Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.06.2015, Az. VII S 11/15

7. Senat | REWIS RS 2015, 10331

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Gegenstand

Keine Verpflichtung zu Übersendung von Behördenakten an das FG, um deren Einsicht im Klageverfahren gestritten wird


Leitsatz

1. NV: Bei den dem FG nach § 71 Abs. 2 FGO zu übermittelnden "den Streitfall betreffenden Akten" handelt es sich i.d.R. nur um diejenigen Akten der beklagen Finanzbehörde, welche die Vorgänge des dem finanzgerichtlichen Verfahren unmittelbar vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens einschließlich des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens beinhalten.

2. NV: Das FG ist berechtigt, weitere Behördenakten beizuziehen, soweit eine Sachaufklärung durch diese Akten erwartet werden kann.

3. NV: Die Behörde ist nicht verpflichtet, dem FG Akten oder Aktenteile zu übermitteln, um deren Einsichtnahme durch den Kläger in dem finanzgerichtlichen Verfahren gestritten wird.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Aufgrund einer dem Beklagten und Antragsgegner (Finanzamt --[X.]--) gegebenen Information über eine dem Kläger und Antragsteller (Kläger) im Zusammenhang mit seiner Handelsvertretertätigkeit geleisteten Zahlung in Höhe von … € erließ das [X.] einen an den Kläger gerichteten geänderten Umsatzsteuerbescheid 2008.

2

Der Kläger vermutet, diese dem [X.] gegebene Information stamme von einer bestimmten Person, und begehrte Einsicht in die Akten des [X.], um zu klären, ob seine Vermutung zutrifft. Das [X.] lehnte den Antrag auf Akteneinsicht ab. Der Einspruch des [X.] blieb ohne Erfolg.

3

Der Kläger hat daraufhin beim Finanzgericht ([X.]) Klage mit dem Antrag erhoben, das [X.] zu verpflichten, ihm vollständige Akteneinsicht zu gewähren, hilfsweise, ihm auszugsweise Akteneinsicht zu gewähren, soweit es sich um die dem [X.] gegebene Information über die geleistete Zahlung handelt.

4

Zu diesem Klageverfahren hat das [X.] dem [X.] verschiedene Akten übersandt, die der Kläger eingesehen hat. Der Aufforderung des [X.], weitere Akten zu übersenden, ist das [X.] nachgekommen, hat jedoch eingeräumt, dass diese Akten nicht diejenigen Unterlagen enthalten, welche zur Kenntnis des [X.] über die dem Kläger geleistete Zahlung geführt haben.

5

Auf einen entsprechenden Hinweis des [X.] hat der Kläger "den Antrag auf Entscheidung durch den [X.] gem. § 86 Absatz 3 [X.]O" gestellt. Das [X.] hat daraufhin mit Beschluss vom 11. Mai 2015 dem [X.] ([X.]) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Weigerung des [X.], die vollständigen Akten bezüglich der Umsatzsteuer 2008 zur Einsicht vorzulegen, rechtmäßig ist.

Entscheidungsgründe

6

II. Der (sinngemäß) gestellte Antrag des [X.], gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) festzustellen, dass die Verweigerung der Vorlage der vollständigen [X.] rechtswidrig ist, hat keinen Erfolg.

7

Nach § 71 Abs. 2 [X.]O hat das [X.] dem [X.] "die den Streitfall betreffenden Akten" zu übermitteln. Bei diesen handelt es sich im vorliegenden Fall allein um den beim [X.] angelegten Vorgang "Ablehnung Akteneinsicht", der dem [X.] übermittelt worden ist und der im Wesentlichen den an das [X.] gerichteten Antrag des [X.] auf Akteneinsicht, die ablehnende Entscheidung des [X.], den hiergegen erhobenen Einspruch des [X.] sowie die Einspruchsentscheidung enthält.

8

Das [X.] ist zwar im Rahmen der ihm obliegenden Sachverhaltsermittlung (§ 76 Abs. 1 [X.]O) berechtigt, weitere Behördenakten beizuziehen, und die jeweiligen Behörden sind unter den in § 86 Abs. 1 und 2 [X.]O genannten Voraussetzungen zu deren Vorlage verpflichtet, allerdings nur, soweit eine Sachaufklärung durch diese Akten erwartet werden kann, was das [X.] erforderlichenfalls darzulegen hat (Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 86 Rz 4). Im Streitfall ist indes weder seitens des [X.] begründet worden noch sonst erkennbar, weshalb das [X.] die vom [X.] zurückgehaltenen Unterlagen für seine Entscheidung benötigt.

9

Nach den Angaben des [X.] ist der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2008 rechtsbeständig, da die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom Kläger nicht angefochten worden ist. Diese (der Aktenlage entsprechenden) Angaben hat der Kläger lediglich pauschal, nicht jedoch substantiiert bestritten. Darüber hinaus ist auch dem Vorbringen des [X.] selbst zu entnehmen, dass er die Einsicht in die vom [X.] bisher nicht übersandten Unterlagen nicht für seine steuerlichen Belange begehrt. Ob das [X.] dem Kläger unter diesen Umständen die beantragte Akteneinsicht zu Recht (ermessensfehlerfrei) versagt hat, wird das [X.] zu entscheiden haben. Die Vorlage der umstrittenen Aktenbestandteile, aus denen sich offenbar der Name des Informanten ergibt, ist für diese Entscheidung nicht erforderlich.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ist aber das [X.] jedenfalls nicht zur Übersendung der streitigen Aktenbestandteile verpflichtet, weil damit die dem [X.] zur Entscheidung vorliegende Hauptsache vorweggenommen würde. Wäre das [X.] zur Übersendung auch der streitigen Unterlagen an das [X.] verpflichtet, könnte der Kläger nach § 78 Abs. 1 [X.]O "die dem Gericht vorgelegten Akten", also auch diese Unterlagen einsehen. Damit hätte sich der Rechtsstreit bereits durch das Zwischenverfahren des § 86 Abs. 3 [X.]O erledigt. Das entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Die unter den Voraussetzungen des § 86 [X.]O dem [X.] vorzulegenden bzw. zu übermittelnden Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte dienen der dem [X.] nach § 76 Abs. 1 [X.]O obliegenden Sachverhaltsermittlung, auf deren Grundlage es über die erhobene Klage rechtlich entscheidet. Im Streitfall ist die streitige Offenlegung von Aktenbestandteilen jedoch keine der Klärung des Sachverhalts dienende Voraussetzung, sondern das eigentliche Ziel der Klage.

Das Zwischenverfahren des § 86 Abs. 3 [X.]O ist ein selbständiges Nebenverfahren, so dass eine Kostenentscheidung zu treffen ist ([X.] vom 15. Oktober 2009 [X.], [X.], 54). Nach § 135 Abs. 1 [X.]O hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Meta

VII S 11/15

03.06.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

§ 71 Abs 2 FGO, § 76 Abs 1 FGO, § 78 Abs 1 FGO, § 86 Abs 1 FGO, § 86 Abs 2 FGO, § 86 Abs 3 FGO, § 143 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.06.2015, Az. VII S 11/15 (REWIS RS 2015, 10331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10331

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15 K 1212/19

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