Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2013, Az. VIII ZR 235/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 435

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BU[X.]DESGERI[X.]HTSHOF

IM [X.]AME[X.] DES VOLKES

VERSÄUM[X.]ISURTEIL
VIII ZR 235/12
Verkündet am:

11. Dezember 2013

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
[X.]achschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 575
Erweist sich die Vereinbarung eines [X.] als unwirksam, weil die nach §
575 Abs.
1 Satz 1 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann dem bei Vertragsschluss bestehenden Willen der Mietvertragsparteien, das Mietverhältnis nicht vor Ablauf
der vorgesehenen Mietzeit durch ordentliche Kündigung nach § 573 BGB zu beenden, im Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht tritt, der eine ordentliche Kündigung frühestens zum Ablauf der (unwirksam) vereinbarten Mietzeit ermöglicht (Bestätigung von [X.], Urteil vom 10. Juli 2013 -
VIII ZR 388/12, [X.], 2820).

[X.], Versäumnisurteil vom 11. Dezember 2013 -
VIII ZR 235/12 -
LG [X.]

AG [X.]eu-Ulm

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin Dr.
Milger,
[X.] Achilles und Dr.
Schneider sowie
die Richterin Dr.
Fetzer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 18. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagten sind Mieter
einer
Wohnung der Kläger in [X.].

. In dem am 10. [X.]ovember 2009 mit der Rechtsvorgängerin der Kläger geschlossenen "[X.]"
ist vereinbart, dass das Mietverhältnis am 15. [X.]ovember 2009 beginnt
und am 31. Oktober 2012 endet.
[X.]achdem sie am 19. Juli 2010 als neue Eigentümer der Wohnung im Grundbuch eingetragen worden waren, erklärten die Kläger mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 28. Juli 2010 die ordentliche
Kündigung des Miet-1
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verhältnisses zum 31. Oktober 2010 wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung des Eigenbedarfs gaben sie an, der in K.

wohnende Bruder der Klägerin wolle seinen Lebensabend in [X.].

verbringen. Die Beklagten zogen nicht aus der Wohnung aus.
Mit ihrer Klage, die sie in der Berufungsinstanz zusätzlich auf eine
am 27.
April 2012 ausgesprochene, mit Zahlungsverzug begründete
fristlose Kün-digung stützen, nehmen die Kläger die Beklagten auf Räumung und Herausga-be der Wohnung in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist beim [X.] erfolglos geblieben. Mit
ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbe-gehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil
zu entscheiden, da die Kläger
in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten waren. Inhaltlich be-ruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern einer Sachprüfung ([X.], Urteil vom 4. April 1962 -
V [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff.).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Das Amtsgericht
sei zu Recht davon ausgegangen, dass trotz der Be-zeichnung "[X.]"
ein auf unbestimmte Zeit geschlossenes
Mietver-3
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hältnis vorliege, das wegen Eigenbedarfs der Kläger wirksam gekündigt worden sei.
Zutreffend habe das Amtsgericht angenommen, dass eine zeitliche [X.] des Mietverhältnisses vorliegend unwirksam sei, da ein in § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmter Grund nicht angegeben worden sei. Zwar sei eine Um-deutung eines unwirksamen [X.] in einen befristeten Kündigungs-ausschluss denkbar. Dies sei jedoch vom Amtsgericht mit der überzeugenden Erwägung
verneint worden,
dass
die
in
§
2
Ziffer 2 des vorformulierten [X.] vorgesehene Regelung eines Kündigungsverzichts nicht ausgefüllt [X.] sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher [X.]achprüfung nicht stand. Mit der von den Vorinstanzen gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger auf Räumung der Wohnung nicht bejaht werden.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die im Mietvertrag vorgesehene
Befristung unwirksam ist. Denn die Befristung ei-nes Mietverhältnisses über Wohnraum ist gemäß §
575 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zulässig, wenn der Vermieter die Räume nach Ablauf der Mietzeit als Wohn-raum für sich oder seine Familien-
oder Haushaltsangehörigen nutzen will oder die Absicht hat, die Räume zu beseitigen oder so wesentlich zu verändern oder instand zu setzen, dass die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietver-hältnisses erheblich erschwert würden,
und der Vermieter dem Mieter den [X.] bei Vertragsschluss schriftlich mitteilt. Jedenfalls an
der letzteren Voraussetzung fehlt es im Streitfall.

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2. Von Rechtsirrtum beeinflusst ist hingegen die Annahme des [X.],
infolge der Unwirksamkeit der Befristung greife die gesetzliche
Rechtsfolge des § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB ein, dass
das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und unter den Voraussetzungen des § 573 BGB (auch) ordentlich gekündigt werden kann. Vielmehr ist durch die [X.] der von den Parteien gewollten Regelung eine planwidrige Vertragslü-cke entstanden. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, ist die Lücke in derartigen Fällen
im Wege der ergänzenden Vertragsausle-gung (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung dessen zu schließen, was die Parteien [X.] vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre (Senatsurteil vom
10. Juli 2013 -
VIII ZR 388/12, [X.], 2820 Rn. 12
ff.
mw[X.]).
Dies bedeutet für den Streitfall:
Aus
der Aufnahme der zeitlichen Befristung vom 15. [X.]ovember 2009 bis 31. Oktober 2012 in den
Mietvertrag vom 10. [X.]ovember 2009 wird der bei [X.] beiderseits bestehende Wille der [X.] deutlich, dass das Mietverhältnis
jedenfalls für diese Zeit Bestand haben sollte. Diesem Parteiwillen wird die an sich infolge der Unzulässigkeit der Befristung [X.] gesetzliche Rechtsfolge des § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht; denn die Parteien wollten ersichtlich, dass das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der [X.] durch Kündigung nach § 573 BGB beendet werden kann. Hätten die Parteien die Unwirksamkeit der von ihnen gewollten Befristung erkannt, hätten sie die dadurch entstandene [X.] daher [X.] dahin [X.], dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum [X.] der vereinbarten Mietzeit möglich ist. Auf diese Weise wird das von beiden 10
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Vertragsparteien erstrebte Ziel einer Bindung für die im [X.] erreicht.

Die Auffassung der Vorinstanzen, ein Kündigungsverzicht könne im Streitfall deshalb nicht angenommen werden, weil die Parteien die dafür vorge-sehene Textstelle
im vorformulierten Mietvertrag nicht ausgefüllt hätten, trifft nicht zu. Dass die Parteien § 2 Ziffer 2 des Mietvertrags nicht ausgefüllt haben, lässt keinen Rückschluss auf den Parteiwillen zu. Denn die Parteien hatten bei Vertragsschluss keinen Anlass, einen beiderseitigen Kündigungsverzicht zu vereinbaren, weil sie die vereinbarte Befristung (irrtümlich) für wirksam angese-hen haben.

Der Räumungsanspruch der Kläger kann auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, die am 28. Juli 2010 zum 31. Oktober 2010 ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis jedenfalls zum Ablauf der von den Parteien gewollten Bindungsfrist (31. Oktober 2012) beendet; denn der [X.] kann ein derartiger Wille der Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, zumal sich der geltend gemachte [X.] zwi-schen dem 31. Oktober 2010 und 31. Oktober 2012 geändert haben kann
(vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1981 -
VIII ZR 332/79, [X.]JW 1981, 976 unter
II 1 e aa).

III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand
haben; es ist aufzuhe-ben (§
562 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil sich das Berufungsgericht -
von seinem Rechtsstandpunkt [X.] -
nicht mit der von den Klägern im [X.] erklärten fristlosen Kündigung
wegen Zahlungsverzugs vom 27. April 2012 beschäftigt hat. Die Sa-13
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-
che ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
[X.]
Dr. Milger
[X.]

Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG [X.]eu-Ulm, Entscheidung vom 15.02.2012 -
8 [X.] 1540/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.07.2012 -
12 [X.]/12 -

Meta

VIII ZR 235/12

11.12.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2013, Az. VIII ZR 235/12 (REWIS RS 2013, 435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 435

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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