilsgründe wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, bezüglich der Angeklagten [X.]und [X.] jeweils durch Unterlassen und bezüglich des Mitangeklagten [X.]durch [X.], halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6

Der [X.] hat dazu in seinen Antragsschriften ausgeführt:

"a) Der Versuch einer Brandstiftung mit Todesfolge kommt in zwei Varianten in Betracht. Entweder ist das Grunddelikt (Brandstiftung) versucht und die Erfolgsqualifikation (Tod eines Menschen) gegeben oder aber der Täter nimmt - bei vollendetem Grunddelikt - den Tod eines Menschen zumindest in Kauf (vgl. [X.] Beschluss vom 31. August 2004 - 1 StR 347/04, [X.], 88; [X.] in [X.]/[X.] StGB 28. Aufl. § 306c [X.]. 9; [X.] in [X.]., § 306c [X.]. 11 jew. m.w.[X.]). Weder das eine noch das andere ist hier der Fall.      S.     , das Tatopfer, ist nicht verstorben ([X.]), so dass erstere Variante ausscheidet. Hinsichtlich der zweiten Möglichkeit fehlt es sowohl an der Vollendung des Grunddelikts als auch am voluntativen Element: Das Feuer hat nicht auf feste Bestandteile des Gebäudes übergegriffen, dessen teilweise oder vollständige Zerstörung ist ebenfalls nicht festgestellt ([X.]), die Angeklagten rechneten gerade nicht mit dem Tode des Geschädigten, sondern gingen davon aus, dass er die Wohnung rechtzeitig würde verlassen können ([X.] 11).

Bei Verurteilung wegen mehrerer in Tateinheit stehender Delikte führt bereits die rechtsfehlerhafte Annahme eines dieser Delikte zur Aufhebung insgesamt (vgl. [X.] 55. Aufl. § 353 [X.]. 7a m.w.[X.]). Unabhängig davon bestehen am Schuldspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe auch weitere durchgreifende rechtliche Bedenken.

b) Eine versuchte besonders schwere Brandstiftung hat die [X.] … [bei den] Angeklagten gem. § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB ([X.]rbeiführung einer Todesgefahr), beim Mitangeklagten [X.]nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB (Absicht, eine andere Straftat zu verdecken), angenommen. Beides hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt den Vorsatz zur [X.]rbeiführung einer konkreten Todesgefahr (vgl. [X.] a.a.[X.] § 306b [X.]. 9 m.w.[X.]). Das liegt nach den Feststellungen, wonach die Angeklagten zwar mit einer Rauchgasvergiftung, nicht aber mit dem Tode des Geschädigten rechneten ([X.] 11), eher fern. Dass der Geschädigte zu einem späteren Zeitpunkt, nach seinem Gespräch mit dem Nachbarn [X.].   , wieder in seine Wohnung zurückkehrte ([X.] 11 f.), hat die Kammer den Angeklagten in nachvollziehbarer Weise nicht zugerechnet ([X.] 15). Eine Begründung ihrer Annahme des Vorsatzes zur [X.]rbeiführung einer Lebensgefahr hat die Kammer nicht gegeben ([X.] 16). Die Tatalternative des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB wiederum scheidet aus, da die Kammer die [X.] nicht positiv festgestellt ('vielleicht'), sondern alternativ die Verärgerung über die geringe Tatbeute als mögliches Motiv in den Raum gestellt hat ([X.] 11). Kann die Kammer sich aber keine Überzeugung vom Vorliegen eines tatbestandsrelevanten Sachverhalts bilden, greift der Zweifelssatz.

c) Auf weitere rechtliche Bedenken stößt die Annahme einer Begehung der Brandstiftungsdelikte durch Unterlassen … [der] Angeklagten. Die [X.] ist insoweit von einer Garantenstellung aufgrund Ingerenz wegen täterschaftlicher Beteiligung an dem vorangegangenem Raub ausgegangen ([X.] 16). Dies versteht sich nicht von selbst, denn nach ständiger Rechtsprechung muss das [X.] zu einer Gefahrerhöhung im Sinne einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts führen (vgl. die Nachweise bei [X.] 59. Aufl. § 13 [X.]. 27). Das ist bei der Beteiligung an Gewaltdelikten zwar im Hinblick auf weitere Gewalteinwirkungen bis hin zur Tötung durch andere Beteiligte häufig der Fall (vgl. [X.] Beschluss vom 15. April 1997 - 4 [X.], NStZ-RR 1997, 292 m.w.[X.]), bei anders gearteten Folgetaten jedoch nicht. So begründet etwa die gemeinschaftliche Planung eines Raubes keine in diesem Sinne nahe Gefahr der Vergewaltigung des Opfers durch andere Täter (vgl. [X.] a.a.[X.]). Dementsprechend unterliegt es erheblichen Zweifeln, ob hier das [X.] (der gemeinschaftliche Raub) die nahe Gefahr gerade des tatbestandlichen Erfolgs eines [X.] herbeigeführt hat. Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht."

7

Dem schließt sich der Senat an. Dies führt zur Aufhebung der Schuldsprüche gegen die Angeklagten [X.]und [X.] sowie - gemäß § 357 StPO - auch gegen den Mitangeklagten [X.]im Fall [X.] der Urteilsgründe, zum Wegfall der entsprechenden Einzelstrafen und der jeweiligen Gesamtstrafe. Da die Strafe gegen den Mitangeklagten [X.]neu zu bestimmen ist, muss auch neu über die Dauer des [X.] eines Teils der Strafe vor der - rechtsfehlerfrei angeordneten - Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt entschieden werden (§ 67 Abs. 2 und 5 StGB).

Becker                        Pfister                           Hubert

                Mayer                         Spaniol

Meta

3 StR 293/12

29.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neubrandenburg, 1. Februar 2012, Az: 6 Ks 41/11

§ 22 StGB, § 249 StGB, § 250 StGB, § 306b Abs 2 Nr 1 StGB, § 306b Abs 2 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2012, Az. 3 StR 293/12 (REWIS RS 2012, 857)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 857

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 415/20

3 StR 130/18

3 StR 293/12

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