Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2000, Az. II ZR 314/98

II. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1766

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILII ZR 314/98Verkündet am:3. Juli 2000BoppelJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk: jaBGHZ : neinBGHR : jaBGB §§ 929, 930Bei Übereignung einer Sachgesamtheit durch Raumübereignung ist demsachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt, wenn die Auslegung dervertraglichen Vereinbarungen ergibt, daß für einen geringen Teil derGegenstände zwar eine Übereignung gewollt, aber ein schuldrechtlicherRückübertragungsanspruch vereinbart ist.BGH, Urteil vom 3. Juli 2000 - II ZR 314/98 - OLG Dresden- 2 -LG Dresden- 3 -Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlungvom 3. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und dieRichter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die RichterinMünkefür Recht erkannt:Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenatsdes Oberlandesgerichts Dresden vom 10. September 1998 imKostenausspruch und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil desKlägers entschieden worden ist.Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil der 11. Zivil-kammer des Landgerichts Dresden vom 2. März 1995 wirdzurückgewiesen.Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren je zurHälfte.Von Rechts wegenTatbestand:Der Kläger ist der Auffassung, er sei Eigentümer der Mustersammlungder S. D. . Er nimmt die Beklagten im Wege derStufenklage auf Auskunft über den gegenwärtigen Bestand der Sammlung undFeststellung seines Eigentums, hilfsweise des Bestehens vonSchadensersatzansprüchen, in Anspruch.- 4 -Die Mustersammlung stand im Eigentum der S. D. GmbH (im folgenden: GmbH), die durch Umwandlung aus dem VEB S. D. hervorgegangen war. Durch notariellen Vertrag vom 19.Dezember 1991 vereinbarten die Treuhandanstalt, die frühereAlleingesellschafterin der GmbH, einerseits und die neue Alleingesellschafterinder GmbH, die M. S.A., sowie die GmbH selbst andererseits, daß dieGmbH sämtliche Ausstellungstücke, die als Mustersammlung unter B I 3 a ihrerDM-Eröffnungsbilanz aufgeführt und mit 1.224.139,42 DM aktiviert waren, auferstes Anfordern der Treuhandanstalt unentgeltlich dem Kläger oder einemDritten übertragen werde. Im Gegenzug verzichtete die Treuhandanstalt auf diein der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Ausgleichsverbindlichkeit von1.167.447,33 DM.Der überwiegende Teil der Mustersammlung war im Hauptgebäude derGmbH in Fr. untergebracht, und zwar im Mustersaal (III. Stock links), imRaum Malereimuster (II. Stock rechts) und im Weißboden (IV. und V. Stock).Zur Umsetzung der notariellen Vereinbarung vom Dezember 1991 schloß dieGmbH mit dem Kläger im Oktober und Dezember 1992 eine Reihe vonVerträgen. Unter anderem überließ sie dem Kläger durch Vertrag vom 5. Okto-ber 1992 die genannten Räume zur Nutzung, und beide einigten sich über denÜbergang des Eigentums an der Sammlung.Hinsichtlich derjenigen Teile der Sammlung, die sich nicht in denerwähnten Räumen befanden, vereinbarten der Kläger und die GmbH durchVertrag vom 6./7. Oktober 1992 folgendes: Soweit sie nicht bereits durch einerote Numerierung und/oder ein rotes "M" gekennzeichnet waren, sollten sie inden folgenden Tagen mit einer roten Markierung versehen werden; der Klägerals Eigentümer stellte die Stücke ab sofort der GmbH leihweise zur Verfügung.- 5 -Aus praktischen Gründen erhielten die danach noch zu kennzeichnendenMusterstücke dann allerdings nicht eine rote Markierung, sondern wurden miteinem Etikett mit dem Aufdruck "F. S. " versehen.Unter dem 16. Dezember 1992 kamen der Kläger und die GmbH über-ein, daß der Kläger auch die in den ihm zur Nutzung überlassenen Räumenverwahrten Teile der Mustersammlung an die GmbH auslieh.Nachdem über das Vermögen der GmbH am 4. Februar 1993 das Ge-samtvollstreckungsverfahren eröffnet worden war, veräußerte der Beklagtezu 1 mit notariell beurkundetem Vertrag vom 11. Mai 1993 u.a. dieMustersammlung an den Beklagten zu 2. Am selben Tage schlossen dieBeklagten eine Vereinbarung, in der der Beklagte zu 2 sich verpflichtete, dieKosten eines voraussichtlich von dem Beklagten zu 1 wegen derMustersammlung gegen den Kläger zu führenden Anfechtungsprozesses biszum Höchstbetrag von 80.000,-- DM zu übernehmen.Durch Teilurteil vom 2. März 1995 hat das Landgericht Dresden demAuskunftsbegehren des Klägers - mit einer Einschränkung bezüglich des soge-nannten Weißwarenlagers - stattgegeben. Die Berufung des Klägers führtezum Wegfall der Einschränkung, die Berufung der Beklagten zur Abweisungdes Auskunftsantrags. Auf die Revision des Klägers hat der Senat dasBerufungsurteil vom 10. Oktober 1996, soweit es zum Nachteil des Klägersergangen war, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an dasOberlandesgericht zurückverwiesen (Senat, Urt. v. 1. Dezember 1997- II ZR 312/96). Mit Urteil vom 10. September 1998 hat das Berufungsgerichtdie Entscheidung des Landgerichts geändert: Der Beklagte zu 2 ist unterZurückweisung seiner Berufung im übrigen und Abweisung derweitergehenden Auskunftsklage verurteilt worden, dem Kläger unter Beifügung- 6 -einer aktuellen Liste Auskunft darüber zu erteilen, welche Stücke derMustersammlung der S. mit einem Etikett mit der Aufschrift"F. S. " versehen oder mit einem roten "M" beschriftet sind. Mit seinerRevision erstrebt der Kläger die uneingeschränkte Verurteilung beiderBeklagten zur Auskunftserteilung entsprechend der landgerichtlichenEntscheidung.Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Wiederherstellung des Teilurteils des Landge-richts, soweit es dem Auskunftsbegehren des Klägers stattgegeben hat, unddamit zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen jenes Teilurteil.I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei Eigentümer nurderjenigen Stücke der Mustersammlung geworden, die mit einem roten "M" ge-kennzeichnet oder mit einem Etikett mit dem Aufdruck "F. S. " versehenwaren. Hinsichtlich der übrigen Teile der Sammlung liege eine wirksameÜbereignung nicht vor, weil dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzinsoweit nicht Genüge getan sei. Es habe - ausgenommen die Kennzeichnungmit einem roten "M" oder dem Etikett mit dem Aufdruck "F. S. " - keineeindeutigen äußeren Abgrenzungskriterien gegeben, die eine Zuordnung dereinzelnen Stücke zu der Sammlung ermöglicht hätten. Auch an einer klarenräumlichen Absonderung habe es gefehlt, weil sich in den dem Kläger zurNutzung überlassenen Räumlichkeiten auch Porzellanteile befunden hätten,die ihm nicht hätten übereignet werden sollen.Der Beklagte zu 2 habe dem Kläger Auskunft über die in der bezeich-neten Weise gekennzeichneten Teile der Sammlung zu erteilen. Diese Teile- 7 -habe der Beklagte zu 2 nicht von dem Beklagten zu 1 zu Eigentum erworben,da letzterer zu einer Verfügung über das Eigentum des Klägers nicht berechtigtund der Beklagte zu 2, wie der Vereinbarung beider Beklagten bezüglich desvoraussichtlich gegen den Kläger zu führenden Anfechtungsprozesses zu ent-nehmen sei, nicht gutgläubig i. S. des § 932 Abs. 2 BGB gewesen sei.Gegen den Beklagten zu 1 stehe dem Kläger ein Auskunftsanspruchnicht zu. Der Beklagte zu 1 sei weder mittelbarer noch unmittelbarer Besitzerder Mustersammlung. Er könne die Auskunft auch nicht unschwer erteilen, danicht festgestellt werden könne, daß er Zugang zu den Räumen habe, in denendie Sammlung untergebracht ist. Da dem Kläger gegen den Beklagten zu 2 einAuskunftsanspruch zustehe, könne er von dem Beklagten zu 1 nicht verlangen,daß dieser sich die zur Auskunftserteilung notwendigen Kenntnisse von demBeklagten zu 2 verschaffe.Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Prü-fung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht hat den sachenrecht-lichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht richtig angewandt und die Vorausset-zungen eines Auskunftsanspruchs des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 1verkannt.II. Beide Beklagten sind dem Kläger zur Auskunft über den gegenwärti-gen Bestand der Mustersammlung verpflichtet.1. Der Kläger ist Ende 1992 Eigentümer der Sammlung geworden, die inPosition B I 3 a der DM-Eröffnungsbilanz der GmbH aufgeführt ist. Dem für dieÜbereignung einer Sachgesamtheit geltenden Bestimmtheitsgrundsatz ist - wiedas Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - genügt, wenn es auf Grundeinfacher äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden kennt,- 8 -ohne weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignetworden sind (Senat, Urt. v. 13. Januar 1992 - II ZR 11/91, NJW 1992, 1161m.w.N.). Solche Abgrenzungskriterien waren vorliegend gegeben. Eines warräumlicher Natur. Es betraf die in den vom Kläger gemieteten Räumen derGmbH aufbewahrten Musterstücke. Das andere betraf die außerhalb dieserRäume befindlichen Teile der Sammlung und bestand in Markierungen, die sieeindeutig als zur Mustersammlung gehörig auswiesen.a) Nach den Vereinbarungen des Klägers und der GmbH sollte der Klä-ger Eigentümer aller Porzellanteile werden, die in den von ihm zu nutzendenRäumen gelagert waren, so daß insoweit von Raumübereignung auszugehenist. Daß in den Räumen auch nicht zur Mustersammlung gehörendes Porzellanlagerte, steht der Annahme einer Raumübereignung nicht entgegen. Eshandelte sich nach der vom Berufungsgericht zitierten Aussage der Zeugin K. nur um eine verhältnismäßig geringe Menge. Nach den Vereinbarungen derParteien hatte die GmbH insoweit einen schuldrechtlichen Anspruch aufRückübertragung, der durch Entnahme der betroffenen Stücke im Wege derSelbsthilfe zu erfüllen war. Der Aussage des Zeugen Rechtsanwalt B. zufolge hat er den Schlüssel zu den gemieteten Räumen nur deshalb nicht fürden Kläger als Erwerber mitgenommen, sondern Aufbewahrung des Schlüsselsan einem nicht allgemein, aber für den Geschäftsführer der GmbHzugänglichen Ort vereinbart, um der GmbH die Entnahme einzelner Muster fürdie laufende Produktion, die ihr auf Grund des verabredeten Leihverhältnissesgestattet war, zu ermöglichen.b) Die außerhalb der dem Kläger überlassenen Räume befindlichenStücke der Mustersammlung trugen oder erhielten Markierungen, die ihre Un-terscheidung von nicht zur Sammlung gehörenden Porzellanteilen ermöglich-- 9 -ten. Sie waren der Vereinbarung des Klägers und der GmbH vom 6./7. Oktober1992 zufolge mit einer roten Numerierung und/oder einem "M", der Aussagender Zeugin K. zufolge teilweise auch nur mit einem roten Punkt gekennzeich-net; soweit sie noch keine Markierung trugen, wurden sie, wie das Berufungs-gericht - von der Revision unangegriffen - festgestellt hat, mit einem Etikett mitdem Aufdruck "F. S. " versehen.2. Da der Kläger nach dem Vorstehenden Eigentümer der gesamtenMustersammlung ist, trifft den Beklagten zu 2 nicht eine auf bestimmte Teileder Sammlung beschränkte, sondern eine umfassende Auskunftspflicht. Sie lei-tet sich, wie im Senatsurteil - II ZR 316/96 - vom 1. Dezember 1997 bereits imeinzelnen ausgeführt wurde, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242BGB) ab.Für den Beklagten zu 1 kann entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts nichts anderes gelten. Daß er nicht Besitzer der Musterstücke ist, recht-fertigt noch nicht die Annahme, er könne die Auskunft nicht unschwer erteilen.Gegebenenfalls hätte er sich um entsprechende Informationen durch den Be-klagten zu 2 bemühen müssen, die dieser ihm mit Rücksicht auf die am 11. Mai1993 zum Nachteil des Klägers geschlossenen Vereinbarungen der Beklagtennicht hätte verweigern dürfen. Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wärees nicht zu vereinbaren, könnte der Beklagte zu 1 den Kläger- 10 -unter Hinweis auf ein ihm fehlendes Hausrecht darauf verweisen, sich dieerforderliche Auskunft allein unmittelbar von dem Beklagten zu 2 zu beschaf-fen. Der Beklagte zu 1 hat die Mustersammlung an den Beklagten zu 2 ver-äußert, obwohl er, wie die Vereinbarung beider Beklagten betreffend dieKosten des voraussichtlich zu führenden Anfechtungsprozesses zeigt,zumindest mit der Möglichkeit rechnete, daß sie im Eigentum des Klägersstand.RöhrichtHenzeGoetteKuzwellyMünke

Meta

II ZR 314/98

03.07.2000

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2000, Az. II ZR 314/98 (REWIS RS 2000, 1766)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1766

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