Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 2224

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:171116UVIIZR6.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VII ZR 6/16
Verkündet am:

17. November 2016

Klein,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
HGB § 86a Abs. 1, Abs. 3
Die von einem Unternehmer dem Handelsvertreter ([X.]) per Daten-fernübertragung übermittelten Preisdaten betreffend Agenturwaren stellen erforderli-che Unterlagen (Preisliste) im Sinne des §
86a Abs.
1 HGB dar.
Bedient sich der Unternehmer zur Übermittlung solcher Preisdaten eines bestimm-ten, hierfür eingerichteten Systems, das er dem [X.] für den Empfang und die Verarbeitung dieser Daten zur Verfügung stellt, so muss er insoweit dieses (Kassen-)System dem [X.] kostenfrei überlassen.
Haben die Parteien vertraglich für das Kassensystem eine nicht näher aufgeschlüs-selte Vergütung vereinbart, ist der Umfang der Kostenfreiheit durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.
[X.], Urteil vom 17. November 2016 -
VII ZR 6/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20.
Oktober 2016
durch den Vorsitzenden Richter
Dr.
[X.], den
Richter
Dr.
[X.] sowie die Richterinnen [X.],
Sacher
und Borris
für Recht erkannt:
Auf die Revision des
[X.] und die [X.] der [X.]
wird das Urteil des 16.
Zivilsenats des [X.]-
Holsteinischen Oberlandesgerichts in [X.] vom 3.
Dezember
2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der [X.] Rückzahlung von als Kassen-pacht gezahlten Beträgen.
Der Kläger übernahm
von der [X.] aufgrund [X.] vom 15.
April/21. April 2004 als [X.] ([X.]) den Verkauf, die Auslieferung und die Lagerung von Kraftstoffen und Schmierstoffen an einer Tankstelle in [X.] im Namen und für Rechnung der [X.]. Daneben betreibt er vertragsgemäß im eigenen Namen und auf eigene Rechnung das sogenannte
Shopgeschäft.
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-
3
-
Mit vom 30. Dezember 2004 datierendem
Nachtrag zu dem genannten [X.], dass der Kläger ab dem 1. Mai 2004 eine
monatliche Kassenpacht

zu entrichten hat.
Bestandteil des aus Hardware-
und Softwarekomponenten bestehenden Kassensystems
sind unter anderem eine Tankstellenkasse (POS -
Point of sale)
und ein
Büroarbeitsplatz
([X.] -
back-office-system). Auf den Hardware-komponenten befindet sich eine voraufgespielte Software,
die die Erstellung von [X.], Umsatzsteuererklärungen und betriebswirtschaftli-chen Auswertungen ermöglicht. Über das Kassensystem, auf das die Beklagte per Datenfernübertragung zugreifen kann, wird auch die Abwicklung des Agen-turgeschäfts gesteuert. Die Beklagte übermittelt per Datenfernübertragung die Preise, gibt diese der Kasse vor und stellt die Preise am [X.] und an den Zapfsäulen ein.
Nach einem Tankvorgang wird die Zapfsäule erst freigegeben, wenn die Kasse die Bezahlung registriert hat. Die Beklagte kann durch den Zu-griff auf das Kassensystem daraus von ihr benötigte Daten ziehen.
Mit der Klage hat der Kläger den
in den 54 Monaten von Januar 2010 bis Juni
2014 als Kassenpacht gezahlten Betrag in Höhe von insgesamt 18.070,56

nebst näher bezeichneter Zinsen zurückgefordert. Das [X.] hat der Klage, vom Zinsbeginn abgesehen, vollumfänglich stattgegeben.
Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s teilweise abgeändert, indem es
den ausgeurteilten [X.] auf ermäßigt und die Zinshöhe herabgesetzt hat.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger -
über den vom Berufungsgericht ausgeurteilten Betrag hinaus -
die
Verurtei-lung der [X.] zur Zahlung eines weiteren Betrags in Höhe von nebst Zinsen.
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-
4
-
Mit der [X.] verfolgt
die Beklagte die vollständige Abwei-sung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision des [X.] und die [X.] der [X.] füh-ren zur Aufhebung des Berufungsurteils
und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2016, 178
veröffent-licht ist, führt, soweit für die Revision und die [X.] von Interesse, im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger könne nur die Hälfte der im verfahrensgegenständlichen Zeit-raum gezahlten Kassenpacht zurückverlangen. Der Rückzahlungsanspruch folge nicht daraus, dass das Kassensystem eine kostenfrei
zu überlassende Unterlage im Sinne von § 86a HGB wäre, sondern aus dem handelsvertreter-rechtlichen Grundsatz einer angemessenen Kostenverteilung.
Das Kassensystem stelle ungeachtet seiner betrieblichen bzw. logisti-schen Notwendigkeit nicht bzw. nur sehr teilweise eine Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB dar, da es an dem erforderlichen inhaltlichen Bezug zum Produkt fehle. Der Begriff der Unterlage sei weit zu fassen. Darunter falle alles, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs-
oder Abschluss-tätigkeit -
insbesondere zur Anpreisung der Waren beim Kunden -
diene und 8
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aus der Sphäre des Unternehmers stamme. Aus den Beispielen, die die Vor-schrift aufführe, lasse sich ableiten, dass es sich jeweils um Unterlagen handeln müsse, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt hätten und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung nicht möglich sei. Es müsse um Dinge gehen, die das zu vertreibende Produkt "unterlegten", also inhaltlich bezeichne-ten, beschrieben und/oder eingrenzten, mithin um die Bereitstellung bestimmter produktspezifischer Informationen, die für die Einflussnahme auf die Entschei-dung des Kunden von Bedeutung seien.
Hiermit sei das vorliegende Kassensystem nicht mehr sinnvoll vergleich-bar. Es umfasse zwar auch noch die Funktion der
Mitteilung einer Produktin-formation, nämlich des jeweiligen Preises der einzelnen Waren. Es gehe indes über die Mitteilung eines produktbezogenen Inhalts vom Unternehmer über den Handelsvertreter an den Kunden so weit hinaus, dass ihm im Durchgang durch die zwischen den Parteien unstreitigen Funktionalitäten insgesamt eine andere Qualität beizumessen sei. Das Kassensystem sei nur in einer einzelnen Funkti-on, nämlich der Preisübermittlung, mit dem Charakter einer Unterlage als Trä-ger spezifischer Produktinformationen behaftet, während es im Übrigen, weit darüber hinausgehend, ein komplexes multifunktionales, von dem konkret ge-handelten Produkt losgelöstes betriebswirtschaftliches Rechnungs-
und wech-selseitiges Kommunikationsmedium sei. Danach verbiete sich auch unter dem vom Kläger angeführten Gesichtspunkt eines "einheitlichen Pakets" eine voll-ständige oder auch nur weitgehende Einordnung als "Unterlage".

Aus dem Leitbild des [X.] ergebe sich jedoch der Grundsatz einer fairen Kostenverteilung nach dem jeweiligen Nutzen. Danach könne der Unternehmer dem Handelsvertreter keine Kosten auferlegen, die "eigentlich" Kosten des Unternehmers seien.
In Anbetracht der nicht unerhebli-chen Pacht, die die Beklagte dem Kläger monatlich abverlange, liege es nicht fern, dass dieser Betrag zu nicht geringen Anteilen auch Kosten beinhalte, die 13
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-
bei richtiger Zuordnung, sei es,
weil es ihr Kommunikationsvorteile einbringe, sei es, weil es ihr Kosten erspare, der [X.] zuzuordnen seien. Im Abgleich mit
den für den Kläger bestehenden Vorteilen einer EDV, die auch ihm die Kommunikation erleichtere, die Buchhaltung und steuerliche Erklärungen ab-nehme und daneben -
hinsichtlich der [X.] -
auch allein seinen Be-langen diene, halte das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO eine hälftige Kos-tenverteilung für angemessen.

II. [X.] der [X.]
Die [X.] der [X.] führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils, soweit zum Nachteil der [X.] entschieden worden ist, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der gel-tend gemachte bereicherungsrechtliche
Rückforderungsanspruch gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Fall
1 BGB nebst Zinsen nicht in dem vom Berufungsgericht aus-geurteilten Umfang zuerkannt werden. Der rechtlichen Nachprüfung hält es nicht stand, dass das Berufungsgericht
unter Heranziehung des Leitbilds des [X.] und des Gedankens von [X.] (§
242 BGB) zu einer hälftigen Kostenverteilung gelangt ist. Diese Begründung ist nicht tragfähig, weil sie die von den Parteien geschlossene Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30.
Dezember 2004 unzulässigerweise
mit abstrakten Erwägungen -
losgelöst von den konkreten gesetzlichen Regelungen in § 86a, §
87d HGB -
für teilweise unwirksam und teilweise wirksam erachtet.
2. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderem Grund als richtig dar
(§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststel-15
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lungen
kann nicht beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die [X.] gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 wirksam ist.
a) Unter Benutzung des Kassensystems sind
dem Kläger im Rückforde-rungszeitraum zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB
von der [X.] zur Verfügung gestellt worden.
[X.]) Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen,
wie Muster, Zeich-nungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen. Die Aufzählung in §
86a Abs.
1 HGB ist nur beispielhaft und nicht abschließend ([X.], Urteile
vom 4. Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn.
20 und [X.], juris
Rn.
20, jeweils m.w.[X.]). Von dem weit zu ver-stehenden Begriff der Unterlage wird alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs-
oder Abschlusstätigkeit -
insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden -
dient und aus der Sphäre des [X.] stammt ([X.], Urteil vom 4. Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, [X.]O
m.w.[X.]). Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter nach §
86a Abs.
1 HGB solche
Un-terlagen zur Verfügung zu stellen, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des [X.] bilden-den Verträge angewiesen ist (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, [X.]O Rn. 24). Als derartige
Unterlage
kann auch ([X.] sein (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, [X.]O Rn. 30). Bei der Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der erforderlichen Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB handelt es sich um eine Bringschuld des Unternehmers ([X.] in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, §
86a HGB Rn.
13).
Erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB sind dem [X.] nach allgemeiner Meinung kostenfrei
zur Verfügung zu stellen ([X.], Urteil vom 4. Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, NJW 2011, 2423 Rn. 19
m.w.[X.]; 18
19
20
-
8
-
Thume in [X.]/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 5.
Aufl., [X.] IV Rn. 11; [X.], Vertriebsrecht, 3.
Aufl., § 86a Rn. 109; [X.] in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 86a HGB Rn. 12). Insbesondere
hat der Handelsvertreter keine Kosten für die Übersendung zu tragen (vgl. [X.] in Flohr/Wauschkuhn, [X.]O Rn. 13). Hingegen trägt der [X.] nach §
87d HGB -
soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den [X.] handelsüblich ist -
die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb ent-stehenden Aufwendungen grundsätzlich selbst; hierzu gehören die eigene Bü-roausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der [X.] gegenüber den Kunden ([X.], Urteil vom 4. Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, [X.]O Rn.
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m.w.[X.]).
Ist der Handelsvertreter auf bestimmte, aus der Sphäre des Unterneh-mers stammende Informationen zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des [X.] bildenden Verträge und auf diesbe-zügliche Unterlagen angewiesen, so kann
der Unternehmer der sich aus §
86a Abs.
1 HGB ergebenden Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der insoweit erforderlichen Unterlagen grundsätzlich auf unterschiedliche Weise nachkom-men. Hat der Unternehmer in dem Zeitraum, für den der Handelsvertreter Rück-forderung verlangt,
die genannten Informationen mittels bestimmter Unterlagen übermittelt, so steht der Erforderlichkeit dieser Unterlagen nicht entgegen, dass die Informationsübermittlung in diesem Zeitraum möglicherweise auch auf an-dere Weise
mittels anderer Unterlagen hätte erfolgen können.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte dem Klä-ger im Rückforderungszeitraum zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB
zur Verfügung gestellt.
Bei den von der [X.] unter Benutzung des Kassensystems per [X.] übermittelten Preisdaten betreffend die Agenturwaren, ins-besondere
die Kraftstoffe, handelt es sich um zur Ausübung der Tätigkeit des 21
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9
-
[X.] als Handelsvertreter erforderliche Unterlagen im Sinne von §
86a Abs.
1 HGB.
Der Kläger ist
als Handelsvertreter
für die Vermittlung und den Abschluss der
den Gegenstand des Handelsvertreterverhältnisses bildenden Kaufverträge betreffend Agenturwaren, insbesondere Kraftstoffkaufverträge,
auf eine Über-mittlung der Preise seitens der [X.] und auf diesbezügliche Unterlagen
angewiesen. Ohne die (zeitnahe) Übermittlung der jeweils aktuellen Preise und ohne diesbezügliche Unterlagen kann der Kläger seine Vermittlungs-
und Ab-schlusstätigkeit bezüglich des Verkaufs von Agenturwaren, insbesondere Kraft-stoffen,
nicht vertragsgemäß ausüben. Die Preise sind für den Abschluss der Verträge unerlässlich. Beim Verkauf von Kraftstoff ist die Werbung mittels Preisangaben zudem ein zentrales Element der Kundenwerbung (vgl. [X.], NJW-RR 2016, 1134 Rn.
32).
Die Übermittlung der Preise der Agenturwaren, insbesondere der [X.],
unter Benutzung des hierfür eingerichteten Kassensystems
per [X.], wie sie im Rückforderungszeitraum
erfolgt ist, stellt ein [X.] Äquivalent zu der in § 86a Abs. 1 HGB beispielhaft aufgeführten -
für den Handelsvertreter kostenfreien
-
Zurverfügungstellung von herkömmlich auf Papier erstellten Preislisten dar. Insoweit geht es bei dem Kassensystem nicht nur um eine dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb zuzurechnende, vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierende Büroausstattung. Dass das Kas-sensystem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
im Übrigen Funktio-nen erfüllt, die dem regelmäßigen
Geschäftsbetrieb des [X.]s zu-zurechnen sind, hindert die Einstufung der unter Benutzung des Kassensys-tems übermittelten Preisdaten als erforderliche Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB nicht (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai 2011
-
VIII
ZR 11/10, NJW
2011, 2423
Rn.
30, zu einem Softwarepaket, bei dem einzelne Komponenten für die Tätigkeit des Handelsvertreters unverzichtbar waren, während andere Kompo-24
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-
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-
nenten der vom Handelsvertreter grundsätzlich selbst zu finanzierenden allge-meinen Büroorganisation zugerechnet werden konnten).
Der vorstehenden
Beurteilung des Kassensystems steht entgegen der von der [X.] im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten [X.] auch nicht entgegen, dass es die Beklagte ist, die unter Benutzung des Kassensystems per Datenfernübertragung die Preise für die Kraftstoffe der Kasse vorgibt und am [X.] und an den Zapfsäulen einstellt. Dies ändert nichts daran, dass der Kläger zur Vermittlung und zum Abschluss der den [X.] bildenden Kaufverträge betreffend Agenturwaren, insbesondere Kraftstoffkaufverträge,
auf die von der [X.] vorgegebenen Preise
und auf diesbezügliche Unterlagen angewiesen ist. Denn die genannten Verträge werden an der vom Kläger
betriebenen
Tankstelle ge-schlossen (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2011 -
VIII ZR 171/10, NJW 2011, 2871 Rn.
13, zum Abschluss von [X.] an Selbstbedienungstank-stellen); die Preise sind als essentialia negotii für die Vertragsabschlüsse uner-lässlich.
b) Die Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 ist nach § 86a Abs. 3 HGB unwirksam, soweit mit der vereinbarten Kas-senpacht die vorstehend erörterte
[X.] des Kassensystems
betreffend die
Übermittlung
der Preise der Agenturwaren abgegolten wird.
[X.]) Erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB sind dem Handelsvertreter, wie bereits erörtert, kostenfrei
zur Verfügung zu stellen. Eine gegenteilige Vergütungsvereinbarung, mit der eine Vergütung für die Zurverfü-gungstellung derartiger Unterlagen vereinbart wird, ist gemäß §
86a Abs.
3 HGB unwirksam, wobei die vertragliche Verpflichtung zur Zurverfügungstellung dieser Unterlagen wirksam bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai
2011
-
VIII
ZR
11/10, NJW
2011, 2423
Rn. 30).
26
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-
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-
bb) Bedient sich der Unternehmer zur Übermittlung solcher Preisdaten
eines bestimmten hierfür eingerichteten Systems, das er dem Handelsvertreter für den Empfang und die Verarbeitung dieser Daten zur Verfügung stellt, so ist dieses System insoweit Teil der vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlage
im Sinne des §
86a Abs. 1 HGB. Soweit das System (hier: Kassen-system) für den Empfang und die Verarbeitung der Preisdaten erforderlich ist, ist es daher nach §
86a Abs.
1 HGB dem Handelsvertreter vom
Unternehmer kostenfrei
zur Verfügung zu stellen. So liegt der Fall hier.
c)
Auf der Grundlage der bisher getroffenen
Feststellungen kann nicht
beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die [X.] Nachtrag vom 30. Dezember 2004 wirksam ist.
Die Unwirksamkeit gemäß § 86a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 HGB bezieht sich zunächst nur auf denjenigen Teil der Gesamtvergütung
(Kassenpacht), mit dem die vorstehend erörterte [X.] des Kassensystems betreffend die Über-mittlung der Preise der
Agenturwaren abgegolten wird, nicht hingegen auf den-jenigen Teil der Gesamtvergütung, mit dem andere Funktionen des Kassensys-tems (z.B. Erstellung von [X.], Umsatzsteuererklärungen, be-triebswirtschaftliche Auswertungen etc.) abgegolten werden. Die [X.] gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 ist unbeschadet des Fehlens einer Aufschlüsselung der Gesamtvergütung in dieser Vereinbarung grundsätzlich in dem Sinne teilbar, dass eine Teilvergütung als selbständige Regelung Bestand haben kann (vgl. [X.], Urteil vom 13. März 1986
-
III [X.], NJW 1986, 2576, 2577, juris Rn. 27 ff.).
Die
[X.] einer Vergütungsvereinbarung, mit der eine nicht aufgeschlüsselte Gesamtvergütung vereinbart wird, kann die
Gesamtunwirk-samkeit der Vergütungsvereinbarung nach sich
ziehen (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai 2011
-
VIII ZR 11/10, NJW
2011, 2423
Rn. 30). Aus einer ergänzenden Vertragsauslegung
kann sich indes
Abweichendes ergeben
(vgl. [X.], Urteil 29
30
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-
12
-
vom 13. März 1986
-
III [X.], NJW
1986, 2576, 2577, juris Rn. 30 ff.). Im vorliegenden Zusammenhang kann dahinstehen, ob es sich bei der [X.] gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 um eine Individu-alvereinbarung oder um eine von der [X.] gestellte -
wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht (§
86a Abs.
3 HGB) kontrollfähige -
Allgemeine Ge-schäftsbedingung handelt. Denn eine ergänzende Vertragsauslegung kommt grundsätzlich sowohl im Rahmen des § 139 BGB bei [X.] einer Vereinbarung, mit der eine nicht aufgeschlüsselte Gesamtvergütung vereinbart wird (vgl. [X.], Urteil vom 13.
März 1986
-
III [X.], [X.]O),
als auch bei Unwirksamkeit einer entsprechenden Preisabrede in Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen (vgl. [X.], Urteil vom 15. April 2015 -
VIII ZR 59/14, [X.]Z 205, 43
Rn.
25
ff.;
Urteil vom 6. April 2016 -
VIII ZR 79/15, [X.], 1975 Rn. 19 ff., jeweils
zu Preisanpassungsklauseln; Urteil vom 10. Juni 2008 -
XI [X.], NJW
2008, 3422 Rn.
18, zu einer Zinsänderungsklausel) in Betracht.
Nach dem gegenwärtigen Sach-
und Streitstand kann nicht beurteilt wer-den, ob und in welchem Umfang die Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30.
Dezember 2004 wirksam ist. Denn dem [X.] ist eine -
bisher unter-bliebene -
ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des mutmaß-lichen Parteiwillens mangels hinreichender Feststellungen nicht möglich.
3.
Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben, soweit zum Nachteil der [X.] entschieden worden ist. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Der [X.] kann mangels hinreichender Fest-stellungen in der Sache nicht selbst entscheiden
(vgl. § 563 Abs. 3 ZPO), wes-halb die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

33
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-
13
-
III.
Revision des [X.]
Die Revision des [X.] führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, so-weit zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist, und im Umfang der [X.] zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der über den ausgeurteilten Betrag hinausgehende Rückforderungsanspruch nicht [X.] werden. Der rechtlichen Nachprüfung hält es, wie oben unter II.
1. erörtert, nicht stand, dass das Berufungsgericht unter Heranziehung des Leitbilds des [X.] und des Gedankens von [X.] (§
242 BGB) zu einer hälftigen Kostenverteilung gelangt ist.
2. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderem Grund als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststel-lungen kann aus
den oben unter II.
2. genannten Gründen
nicht angenommen werden, dass die Vergütungsvereinbarung gemäß Nachtrag vom 30.
Dezember 2004
insgesamt oder überwiegend unwirksam ist.
3. Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben, soweit zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Der [X.] kann mangels hinreichender Fest-stellungen in der Sache nicht selbst entscheiden (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO), wes-halb die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

IV.
Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:
1.
Das Berufungsgericht wird sich im Hinblick auf den vorstehend erörter-ten Verstoß gegen § 86a Abs. 1 HGB -
gegebenenfalls nach ergänzendem Vor-35
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-
trag der
Parteien -
mit einer
ergänzenden
Vertragsauslegung der [X.] gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens
zu befassen haben. Maßgebend ist, welche ([X.] die Parteien in Kenntnis des genannten Verstoßes nach [X.] (§ 242 BGB) und bei angemessener Abwägung der beider-seitigen Interessen als redliche Vertragspartner vereinbart hätten
(vgl. [X.], Urteil vom 13. März 1986
-
III [X.], NJW 1986, 2576, 2577, juris Rn. 30; Urteil vom 10. Juni 2008
-
XI [X.], [X.], 3422 Rn. 18).
Dabei
kann relevant sein, inwieweit die Komponenten des Kassensys-tems -
abgesehen von der § 86a Abs. 1 HGB betreffenden [X.] -
nur oder auch Funktionen erfüllen, die dem vom Kläger als [X.] grundsätzlich selbst zu finanzierenden regelmäßigen Geschäftsbetrieb (Agen-turgeschäft und Eigengeschäft) zuzurechnen sind
und welches Gewicht dieser Anteil hat.
Allerdings führt die Funktion, derzufolge die Zapfsäulen nach einem Tankvorgang für weitere Tankvorgänge erst freigegeben werden, wenn die Kasse die Bezahlung registriert hat, entgegen der Auffassung des [X.] nicht zur Einstufung als erforderliche Unterlage im Sinne des §
86a Abs.
1 HGB. Die Blockade der Zapfsäulen, aus
der sich die Notwendigkeit der ([X.] für weitere Tankvorgänge ergibt, dient dazu, die ordnungsgemäße Registrie-rung und Bezahlung bereits erfolgter Tankvorgänge abzusichern.
2. Soweit der Kläger -
aufbauend auf seiner Behauptung, bei der [X.] gemäß Nachtrag vom 30. Dezember 2004 handele es sich um eine von der [X.] gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung -
geltend macht, diese Vereinbarung sei nach §
307 Abs. 1 i.V.m. Abs.
2 Nr.
1 BGB we-gen Abweichung von dem in § 87d HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild unwirksam
([X.]serwiderung vom 28.
Juli 2016, Seite 3
f.), ist vorsorglich auf Folgendes hinzuweisen:
41
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-
15
-
a) Die Rechtsprechung des [X.], wonach jede Entgeltre-gelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich nicht auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte (Haupt-
oder Neben-)Leistung stützt, sondern Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, eine Abwei-chung von Rechtsvorschriften darstellt und nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Oktober 2014 -
III ZR 32/14, [X.] 2014, 400 Rn. 39 m.w.[X.]), ist im Streitfall nicht einschlägig. Denn die Entgeltregelung im
Nachtrag
vom 30. Dezember 2004 stützt sich auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den Kläger erbrachte Leistung, nämlich die Zurverfügungstellung des Kassensystems, das nach den [X.] mehrere dem Geschäftsbetrieb des [X.] zu-zuordnende Funktionen erfüllt.
b) Eine Abweichung von dem in § 87d HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild zu Lasten des [X.] kann nach dem Sach-
und Streitstand nicht
an-genommen werden. Nach § 87d HGB kann der Handelsvertreter den Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen nur ver-langen, wenn dies handelsüblich ist. Ob der Kläger Vortrag zu einer derartigen, ihn begünstigenden Handelsüblichkeit bezüglich
der kostenfreien Zurverfü-gungstellung von Kassensystemen
an [X.]
gehalten hat, hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt.
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-
16
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3. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben,
dass der Zinsbeginn, den es -
ebenso wie das [X.]
-
wegen Verzugs mit der Rückzahlung
auf den 22.
Dezember 2013 datiert hat, nicht für die Rückfor-derung
der erst danach als Kassenpacht gezahlten Beträge gelten kann.

[X.]
[X.]
[X.]

Sacher

Borris

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.02.2015 -
5 O 46/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 03.12.2015 -
16 U 39/15 -

46

Meta

VII ZR 6/16

17.11.2016

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2016, Az. VII ZR 6/16 (REWIS RS 2016, 2224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2224

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 6/16 (Bundesgerichtshof)

Handelsvertretervertrag: Kostenfreie Zuverfügungstellung von Unterlagen durch den Unternehmer; Preisdaten betreffend Agenturwaren als erforderliche Unterlagen; Überlassung …


19 U 21/22 (Oberlandesgericht Köln)


19 U 73/23 (Oberlandesgericht Köln)


19 U 140/22 (Oberlandesgericht Köln)


VIII ZR 11/10 (Bundesgerichtshof)

Handelsvertretervertrag: Umfang der dem Handelsvertreter vom Unternehmer kostenlos zur Verfügung zu stellenden Unterlagen


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