Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.09.2011, Az. 26 W (pat) 19/11

26. Senat | REWIS RS 2011, 3572

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Grönwohlder (Wort-Bild-Marke)" – geographische Herkunftsangabe – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 027 786.9

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 7. September 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 11. August 2009 und 7. Februar 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 32 des [X.] die zur Eintragung für die Waren und Dienstleistungen

2

„Klasse 25:  Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen

3

Klasse 32:  Biere, [X.] und Fruchtsäfte,

4

Klasse 33:  alkoholische Getränke (ausgenommen Biere),

5

Klasse 41:  Veranstaltung von [X.]“

6

angemeldete Wort-/Bildmarke 30 2009 027 786.9

Abbildung

7

mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich bei dem Markenwort um eine waren- und dienstleistungsbeschreibende, freihaltebedürftige Angabe handele, welcher zusätzlich jegliche Unterscheidungskraft fehle, §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]. Als für den Verkehr ohne Weiteres erkennbarer geographischer Herkunftshinweis auf die im [X.] in Norddeutschland gelegene Gemeinde [X.] müsse das angemeldete Zeichen auch Wettbewerbern des Anmelders zur freien Benutzung verfügbar bleiben. Der knapp 1.350 Einwohner zählende Ort liege jeweils etwa 40 – 45 km von den Städten [X.] und [X.] entfernt in einer Nähe von ca. 10 km zur [X.] Dem [X.] Fernsehpublikum sei er als Drehort der seit fast 10 Jahren bundesweit ausgestrahlten Fernsehserie „[X.]“ bekannt. Dass sich dort Produktionsstätten für die beanspruchten Waren ansiedelten und [X.] veranstaltet würden, liege nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit; denn zur Erbringung dieser Dienstleistung und zur Produktion von Bekleidungsstücken, Kopfbedeckungen, Bieren und anderen alkoholischen Getränken, [X.]n und Fruchtsäften sei keine Infrastruktur erforderlich, die über diejenige eines Wohngebietes wie [X.] hinausgehe. Auch seine graphische Gestaltung verhelfe dem angemeldeten Zeichen nicht zur Schutzfähigkeit.

8

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, dass der angesprochene [X.] der Biertrinker „[X.]er“ als Phantasiewort auffassen werde, weil ihm die Gemeinde [X.] ob ihrer geringen Größe unbekannt sei. Unterscheidungskraft verleihe dem Zeichen zumindest seine graphische Gestaltung. Da [X.] kein Gewerbegebiet besitze und die Ausweisung eines solchen auch nicht vorgesehen sei, stehe nicht zu erwarten, dass Mitbewerber des Anmelders das Zeichen künftig ebenfalls für ihre Zwecke benötigen könnten. Bislang seien in der Gemeinde weder Bier gebraut noch die zur Biererzeugung notwendigen Grundstoffe wie Hopfen angebaut worden. Der Anmelder verweist auf die Entscheidung [X.] PAVIS PROMA 33 W (pat) 155/99 – SONTRA.

9

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 11. August 2009 und 7. Februar 2011 aufzuheben.

Ergänzend wird auf die Akte des [X.]  Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Angesichts der Größe, Struktur und Bedeutung der Ortschaft [X.] handelt es sich bei „[X.]er“ um eine nicht i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] freihaltebedürftige geographische Herkunftsangabe. Insoweit ist es wegen der Eigenschaften des bezeichneten Ortes unwahrscheinlich, dass die beteiligten [X.]e annehmen könnten, die beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen stammten von diesem Ort. Einer Eintragung des zu betrachtenden Gesamtzeichens steht auch nicht das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind von der Eintragung ausgeschlossen Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Erbringung sonstiger Merkmale von Waren und Dienstleistungen dienen können. Die Regelung des § 8 Abs 2 Nr 2 [X.], die in Umsetzung von Art 3 Abs 1 Buchst c Markenrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass unmittelbar warenbeschreibende Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, von [X.] frei verwendet werden können ([X.] [X.], 723, 725, Nr. 25 - [X.]). Im Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht generell das Allgemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese Bezeichnungen nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden ([X.] [X.], 723, 725, Nr. 26 - [X.]). Für die Frage der Schutzfähigkeit geographischer Herkunftsangaben ist daher maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren bzw. zur Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 31-34 – [X.]).

Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist nicht gegeben, sofern auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 31-34 – [X.]; [X.] GRUR 2010, 534, 536 – [X.]; [X.] GRUR 2006, 509, 510 – [X.]; [X.], [X.], 666, 672; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 280 zu § 8). Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] GRUR 2010, 534, 536, Rz. 26 ff. – [X.]) müssen die angesprochenen [X.]e sofort und ohne weiteres Nachdenken in der Lage sein, einen konkreten und direkten Bezug zwischen den fraglichen Zeichen und den betreffenden Waren und Dienstleistungen herzustellen. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Kennzeichnung der beanspruchten Waren der Klassen 25, 32 und 33 sowie der Dienstleistung der Klasse 41 mit dem angemeldeten Zeichen nicht vor.

Wie die Markenstelle zutreffend ermittelt hat, ist „[X.]“ der Name einer knapp 1.350 Einwohner zählenden, jeweils etwa 40 – 45 km von den Städten [X.] und [X.] entfernt in einer Nähe von ca. 10 km zur [X.] im [X.] in [X.] gelegenen Ortschaft dörflicher Struktur, die sich über eine Gesamtfläche von 9,790 km² erstreckt. Ein Gewerbegebiet ist in [X.] weder ausgewiesen, noch ist die Ausweisung eines solchen künftig geplant. Zu den weniger als 15 Gewerbetreibenden, die sich derzeit dort angesiedelt haben, gehören u. a. die Hausbrauerei des Anmelders, der dort ein [X.] betreibt und Brauseminare anbietet, und eine Modeschöpferin.

Die Recherchen des Senats haben jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Mitbewerber betreffend Bekleidung, Kopfbedeckungen, Getränke und die Veranstaltung von [X.] gegenwärtig oder künftig ein Freihaltungsbedürfnis an der Herkunftsangabe „[X.]“ haben könnten. Dies liegt nicht nur an ihrer geringen Größe und der dementsprechend geringen wirtschaftlichen Bedeutung, sondern auch daran, dass in [X.] weder historisch, politisch, kulturell, sportlich oder sonst wie aufmerksamkeitserregende Ereignisse stattgefunden haben noch irgendwelche herausragenden Produkte oder Dienstleistungen mit einem überregionalen Ruf hergestellt, erbracht oder angeboten werden. Das Label der erwähnten Modeschöpferin trägt den Namen „[X.]“. Ebenso wie der Titel der in [X.] gedrehten Fernsehserie „[X.]“ weist es nicht auf den Namen dieser Ortschaft hin. Wichtige Ausgangsprodukte zur Bierherstellung wie beispielsweise Hopfen werden dort nicht angebaut; die Möglichkeiten zum Anbau von Früchten zur Safterzeugung sind angesichts der geringen Größe des Gemeindegebietes, in dem sich zudem mehrere kleinere Gewässer befinden, beschränkt. Auch für die Zukunft ist eine nennenswerte wirtschaftliche Entwicklung in [X.] vernünftigerweise nicht zu erwarten.

Ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht somit hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung weder an der geographischen Angabe „[X.]er“, noch an dem angemeldeten Zeichen in seiner konkreten – für sich genommen nicht schutzbegründenden – graphischen Gestaltung. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass sich in [X.] künftig weitere Brauereien oder Unternehmen zur Textil- oder Getränkeherstellung ansiedeln könnten, reicht hierfür nicht aus (vgl. [X.] PAVIS PROMA 26 W (pat) 20/04 – Lichtenauer Wellness). Hinsichtlich etwaiger Behinderungen wird auf § 23 [X.] hingewiesen.

Da die angesprochenen [X.]e den Ortsnamen [X.] regelmäßig nicht kennen und die Anmeldemarke „[X.]er“ nicht mit der in [X.] gelegenen Ortschaft [X.] in Verbindung bringen werden, steht die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht in Frage.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben.

Meta

26 W (pat) 19/11

07.09.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.09.2011, Az. 26 W (pat) 19/11 (REWIS RS 2011, 3572)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3572

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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