Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 6 AZR 634/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 1366

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Gegenstand

Inkongruente Deckung - Zahlung über Konto der Ehefrau


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2013 - 10 Sa 1096/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung des dem Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlten [X.] für März 2008 im Wege der Insolvenzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das auf Eigenantrag des Schuldners vom 13. Mai 2008 am 27. Juni 2008 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das am 20. Januar 2011 in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Der Beklagte war Arbeitnehmer des Schuldners, der im Frühjahr 2008 noch ca. 20 weitere Arbeitnehmer beschäftigte.

3

Am 20. Februar 2008 trat der Schuldner zahlreiche Forderungen erfüllungshalber an seine Ehefrau ab, die der Kläger erfolgreich angefochten hat. Am 3. März 2008 leitete der frühere Geschäftspartner des Schuldners die Zwangsvollstreckung aus einem am 8. Februar 2008 geschlossenen Schuldanerkenntnis über 820.000,00 Euro, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, ein. Zuvor hatte er mit Schreiben vom 28. Februar 2008 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegenüber einem Drittschuldner erwirkt.

4

Am 26. März 2008 wurde vom Geschäftskonto des Schuldners, das sich zu diesem [X.]punkt bereits mit mehr als 150.000,00 Euro im Soll befand, ein Betrag von 100.000,00 Euro mit dem Verwendungszweck „Löhne“ auf ein privates Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Der Schuldner war nie Inhaber dieses Kontos und hatte seit Eröffnung im [X.] zu keiner [X.] Vollmacht über dieses Konto. Am 28. März 2008 überwies die Ehefrau des Schuldners ua. das [X.] des Beklagten für März 2008 von 1.794,08 Euro. Als Verwendungszweck war „[X.]“ angegeben. Dem Beklagten wurde das [X.] am 28. März 2008 mit der Angabe „W Architekten“ gutgeschrieben.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.794,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen.

6

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Zahlung habe keine inkongruente Deckung bewirkt. Er hat die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in Abrede gestellt.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung die Klage abgewiesen. Es hat kongruente Deckung angenommen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des [X.] konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht entscheiden, ob der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt ist. Dazu bedarf es noch der Feststellung des [X.], ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

9

I. Der Kläger hat die mittelbar über das Konto der Ehefrau des Schuldners bewirkte Erfüllung des ([X.] für März 2008 und damit eine Rechtshandlung des Schuldners angefochten. [X.] ist der Beklagte. Das hat der [X.] in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 12) ausgeführt.

II. Die Begründung des [X.], der Beklagte habe das Entgelt für März 2008 auf dem erfolgten Zahlungsweg beanspruchen können, weil nur eine geringfügige, die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigende Abweichung vorliege, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie trägt dem Grundgedanken des § 131 [X.] nicht hinreichend Rechnung.

1. Die Befriedigung erfolgte nicht in der geschuldeten Art und war damit inkongruent. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der [X.] auf seine Ausführungen in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 14 bis 29). Die weiteren Argumente des Beklagten geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

a) Aus den vom Beklagten herangezogenen Ausführungen des [X.] in seinem Urteil vom 16. November 2007 (- [X.]/04 - Rn. 25, [X.]Z 174, 228) ergibt sich entgegen der Annahme des Beklagten nicht, dass eine Anfechtung nur möglich ist, wenn durch Einschalten eines Leistungsmittlers eine sonst ohne Weiteres anfechtbare Direktzahlung umgangen werden soll. Diese Ausführungen betreffen nicht das Vorliegen einer [X.], sondern die Frage, ob eine Rechtshandlung vorliegt, die sich als Leistung des Schuldners darstellt, und damit die Frage, wer [X.] ist. Dies macht der letzte Satz der herangezogenen Passage deutlich. Zudem findet sich diese Passage im Rahmen der Prüfung, ob ein konkurrierender, dem im dortigen Prozessverhältnis maßgeblichen Anfechtungstatbestand des § 134 [X.] vorgehender Anfechtungsanspruch des Streithelfers nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gegen die dortige Beklagte als [X.]in bestehe. Die [X.] ist bei beiden in Betracht kommenden [X.] nicht Tatbestandsvoraussetzung. Dementsprechend wird diese Rechtsprechung im einschlägigen Schrifttum auch allein unter dem Stichwort „Urheber der Rechtshandlung/Rechtshandlungen Dritter“ angeführt (MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 129 Rn. 34 und 35).

b) Unerheblich ist, ob sich die Ehefrau des Schuldners im Zeitpunkt der angefochtenen Handlung mit diesem „beruflich zusammengetan“ hatte, wie der Beklagte aus diversen Internetauftritten folgert. Sollte er damit vortragen wollen, der Schuldner habe mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Betrieb begründet, wäre dies für die Frage der [X.] ohne Belang. Dadurch wäre die Ehefrau nicht Arbeitgeberin des Beklagten geworden. Auch im Rahmen eines gemeinsamen Betriebs bleibt [X.] allein das Unternehmen, das den Arbeitsvertrag mit dem betroffenen Arbeitnehmer geschlossen hat. Nur diesem gegenüber stehen dem Arbeitnehmer vertragliche Entgeltansprüche zu ([X.] 21. November 2013 - 6 [X.] 159/12 - Rn. 18, [X.]E 146, 323). [X.] des Beklagten wäre deshalb der Schuldner geblieben. Dieser erfüllte aber den Entgeltanspruch für März 2008 nicht auf dem üblichen Zahlungsweg und damit nicht in der geschuldeten Weise. Dies begründet die [X.].

2. Der Beklagte konnte erkennen, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte (vgl. zu dieser Voraussetzung [X.] 21. November 2013 - 6 [X.] 159/12 - Rn. 13, [X.]E 146, 323). Die Zahlung erfolgte mit dem Zusatz „[X.]“. Der Beklagte trägt zudem ausdrücklich vor, er habe davon ausgehen dürfen, das Gehalt seitens seines Arbeitgebers überwiesen bekommen zu haben.

III. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

1. Der Beklagte erlangte die inkongruente Deckung Ende März 2008 und damit im zweiten Monat vor dem am 13. Mai 2008 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag. Auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 [X.] liegt vor. Das ergibt sich aus den Ausführungen des [X.]s in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 32 bis 39).

2. Der Rückforderungsanspruch ist nicht verwirkt. Insoweit wird auf die Ausführungen des [X.]s im Urteil vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 52 f.) verwiesen.

IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das [X.] hat keine Feststellungen zu der für § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erforderlichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners iSv. § 17 Abs. 2 [X.] im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung getroffen. Dies wird es unter Beachtung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.] 6. Oktober 2011 - 6 [X.] 262/10 - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 235; [X.] 7. November 2013 - [X.] - Rn. 11; 18. Juli 2013 - [X.] - Rn. 7 ff.) nachzuholen haben und dabei auch darüber befinden müssen, ob es das vom Kläger eingereichte Schiedsgutachten vom 3. August 2010 verwertet. Sollte es die Zahlungsunfähigkeit bejahen, wird es bei seiner Entscheidung über die Zinsen zu beachten haben, dass der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegensteht. Das bloße Ausschöpfen der Verjährungsfrist begründet keinen Rechtsmissbrauch (vgl. [X.] 27. November 2008 - 6 [X.] 632/08 - Rn. 29, [X.]E 128, 317). Es wird weiter berücksichtigen müssen, dass der [X.] ab Insolvenzeröffnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Nach der geltenden Rechtslage entsteht das Anfechtungsrecht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zugleich der [X.] fällig, weil die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (vgl. [X.] 1. Februar 2007 - [X.]/04 - Rn. 20, [X.]Z 171, 38). Der Zinslauf des [X.] (§ 143 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1Satz 2 BGB) beginnt darum am Tag nach der Insolvenzeröffnung (st. Rspr. seit [X.] 27. Februar 2014 - 6 [X.] 367/13 - Rn. 39 f.).

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Steinbrück    

                 

Meta

6 AZR 634/13

13.11.2014

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 24. Juli 2012, Az: 12 Ca 62/12, Urteil

§ 131 Abs 1 Nr 2 InsO, § 142 InsO, § 129 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 6 AZR 634/13 (REWIS RS 2014, 1366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1366

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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