Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.03.2018, Az. 4 AZR 208/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 11538

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Gegenstand

Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel nach Änderungskündigung - "Neuvertrag"


Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 28. Februar 2017 - 14 Sa 852/16 - unter deren Zurückweisung im Übrigen teilweise aufgehoben.

II. Auf die Berufung der Klägerin wird - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des [X.] vom 25. August 2016 - 10 Ca 2714/16 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.394,31 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 474,00 Euro seit dem 1. Februar 2014, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. März 2014, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. April 2014, aus weiteren 64,87 Euro seit dem 1. Mai 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juni 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juli 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. August 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. September 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Oktober 2014, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. November 2014, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. Dezember 2014, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. Januar 2015, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. Februar 2015, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. März 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. April 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Mai 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juni 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juli 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. August 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. September 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Oktober 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. November 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Dezember 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Januar 2016 und aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 1. November 2016 nach der Vergütungsgruppe [X.] (nach 5 Jahren der Tätigkeit) des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt geltenden [X.] zwischen dem [X.] und [X.] für den Einzelhandel in [X.] zu vergüten.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

[X.] Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Vergütungsansprüche der Klägerin.

2

Die Beklagte betreibt Duty-Free-Shops an Flughäfen. Die Klägerin ist bei der [X.] und ihrer Rechtsvorgängerin, der Firma [X.], seit 1992 in [X.] beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 21. Februar 1992 heißt es auszugsweise:

        

„1.     

Der Mitarbeiter wird ab dem [X.] für [X.] im Angestelltenverhältnis als Verkäuferin/Kassiererin tätig.

                 

…       

        

2.    

Das Anstellungsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes [X.] nebst Nachfolgeverträgen sowie etwaigen [X.] in ihrer jeweils geltenden Fassung.

        

…       

        
        

5.    

Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe [X.] 3.-5. J.d.T. des geltenden [X.] eingestuft. ([X.] derzeit [X.] 2.706,--). Zusätzlich erhält der Mitarbeiter eine übertarifliche Zulage von [X.] 224,97 brutto; damit beträgt die vereinbarte Gesamtvergütung (nachfolgend kurz: Gehalt) monatlich [X.] 2.930,97 brutto. Das Gehalt wird bargeldlos zum Monatsende auf ein vom Mitarbeiter einzurichtendes Konto überwiesen.“

3

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1999 wurde die Klägerin zur Supervisorin ernannt und unter Verrechnung der übertariflichen Zulage in die [X.], [X.] nach dem 5. [X.] eingestuft. Das Schreiben schloss mit den Worten:

        

„Alle übrigen Punkte Ihres Dienstvertrages bleiben bestehen. Wir freuen uns auf eine weiterhin angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit.“

4

Mit Schreiben vom 24. April 2009 kündigte die Rechtsvorgängerin der [X.] das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 31. Oktober 2009 und bot ihr zugleich an, sie über diesen Termin hinaus zu veränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. In dem Schreiben heißt es dazu unter anderem:

        

„Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus nahtlos als Verkäuferin/Kassiererin weiterzubeschäftigen. Diese Position ist in die [X.] eingruppiert. Da Sie bereits in die [X.] eingruppiert gewesen sind, bevor Sie zur Supervisorin ernannt worden sind, bieten wir Ihnen eine Vergütung nach der [X.] an. Das monatliche Grundgehalt beläuft sich damit auf € 2.427,- brutto. Alle übrigen Vertragsbedingungen würden unverändert bleiben.“

5

Die Klägerin nahm das Angebot der Rechtsvorgängerin der [X.] auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen in der Folge unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Ihre zunächst gegen die Änderungskündigung erhobene [X.] vor dem [X.] nahm die Klägerin später zurück.

6

Die Rechtsvorgängerin der [X.] trat mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitgeberverband „[X.]“ aus. Die zum 1. Juli 2012 im Gehaltstarifvertrag zwischen dem [X.]andelsverband [X.] und der [X.] - [X.] vom 29. Juni 2011 (im Folgenden [X.] 2011) vorgesehene Erhöhung der Vergütung in der Gehaltsgruppe II nach dem 5. [X.] gab sie noch an die Klägerin weiter. Seitdem erhält die Klägerin eine Vergütung i[X.]v. 2.641,00 Euro brutto zuzüglich einer Reinigungspauschale, vermögenswirksamen Leistungen sowie Essensgeld für eine Vollzeittätigkeit.

7

Am 1. Januar 2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die nicht tarifgebundenes Mitglied eines Arbeitgeberverbands ist.

8

Die Klägerin war bis zum 31. März 2014 sowie in der [X.] vom 1. Oktober 2014 bis zum 28. Februar 2015 in Vollzeit und in der [X.] vom 1. April 2014 bis zum 30. September 2014 sowie seit dem 1. März 2015 in Teilzeit (27,7 Stunden) für die Beklagte tätig.

9

Die zwischen dem [X.]andelsverband [X.] und der [X.] - [X.] für den Einzelhandel [X.] am 10. Dezember 2013 für die [X.] ab dem 1. August 2013 (3 %) und ab dem 1. Mai 2014 (2,1 %) vereinbarten Tariferhöhungen gab die Beklagte ebenso wenig an die Klägerin weiter wie eine weitere 2,5 %-ige Tariferhöhung ab dem 1. August 2015, sondern zahlte die Vergütung unverändert auf der Basis des im [X.]punkt des Betriebsübergangs geltenden Tarifvertrags.

Die Klägerin machte außergerichtlich mit Schreiben vom 8. Februar 2014 und nochmals mit anwaltlichen Schreiben vom 7. und 11. April 2014 die Tariferhöhungen schriftlich geltend. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 25. März 2014 mit, ihrer Auffassung nach bestehe kein Anspruch auf Weitergabe von Tariferhöhungen; der Anspruch werde abhängig vom Ausgang eines bereits vor dem Arbeitsgericht anhängigen Rechtsstreits nochmals geprüft.

Mit ihrer der [X.] am 27. Mai 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin die - betragsmäßig zwischen den Parteien unstreitigen - monatlichen Differenzen zwischen dem ihr gezahlten Gehalt und dem Entgelt der Gehaltsgruppe II (nach dem 5. [X.]) des jeweils aktuellen Gehaltstarifvertrags für die [X.] von August 2013 bis einschließlich Januar 2016 eingeklagt. Sie hat die Auffassung vertreten, nach der Rechtsprechung des [X.] liege ein sogenannter Neuvertrag vor, in dem der ursprüngliche Arbeitsvertrag aufgrund des späteren [X.] und durch das mit der Änderungskündigung verbundene Fortsetzungsangebot ausdrücklich bestätigt worden sei. Die Parteien hätten die Klausel dadurch zum Gegenstand einer erneuten Willensbildung gemacht.

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.394,31 Euro brutto nebst Zinsen i[X.]v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 79,00 Euro seit dem 1. September 2013, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. Oktober 2013, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. November 2013, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. Dezember 2013, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. Januar 2014, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. Februar 2014, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. März 2014, aus weiteren 79,00 Euro seit dem 1. April 2014, aus weiteren 64,87 Euro seit dem 1. Mai 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juni 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juli 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. August 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. September 2014, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Oktober 2014, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. November 2014, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. Dezember 2014, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. Januar 2015, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. Februar 2015, aus weiteren 136,00 Euro seit dem 1. März 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. April 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Mai 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juni 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. Juli 2015, aus weiteren 106,98 Euro seit dem 1. August 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. September 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Oktober 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. November 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Dezember 2015, aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Januar 2016 und aus weiteren 157,94 Euro seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte ab November 2016 verpflichtet ist, ihren Entgeltanspruch anhand der Vergütungsgruppe G II (nach 5 Jahren der Tätigkeit) gemäß den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden Regelungen der zwischen dem [X.]andelsverband [X.] und der [X.] [X.] abgeschlossenen Tarifverträge für die Beschäftigten des Einzelhandels [X.] zu berechnen, abzurechnen und auszuzahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, sie sei nicht zur Weitergabe der geltend gemachten Tariferhöhungen verpflichtet. Die Regelung in Ziffer 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrags sei eine sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des [X.]. Mit dem Austritt der Rechtsvorgängerin aus dem Arbeitgeberverband bzw. spätestens mit dem Betriebsübergang habe die dynamische Weiterentwicklung des in Bezug genommenen Tarifvertrags geendet. Es sei auch keine neue Vereinbarung hierzu geschlossen worden. Insbesondere führe das Änderungsangebot der Änderungskündigung nicht zu einem anderen Ergebnis; in diesem Zusammenhang sei kein neuer Vertrag vereinbart worden. Die bloße Verknüpfung zum ursprünglichen Vertrag genüge nicht, um dessen Regelungen zum Gegenstand einer neuen rechtsgeschäftlichen Willensbildung zu machen. Durch den Zusatz „alle übrigen Vertragsbedingungen würden unverändert bleiben“ habe gerade nichts verändert werden sollen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag zu 1. und den Feststellungsantrag zu 2. weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist überwiegend begründet.

I. Die Klageanträge sind zulässig.

1. Allerdings bedarf der [X.]eststellungsantrag der Auslegung. Bereits die Vorinstanzen sind - zutreffend - davon ausgegangen, die [X.]ormulierung „zu berechnen, abzurechnen und auszuzahlen“ dürfe nicht wörtlich verstanden werden. Das [X.] hat den Antrag unter [X.]inweis auf die entsprechende Auslegung im Urteil der 13. Kammer des [X.] vom 17. September 2015 (- 13 [X.]/15 -) dahingehend interpretiert, die Klägerin wolle festgestellt wissen, dass die [X.] ihr auch in dem nicht mehr vom Leistungsantrag umfassten Zeitraum die Zahlung einer Vergütung gemäß der Gehaltsgruppe II (nach dem 5. [X.]) der Tarifverträge für die Beschäftigten des Einzelhandels [X.] in der jeweils geltenden [X.]assung schuldet. Gegen dieses Verständnis ihres Antrags hat die Klägerin keine Einwände erhoben.

2. Mit dem so verstandenen Klageantrag wird die [X.]eststellung begehrt, dass ein bestimmter Tarifvertrag in seiner jeweils aktuellen [X.]assung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet (vgl. [X.] 5. Juli 2017 - 4 [X.] - Rn. 16, [X.]E 159, 351; insoweit kritisch [X.] 2/2018 [X.]. 2; zur grds. Zulässigkeit solcher Elementenfeststellungsklagen [X.] 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 128, 165). [X.]ür den [X.]all der dynamischen Anwendbarkeit des Tarifvertrags steht die Eingruppierung der Klägerin zwischen den Parteien außer Streit. Die [X.] stellt jedoch in Abrede, dass die nach dem Verbandsaustritt ihrer Rechtsvorgängerin bzw. nach dem Betriebsübergang abgeschlossenen Entgelttarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finden. Insoweit besteht - für den nicht mehr von dem Leistungsantrag zu 1. erfassten Zeitraum - ein rechtliches Interesse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten [X.]eststellung.

II. Die zuletzt gestellten Klageanträge sind - mit Ausnahme eines Teils der begehrten Zinsen - begründet. Die [X.] ist verpflichtet, die Klägerin nach der Vergütungsgruppe [X.] (nach 5 Jahren der Tätigkeit) des zum jeweiligen [X.]älligkeitszeitpunkt geltenden [X.] zwischen dem [X.]andelsverband [X.] und [X.] für den Einzelhandel in [X.] zu vergüten. Die Klägerin hat daher auch Anspruch auf Zahlung der begehrten 3.394,31 Euro brutto nebst Zinsen.

1. Die zuletzt im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendende arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel verweist unbedingt zeitdynamisch auf die - aktuellen - Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes [X.].

a) Der von der Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der [X.]n geschlossene Arbeitsvertrag vom [X.]ebruar 1992 nimmt in Ziffer 2 auf die Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes [X.] nebst [X.] in ihrer jeweils geltenden [X.]assung Bezug. Da die Rechtsvorgängerin der [X.]n zu jenem Zeitpunkt tarifgebundenes Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands war, haben die Vorinstanzen zutreffend angenommen, es habe sich um eine sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Senats gehandelt (vgl. zur Auslegung von sogenannten Altverträgen [X.] 23. [X.]ebruar 2011 - 4 [X.] - Rn. 17 f. mwN).

b) Die unter dem 21. Dezember 1999 und damit vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 geschlossene [X.] hat daran zunächst nichts geändert.

c) Aufgrund der in [X.]olge der Änderungskündigung vom 24. April 2009 zustande gekommenen [X.] liegt dem Arbeitsverhältnis der Parteien nunmehr jedoch ein sogenannter Neuvertrag zugrunde, der die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes [X.] dynamisch in Bezug nimmt.

aa) Der Senat hat seine oben genannte Rechtsprechung zur Auslegung vertraglicher [X.] als [X.] aufgegeben. Er wendet die [X.] lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf [X.] an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind ([X.] 14. Dezember 2005 - 4 [X.] - Rn. 24 ff., [X.]E 116, 326; 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 29 ff., [X.]E 122, 74; bestätigt durch [X.] 26. März 2009 - 1 [X.] -; 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -). Bei Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Altverträge“), kommt die Anwendung der früheren [X.] jedoch dann nicht - mehr - zum Tragen, wenn sie nach dem 31. Dezember 2001 geändert worden sind. Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen „Neu-“ oder „Altvertrag“ handelt, maßgebend darauf an, ob die Klausel - erneut - zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Nur wenn dies der [X.]all ist, wird die jeweilige Klausel von der Vertragsänderung erfasst ([X.] 8. Juli 2015 - 4 [X.] - Rn. 26; 24. [X.]ebruar 2010 - 4 [X.] - Rn. 25 mwN). Dabei ist der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass allein der Umstand einer Vertragsänderung noch nicht zwingend dazu führt, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist deshalb anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ([X.] 19. Oktober 2011 - 4 [X.] - Rn. 27). Ein deutlicher Ausdruck, dass eine zuvor bestehende [X.] erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist, liegt beispielsweise in der [X.]ormulierung, „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag [bleiben] unberührt“ (vgl. [X.] 7. Dezember 2016 - 4 [X.] - Rn. 31; 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 49, [X.]E 127, 185) oder die „dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ (vgl. [X.] 21. Oktober 2015 - 4 [X.] - Rn. 34). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „[X.]“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ([X.] 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 25, [X.]E 132, 261).

bb) Rechtsfehlerhaft hat das [X.] angenommen, die Bezugnahmeklausel in Ziffer 2 des Arbeitsvertrags sei im Zuge des Abschlusses der [X.] aufgrund der Änderungskündigung vom 24. April 2009 nicht zum Gegenstand der Willensbildung der Parteien gemacht worden.

(1) Das [X.] ist noch zutreffend davon ausgegangen, eine Änderungskündigung sei ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft (siehe [X.]: KR-Kreft 11. Aufl. § 2 [X.] Rn. 14 mwN). Anders als die Ausübung des Weisungsrechts zielt die Änderungskündigung auf eine Änderung des Vertrags ([X.] 26. Januar 2012 - 2 [X.] - Rn. 14, [X.]E 140, 328). Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein bestimmtes, zumindest [X.] und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur [X.]ortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen, wobei dieses so konkret gefasst sein muss, dass es der Arbeitnehmer ohne Weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers ([X.] 17. [X.]ebruar 2016 - 2 [X.] - Rn. 18 mwN).

Nimmt ein Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter dem in § 2 Satz 1 [X.] benannten Vorbehalt an, kommt die Änderung des Arbeitsvertrags zustande, die unter der gemäß § 8 [X.] auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der gerichtlich festzustellenden Sozialwidrigkeit steht (v[X.][X.]/L/[X.] [X.] 15. Aufl. § 2 Rn. 100). Dabei wird regelmäßig im Ergebnis davon auszugehen sein, dass bei der Annahme eines [X.] unter Vorbehalt zwar eine Kontinuität hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses besteht, allerdings aufgrund der zwei unmittelbar aneinandergereihten Arbeitsverträge insoweit eine Diskontinuität gegeben ist (vgl. [X.] 2016, 339, 340 mwN). Das spricht dafür, im [X.]alle der Annahme des [X.] durch den Arbeitnehmer stets insgesamt einen Neuvertrag anzunehmen, auch wenn Streitgegenstand der [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen ist ([X.] 26. Januar 2012 - 2 [X.] - Rn. 13, [X.]E 140, 328). Dies kann im vorliegenden [X.]all letztlich offenbleiben, weil schon die Auslegung des konkreten [X.] ergibt, dass auch die Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist.

(2) Im [X.]inblick auf den revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab kann es dahinstehen, ob es sich bei dem Angebot der Rechtsvorgängerin der [X.]n um eine atypische Willenserklärung oder um eine Willenserklärung handelte, die nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätzen auszulegen ist. Zwar unterliegt die Auslegung atypischer Willenserklärungen - anders als die Auslegung von [X.] - durch das [X.] nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das [X.] überprüft insoweit nur, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt wurden, ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet oder ob eine gebotene Auslegung völlig unterlassen worden ist (vgl. [X.] 25. Oktober 2017 - 4 [X.] - Rn. 24 mwN).

(3) Selbst wenn man unterstellt, es handele sich bei dem Änderungsangebot der Rechtsvorgängerin der [X.]n um eine atypische Willenserklärung, hält die berufungsrichterliche Auslegung dieses Angebots, das die Klägerin zunächst unter dem Vorbehalt nach § 2 Satz 1 [X.] angenommen hat, welcher mit der Rücknahme der [X.] später erlosch (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO iVm. § 4 Satz 2, § 7 [X.]albs. 2 [X.]; vgl. [X.]/[X.] 7. Aufl. § 2 [X.] Rn. 64), auch dieser eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

(a) Obwohl das [X.] unter II 2 b aa der Entscheidungsgründe die Rechtsprechung des Senats zur Auslegung solcher Angebote referiert, nach der ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende [X.] erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten wollen, beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung liegt, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“, hat es die im Änderungsangebot verwandte [X.]ormulierung „alle übrigen Vertragsbedingungen würden unverändert bleiben“ nicht näher darauf überprüft, ob damit nicht auch Ziffer 2 des Arbeitsvertrags zum Gegenstand der Erklärung gemacht worden ist.

Mit dieser [X.]ormulierung hat die Rechtsvorgängerin der [X.]n in dem schriftlichen Änderungsangebot aber gerade deutlich zum Ausdruck gebracht, alle übrigen Vertragsklauseln, die aktuell keiner Änderung unterliegen sollten, seien ebenfalls geprüft worden und sollten nicht umformuliert werden. Eine solche Umformulierung der Bezugnahmeklausel wäre aber nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform erforderlich gewesen, damit eine Bezugnahme auch weiterhin nur für den [X.]all einer Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin bestehen sollte (zu einer möglichen [X.]ormulierung einer Gleichstellungsabrede vgl. [X.] 5. Juli 2017 - 4 [X.] - Rn. 25, [X.]E 159, 351). Dementsprechend überzeugt auch der - an sich zutreffende - [X.]inweis des [X.]s nicht, die angebotenen Änderungen dürften sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist (vgl. [X.] 20. Oktober 2017 - 2 [X.] ([X.]) - Rn. 44; 18. Mai 2017 - 2 [X.] - Rn. 11). [X.]ätte die Rechtsvorgängerin der [X.]n eine neue Bezugnahmeklausel angeboten, die auch nach der Schuldrechtsreform als Gleichstellungsabrede anzusehen ist, so hätte dies gerade keine Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen dargestellt, die zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung hätte führen können.

(b) Die ausdrückliche Inbezugnahme aller übrigen „Vertrags“-Bedingungen musste die Klägerin als Empfängerin des Angebots auf den Wortlaut ihres Arbeitsvertrags beziehen. Anders als in dem Sachverhalt, über den der Senat im Urteil vom 19. Oktober 2011 (- 4 [X.] - Rn. 32 f.) entschieden hat, war das Angebot damit nicht auf die bisherigen Arbeitsbedingungen bezogen.

2. Entgegen der Rechtsansicht der [X.]n führt der Übergang des Betriebs, in dem die Klägerin beschäftigt war, am 1. Januar 2013 nicht dazu, dass die Klägerin fortan nur noch die Anwendung des in jenem Zeitpunkt geltenden [X.] verlangen konnte. Die Bezugnahmeklausel wirkt gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB im Arbeitsverhältnis mit der [X.]n dynamisch weiter.

a) Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis ein. Eine dynamische Bezugnahmeklausel geht als vertragliche Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer regelmäßig auf das nach dem Betriebsübergang bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB unter Aufrechterhaltung der Dynamik über (st. Rspr., ausf. [X.] 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 14 ff., [X.]E 132, 169). Der Erwerber wird so gestellt, als hätte er die dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Willenserklärungen, also auch die, ein bestimmtes Tarifwerk in seiner jeweiligen [X.]assung zum Inhalt des Arbeitsvertrags zu machen, selbst gegenüber dem übernommenen Arbeitnehmer abgegeben (st. Rspr., vgl. nur [X.] 30. August 2017 - 4 [X.] - Rn. 42 mwN).

b) Damit ist auch die zwischen der [X.]irma [X.] und der Klägerin vertraglich vereinbarte dynamische Verweisung auf die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes [X.] Bestandteil des ab dem 1. Januar 2013 zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden.

c) Diesem Ergebnis steht Unionsrecht nicht entgegen. Die Bindung des Erwerbers eines Betriebs an die von dessen Veräußerer mit dem Arbeitnehmer individualrechtlich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag verstößt nicht gegen unionsrechtliche Regelungen, namentlich Art. 3 [X.] 2001/23/[X.]. Art. 16 GRC.

aa) Mit Urteil vom 27. April 2017 (- [X.]/15 und [X.]/15 - [[X.] Kliniken Langen-Seligenstadt]) hat der EuG[X.] auf Vorlage des erkennenden Senats ([X.] 17. Juni 2015 - 4 [X.] (A) -) entschieden, dass die [X.] 2001/23/[X.]. Art. 16 GRC der dynamischen [X.]ortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem [X.] nicht entgegensteht, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht.

bb) Solche sowohl einvernehmlichen als auch einseitigen Anpassungsmöglichkeiten sieht die [X.] Rechtsordnung vor. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 30. August 2017 im Einzelnen ausgeführt ([X.] 30. August 2017 - 4 [X.] - Rn. 46 ff.). Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest. Die [X.] hat keine neuen Aspekte vorgebracht, die eine andere Beurteilung der [X.]rage veranlassen könnten.

3. Die Klägerin hat gegen die [X.] einen - der [X.]öhe nach unstreitigen - Anspruch auf Zahlung von 3.394,31 Euro brutto nebst Zinsen gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ein Zinsanspruch besteht jedoch frühestens ab dem 1. [X.]ebruar 2014. Der Gehaltstarifvertrag wurde erst im Dezember 2013 abgeschlossen und sah eine rückwirkende Entgelterhöhung vor. Zur Abwicklung der rückwirkenden Erhöhung sah Teil 5 des Gehaltstarifvertrags vor, dass die Ansprüche aus der Tariferhöhung für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis zum 31. Dezember 2013 durch eine Einmalzahlung im Monat Januar 2014 erfüllt werden. Mit den Differenzlohnansprüchen bis einschließlich Januar 2014 war die [X.] nach den tariflichen Regelungen zur [X.]älligkeit des Entgelts mithin erst seit dem 1. [X.]ebruar 2014 in Verzug.

4. Die Ansprüche sind nicht gemäß § 24 MTV [X.] verfallen, der eine schriftliche Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach [X.]älligkeit der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verlangt. Die Klägerin hat die Ansprüche mit ihren Schreiben vom 8. [X.]ebruar 2014 sowie vom 7. und 11. April 2014 schriftlich geltend gemacht. Wie sich aus dem Schreiben der [X.]n vom 25. März 2014 ergibt, war für sie erkennbar, welcher konkreter Rechtspositionen sich die Klägerin berühmte.

III. [X.] beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Klose     

        

        

        

    Lippok    

        

    [X.]äseler-Wallwitz    

                 

Meta

4 AZR 208/17

27.03.2018

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 25. August 2016, Az: 10 Ca 2714/16, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 2 S 1 KSchG, § 611a BGB, EGRL 23/2001, Art 16 EUGrdRCh

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.03.2018, Az. 4 AZR 208/17 (REWIS RS 2018, 11538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11538


Verfahrensgang

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Az. 4 AZR 208/17

Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 208/17, 27.03.2018.


Az. 10 Ca 2714/16

Arbeitsgericht Düsseldorf, 10 Ca 2714/16, 25.08.2016.


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