Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2010, Az. III ZR 140/09

3. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5489

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Gegenstand

Haftung der Bundesrepublik Deutschland wegen unvollständiger Richtlinienumsetzung: Ausschluss von Sendeunternehmen vom Vergütungsaufkommen der urheberrechtlichen Geräte- und Leerträgervergütung


Leitsatz

Dass die Sendeunternehmen nach § 87 Abs. 4 UrhG vom Vergütungsaufkommen der Geräte- und Leerträgervergütung (§ 54 Abs. 1 UrhG) ausgeschlossen sind, stellt im Sinne des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs keinen qualifizierten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dar .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 14. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der [X.] wird auf 30.000.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin, eine Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen, nimmt in Wahrnehmung der Rechte von privaten Hörfunk- und Fernsehunternehmen die beklagte [X.] auf Schadensersatz wegen fehlerhafter bzw. unvollständiger Umsetzung der Richtlinie 2001/29/[X.] und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ([X.]. [X.] Nr. L 167 S. 10; im Folgenden: Richtlinie) in Anspruch. Sie wendet sich gegen die Regelung in § 87 Abs. 4 [X.], nach der Sendeunternehmen - anders als Inhaber anderer Leistungsschutzrechte - nicht an der Geräte- und Speichermedienabgabe nach § 54 Abs. 1 [X.] beteiligt werden, was die Klägerin für nicht mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vereinbar hält.

2

Die Vorinstanzen ([X.], [X.] 2008, 608; [X.], [X.], 64) haben die zuletzt auf Schadensersatz in Höhe von 87.640.000 € nebst Zinsen für die Jahre 2003 bis 2005 und auf Feststellung der Ersatzpflicht wegen der seit dem [X.] entstandenen und künftig entstehenden Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.

II.

3

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

4

1. Nach Art. 2 der Richtlinie, die bis zum 22. Dezember 2002 in nationales Recht umzusetzen war (Art. 13 Abs. 1), sehen die Mitgliedstaaten für im Folgenden aufgeführte Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten. Nach Buchst. e gilt dies für Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden. Nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten Ausnahmen und Beschränkungen dieses [X.] vorsehen, etwa nach Buchst. b in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten. Der [X.] geht - in Übereinstimmung mit beiden Parteien - davon aus, dass es sich bei Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie, der Ausnahmen von dem nach Art. 2 der Richtlinie bestehenden Vervielfältigungsrecht nur unter der Bedingung eines gerechten Ausgleichs eröffnet, um eine Rechtsnorm handelt, deren Zweck es ist, im Sinn der ersten Voraussetzung für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch (vgl. hierzu [X.]surteil vom 4. Juni 2009 - [X.] - [X.], 199, 206 Rn. 13 m.w.N.) den (hier betroffenen) Sendeunternehmen Rechte zu verleihen.

5

2. Nach nationalem Recht sind nach näherer Maßgabe des § 53 [X.] einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, zulässig. Ist nach Art des Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] vervielfältigt wird, hat der Urheber des Werkes nach § 54 Abs. 1 [X.] gegen den Hersteller von Geräten und von Speichermedien, deren Typ zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Dieser Anspruch kommt Sendeunternehmen nach § 87 Abs. 4 [X.] nicht zu, weil zwar die in Teil 1 Abschnitt 6 des [X.] normierten Schranken des Urheberrechts für sie entsprechend gelten, nicht aber die Regelung des § 54 Abs. 1 [X.].

6

3. Die Beschwerde steht auf dem Standpunkt, Wortlaut und Inhalt der Regelungen in Art. 2 und Art. 5 der Richtlinie, deren 35. Erwägungsgrund sowie Systematik und Entstehungsgeschichte dieser Regelungen sprächen für einen inhaltlich hinreichend bestimmbaren Anspruch der Sendeunternehmen auf einen finanziellen Ausgleich, wenn ihr ausschließliches Vervielfältigungsrecht eingeschränkt werde. Ein solcher Anspruch hätte zur Folge, dass § 87 Abs. 4 [X.] mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nicht zu vereinbaren sei. Die Beschwerde wirft damit Fragen nach der Auslegung der Richtlinie auf, die - speziell bezogen auf Sendeunternehmen, die allein und nur in dieser Funktion von der Anwendung des § 54 Abs. 1 [X.] ausgenommen werden (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 1998 - [X.] - [X.]Z 140, 94, 100) - abschließend und verbindlich nur durch den Gerichtshof der [X.] im Wege einer Vorlage nach Art. 267 AEUV (früher Art. 234 [X.]) beantwortet werden könnten. Eine Zulassung der Revision zur Einholung einer entsprechenden Vorabentscheidung ist gleichwohl nicht geboten, weil das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ein denkbarer Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie sei jedenfalls nicht hinreichend qualifiziert.

7

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist ein Verstoß gegen das [X.]srecht hinreichend qualifiziert, wenn der betreffende Mitgliedstaat bei der Wahrnehmung seiner Rechtssetzungsbefugnisse die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat ([X.], Urteile vom 5. März 1996 - verbundene [X.]. [X.]/93 und [X.]/93 - Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, [X.], 1150 = NJW 1996, 1267, 1270 Rn. 55; vom 13. März 2007 - [X.]. [X.]/04 - Test Claiments in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, [X.], 2205 Rn. 118; aus der Rechtsprechung des [X.]s vgl. Urteile vom 24. Oktober 1996 - [X.] - [X.]Z 134, 30, 38 ff; vom 22. Januar 2009 - [X.]/07 - NJW 2009, 2534, 2536 Rn. 22). Diesem restriktiven Haftungsmaßstab, den der Gerichtshof seiner Rechtsprechung zur außervertraglichen Haftung der [X.] (vgl. jetzt Art. 340 AEUV) entnommen hat, liegt die Erwägung zugrunde, dass die Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit, insbesondere bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen, [X.] durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden darf, wenn [X.] den Erlass von Maßnahmen gebieten, die die Interessen des Einzelnen beeinträchtigen können ([X.], Urteile vom 5. März 1996 aaO [X.] f Rn. 45; vom 26. März 1996 - [X.]. [X.]/93 - [X.] - Slg. 1996, [X.], 1668 Rn. 40). Nur wenn der Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte, kann schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen ([X.], Urteile vom 8. Oktober 1996 - [X.]. [X.] - [X.] - Slg. 1996, [X.], 4879 f Rn. 25; vom 13. März 2007 aaO Rn. 118). Um festzustellen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die für den dem nationalen Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich begangen bzw. zugefügt wurde oder nicht, die Frage, ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in [X.] Weise eingeführt oder aufrechterhalten wurden ([X.], Urteile vom 4. Dezember 2003 - [X.]. [X.]/01 - [X.] - Slg. 2003, [X.], 14524 Rn. 86; vom 25. Januar 2007 - [X.]. [X.]/05 - [X.] - Slg. 2007, [X.], 1103 Rn. 77; vom 13. März 2007 aaO Rn. 119).

8

b) Gemessen an diesen Maßstäben, die das Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben hat, gibt die angefochtene Entscheidung zu einer Zulassung der Revision keinen Anlass.

9

aa) Was das Maß an Klarheit und Genauigkeit der von der Klägerin als nicht ordnungsgemäß umgesetzt gerügten Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie angeht, hat das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben, dass der Begriff des "gerechten Ausgleichs" nicht mit dem einer "angemessenen Vergütung" gleichzusetzen ist, wie er in verschiedenen Bestimmungen der Richtlinie 1992/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und der sie ersetzenden Richtlinie 2006/115/[X.] und des Rates vom 12. Dezember 2006 verwendet wird (vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 11. Mai 2010 in der die Richtlinie 2001/29/[X.] betreffenden Rechtssache [X.]7/08 - BeckRS 2010, 90570 Rn. 70). Es hat - unter Bezugnahme auf Erklärungen der [X.] zur Zusammenfassung von [X.] der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates vom 17. Januar 2000 - auf die diesem Begriff innewohnende Flexibilität aufmerksam gemacht und den auf Art. 5 bezogenen Erwägungsgrund 35 der Richtlinie näher analysiert. Dabei ist es zu dem Ergebnis gekommen, dem genannten Erwägungsgrund lasse sich nicht entnehmen, dass ein gerechter Ausgleich in jedem Fall in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen müsse; bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe des gerechten Ausgleichs müssten die Umstände eines jeden Falls berücksichtigt werden und bei nur geringfügigen Nachteilen ergebe sich gegebenenfalls keine Zahlungsverpflichtung. Es hat sich auch auf den Erwägungsgrund 31 bezogen, der mit seiner Forderung nach einem angemessenen Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien der Rechtsinhaber und Nutzer gegen eine schematische Gleichbehandlung der in Art. 2 der Richtlinie genannten Inhaber von Schutzrechten spreche. Damit hat das Berufungsgericht zutreffend auf Gesichtspunkte hingewiesen, die sich für einen erheblichen Ermessensspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Ausgestaltung eines solchen Ausgleichs anführen lassen.

bb) Dass dem Mitgliedstaat überlassen bleibt, ob er von Ausnahmen und Beschränkungen des [X.] nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie Gebrauch machen will und wie er den angemessenen Ausgleich im Einzelnen ausgestaltet, räumt auch die Beschwerde der Klägerin ein (vgl. hierzu Schlussanträge aaO Rn. 43 f, 82). Sie meint jedoch, die Regelung in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie lasse den Mitgliedstaaten keinerlei Ermessensspielraum, ob sie bei Ausnahmen oder Beschränkungen des [X.] einen gerechten Ausgleich gewähren wollten.

(1) Daran ist richtig, dass der gerechte Ausgleich als Bedingung für Ausnahmen und Beschränkungen des [X.] formuliert ist und sich dem Erwägungsgrund 35 als Ziel eines solchen gerechten Ausgleichs entnehmen lässt, dass der Rechtsinhaber für die Nutzung seines geschützten Werks oder sonstigen Schutzgegenstands angemessen vergütet wird (vgl. Schlussanträge aaO Rn. 66, 79). Die Generalanwältin hat sich auch - anders, als das Berufungsgericht erwogen hat - dafür ausgesprochen, die Richtlinie so zu verstehen, dass sie die Sicherstellung eines finanziellen Ausgleichs zwischen den Urhebern und Nutzern als Ergebnis vorgibt, wenn der Mitgliedstaat Ausnahmen oder Beschränkungen des [X.] nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vorsehen möchte (Schlussanträge aaO Rn. 83).

(2) Dennoch bleibt nach dem Erwägungsgrund 35 weitgehend offen, in welcher Weise die besonderen Umstände eines jeden Falls bei der Festlegung der Form und der etwaigen Höhe eines gerechten Ausgleichs berücksichtigt werden sollen, um den jeweiligen Rechtsinhabern die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen zu vergüten und, was hier zusätzlich von Bedeutung ist, ob der nationale Gesetzgeber - ungeachtet der von der Klägerin reklamierten erheblichen Beträge entgangener Werbeeinnahmen - nicht zu der Einschätzung gelangen durfte, die nicht kommerzielle Vervielfältigung zum privaten Gebrauch bewirke für die Sendeunternehmen - anders als bei ausübenden Künstlern und anderen Leistungsschutzberechtigten der phonographischen Wirtschaft und der Filmwirtschaft - nur einen geringfügigen Nachteil, der keine Zahlungsverpflichtungen auslöse.

(a) Ausweislich der Begründung der Bundesregierung zum [X.] in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 ([X.]) hat sich der Gesetzgeber mit einer Beteiligung der Sendeunternehmen an der [X.] eingehend beschäftigt und insoweit auch die Anforderungen der Richtlinie im Auge gehabt (vgl. BT-Drucks. 16/1828 S. 16 ff). Die Einschätzung der Bundesregierung, eine solche Regelung sei europarechtlich nicht geboten, weil der Erwägungsgrund 35 Ausnahmen und Beschränkungen in bestimmten Fällen auch ohne Kompensation zulasse und weil die Richtlinie die Frage nicht beantworte, ob die Sendeunternehmen an der [X.] beteiligt werden sollten, kann sich zur Begründung immerhin auf den Wortlaut der zitierten Textstellen beziehen. Der Regierungsentwurf zieht hieraus den auch im anhängigen Verfahren als richtig festgestellten Schluss, demgemäß seien die diesbezüglichen Regelungen in den [X.] unterschiedlich ausgestaltet.

(b) Grundsätzlich hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 54 Abs. 1 [X.] für den Bereich der Privatkopien einen Ausgleich vorgesehen, der den Anforderungen in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie gerecht wird. Das sieht auch die Klägerin nicht anders, die allerdings an diesen Vergütungen beteiligt werden möchte. Es bestand daher in der [X.] bereits vor dem für die Richtlinie maßgebenden Umsetzungsdatum eine Normsituation, in der zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von [X.] ein Rechts- und Interessenausgleich hergestellt war. Dabei ist hervorzuheben, dass die Sendeunternehmen insoweit an den angesprochenen Vergütungen beteiligt sind, als sie Eigenproduktionen in [X.] oder durch Lizenznehmer vervielfältigen und der Öffentlichkeit anbieten (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 1998 - [X.] - [X.]Z 140, 94, 100). Bei seiner Entscheidung gegen eine Beteiligung der Sendeunternehmen an der [X.] hat der Gesetzgeber zum einen erwogen, dass der Kernbereich des Leistungsschutzrechts der Sendeunternehmen - das Recht der Weitersendung und der öffentlichen Wiedergabe - durch private Vervielfältigungen nicht berührt werde, unabhängig davon, ob die Sendung gebühren- oder werbefinanziert sei. Zum anderen hat er auch das Verhältnis zu den übrigen Vergütungsberechtigten im Auge gehabt und darauf abgestellt, dass Sendeunternehmen als Tonträger- oder Filmhersteller am Vergütungsaufkommen für private Aufzeichnungen beteiligt werden und dass eine weitergehende Beteiligung am Vergütungsaufkommen zu Lasten der Urheber, der ausübenden Künstler und der anderen Leistungsschutzberechtigten der phonographischen Wirtschaft und der Filmwirtschaft ginge. Wolle man die Sendeunternehmen mit ihrem Recht der Weitersendung und der öffentlichen Wiedergabe in den Kreis der Vergütungsberechtigten einbeziehen, müsse dem durch Korrekturen des [X.] an anderer Stelle Rechnung getragen werden, damit das Gesamtkonzept des Schutzes von Urhebern und ausübenden Künstlern sowie des Leistungsschutzes von Tonträgerherstellern, Filmherstellern und Sendeunternehmen in sich stimmig bleibe. Denn gegenwärtig müssten es die ausübenden Künstler aufgrund des [X.] in § 78 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 [X.] hinnehmen, dass die Sendeunternehmen alle erschienenen Tonträger - ohne einer Erlaubnis zu bedürfen - senden. Sie hätten lediglich einen Vergütungsanspruch, an dem die Tonträgerhersteller beteiligt seien. Es erschiene unausgewogen, den Sendeunternehmen diese Nutzung nicht nur zu gestatten, sondern ihnen darüber hinaus auch noch dafür, dass sie die Tonträger senden dürften, eine Beteiligung an der Vergütung zu gewähren (vgl. BT-Drucks. 16/1828 S. 17).

Hiernach hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Beteiligung der Sendeunternehmen an den Einnahmen aus der Pauschalvergütung für Geräte und Leerträger vor allem auch im Auge gehabt, dass zwischen den verschiedenen Rechtsinhabern ein ausgewogenes Verhältnis bestehen bleibt, wobei sich aus der Begründung des [X.] ergibt, dass die Beteiligung der Sendeunternehmen am Vergütungsaufkommen unter Berücksichtigung der gesamten Rahmenbedingungen bei einer globalen Betrachtungsweise als angemessen und ausgewogen angesehen worden ist. Diese Überlegungen, die jedenfalls dem im Erwägungsgrund 31 formulierten Grundsatz eines angemessenen Rechts- und Interessenausgleichs zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern gerecht werden wollen, entfernen sich auch nicht so weit von den in den Sätzen 2, 4 und 6 des [X.] 35 formulierten Leitlinien für einen gerechten Ausgleich im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie, dass man davon sprechen könnte, die Beklagte habe die Grenzen, die der Ausübung ihrer Befugnisse gesetzt seien, offenkundig und erheblich überschritten. Vor allem rechtfertigen sie auch nicht den von der Beschwerde erhobenen Vorwurf, die Beklagte habe von einer Umsetzung der Richtlinie in diesem Punkt überhaupt abgesehen.

(c) Aus den von der Beschwerde überreichten Schlussanträgen der Generalanwältin in der Rechtssache [X.]7/08 ergeben sich keine Gesichtspunkte, die die Annahme eines qualifizierten Verstoßes der Beklagten gegen Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie begründen würden. Dass der Begriff "gerechter Ausgleich" als autonomer Begriff des [X.]srechts anzusehen ist, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen und innerhalb der vom [X.]srecht und der Richtlinie gezogenen Grenzen umzusetzen ist, hat die [X.] Regierung in dem angeführten Verfahren selbst so gesehen (vgl. Schlussanträge aaO Rn. 28). Auch der [X.] unterstellt dies bei der hier vorzunehmenden Beurteilung. Der [X.] legt seiner Entscheidung ferner zugrunde, dass die Richtlinie in Art. 5 Abs. 2 die Sicherstellung eines finanziellen Ausgleichs zwischen den Urhebern und Nutzern als Ergebnis vorgibt, wenn der Mitgliedstaat Ausnahmen oder Beschränkungen des [X.] nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vorsehen möchte (Schlussanträge aaO Rn. 83), und dass der gerechte Ausgleich im Wege einer Abwägung der Interessen der Rechtsinhaber und Nutzer erreicht werden muss (Schlussanträge aaO Rn. 74, 84). Daraus folgt jedoch nicht, wie die Beschwerde meint, dass der in dem Erwägungsgrund 31 genannte Grundsatz eines angemessenen Rechts- und Interessenausgleichs zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern keinerlei Rolle spielen würde. Hierzu Stellung zu nehmen, hatte die Generalanwältin im Hinblick auf die gestellten Vorlagefragen keinen Anlass, und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich der Gerichtshof in der anstehenden Entscheidung dazu äußern wird.

cc) Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Verhalten der [X.], der kraft ihres Amtes die Aufgabe zufällt, die Ausführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten im allgemeinen Interesse zu überwachen und etwaige Verstöße gegen die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen feststellen zu lassen (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2009 - [X.]. [X.]/06 - [X.] - EuZW 2009, 334, 337 Rn. 43), gleichwohl aber gegen die Beklagte kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, und den Umstand, dass die überwiegende Mehrzahl der [X.] Nachbarländer sich gegen eine finanzielle Entschädigung der Sendeunternehmen bei einer entsprechenden Beschränkung ihres [X.] entschieden haben, unterstützend dafür anführt, dass die Beklagte - wenn man überhaupt einen Richtlinienverstoß annehmen wollte - einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen wäre. Dabei ist sich der [X.] durchaus bewusst, dass die [X.] nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich über ein Ermessen verfügt, das ein Recht Einzelner, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen, ausschließt (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2009 aaO S. 337 f Rn. 44; [X.]surteil vom 4. Juni 2009 - [X.] - [X.], 199, 218 Rn. 37).

c) Diese Beurteilung kann der [X.] treffen, ohne zu einer Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der [X.] verpflichtet zu sein. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts ist, anhand der vom Gerichtshof genannten Kriterien (siehe oben 3 a) die erforderlichen Feststellungen zu treffen und damit darüber zu befinden, ob ein Verstoß gegen das Recht der [X.] hinreichend qualifiziert ist (vgl. Urteile vom 30. September 2003 - [X.]. [X.]/01 - [X.] - Slg. 2003, [X.], 10311 = NJW 2003, 3539, 3541 Rn. 54; vom 25. Januar 2007 aaO [X.] Rn. 76).

4. Auch im Übrigen weist die angefochtene Entscheidung keine zulassungsbegründenden Rechtsfehler auf. Von einer näheren Begründung wird abgesehen.

Schlick                                    Dörr                                Wöstmann

                     Seiters                               [X.]

Meta

III ZR 140/09

24.06.2010

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 14. April 2009, Az: 9 U 3/08, Urteil

Art 340 AEUV, Art 2 Buchst e EGRL 29/2001, Art 5 Abs 2 Buchst b EGRL 29/2001, § 54 Abs 1 UrhG, § 87 Abs 4 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2010, Az. III ZR 140/09 (REWIS RS 2010, 5489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5489


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2065/10

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2065/10, 10.11.2010.


Az. III ZR 140/09

Bundesgerichtshof, III ZR 140/09, 24.06.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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