Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2018, Az. III ZR 187/17

III. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 7351

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[X.]:[X.]:BGH:2018:210618UIIIZR187.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 187/17

Verkündet am:

21. Juni 2018

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja

[X.] Art. 23 Satz 1; [X.] §§ 198 ff; [X.] Art. 35 Abs. 1

Zur Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] in so genannten "Rüge-Mischfällen", wenn der [X.] bei ei-nem Altfall neben der Rüge überlanger Verfahrensdauer davon unabhängige weitere [X.] (hier: Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend macht (Bestätigung und Fortführung des [X.] vom 11.
Juli 2013 -
III ZR 361/12, NJW 2014, 218).

BGH, Urteil vom 21. Juni 2018 -
III ZR 187/17 -
[X.] Berlin
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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Juni 2018 durch [X.] [X.], die Richter Dr. Remmert
und Reiter
sowie die Richterinnen [X.] und Dr. Böttcher

für
Recht erkannt:

Die Revision des [X.]
gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 9. Mai 2017
wird zurückgewiesen.

Der Kläger
hat
die Kosten des Revisionsrechtszugs
zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Sorgerechtsverfahrens in Anspruch.

Der Kläger und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau stritten
in der [X.] von November 2003 bis September 2009 vor dem Familiengericht und dem [X.] um das Sorgerecht für ihre im Jahr 2002 geborene, seit der Trennung Ende 2003 bei der Kindesmutter lebende gemeinsame
Tochter. Die Ehe wurde am 7. Juni 2006 rechtskräftig geschieden.

Die Kindesmutter begehrte mit Antrag vom 25. November 2003 die Über-tragung der alleinigen Sorge mit der Begründung, der Kläger habe die Tochter 1
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sexuell missbraucht. Das Familiengericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 11. Juni 2006 statt, wobei der Missbrauchsvorwurf ungeklärt blieb.

Auf die im
Juli 2006 eingelegte Beschwerde des [X.]
führte das [X.]
am 23. Januar 2007 einen Anhörungstermin durch und gab
in der Folgezeit
ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Erziehungsfähig-keit der Kindeseltern in Auftrag.

Im März 2008 verurteilte das Amtsgericht
die Kindesmutter, nachdem sie gestanden hatte, die Missbrauchsvorwürfe gegen den Kläger nur erfunden zu haben, wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe.

Im Oktober 2008 wurde das vom [X.] beauftragte Gutachten
vorgelegt. Mit Beschluss vom 24. September 2009
wies das Gericht die Be-schwerde des [X.] zurück, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die
Gehörsrüge des [X.]
wurde mit Beschluss vom 28. Oktober 2009 zurück-gewiesen.
Daraufhin erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundes-verfassungsgericht, welches mit
Beschluss vom 2. November 2010
diese nicht zur Entscheidung annahm.
Die Entscheidung ging den Verfahrensbevollmäch-tigten
des [X.]
am 8. November 2010 zu.

Am 6. Mai 2011 legte der Kläger Individualbeschwerde zum [X.] ([X.]) ein
und rügte unter anderem die überlange Dauer des Sorgerechtsverfahrens.

Die vorliegende [X.], die dem Beklagten am 1. August
2012 zugestellt wurde, hat der Kläger am 23.
Mai 2012 beim [X.]
eingereicht.
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Er hat geltend gemacht, dass das Sorgerechtsverfahren um vier Jahre verzögert sei.
Durch unsachgemäße richterliche Verfahrensgestaltung und wei-tere unangemessene Verzögerungen seitens der Gerichte habe er
einen imma-teriellen Nachteil erlitten. Angesichts der Eilbedürftigkeit
eines [X.] und der schon langen Verfahrensdauer
seien die Bemühungen der Ge-richte zur Aufklärung des [X.] und zur Verfahrensbeschleuni-gung nicht ausreichend gewesen. Die lange Verfahrensdauer sei mitursächlich für die schließlich getroffene Sorgerechtsentscheidung.

Das [X.] hat die auf Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer sowie Zahlung einer angemessenen Entschädigung
gerichtete
Klage mit Urteil vom 26. April 2013 abgewiesen.
Auf die Verfassungsbesch[X.] des [X.] hat
der Verfassungsgerichtshof des [X.] das Urteil mit Beschluss vom 16. Januar
2015 aufgehoben
(veröffentlicht in BeckRS 2015, 42938). Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hat das [X.] die Klage erneut abgewiesen. Die dagegen gerichtete abermalige Verfassungsbeschwerde des [X.]
zum [X.] Verfassungsgerichtshof
hat mit der Rüge einer Verletzung des Justizgewährungsanspruchs Erfolg gehabt und zur Aufhebung des [X.] Urteils durch Beschluss
vom 9. November 2016
geführt (veröf-fentlicht in BeckRS 2016, 54454).
Das [X.] hat den Beklagten da-raufhin
nach Zurückverweisung der Sache

und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit seiner vom [X.]
zugelassenen Revision verfolgt der Klä-ger seinen
erstinstanzlichen Zahlungsantrag
weiter, soweit die Klage abgewie-sen worden ist, und erstrebt einen Entschädigungsbetrag von insgesamt min-

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Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Das [X.]
hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:

Hinsichtlich des sorgerechtlichen Verfahrens sei die Klage teilweise [X.]. Dem Kläger stehe unter Berücksichtigung einer unangemessenen Ver-fahrensverzögerung von zwölf Monaten eine Entschädigung in Höhe von 1.200 bs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 [X.] zu. Nach dem vom Verfas-sungsgerichtshof des [X.] bejahten
erhöhten Beschleunigungsmaß-stab in [X.], deren Verfahrensdauer bereits erheblich sei, sei es im Beschwerdeverfahren in vier Abschnitten zu insgesamt zwölf Monaten un-angemessener Verfahrensverzögerung gekommen (verspäteter Anhörungster-min am 23. Januar 2007, verzögerte Aktenübersendung an die Gutachterin im Februar 2008 und verzögerte Gutachtenerstellung im Oktober 2008, unange-messen
langer [X.]raum von der Vorlage des Gutachtens bis zum Erlass des Beschlusses
vom 24. September
2009).
Für diesen [X.]raum sei eine Entschä-digung für den erlittenen immateriellen Nachteil in Höhe von §
198 Abs. 2 Satz 3 [X.] anzusetzen.

Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Das erstinstanzliche Sorgerechts-verfahren weise keine unangemessene Verfahrensverzögerung auf. Dies gelte auch, soweit das Familiengericht im Dezember 2003 einen [X.] beauftragt habe, da diese Verfahrensweise aus der maßgeblichen [X.] 12
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des zuständigen Richters der Aufklärung des Sachverhalts gedient habe. Es sei auch nicht unbillig, den vom Kläger erlittenen immateriellen Nachteil nicht ge-mäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] höher als mit dem Regelsatz festzusetzen. Der [X.] könne insbesondere nicht feststellen, dass die im Beschwerdeverfahren eingetretene Verzögerung für die Sorgerechtsentscheidung entscheidungser-hebliche Fakten geschaffen habe.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Der Kläger kann keine (weitere)
Entschädigung wegen der Dauer des [X.] verlangen. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsver-fahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.])
vom 24. November 2011 ([X.] I S. 2302)
gelten die verfahrensrechtlichen und materiell-recht-lichen Regelungen der §§ 198 bis 201 [X.] für bereits
abgeschlossene Verfah-ren ("Altfälle") nur dann, wenn deren Dauer bei Inkrafttreten des [X.] von anhängigen Beschwerden beim [X.]
([X.]) ist oder noch werden kann.
Die bloße (formale) Erhe-bung einer Beschwerde vor Inkrafttreten der Entschädigungsregelung reicht nicht aus. Vielmehr muss sie
innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] ein-gelegt worden sein ([X.]surteil vom 11. Juli 2013 -
III ZR
361/12, NJW 2014, 218 Rn. 14). Daran fehlt es hier.

1.
Das vom
Kläger als unangemessen lang angesehene Sorgerechtsver-fahren
wurde durch die
Beschlüsse
des [X.] vom 24. September
2009
und 28. Oktober 2009, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge 16
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des [X.] zurückgewiesen wurden,
beendet
und war
damit bei Inkrafttreten des [X.] am 3. Dezember 2011
(gemäß Art. 24 [X.])
bereits abgeschlos-sen.

2.
Zur Begründetheit eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 [X.] in Verbindung mit Art. 23 Satz 1 [X.] gehört, dass die [X.] des Art. 35 Abs. 1 [X.] gewahrt ist ([X.]surteil vom 11. Juli 2013 aaO).

Auch wenn der Wortlaut der Übergangsbestimmung des Art. 23 [X.] eine solche Einschränkung nicht enthält, folgt sie klar aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung und dem zugrunde liegenden gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass nur bei solchen abgeschlossenen überlangen Verfahren eine Entschädigung nach Maßgabe der §§
198 ff [X.] in Betracht kommen soll, bei denen -
bezogen auf den [X.]punkt des Inkrafttretens des
Gesetzes
-
eine nach Art.
35 Abs.
1 [X.] zulässige Beschwerde beim [X.] bereits erhoben wurde oder noch erhoben werden kann. Denn mit der Übergangsregelung sollen weitere Verurteilungen der [X.] verhindert und der Gerichtshof entlastet werden (BT-Drucks. 17/3802, S.
31 zu Art. 22 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung = Art. 23 [X.]). Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, wenn es möglich wäre, allein durch die Einlegung einer verfristeten Individualbeschwerde den Weg für eine innerstaat-liche Entschädigung wegen unangemessener Dauer bei längst abgeschlosse-nen Verfahren zu eröffnen ([X.]surteil vom 11. Juli 2013 aaO Rn. 15). [X.] wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Ausgangsverfahrens nicht länger als sechs Monate zurückliegen dürfe, da die Beschwerdefrist des Art. 35 Abs. 1 [X.] sechs [X.] betrage (BT-Drucks. 17/3802 aaO). Es sollen mithin diejenigen Altverfah-ren aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen, bei denen eine 19
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Verurteilung der [X.] auch nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage durch den [X.] ausgeschlossen war, weil die Frist des Art.
35 Abs.
1 [X.] nicht eingehalten war
([X.]surteil vom 11. Juli 2013 aaO).

3.
Nach Art. 35 Abs. 1 [X.] kann sich der [X.] mit einer Beschwerde
erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe und nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entschei-dung befassen.

Die Frist beginnt mit Zustellung der oder Kenntnisnahmemöglichkeit
von der die Rechtswegerschöpfung begründenden letztinstanzlichen Entscheidung ([X.], NVwZ 1999, 1325 Rn. 30). Auch außerordentliche oder verfassungs-rechtliche Rechtsbehelfe hat der Beschwerdeführer grundsätzlich einzulegen; allerdings muss er nur die Rechtsbehelfe ausschöpfen, die sich auf die gerüg-ten Rechtsverstöße beziehen und zugleich verfügbar, angemessen und wirk-sam sind ([X.]surteil
vom 11. Juli 2013 aaO Rn. 11; s. auch
[X.], NVwZ 2013, 47 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des [X.] (grundlegend Urteile
vom 8. Juni 2006,
Beschwerde Nr. 75529/01,
NJW 2006, 2389 [X.]/
[X.], Rn. 105 ff
und vom 11. Januar 2007, Beschwerde Nr. 20027/02, [X.], [X.]/[X.], Rn. 63 ff)
genügt die Verfassungsbe-schwerde nicht den Anforderungen
von Art. 13 [X.]
an einen effektiven (wirk-samen) Rechtsbehelf, wenn die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfah-rens geltend gemacht wird. Denn im Wege der Verfassungsbeschwerde kann weder das Verfahren beschleunigt
noch angemessene Wiedergutmachung [X.] werden. Ein Beschwerdeführer, der die überlange Dauer eines Gerichts-verfahrens rügen möchte,
ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des [X.] dieserhalb eine Verfassungsbeschwerde beim [X.] einzulegen ([X.]surteil vom 13. März 2014 -
III ZR 91/13, NJW 2014, 21
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1816 Rn. 20;
[X.]sbeschluss vom 18. Dezember 2013 -
III ZR 1/13, juris;

s. auch [X.], NJW 2006, 2389
Rn. 108
und [X.], 289 Rn. 68).

Weil
dem Kläger nach Beendigung des Sorgerechtsverfahrens dement-sprechend kein tauglicher
(nationaler)
Rechtsbehelf gegen die Dauer des Ver-fahrens zur Verfügung
stand, ist für die Berechnung der Frist des Art. 35 Abs. 1 [X.] allein auf den Abschluss des instanzgerichtlichen Verfahrens bereits im Jahr 2009
abzustellen.
Die vom Kläger am 6. Mai 2011 eingelegte und auf die Dauer des Sorgerechtsverfahrens gerichtete Individualbeschwerde war somit offensichtlich verfristet und hatte auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Entschädigungsrechts keine Aussicht auf Erfolg.
Auf die Bekanntgabe des Beschlusses des [X.] vom 2. November 2010, durch den die Verfassungsbeschwerde des [X.] nicht zur Entscheidung an-genommen wurde, kommt es -
wie dargelegt -
nicht an.

4.
An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn der
Entschädi-gungskläger
bei einem Altfall (Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]) neben der [X.] überlanger Verfahrensdauer davon unabhängige (weitere) Grundrechtsver-stöße (hier: Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 103 Abs. 1 GG)
geltend macht. Da hin-sichtlich letzterer die Verfassungsbeschwerde einen wirksamen Rechtsbehelf darstellt, kommt es zu einer getrennten konventionsrechtlichen Behandlung der [X.]. Für diese Verfahrensweise sprechen zudem die Rechtsklarheit und ins-besondere auch die Gleichbehandlung der Beschwerdeführer
im Hinblick auf die [X.]. Dies bedeutet, dass
die Beschwerde bezüglich der [X.] innerhalb der [X.] des Art. 35 Abs. 1 [X.] nach [X.] des instanzgerichtlichen
Verfahrens einzureichen ist, während
der [X.] wegen
der sonstigen [X.]
erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem [X.] angerufen werden
kann ([X.]sbeschluss vom 23
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18. Dezember 2013 -
III ZR 1/13, juris unter Hinweis auf [X.], Urteil
vom 20.
Januar 2011, [X.]. 21980/06, 26944/07, 36948/08, juris Rn.
73-77;
s. auch
OLG Frankfurt am Main,
NJW 2013, 2207, 2208; [X.] in [X.]/[X.], [X.],
Art. 35 Rn. 57).
Soweit die Auffassung vertreten wird, dass in "Rüge-Mischfällen"
die Verfassungsbeschwerde
ausnahmsweise dann in die Berechnung der Frist nach Art. 35 Abs. 1 [X.] einzubeziehen sei, wenn zuvor der Instanzenzug voll ausgeschöpft worden sei
(z.B. [X.] in den vom [X.] aufgehobenen Urteilen vom 26. April 2013 und 19. Mai 2015 in der vorliegenden Sache
sowie in [X.], 1503 Rn. 9) folgt dem der [X.] aus den vorgenannten Gründen nicht.

5.
Die Notwendigkeit der Einhaltung der [X.] entfällt auch nicht mit Blick auf Art. 23 Satz 6 [X.]. Danach muss die Klage zur Durchset-zung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 [X.] spätestens am 3. Juni 2012 er-hoben werden.
Bei dieser Vorschrift
handelt es sich nicht um eine gegenüber Art. 23 Satz 1 [X.] vorrangige Spezialregelung. Der im Laufe des [X.] hinzugefügte Satz 6 enthält nur eine Ergänzung für abge-schlossene Verfahren, deren Dauer bei Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim [X.] ist oder noch werden kann (BT-Drucks. 17/7217,
S. 30). Der Sinn und Zweck der nachträglich angeordneten Klagefrist besteht darin, sicherzustellen, dass bei abgeschlossenen Verfahren, die nach Art. 23 Satz 1 [X.] dem An-wendungsbereich des Gesetzes unterfallen, für Betroffene ebenso wie im
Fall des § 198 Abs. 5 Satz 2 [X.] eine einheitliche Überlegungsfrist von sechs [X.]n gilt, in der sie über die Erhebung einer [X.] entscheiden können (BT-Drucks. 17/7217,
S. 30 f). Keineswegs sollten damit die Vorausset-zungen für die Erhebung einer Beschwerde vor dem [X.] -
insbesondere die Wahrung der [X.] des Art. 35 Abs. 1 [X.] -
als entbehrlich 25
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angesehen werden ([X.]surteil vom 11. Juli 2013 -
III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 16; [X.]sbeschluss vom 27. Februar 2014 -
III
ZR 253/13, BeckRS 2014, 05766 Rn. 2).

6.
Die vom [X.] vorgenommene Auslegung des Art. 23 [X.] wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der [X.] dem Kläger mit Schreiben vom 19.
Juli 2012 mitgeteilt hat, seine Beschwerde
sei wegen Nichterschöpfung des (neuen) innerstaatlichen Rechtsbehelfs
(§§ 198 ff [X.]) für unzulässig erklärt worden,
und er könne, sobald der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft sei, eine neue Beschwerde beim Gerichtshof einlegen. Für die Auslegung des Art. 23 [X.] lässt sich daraus nichts herleiten. Es handelt sich um ein standardisier-tes Schreiben, das keinen Rückschluss darauf zulässt, dass der [X.] die An-spruchsvoraussetzungen der neuen Entschädigungsregelung und insbesondere die Frage, wie Art. 23 [X.] zu verstehen ist, einer eingehenden Prüfung un-terzogen hat ([X.]surteil vom 11. Juli 2013 aaO Rn. 10 f).
Dies gilt erst recht für das Informationsschreiben des [X.] vom 6. Januar 2012, in dem der Klä-ger auf die Übergangsvorschrift des Art. 23 [X.] aufmerksam gemacht [X.], ohne dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit deren Voraussetzungen stattfand.

7.
Nach alledem vermag der [X.] die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Auffassung der Revision nicht zu teilen, der Kläger [X.] bei Versagung einer (weiteren) Entschädigung unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zum "Objekt des Verfahrens"
[X.].
Ebenso wenig besteht Anlass, im Hinblick auf
die (informellen) Schrei-ben des [X.] vom 6. Januar 2012
und 19. Juli 2012 einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 8 ZPO anzunehmen.

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-

III.

Weitere Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachte Entschädigung sind nicht ersichtlich. Ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1
BGB, Art. 34 Satz 1 GG kann
im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht geltend gemacht werden, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand han-deln würde, für den erstinstanzlich das [X.] ausschließlich zuständig wäre (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 [X.]; [X.]sbeschluss vom 27. Februar 2014 aaO Rn.
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mwN).

[X.]
Remmert

Reiter

Arend
Böttcher
Vorinstanz:
[X.] Berlin, Entscheidung vom 09.05.2017 -
7 [X.] 3/12 .EntV -

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Meta

III ZR 187/17

21.06.2018

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2018, Az. III ZR 187/17 (REWIS RS 2018, 7351)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7351

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III ZR 187/17

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