Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2012, Az. I ZR 57/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6575

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Gegenstand

Anhörungsrüge: Voraussetzungen für Täterschaft bzw. Teilnahme des Betreibers eines Online-Marktplatzes bei einer Markenverletzung durch Benutzer der Online-Plattform


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 17. August 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

1

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge der Klägerin ist nicht begründet. Der [X.] hat das gesamte Vorbringen der Revision zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, auch wenn er in seinem Urteil vom 17. August 2011 nicht zu sämtlichen Punkten ausdrücklich Stellung genommen hat. Der [X.] hat zudem in der mündlichen [X.] die für die Entscheidung relevanten Umstände ausführlich mit den Parteien erörtert, insbesondere auch die Frage, ob im Streitfall von Erstbegehungsgefahr oder Wiederholungsgefahr ausgegangen werden kann.

2

I. Zu Unrecht rügt die Klägerin, der [X.] habe sich nicht mit ihrem Vorbringen dazu befasst, dass die [X.] auch als Gehilfe und als Täter hafte. Der [X.] hat dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, jedoch auf eine nähere Begründung dafür verzichtet, dass eine Haftung der [X.]n als Täterin oder Teilnehmerin nicht in Betracht kommt. Eine solche Begründung war im Streitfall im Hinblick auf die gefestigte [X.]srechtsprechung nicht erforderlich.

3

1. In der [X.]srechtsprechung ist geklärt, dass bei den handlungsbezogenen Verletzungstatbeständen, wie sie etwa das Markenrecht und das Urheberrecht auszeichnen, als Täter einer Schutzrechtsverletzung nur derjenige haftet, der die Merkmale eines dieser Verletzungstatbestände selbst, in mittelbarer Täterschaft oder in Mittäterschaft erfüllt (vgl. zum Urheberrecht [X.], Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens; Urteil vom 22. Juni 2011 - [X.], [X.], 1018 Rn. 18 = [X.], 1469 - Automobil-Onlinebörse; zum Kennzeichenrecht inzwischen auch [X.], Urteil vom 9. November 2011 - [X.], [X.], 304 Rn. 44 = [X.], 330 - [X.] Haar-Kosmetik). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kommt - wie der [X.] in den zitierten Entscheidungen ausgeführt hat - auch eine täterschaftliche Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, [X.]Z 173, 188 Rn. 22 - Jugendgefährdende Medien bei [X.]) nicht in Betracht.

4

2. Die Frage, ob derjenige, der als sogenannter Host-Provider [X.] eine Plattform zur Verfügung stellt, auf der sie in eigener Verantwortung Waren versteigern können, als Täter oder Teilnehmer einer Markenverletzung in Betracht kommt, wenn einer der Benutzer der Plattform dort Waren unter einer fremden Marke anbietet, war bereits Gegenstand mehrerer [X.]sentscheidungen. Danach scheidet in derartigen Fällen eine täterschaftliche Haftung des [X.] aus, weil er die gefälschte Ware weder anbietet noch in Verkehr bringt und die fremde Marke auch nicht in der Werbung benutzt (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, [X.]Z 156, 236, 250 - [X.]; Urteil vom 19. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 119 Rn. 28 - [X.]I; Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, [X.], 152 Rn. 31 = [X.], 223 - Kinderhochstühle im [X.]). Der Umstand, dass der Host-Provider, der eine Plattform für Fremdversteigerungen eröffnet, damit einen Beitrag zu Markenverletzungen leistet, die die Benutzer der Plattform dort begehen, indem sie gefälschte Produkte anbieten, reicht danach für eine täterschaftliche Haftung des [X.] nicht aus.

5

Die Haftung der [X.]n als Gehilfin kam im Streitfall - auch dies ist in der [X.]srechtsprechung geklärt - schon deswegen nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zum insoweit erforderlichen Gehilfenvorsatz getroffen hatte. Für die subjektive Tatseite einer Teilnahme wäre eine hinreichende Kenntnis der [X.]n von den hier konkret als rechtsverletzend beanstandeten Angeboten auf ihrer Handelsplattform erforderlich gewesen ([X.]Z 158, 236, 250 - [X.]; [X.]Z 172, 119 Rn. 31 - [X.]I; [X.], [X.], 152 Rn. 30 - Kinderhochstühle im [X.]). Die Revision hat nicht geltend gemacht, dass entsprechender Vortrag der Klägerin vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen worden wäre.

6

3. Der [X.] hat ferner die durch das Urteil des [X.]s der [X.] vom 12. Juli 2011 ([X.]/09, [X.], 1025 - [X.]/[X.]) aufgestellten Grundsätze berücksichtigt (Rn. 22 bis 26) und auch in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Klägerin zur aktiven Rolle der [X.]n als Verkaufsunterstützer für die eigenen Kunden zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Zu Unrecht meint die Anhörungsrüge, der [X.] hätte aufgrund dieses Vortrags nach den Grundsätzen des [X.]s an vorrangiger Stelle die Täterhaftung prüfen müssen. Der [X.] hat in seiner Entscheidung vom 12. Juli 2011 keine Aussage zu den in Betracht kommenden Haftungskategorien der Täterschaft und der Teilnahme sowie der Störerhaftung getroffen. Zudem hat der [X.] es für die Bejahung der Verantwortlichkeit des Betreibers eines [X.] an der von der Anhörungsrüge zitierten Stelle ([X.], [X.], 1025 Rn. 118 - [X.]/[X.]) nicht genügen lassen, dass der Betreiber allgemein eine aktive Rolle im Sinne der von der Revision geltend gemachten Umstände spielt. Notwendig ist vielmehr eine aktive Rolle gerade im Hinblick auf die konkret beanstandeten Angebote ([X.], [X.], 1025 Rn. 116 - [X.]/[X.]). Die Klägerin hat aber eine solche auf die konkret beanstandeten Angebote bezogene aktive Rolle nicht vorgetragen (so ausdrücklich Schriftsatz vom 27. September 2007 S. 5 = GA 84).

7

II. Die Klägerin macht weiter ohne Erfolg geltend, der [X.] habe, soweit er die Abweisung des Auskunftsanspruchs durch das Berufungsgericht bestätigt habe, das Vorbringen der Klägerin in der Revisionsbegründung nicht ausgeschöpft.

8

Soweit die Anhörungsrüge den von der Revision zur Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 [X.] in der Neufassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (nachfolgend: nF) gehaltenen Vortrag wiederholt, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens. Der [X.] hat ausgeführt, dass ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 [X.] eine bereits begangene Rechtsverletzung voraussetzt, an der es im Streitfall fehlt (Rn. 47).

9

Der [X.] hat weiter bei seiner Beurteilung auch das Vorbringen der Klägerin zur Anwendung des § 19 Abs. 2 [X.] nF in der Beschwerdebegründung vollständig zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Der [X.] hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Revision nicht geltend gemacht habe, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Anspruch aus § 19 Abs. 2 [X.] verneint habe (Rn. 47). Das Berufungsgericht hatte insoweit den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über die bei der [X.]n hinterlegten Namen und Anschriften der Verkäufer mit den Ebay-Namen "[X.]" und "[X.]" mit der Begründung verneint, ein solcher Anspruch lasse sich nicht aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung von § 19 [X.] aF begründen. Es fehle insoweit an einer für diese Form der Auslegung erforderlichen Eindeutigkeit des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/[X.] zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie). Die Klägerin hat mit ihrer Revision die ausführliche Begründung des Berufungsgerichts zur fehlenden Eindeutigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen nicht substantiiert angegriffen. Eine direkte Anwendung des mit Wirkung zum 1. September 2008 und damit erst nach den mit der Klage beanstandeten rechtsverletzenden Angeboten in [X.] getretenen Bestimmung des § 19 Abs. 2 [X.] nF kam - wovon ersichtlich auch die Instanzgerichte ausgegangen sind - nicht in Betracht. Diese Vorschrift setzt nach ihrem klaren Wortlaut ebenfalls eine bereits begangene Rechtsverletzung voraus (vgl. auch Büscher in Büscher, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 19 [X.] Rn. 4, 10). Auf die weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung, in denen sie sich mit der Anwendbarkeit der [X.]sentscheidung "Schweißmodulgenerator" (Urteil vom 13. Dezember 2007 - [X.], [X.], 727 Rn. 11 = [X.], 1085) auseinandergesetzt hatte, kam es nicht an. Im Übrigen hat es die Revision selbst dahinstehen lassen, ob die zusätzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 [X.] (nF) im Streitfall vorliegen (Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, auf die die Revision verweist, unter [X.] 2).

III. Zu Unrecht meint die Anhörungsrüge ferner, das [X.]surteil stelle sich als gehörsverletzende Überraschungsentscheidung dar, soweit der [X.] sowohl eine Erstbegehungsgefahr als auch eine Wiederholungsgefahr verneint habe.

Schon die Beschwerdeerwiderung hatte eine Erstbegehungsgefahr in Abrede gestellt (Schriftsatz vom 22. Januar 2010, [X.]). Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dennoch zu diesem Gesichtspunkt weder im Schriftsatz vom 9. März 2010 noch in der Revisionsbegründung vom 24. Juni 2010 Vortrag gehalten. Die Zweifel am Vorliegen einer Erstbegehungs- und einer Wiederholungsgefahr waren sodann Gegenstand der ausführlichen Einführung des [X.]svorsitzenden in den Sach- und Streitstand in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]. Diese Fragen waren dementsprechend ein Schwerpunkt der Plädoyers sowohl der [X.] der Parteien in der Revisionsinstanz als auch der Beiträge der Rechtsanwälte aus den Vorinstanzen, denen jeweils vor allem zu diesen Gesichtspunkten das Wort erteilt worden war. Aus Anlass dieser Hinweise und Erörterungen hat der vorinstanzliche [X.] der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es nach den Beanstandungen vom April 2007 zu einem Angebot unter Verletzung der Dachmarke "[X.]" in Alleinstellung gekommen sei. Der [X.] hat sich mit diesem - bestrittenen - Vorbringen auch ausdrücklich in seiner Entscheidung befasst (Rn. 41). Dass der erstinstanzliche [X.] der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] Gelegenheit zum weiteren Vortag zur Begehungsgefahr erhalten hatte, ergibt sich auch ausdrücklich aus dem Vorbringen in der Anhörungsrüge (S. 8 Nr. 3 Buchst. b: "über den entsprechenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung hinaus"). Aufgrund der [X.] konnte für die Beteiligten kein Zweifel daran bestehen, dass der [X.] die Begründung des Berufungsgerichts für die Klageabweisung zwar für bedenklich hielt, dass der Revision aber - vorbehaltlich der noch ausstehenden [X.]sberatung - im Hinblick auf das Fehlen der Erstbegehungsgefahr gleichwohl der Erfolg versagt bleiben müsse.

IV. Die Anhörungsrüge macht schließlich geltend, der [X.] habe den Anspruch der Klägerin auf [X.] im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen fehlender Prüfung einer Vorlage zum [X.] der [X.] verletzt. Nach Meinung der Anhörungsrüge hätte der [X.] nicht ohne eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV an der Störerhaftung als alleiniger Haftungsgrundlage im [X.] festhalten dürfen. Er hätte zumindest die Frage vorlegen müssen, ob sich die bisherige Rechtsprechung des [X.] zur Störerhaftung tatsächlich in die Vorgaben des [X.]-Urteils vom 12. Juli 2011 einfüge.

Auch diese Rüge hat keinen Erfolg. Der [X.] hat sich ausführlich mit den Grundsätzen des Urteils des [X.]s vom 12. Juli 2011 auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Grundsätze im Einklang mit der bisherigen [X.]srechtsprechung zur Verantwortlichkeit des Betreibers einer [X.]-Handelsplattform steht (Rn. 22-26). Der [X.] hat eine Vorlage an den [X.] in Erwägung gezogen, ist aber in seiner Entscheidung ersichtlich davon ausgegangen, dass die richtige Anwendung des Unionsrechts jedenfalls durch das Urteil des [X.]s vom 12. Juli 2011 geklärt und die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Anhörungsrüge angesprochenen Gesichtspunkte der Verkaufsunterstützung und eigenen Markenbenutzung durch die [X.] (vgl. zu den insoweit maßgebenden Anforderungen [X.] aaO Rn. 116). Der [X.] hat ausdrücklich festgestellt, dass es nunmehr Sache der nationalen Gerichte ist zu prüfen, ob der Betreiber des [X.] in Bezug auf die fraglichen Verkaufsangebote eine vom [X.] als haftungsbegründend herausgearbeitete "aktive Rolle" übernommen hat ([X.] aaO Rn. 117).

Bornkamm                           Pokrant                             Büscher

                        Koch                             [X.]

Meta

I ZR 57/09

10.05.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 17. August 2011, Az: I ZR 57/09, Urteil

§ 14 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG, § 321a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2012, Az. I ZR 57/09 (REWIS RS 2012, 6575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6575


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 57/09

Bundesgerichtshof, I ZR 57/09, 10.05.2012.

Bundesgerichtshof, I ZR 57/09, 17.08.2011.


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