Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2008, Az. XI ZR 211/07

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3528

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 211/07 Verkündet am: 10. Juni 2008 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja BGB §§ 308 Nr. 4, 488 Die Unwirksamkeit einer unbestimmten [X.] bei auf eine län-gere Laufzeit angelegten Sparverträgen führt nicht dazu, dass der im Vertrag genannte [X.] von der Bank für die gesamte Laufzeit geschuldet wird. [X.], Urteil vom 10. Juni 2008 - [X.] [X.] LG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 10. Juni 2008 durch [X.] h.c. [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17. Zivilse-nats des [X.]s [X.] vom 20. März 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe des Zinssatzes für Spareinlagen auf zwei [X.]n. 1 Die Klägerin unterhält bei der beklagten Sparkasse zwei im Sep-tember 1991 geschlossene, mit einer Frist von drei Monaten kündbare [X.]. Diese sehen neben der laufenden Verzinsung gleich bleibender monatlicher Spareinlagen am Ende der bis zu 25 Jahre betragenden Laufzeit eine nach Ablauf von drei Jahren laufend anstei-gende einmalige Sparprämie vor. Beide Formularverträge enthalten zu den laufenden Zinsen folgende Klausel: 2 - 3 - "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz für Spareinlagen dieser Art, zur [X.] 4%, bei Beendigung des Sparvertrages auf die Summe der bis dahin vertragsgemäß erbrachten [X.] eine einmalige und unverzinsliche Prämie." 3 Die Ziffer "4" wurde in die [X.] handschriftlich einge-tragen. In Anwendung dieser [X.] reduzierte die [X.] die laufenden Zinsen. Die Verzinsung entsprach jeweils dem marktüblichen Zinssatz.
Die Klägerin hält die [X.] für unwirksam und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte auf das angesparte Kapital für die gesamte Vertragslaufzeit Zinsen von 4% zu gewähren hat. 4 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelas-sen. 5 Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. 6 - 4 - [X.] 7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: 8 Die [X.] sei wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, da sie für die [X.] nicht zumutbar sei. Die Unzumutbarkeit ergebe sich daraus, dass sie der Beklagten die [X.] zur Änderung des Zinssatzes ohne Bindung an bestimmte Para-meter des Kapitalmarktes eröffne. Die durch die Unwirksamkeit der [X.] entstandene Regelungslücke sei in [X.]gelung einer entsprechen-den gesetzlichen Regelung im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Parteien eine variable Verzinsung der Sparguthaben wirksam vereinbart hätten. Die Klägerin könne deshalb nicht eine Verzinsung ihrer Spareinlagen mit 4% für die gesamte Laufzeit verlangen. Die Regelungslücke sei vielmehr durch er-gänzende Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass die Verzinsung der Spareinlagen zwar den sich ändernden [X.] angepasst werden könne, aber von dem marktüblichen Zinssatz für An-lagen vergleichbarer Art nicht wesentlich abweichen dürfe.
I[X.] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in allen entscheidungserheblichen Punkten stand. 9 - 5 - 1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die streitige formularmäßige [X.] sei wegen Verstoßes gegen § 308 Abs. 4 BGB, der nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auf die [X.] aus dem Jahre 1991 anwendbar ist, unwirksam, ist zutreffend. 10 11 a) Die Unwirksamkeit ergibt sich allerdings, wie das Berufungsge-richt richtig gesehen hat und auch von der Revision nicht verkannt wird, nicht etwa daraus, dass der Beklagten überhaupt ein Recht zur Anpas-sung des Zinssatzes für die Spareinlagen in den auf eine längere Lauf-zeit angelegten [X.]n eingeräumt worden ist. Ob die Parteien bei Spareinlagen eine gleich bleibende oder aber eine variable Verzinsung vereinbaren, ist ihre durch gesetzliche Vorschriften nicht vor-gegebene Entscheidung und unterliegt damit keiner [X.] (Senat, [X.]Z 158, 149, 152 f.). Die Statuierung eines einseitigen Zins-änderungsrechts der Bank oder Sparkasse in [X.] bei vereinbarter variabler Verzinsung von Spareinlagen ist für den Sparer danach nicht grundsätzlich unzumutbar ([X.]Z 158, 149, 156; [X.] WM 2003, 1169, 1172; OLG Düsseldorf NJW 2004, 1532, 1535). b) Die Unzumutbarkeit kann sich vielmehr nur aus der [X.], die bei formularmäßiger Vereinbarung anerkanntermaßen der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB unterliegt, ergeben. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 17. Februar 2004 ([X.]Z 158, 149, 153 ff.) für eine vergleichbare Klausel entschieden hat, weist die nicht näher begrenzte Befugnis eines Kreditinstituts, dem Spa-rer den jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz zu [X.], nicht das erforderliche Mindestmaß an [X.] möglicher 12 - 6 - Zinsänderungen auf. Die Klausel lässt weder die Voraussetzungen noch den Umfang der Änderungen erkennen, ermöglicht eine Änderung des Zinssatzes ohne Rücksicht auf das bei Vertragsbeginn bestehende Äqui-valenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung und ist damit für den Sparer jedenfalls bei auf eine längere Laufzeit angelegten [X.] ([X.]Z 158, 149, 155; [X.], [X.]. § 308 Nr. 4 Rdn. 10; [X.]/[X.], [X.]. § 308 Rdn. 35; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 309 Rdn. 10; [X.], in: [X.]/ [X.]/[X.], AGB-Recht 10. Aufl. § 308 Nr. 4 Rdn. 10 b; [X.] BKR 2007, 190, 191). c) Die streitige [X.] ist danach, wovon das [X.] zu Recht ohne Weiteres ausgegangen ist, nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Dies führt aber, wie auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, nicht zur Unwirksamkeit der [X.] insgesamt. 13 2. Die Unwirksamkeit der Klausel hat entgegen der Ansicht der Revision auch nicht zur Folge, dass die Beklagte der Klägerin den bei Abschluss der [X.] genannten Zinssatz von "zur [X.] 4%" für die gesamte Laufzeit der [X.] schuldet. 14 a) Anders als die Revision meint, ist die unwirksame Klausel nicht in der Weise teilbar, dass sie in eine unwirksame [X.] und durch Streichung der Worte "neben dem jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz für Spareinlagen dieser Art" in eine Verein-barung eines festen Zinssatzes von 4% für die gesamte Laufzeit des [X.] aufgeteilt werden kann. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil 15 - 7 - der Zusatz von "zur [X.]" 4% in den vorliegenden [X.]n auch dann noch unmissverständlich deutlich macht, dass es sich um ei-nen variablen [X.] handelt. 16 Vor allem aber verkennt die Revision, dass zwischen dem "Ob" und dem "Wie" einer Zinsanpassung zu differenzieren ist (MünchKomm/ [X.], [X.]. § 488 Rdn. 182). Die von den Parteien getroffene Entscheidung für [X.] wird hier zwar durch eine den [X.] nicht entsprechende, weil zu unbestimmte [X.] ergänzt, ist aber auch ohne diese ohne Weiteres möglich, sinnvoll und wirksam, da sie keine bestimmte Methode der Zinsanpassung voraus-setzt. Bei der Vereinbarung von [X.] handelt es sich vielmehr um eine eigenständige, ihrerseits nicht gegen ein Klauselverbot versto-ßende, sondern kontrollfreie Preisregelung der Parteien. Sie ist weder denknotwenig noch praktisch zwingend mit dem unbeschränkten Zinsan-passungsrecht einer Vertragspartei verknüpft. Die Variabilität des Zins-satzes kann rechtlich vielmehr ohne Weiteres auch isoliert vereinbart werden, etwa in Form eines bloßen Anpassungsanspruchs ([X.], 1169, 1173).
Die Aufteilung einer AGB-Klausel in eine kontrollfreie, wirksame Vereinbarung von [X.] und eine der Inhaltskontrolle unterlie-gende, unwirksame Bestimmung über die Art und Weise der Zinsanpas-sung ist daher entgegen der Ansicht der Revision ohne Weiteres möglich (vgl. MünchKomm/[X.], [X.]. § 488 Rdn. 182; Bruchner, in: Bruchner/[X.], Variable Zinsklauseln Rdn. 246; [X.], 753, 760; [X.], 1169, 1175 f.; [X.]/[X.] ZIP 2006, 214, 218; a.A. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht 10. Aufl. 17 - 8 - § 308 Nr. 4 Rdn. 11; [X.] BKR 2007, 190, 193). Auch unter Berück-sichtigung des Verbots geltungserhaltender Reduktion ist sie sogar zwingend geboten, weil eine kontrollfreie Vereinbarung von [X.] und die damit wirksam getroffene Entscheidung der Parteien gegen einen festen Zinssatz nicht gegen den erklärten Parteiwillen in ihr Ge-genteil verkehrt werden dürfen. Es kann daher, anders als die Revision meint, keine Rede davon sein, vereinbarte [X.] und konkrete [X.] ließen sich nicht trennen, so dass die Klägerin den - von den Parteien variabel vereinbarten - [X.] von 4% ohne Rücksicht auf geänderte Kapitalmarktverhältnisse für die gesamte Laufzeit der [X.] beanspruchen könne. b) Die infolge der Unwirksamkeit nur der [X.], nicht auch der Vereinbarung über die [X.], entstandene Lücke in den [X.]n ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, vielmehr, da [X.] Gesetzesrecht fehlt, im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen (st.Rspr., vgl. nur [X.]Z 62, 84, 89; 90, 69, 75; 107, 273, 276; 143, 104, 120; 164, 297, 309 f., 312 f.). Entscheidend ist danach, welche Regelung von den [X.] in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten [X.] nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) als redli-che Vertragspartner gewählt worden wäre ([X.]Z 143, 104, 121; 164, 286, 292). Von wesentlicher Bedeutung ist insoweit die von den Parteien getroffene Grundsatzentscheidung für [X.] und damit gegen Zinsstabilität. Nichts spricht dafür, dass die Parteien an dieser Grund-satzentscheidung nicht festgehalten, sondern - für beide Parteien mit ei-nem Risiko verbunden - einen festen Zinssatz für die gesamte [X.] - 9 - laufzeit von bis zu 25 Jahren vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksam-keit der von der Beklagten bestimmten [X.] gekannt hätten. 19 Danach ist der Antrag der Klägerin, die Verpflichtung der [X.] festzustellen, ihr für die gesamte Laufzeit der [X.] 4% Zinsen auf das angesparte Kapital zu gewähren, auf jeden Fall un-begründet, ohne dass es weiterer Erwägungen bedarf. Es ist nicht ent-scheidungserheblich, wie die durch die Unwirksamkeit der zu unbestimm-ten [X.] entstandene [X.] im Einzelnen zu schließen ist, insbesondere anhand welcher Parameter und in welcher [X.] nach deren Änderung eine Anpassung des Zinssatzes zu erfolgen hat. Offen bleiben kann angesichts des Klageantrags auch, ob der [X.]n weiterhin ein Leistungsbestimmungsrecht zuzubilligen oder ob dieses mit der Unwirksamkeit der [X.] ersatzlos entfal-len ist (so [X.], 1169, 1175; a.A. für Kreditverträge [X.], 753, 760).
Das gilt auch, soweit sich der Klageantrag auf den vergangenen [X.] bezieht. Die Klägerin zieht selbst nicht in Zweifel, dass das Zinsniveau am Kapitalmarkt seit Abschluss der [X.] im Jahre 1991 erheblich gesunken ist, und die Beklagte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts durchgängig markt-übliche Zinsen gezahlt hat. Damit hat die Beklagte unter Wahrung der bei Vertragsschluss festgelegten Wertrelation der Vertragsleistungen entwe-der ein einseitig bestehendes Zinsanpassungsrecht ermessensfehlerfrei ausgeübt, oder sie könnte im Falle eines Anspruchs auf Abschluss einer Vereinbarung zur Anpassung des Zinses die Zustimmung der Klägerin zu 20 - 10 - dieser sachlich zutreffenden Zinshöhe begehren. Der während des ge-samten bisher verstrichenen [X.]raums geschuldete Zins lag folglich un-terhalb des mit der Klage geforderten Zinssatzes von 4%. II[X.] Nach alledem war die Revision als unbegründet zurückzuweisen. 21 [X.] [X.] Ellenberger

[X.] [X.]: LG [X.], Entscheidung vom 16.12.2005 - 2 O 484/05 - [X.], Entscheidung vom 20.03.2007 - 17 U 14/06 -

Meta

XI ZR 211/07

10.06.2008

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2008, Az. XI ZR 211/07 (REWIS RS 2008, 3528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3528

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