Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2014, Az. V ZR 48/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8397

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

V [X.]

Verkündet am:
24. Januar
2014
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 22 Abs. 1
Die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Haus einer [X.] bedarf der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer (§
22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 [X.]).

BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 -
V [X.] -
LG Bamberg

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Lemke, Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch
und
Dr.
[X.] und die Richterin Dr.
[X.]

für Recht erkannt:
Die
Revision gegen das Urteil des [X.]
-
2. Zivilkammer

vom 25. Januar 2013 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die [X.] besteht aus einem 22-stöckigen Hochhaus mit [X.]. Auf diesem befinden
sich zwei [X.]. Eine der Anlagen
wird von der [X.] (im Folgenden F. GmbH) betrieben.
Am 23. November 2010 wurde auf einer Wohnungseigentümerversamm-lung
zu dem Tagesordnungspunkt ([X.]) 2 mehrheitlich
beschlossen, den [X.] zu verlegen und hierzu auf dem Dach des bis dahin nicht mit Mobilfunk-sendeanlagen versehenen [X.] drei Antennenträger zu errichten. Dagegen wendet sich die Klägerin, der
sowohl bei Beschlussfassung als auch im Zeitpunkt der von ihr erhobenen Anfechtungsklage eine Dachgeschosswoh-nung
gehörte
und die darüber hinaus nach wie vor Eigentümerin zumindest
einer weiteren Eigentumswohnung
ist.

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3

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Be-rufung der [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchten die [X.] die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin [X.] die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, der angefochtene Be-schluss entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Als bauliche Verände-rung hätte die beschlossene Errichtung der [X.] nach § 22 Abs. 1 [X.] der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedurft. Durch die Maßnahme werde die Klägerin über das in § 14 Nr. 1 [X.] bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Der allgemeinkundige wissenschaftliche Streit um die Gesundheitsgefahren von [X.]n führe zu Beeinträchtigungen bei der Vermietbarkeit und zu einer Minderung des Verkehrswerts. Das gelte umso mehr mit Blick auf die enge räumliche Beziehung, die zwischen der geplanten Sendeanlage und der Dachgeschosswohnung bestehe. Soweit die [X.] eine Verdrängung der Vorschrift des §
22 Abs. 1 [X.] durch die nachfolgenden Regelungen der Absätze 2 und 3 geltend machten, werde übersehen, dass die Sendeanlage nicht im Gemeinschaftseigentum stehe.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Mit Recht beanstandet das Berufungsgericht den angefochtenen
Beschluss zu [X.]
2 mit der Erwägung, die darin gestattete Anbringung der Mobilfunksende-anlage auf dem Dach des [X.] hätte nach § 22 Abs. 1 [X.]
der Zu-stimmung der Klägerin bedurft.
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4

1. Zutreffend bejaht das Berufungsgericht eine unter die genannte Vor-schrift fallende bauliche Veränderung. Es spricht schon vieles dafür, dass selbst eine -
nicht lediglich völlig unerhebliche
-
Erweiterung einer bereits vorhande-nen Anlage an dem bisherigen Standort eine bauliche Veränderung darstellte. Dass dies jedenfalls für die erstmalige Anbringung von Sendeanlagen auf dem bislang nicht mit solchen Anlagen versehenen
Dach des [X.] gilt, liegt ebenso auf der Hand wie der Umstand, dass es vorliegend nicht um eine (modernisierende) Instandhaltung oder Instandsetzung des [X.] nach §
22 Abs.
1 u.
3, §
21 Abs. 5 Nr. 2 [X.] geht, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könnte. Ebensowenig liegt eine Modernisierung nach § 22 Abs. 2 [X.]
vor, die dem Willen einer qualifizierten Mehrheit der Wohnungseigentümer unterläge.
2. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die bauliche Veränderung stelle eine über die Schwelle des § 22 Abs. 1 i.V.m.
§ 14 Nr. 1 [X.] hinausreichende nachteilige Beeinträch-tigung dar.

a) Zumindest der Sache nach legt das Berufungsgericht zutreffend zu-grunde, dass nachteilig jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung
ist
(Se-nat, Urteil vom 14. Dezember 2012 -
V [X.], [X.], 45 Rn.
4 mwN).
Diese muss zwar konkret und objektiv sein. Eine erhebliche Beeinträchtigung ist aber nicht erforderlich; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht (BayOblG, [X.], 441, 442). Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. nur Senat, Urteil vom 14.
Dezember 2012 -
V [X.], [X.], 45 Rn.
4
mwN).
b) Die Bejahung dieser Voraussetzungen durch das Berufungsgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
6
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5

aa) Auf der Grundlage des [X.] von [X.] ausgehenden
Gefahren
(vgl. [X.]. 14/7958
S.
2
ff.; Senat, Urteil vom 13. Februar 2004

[X.], NJW 2004, 1317, 1319)
und der daraus resultierenden
Befürchtungen in weiten Teilen der Bevölkerung besteht zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet-
oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen (vgl. [X.], [X.], 73; [X.], [X.], 746; [X.] in Bärmann, 12. Aufl., §
14 Rn.
12; strenger BayOblG, [X.], 441, 442 jedenfalls für den atypi-schen Fall, dass das Zustimmungserfordernis nach §
22 Abs. 1 [X.] durch Vereinbarung abbedungen wurde). Dass die Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit von Eigentumswohnungen durch [X.] gegenüber Objekten ohne solche Einrichtungen erschwert sein kann, stellt eine Beeinträchtigung dar, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht [X.] muss.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine andere Beurteilung auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Danach besteht zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Regelvermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strah-lenimmisionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen sind, wenn die einschlägigen Grenz-
und Richtwerte eingehalten werden (vgl. Senat, Urteil vom 13. Februar 2004 -
[X.], NJW 2004, 1317, 1318). Nicht aber ver-hält sich die Norm
zu dem Konflikt unter Wohnungseigentümern
darüber, wie mit dem Gemeinschaftseigentum umgegangen
werden soll und ob hierzu
bauli-che Veränderungen mit all ihren Vorzügen und Nachteilen vorgenommen wer-den sollen. Schon dies erhellt, dass das von der Revision ins Feld geführte Ur-teil des [X.] vom 15. März 2006 ([X.], [X.], 504 Rn.
9
ff.), in dem ein Mangel der Mietsache im Hinblick auf die Einhaltung [X.] Grenzwerte

im Übrigen ohne Heranziehung von §
906 Abs.
1 Satz
2 BGB

verneint worden ist, für die Beantwortung der hier zu beurteilen-10
11
6

den Frage der Entscheidung von Wohnungseigentümern über das Ob baulicher Veränderungen
nichts beiträgt.
Der Rückgriff
von §
22 Abs. 1 [X.] auf den Maßstab des §
14 Nr.
1 [X.] soll sicherstellen, dass das Recht jedes Wohnungseigentümers, auf Entschei-dungen über bauliche Veränderungen durch das Zustimmungserfordernis maß-gebend Einfluss zu nehmen, grundsätzlich gewahrt bleibt. In diese aus dem Eigentum fließende Befugnis (§
903 BGB) darf nur eingegriffen werden, soweit Wohnungseigentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz geringfügig betroffen sind. Vor diesem Hintergrund ist es zu sehen, dass an die [X.]

zumal seit der Auflockerung des Zustimmungs-
durch das Mehrheitsprin-zip nach §
22 Abs. 2 Satz 1 [X.]

keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. auch Senat, Urteil vom 14.
Dezember 2012 -
V [X.], [X.], 45
Rn.
6). Für die Konkretisierung dieser
spezifisch wohnungseigentumsrechtli-chen Geringfügigkeit liefern die in §
906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten immissi-onsrechtlichen Grenz-
und Richtwerte keinen brauchbaren Maßstab. Das gilt umso mehr, als das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsanlage
-
auch bei Entscheidungen
über bauliche Veränderungen
-
ein stärkeres Maß an Rücksichtnahme verlangt (vgl. auch [X.], NJW-RR 1998, 83, 84; [X.], [X.], 73; BayObLG, [X.], 441, 443; [X.] in Bärmann, 12.
Aufl., §
14 Rn.
12).
12
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

[X.]

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.12.2011 -
115 C 2751/10 [X.] -

LG Bamberg, Entscheidung vom 25.01.2013 -
2 S 5/12 [X.] -

13

Meta

V ZR 48/13

24.01.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2014, Az. V ZR 48/13 (REWIS RS 2014, 8397)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8397

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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