Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2009, Az. I ZB 93/08

I. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3293

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[X.] vom 28. Mai 2009 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 321a Abs. 1 Satz 2, § 355 Abs. 2 Ein Beweisbeschluss über die Erstellung eines Gutachtens zur Klärung der Prozessfähigkeit einer Prozesspartei, der ohne deren vorherige persönliche Anhörung zu dieser Frage erlassen wurde, verletzt den Anspruch dieser [X.] auf rechtliches Gehör und kann von ihr ungeachtet der in § 321a Abs. 1 Satz 2, § 355 Abs. 2 ZPO enthaltenen Regelungen mit der sofortigen Beschwerde an-gefochten werden. [X.], [X.]uss vom 28. Mai 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 28. Mai 2009 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der [X.]uss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 5. November 2008 und der Beweisbeschluss des [X.] vom 8. April 2008 aufgehoben. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des [X.]. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Gläubiger, der vom Schuldner aufgrund eines im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangenen rechtskräftigen [X.]usses die [X.] einer Gartenanlage verlangen kann, begehrt im vorliegenden Verfahren seine Ermächtigung zur Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO. Nach-dem der Schuldner behauptet hatte, dass der Gläubiger prozessunfähig sei, hat 1 - 3 - das Amtsgericht beschlossen, über diese Frage durch Einholung eines Gutach-tens des zuständigen [X.] Beweis zu erheben. Die gegen diesen [X.]uss gerichtete sofortige Beschwerde hat das [X.] als unzulässig verworfen. 2 Mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Aufhebung des [X.] weiter. Der Schuldner hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert. I[X.] Nach Auffassung des [X.]s hat das Rechtsmittel des [X.] weder in den §§ 567 ff. ZPO noch in § 19 [X.] eine Grundlage. Ein Be-weisbeschluss gemäß § 355 Abs. 2 ZPO könne grundsätzlich erst im Rahmen des Rechtsmittels gegen die Endentscheidung zur Überprüfung gestellt werden. Ein Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung eine selbständige Anfecht-barkeit zu bejahen sei, liege hier nicht vor. Zwar werde die selbständige [X.] der Anordnung einer ärztlichen Begutachtung und Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bejaht, weil der Betroffene in ei-nem solchen Fall mit einer Vorladung und Untersuchung durch den Sachver-ständigen und im Falle seiner Weigerung mit Zwangsmitteln des Gerichts ge-mäß § 33 [X.] zur Durchsetzung des [X.] rechnen müsse. Eine mit § 33 [X.] vergleichbare Regelung bestehe im Zivilprozess auch im Blick auf die von Amts wegen vorzunehmende Klärung des Vorliegens der [X.] aber nicht. Der Umstand, dass im Streitfall ein im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangener Titel zu vollstrecken sei, rechtfertige [X.] abweichende Beurteilung. 3 II[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist [X.] ihrer Zulassung durch das [X.] statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Nicht entschieden zu 4 - 4 - werden braucht in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht unwirksam ist, wenn schon der [X.] nicht eröffnet war (so [X.] 159, 14, 15; [X.], [X.]. v. 17.10.2005 - [X.], NJW-RR 2006, 286 [X.]. 4; [X.]. v. 18.12.2008 - [X.] 118/07, [X.], 519 [X.]. 6 = [X.], 634 - Hohl-fasermembranspinnanlage, m.w.N.; a.[X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 574 Rdn. 9a; [X.], [X.], 486); denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor (vgl. unten unter [X.]). [X.] Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der von den Vorinstanzen erlassenen [X.]üsse. Der vom Amtsge-richt ohne persönliche Anhörung des Gläubigers erlassene Beweisbeschluss über die Erstellung eines Gutachtens zur Klärung seiner Prozessfähigkeit ver-stößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (unten unter [X.] und 2) und hätte deshalb auf die zulässige Beschwerde des Gläubigers hin aufgehoben werden müssen (un-ten unter [X.]). 5 1. Das Grundgesetz sichert rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG. Garantiert ist den Par-teien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch [X.] können. Der Einzelne soll nicht Objekt richterlicher Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen (vgl. [X.] 107, 395, 409; [X.] 6, 380, 383). Die Maßgeblichkeit der Rechtsschutzgarantie entfällt nicht allein deshalb, weil die [X.] schon die Möglichkeit gehabt hat, sich zur Sache zu äußern. Art. 103 Abs. 1 GG enthält weitergehende Garantien als die, sich zur Sache einlassen zu können, zum Beispiel den Schutz vor einer Überraschungsentscheidung (vgl. [X.] 107, 395, 410; [X.] 6, 380, 383). Im Hinblick darauf verletzt ein [X.] - 5 - schluss über die Erstellung eines Gutachtens zur Klärung der Prozessfähigkeit einer Prozesspartei, der ohne deren vorherige persönliche Anhörung zu dieser Frage erlassen wurde, den Anspruch dieser [X.] auf rechtliches Gehör ([X.] 6, 380, 383; vgl. auch [X.] 171, 326 [X.]. 17 zu Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung des Betroffenen durch das Vormundschaftsge-richt). 2. Der vom Gläubiger angegriffene Beweisbeschluss des Amtsgerichts verstößt danach gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Das Amtsgericht hat den [X.]uss am 8. April 2008 erlassen und seine Entscheidung maßgeblich auf den Vortrag im Schriftsatz der Schuldnervertreter vom 31. März 2008 gestützt, in dem [X.] die Prozessunfähigkeit des Gläubigers geltend gemacht worden war. Das Amtsgericht hat den Gläubiger zur Frage seiner Prozessfähigkeit nicht ange-hört. 7 3. Der Gläubiger hat den danach zu beanstandenden Beweisbeschluss des Amtsgerichts entgegen der Ansicht des [X.]s auch in zulässiger Weise angegriffen. Die Ausnahmen, die die Rechtsprechung in Fällen der [X.] hinsichtlich der Bindungswirkung an sich unan-fechtbarer Zwischenentscheidungen gemacht hat, gelten auch nach dem In-krafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (v. 9.12.2004, BGBl. I S. 3220 - AnhRügG) am 1. Januar 2005 weiter fort; denn die mit diesem Gesetz vorgenommene Ausweitung des § 321a ZPO sollte ungeachtet des dort in Absatz 1 Satz 2 bestimmten Aus-schlusses der Rüge bei Zwischenentscheidungen zu keiner Verkürzung des Rechtsschutzes der [X.]en führen (vgl. Begründung des Entwurfs des AnhRügG, BT-Drucks. 15/3706, [X.]; [X.] 119, 292, 298-301 gegen [X.] NJW 2007, 1379, 1380; [X.], ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 102 und § 321a Rdn. 17; [X.]/Schütze/Rensen, ZPO, 3. Aufl., § 321a 8 - 6 - Rdn. 29; MünchKomm.ZPO/Musielak, 3. Aufl., § 321a Rdn. 2; Musielak/Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 321 Rdn. 3; [X.]/[X.] aaO § 321a Rdn. 5). 9 V. Danach sind der [X.]uss des [X.]s (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO) und, da die Sache zur Endentscheidung reif ist, auch der [X.]uss des Amtsgerichts aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1, § 572 Abs. 3 ZPO; Zöl-ler/[X.] aaO § 572 Rdn. 22). Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. 10 Bornkamm Pokrant Schaffert
Koch [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.04.2008 - 484 UR II 1119/96 [X.] - [X.], Entscheidung vom 05.11.2008 - 1 T 17776/08 -

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I ZB 93/08

28.05.2009

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2009, Az. I ZB 93/08 (REWIS RS 2009, 3293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3293

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