Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2001, Az. 3 StR 244/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3452

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS3 StR 244/00vom21. Februar 2001in der Strafsachegegenwegen Völkermordes u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwer-deführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am21. Februar 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil desBayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Dezember1999 dahin abgeändert, daß der Angeklagte des Mordes insechs rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mitBeihilfe zum Völkermord sowie der unerlaubten Ausübungder tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatischeSelbstladekurzwaffe schuldig ist und deswegen zu lebens-langer Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt wird.2. Die weitergehende Revision wird verworfen.3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.Gründe:Das Bayerische Oberste Landesgericht hat den Angeklagten wegenVölkermordes in Tateinheit mit Mord in sechs Fällen, sachlich zusammentref-fend mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbauto-matische Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm zu lebens-langer Freiheitsstrafe verurteilt.- 3 -Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der erdas Verfahren beanstandet und die Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel führt zueiner Abänderung des Schuldspruchs, im übrigen hat es keinen Erfolg.1. Hinsichtlich der Beanstandungen des Verfahrens bedarf lediglich dieRüge einer Verletzung des § 169 Satz 1 GVG i.V.m. § 338 Nr. 6 StPO nähererErörterung; auch im übrigen sind die Verfahrensrügen, wie bereits der Gene-ralbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Juni 2000 zutreffend dargelegthat, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.Mit der Rüge des § 338 Nr. 6 StPO macht die Revision geltend, der Se-natsvorsitzende habe dadurch gegen § 169 Satz 1 GVG verstoßen, daß er dreiim Zuhörerraum anwesende Personen an den Richtertisch gerufen und diesegebeten hatte, die Pässe abzugeben und sich sodann aus dem Sitzungssaalzu entfernen, da sie als Zeugen in Betracht kämen. Grund für dieses Vorgehenwar eine Äußerung der Zeugin L. , die zu diesem Zeitpunkt vernom-men werden sollte. Diese hatte schon vor ihrer Vernehmung zur Person ange-geben, sie fühle sich durch die Anwesenheit von drei Personen im Zuhörer-raum in ihrem Aussageverhalten eingeschränkt, sie habe Angst. Die drei Zuhö-rer, bei denen es sich um einen Bruder, eine Schwester und denEhemann einer Nichte des Angeklagten handelte, verließen nach der Aufforde-rung des Vorsitzenden den Sitzungssaal. Die Zeugin L. , eine frühereNachbarin des Angeklagten, wurde in Abwesenheit dieser drei Personen ver-nommen. Sodann wurden sie wieder hereingerufen und als Zeugen belehrt.Der Bruder des Angeklagten sagte zur Sache aus, die Schwester berief sichauf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, auf die Vernehmung des dritten Verwand-ten wurde sodann im allseitigen Einverständnis verzichtet.- 4 -Die Auffassung der Revision, durch diese Verfahrensweise habe derSenatsvorsitzende ohne zureichenden Grund die Öffentlichkeit teilweise aus-geschlossen und damit den Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt, trifft nicht zu.Dahinstehen kann, unter welchen Voraussetzungen eine Bitte oder Aufforde-rung des Vorsitzenden an einzelne oder mehrere Zuhörer, den Sitzungssaalvorübergehend zu verlassen, einen Verstoß gegen § 169 Satz 1 GVG bein-haltet (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 6 Zuhörer 1 und 2). Unter den gegebenenUmständen ist die Rüge unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.a) Zwar findet das Vorgehen des Vorsitzenden in den §§ 170 ff. GVG,die die Voraussetzungen und die Verfahrensweise eines Ausschlusses derÖffentlichkeit regeln, für sich genommen keine Stütze; diese Vorschriften zäh-len aber die Gründe für einen zulässigen Öffentlichkeitsausschluß nicht er-schöpfend auf (BGHSt 3, 386, 388; BGH, Urt. vom 20. August 1982 - 2 StR278/82, S. 13 f.).Vorliegend folgt die Befugnis des Senatsvorsitzenden, die drei Zuhöreraufzufordern, bis zu ihrer Vernehmung den Verhandlungssaal zu verlassen,aus § 238 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 58 Abs. 1 StPO. Nach § 58 Abs. 1StPO sind Zeugen einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugenzu vernehmen. Zweck dieser Vorschrift ist es sicherzustellen, daß Zeugen un-beeinflußt aussagen, nämlich ohne zu wissen, was der Angeklagte oder andereZeugen bekundet haben. Hieraus hat der Bundesgerichtshof den Grundsatzabgeleitet, daß es mit Rücksicht auf die Bedeutung des § 58 Abs. 1 StPO zu-lässig ist, Personen zum Verlassen des Sitzungssaales aufzufordern, sobaldmit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß sie als Zeugen in Betracht kommenkönnen, da das Gesetz der in der unbeeinflußten Aussage eines Zeugen lie-- 5 -genden höheren Gewähr für die Ermittlung der Wahrheit Vorrang vor der un-eingeschränkten Durchführung des Grundsatzes der Öffentlichkeit eingeräumthat (vgl. BGHSt 3, 386, 388; BGH NStZ 2001, 163). Zwar macht die Revisiongeltend, der Vorsitzende habe die Zeugen nur pro forma belehrt und befragt,um ihre Stellung als Zeugen zu begründen und so die Vorschriften über denAusschluß der Öffentlichkeit zu umgehen; denn nach der Stellungnahme desSitzungsvertreters des Generalbundesanwalts, der erklärt hatte, er sehe keineMöglichkeit zum Ausschluß der Öffentlichkeit, sei dem Gericht klar gewesen,daß auch ein nur teilweiser Öffentlichkeitsausschluß auf keine Vorschrift desGVG gestützt werden konnte. Mit diesen Einwendungen kann die Revision je-doch nicht gehört werden.b) Die Frage, ob ein Zuhörer als Zeuge in Betracht kommt und ob erdeswegen den Sitzungssaal bis zu seiner Vernehmung zu verlassen hat odergegebenenfalls sofort vernommen werden kann, betrifft eine Entscheidung, dieder Vorsitzende im Rahmen der ihm obliegenden Verhandlungsleitung zu tref-fen hat. Daß es sich um eine Maßnahme im Rahmen der Verhandlungsleitungdes Vorsitzenden handelt, folgt auch aus § 243 Abs. 1 und 2 StPO. Nach § 238Abs. 1 StPO steht dem Vorsitzenden bei der Frage, ob ein Zuhörer als Zeugezu behandeln ist, ein Beurteilungsspielraum zu, der überschritten wird, wennder Ausschluß eines Zuhörers auf sachwidrigen Erwägungen beruht (vgl. BGHNStZ 2001, 163). Daß der Ausschluß eines Zuhörers allein aus sachwidrigenErwägungen erfolgt und deshalb unzulässig ist, muß gemäß § 238 Abs. 2 StPOvon einem Beteiligten in der Verhandlung beanstandet und auf diese Weiseeine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt werden. Daß der Beschwerde-führer eine solche, für die Zulässigkeit der Verfahrensrüge erforderliche Bean-standung erhoben hat, trägt die Revision nicht vor.- 6 -Im übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte für sachwidrige Erwägun-gen des Vorsitzenden vor. Die von der Zeugin L. als Grund für ihre Angstbezeichneten Zuhörer sollten vom Gericht als Zeugen dazu vernommen wer-den, ob sie auf irgendeine Weise auf die Zeugin Einfluß genommen haben.Eine solche mögliche Einflußnahme lag nicht fern, da es sich bei den Zuhörernum nahe Verwandte des Angeklagten handelt und auch sonst Einflußnahmen,z.B. in Form von Bedrohungen anderer Zeugen, vom Bayerischen OberstenLandesgericht festgestellt worden sind. Tatsächlich sind auch zwei der dreivorübergehend aus dem Verhandlungssaal gewiesenen Personen als Zeugenvernommen worden, wie bereits oben dargelegt worden ist.2. Die Sachrüge führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs, da dasBayerische Oberste Landesgericht eine eigene, für die täterschaftliche Bege-hung des § 220 a Abs. 1 StGB erforderliche Völkermordabsicht des Angeklag-ten nicht festgestellt hat. Im übrigen ist auch die Sachrüge unbegründet (§ 349Abs. 2 StPO).a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist insbesondere zutreffenddavon ausgegangen, daß die serbische Führung zur Durchsetzung ihrerKriegsziele, nämlich der Eroberung und Sicherung der von den Serben bean-spruchten Gebiete von Bosnien-Herzegowina, ab April 1992 damit begonnenhatte, diese Gebiete mit kriegerischen Mitteln zu erobern und anschließendethnisch zu säubern. Durch Hinrichtungen, Folter, Vergewaltigungen und In-haftierungen wurde insbesondere die muslimische Bevölkerung terrorisiert, umdiese auszurotten oder zu vertreiben, wobei in den einzelnen Regionen vonden Militärs und örtlichen Polizeikräften nach einem immer wiederkehrendenMuster verfahren wurde. So auch ab dem 11. Juni 1992 im Bezirk K. - 7 -und insbesondere auch in der Ortsgemeinschaft V. , in der der Ange-klagte mit der serbischen Machtübernahme Leiter der örtlichen Polizeistationwurde. In K. wurden Gefangenenlager eingerichtet, in denen die In-haftierten unter unmenschlichen Bedingungen hausen mußten, gequält undgeschlagen wurden. Außerhalb der Lager wurden wahllos muslimische Männererschossen, muslimische Dörfer und Siedlungen zerstört, u.a. wurden drei zurOrtsgemeinschaft V. gehörende Dörfer niedergebrannt, um ein weiteresVerbleiben und eine spätere Wiederkehr unmöglich zu machen; Moscheenwurden angezündet oder gesprengt und immer wieder die Wohnhäuser dermuslimischen Bevölkerung durchsucht, Frauen vergewaltigt, die Bewohner ge-schlagen und ihres Eigentums beraubt. Aus den getroffenen Feststellungen,vor allem aus der Systematik, mit der den muslimischen Bewohnern in den ser-bisch beanspruchten Gebieten die Existenzgrundlage zerstört wurde, hat dasBayerische Oberste Landesgericht fehlerfrei seine Überzeugung abgeleitet,daß die politische und militärische Führung der Serben - gemeint sind ersicht-lich, neben Karadzic und Mladic, die jeweiligen regionalen Repräsentanten undFührungspersonen der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) und dergroßserbischen Bewegung - die Absicht hatte, in den jeweiligen Gebieten dieVolksgruppe der Muslime als solche planmäßig ganz oder teilweise zu zerstö-ren (vgl. UA S. 72 f., 109). Damit ist ein von den serbischen Führern mit Hilfeder bosnisch-serbischen Armee und anderer bewaffneter Kräfte begangenerVölkermord gemäß § 220 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB sowohl hinsichtlich derobjektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen ausreichend belegt.b) Demgegenüber hält die Annahme des Bayerischen Obersten Landes-gerichts rechtlicher Prüfung nicht stand, auch der Angeklagte habe selbst, undzwar als Täter, einen Völkermord begangen, weil er am 25. Juni 1992 den Be-- 8 -fehl zur Erschießung von sechs muslimischen Bewohnern in V. gegebenund bei der Tötung selbst mitgewirkt hatte; als tatbestandliche Handlungen hatdas Bayerische Oberste Landesgericht ferner den Umstand angesehen, daßder Angeklagte als örtlicher Polizeichef maßgeblich an der Vertreibung musli-mischer Frauen aus V. und D. am 25. Juni 1992 und am 14. August1992 mitgewirkt hatte.Bedenken in bezug auf die Erfüllung des objektiven Tatbestandes des§ 220 a Abs. 1 Nr. 3 StGB bestehen insofern, als die bloße Vertreibung derMuslime aus ihren Häusern und ihrem Heimatort für sich genommen noch kei-ne unter § 220 a Abs. 1 Nr. 3 StGB fallende Völkermordhandlung darstellt. DieVoraussetzung dieser Tatbestandsalternative - Auferlegung von Lebensbedin-gungen, die geeignet sind, die körperliche Zerstörung der Gruppe ganz oderteilweise herbeizuführen - werden vielmehr erst durch die Gesamtheit der ge-gen die muslimische Bevölkerung gerichteten Terror- und Vernichtungsmaß-nahmen erreicht (vgl. BGHSt 45, 64, 81 f.). Derartige Gesamtumstände sind indem Urteil jedoch, auch für den Bezirk K. und die OrtsgemeinschaftV. , in ausreichendem Maße fest- und dargestellt, so daß die mißver-ständliche Wendung in der rechtlichen Würdigung, der Angeklagte habe durchseine Mitwirkung an den Vertreibungen der Muslime diese unter Lebensbedin-gungen gestellt, die geeignet waren, deren körperliche Zerstörung ganz oderteilweise herbeizuführen (UA S. 164), nicht die Besorgnis begründet, das Baye-rische Oberste Landesgericht könnte von einem unzutreffenden objektiven Be-griff des Völkermordes i.S.d. § 220 a Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen sein.Es hat aber die rechtlichen Voraussetzungen der Völkermordabsicht alssubjektiv gefaßtes Merkmal des Schuldtatbestandes für die Person des Ange-- 9 -klagten nicht eindeutig festgestellt. Wie der erkennende Senat bereits ent-schieden hat, erhalten die unter § 220 a Abs. 1 StGB fallenden objektiven Tat-handlungen ihren besonderen Unrechtsgehalt als Völkermord erst durch dievon § 220 a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Absicht, eine von dieser Vorschriftgeschützte Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören (BGHSt 45, 64,86), wobei das erstrebte Ziel, die völlige oder wenigstens teilweise Zerstörungder Gruppe, nicht erreicht zu werden braucht. Dieses Ziel muß aber durch dieentsprechende Täterabsicht im Subjektiven gleichsam als überschießende In-nentendenz vorweg erfaßt werden (vgl. das Senatsurteil vom 21. Februar 2001- 3 StR 372/00). Diese den Tatbestand des Völkermordes erst begründendeAbsicht setzt voraus, daß es dem Täter im Sinne eines zielgerichteten Wollensauf die Zerstörung der von § 220 a StGB geschützten Gruppe ankommt. Einesolche Absicht hat das Oberlandesgericht für den Angeklagten nicht festge-stellt bzw. nicht dargelegt. Es hat lediglich einen für § 220 a StGB nicht ausrei-chenden direkten Vorsatz festgestellt, indem es dargelegt hat, der Angeklagtehabe gewußt, daß die unter dem Kommando der beteiligten überörtlichen Mili-tärverbände ausgeführte Aktion am 25. Juni 1992 sowohl der physischen Ver-nichtung eines Teils der bosnisch-muslimischen Bevölkerungsgruppe als auchder endgültigen Vertreibung der verbleibenden Muslime im Rahmen einer eth-nischen Säuberung diente, und daß die unter seiner Befehlsgewalt daran mit-wirkenden Angehörigen von Polizei und Territorialverteidigung maßgeblichhierzu beitrugen, und daß der Angeklagte beides, die ethnische Säuberungund die maßgebliche Mitwirkung seiner Leute daran, auch gewollt habe (UAS. 41). Zwar hat es auch festgestellt, daß es dem Angeklagten bei der von ihmgeleiteten Erschießung klar war, daß diese Tötungshandlungen Teil der ethni-schen Säuberung V. s waren und die Männer nur deshalb sterben mußten,weil sie Muslime waren (UA S. 41 f.) und er wußte, daß es sich um "ethnische- 10 -Säuberungen" handelte mit dem Ziel, die dort lebende muslimische Bevölke-rung zu zerstören (UA S. 47). Aber auch mit diesen Erwägungen ist lediglichein direkter Vorsatz dargetan, bei dem es dem Täter nicht auf einen bestimm-ten Erfolg ankommen muß. Zwar ist das Bayerische Oberste Landesgerichtersichtlich davon ausgegangen, daß es den subjektiven Voraussetzungen des§ 220 a Abs. 1 StGB damit genügt habe. Hierfür sprechen die Wendungen inder rechtlichen Würdigung, mit denen es die seiner Auffassung nach maßgeb-lichen Beweggründe des Angeklagten gekennzeichnet hat, nämlich eine durchihr Volkstum und ihre Religion geprägte Personengruppe zu zerstören und ein-zelne ihrer Mitglieder zu töten, nur weil sie seiner politischen Vorstellung einesexklusiven serbischen Nationalstaates im Wege standen (UA S. 166). Indessensind die übrigen Urteilsfeststellungen mit diesen Formulierungen und derenmöglicher Deutung als Beleg für eine Völkermordabsicht des Angeklagten nichtohne weiteres in Einklang zu bringen.c) Die zu den Ereignissen vom 25. Juni 1992 und zum 14. August 1992getroffenen Feststellungen und die übrigen Urteilsausführungen, einschließlichder Wertungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur subjektivenSeite der dem Angeklagten angelasteten Straftaten, tragen jedoch die rechtli-che Wertung, daß der Angeklagte durch sein Mitwirken an den genannten Er-eignissen Beihilfe zu dem von den serbischen Führern veranlaßten und mitHilfe der Militärs und den örtlichen Polizeikräften ausgeführten Völkermord ge-leistet hat. Die erforderlichen objektiven und subjektiven Voraussetzungen hatdas Bayerische Oberste Landesgericht zweifelsfrei festgestellt (vgl. UA S. 41 f.,162, 165 f.), da es für die Beihilfe zum Völkermord genügt, daß der oder dieHaupttäter die tatbestandlich vorausgesetzte Absicht hatten und der Gehilfedies weiß (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2001 - 3 StR 372/00). Der Senat- 11 -hat den Schuldspruch deshalb selbst geändert (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265StPO steht dem nicht entgegen, da bereits der Haftbefehl vom 19. August 1998von Beihilfe zum Völkermord in Tateinheit u.a. mit dem abgeurteilten Mord ausniedrigen Beweggründen in sechs Fällen ausgegangen war; ferner hat der Se-nat den Angeklagten und seinen Verteidiger mit Schreiben vom 9. Februar2001 auf die mögliche Schuldspruchänderung unter gleichzeitiger Aufrechter-haltung des Strafausspruchs hingewiesen.3. Die Verurteilung wegen tateinheitlich mit der Beteiligung am Völker-mord begangenen Mordes in sechs Fällen, begegnet weder für sich genom-men, noch im Zusammenhang mit dem zum Völkermord geänderten Schuld-spruch rechtlichen Bedenken. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat esaufgrund fehlerfreier Beweiswürdigung als erwiesen angesehen, daß der An-geklagte den Befehl zur Erschießung der sechs muslimischen Männer am25. Juni 1992 erteilt und sich eigenhändig an der Tötung beteiligt hat. ZumVorsatz des Angeklagten hat es in diesem Zusammenhang festgestellt, ihm seiklar gewesen, daß diese vorsätzliche Tötung Teil der ethnischen SäuberungV. s war und die Männer nur deshalb sterben mußten, weil sie Muslimewaren (UA S. 41 f.). Diese Feststellungen belegen zwar, auch im Zusammen-hang mit den weiteren Ausführungen, der Angeklagte habe gewollt, daß derTod der sechs muslimischen Männer auch der Einschüchterung und Demorali-sierung der übrigen nicht serbischen Bevölkerung diente und diese zur Ausrei-se veranlaßte, kein Handeln in Völkermordabsicht, sie tragen jedoch dietatrichterliche Wertung als niedrige Beweggründe i.S.d. § 211 StGB. Denn die-se Einstellung des Angeklagten zu dem von ihm befohlenen Tod der sechsMuslime steht nach allgemein sittlicher Wertung auf tiefster Stufe und erscheintdeshalb als besonders verachtenswert. Die Würdigung, der Angeklagte habe- 12 -den Mord als Täter begangen, steht auch nicht im Widerspruch zu der Annah-me, der Angeklagte habe durch diese Tötungshandlung lediglich Beihilfe zumVölkermord begangen. Die Verurteilung wegen täterschaftlich begangenenVölkermordes scheitert allein an der nicht festgestellten, die Täterschaft erstbegründenden eigenen Völkermordabsicht und nicht etwa an einer fehlendenTatherrschaft des Angeklagten, die für das Tötungsgeschehen als solcheszweifelsfrei belegt ist.4. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Aburteilung dieserals eine Tat zu wertenden Morde an sechs Muslimen ergibt sich zwar nichtmehr ohne weiteres aus der sog. Annexkompetenz des § 6 Nr. 1 StGB für vor-sätzliche Tötungen, die zugleich eine gemäß § 220 a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbe-standliche Völkermordhandlung darstellen. Sie folgt jedoch zumindest aus § 6Nr. 9 StGB. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Februar 2001 - 3 StR372/00 - ausgesprochen hat, sind deutsche Gerichte für die Verfolgung auchsolcher Straftaten zuständig, die zwar nicht die Voraussetzungen eines Völ-kermordes erfüllen, aber als schwere Verstöße i.S.d. Art. 146, 147 der IV.Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten vom12. August 1949 zu werten sind. Daß die vorsätzliche Tötung der sechs Musli-me am 25. Juni 1992 einen solchen schweren Verstoß gegen die IV. GenferKonvention darstellt, bedarf keiner näheren Begründung.5. Die Abänderung des Schuldspruchs führt nicht zur Aufhebung desStrafausspruchs. § 211 StGB sieht ebenso wie § 220 a Abs. 1 StGB lebenslan-ge Freiheitsstrafe als absolute Strafe vor, eine Strafrahmenverschiebung ge-mäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB kommt in bezug auf § 211 StGB nicht inBetracht. Danach war auch nach Abänderung des Schuldspruchs durch den- 13 -Senat auf eine lebenslange Freiheitsstrafe, und zwar nicht nur wegen Mordesin Tateinheit mit Beihilfe zum Völkermord zu erkennen, sondern auch als Ge-samtstrafe, die sich aus der lebenslangen Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe undder Einzelstrafe von einem Jahr wegen unerlaubter Ausübung der tatsächli-chen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe nach dem Ge-setz zwingend (§ 54 Abs. 1 Satz 1 StGB) ergibt. Da schon das BayerischeOberste Landesgericht von der Feststellung der besonderen Schuldschwere(§ 57 b StGB) abgesehen hat, hat der Senat lediglich zur Klarstellung denStrafausspruch neu gefaßt.Kutzer Rissing-van Saan Miebach Winkler BeckerNachschlagewerk: jaBGHSt: neinVeröffentlichung: ja__________________StGB § 220 aZur täterschaftsbegründenden Völkermordabsicht des § 220 a StGB.- 14 -BGH, Beschl. vom 21. Februar 2001 - 3 StR 244/00 - BayObLG

Meta

3 StR 244/00

21.02.2001

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2001, Az. 3 StR 244/00 (REWIS RS 2001, 3452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3452

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