Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2004, Az. IX ZR 256/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2298

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 15. Juli 2004 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

BGB §§ 611, 675

a) Der Vergütungsanspruch aus einem Anwaltsdienstvertrag kann wegen einer [X.] und pflichtwidrigen Leistung des Rechtsanwalts nicht gekürzt wer-den oder in Wegfall geraten.
b) [X.] der Rechtsanwalt durch seine Pflichtverletzung einen Kostenerstat-tungsanspruch des Mandanten, liegt darin in der Regel ein Schaden, der dem Vergütungsanspruch entgegengehalten werden kann.

[X.], Urteil vom 15. Juli 2004 - [X.] - LG Kleve

AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2004 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 30. Oktober 2003 wird auf Kosten des [X.]n zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der klagende Rechtsanwalt hat die Tochter des [X.]n in einem Kla-geerzwingungsverfahren vertreten. Dieses war gegen einen in einem zivilrecht-lichen Vorprozeß als Sachverständiger eidlich vernommenen Architekten ge-richtet, dem der [X.] und seine Tochter vorwarfen, einen Meineid geleistet zu haben. Nachdem ein von dem [X.]n selbst angestrengtes Klageerzwin-gungsverfahren, in welchem er sich von einem anderen Rechtsanwalt hatte vertreten lassen, gescheitert war, wandte er sich an den Kläger und [X.] ihn im eigenen Namen, für seine Tochter erneut einen Antrag auf gerichtli-che Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Archi-tekten (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu stellen. Am 28. April 2001 trafen die [X.] eine schriftliche Honorarvereinbarung über 2.000 DM zuzüglich Umsatz-steuer, auf die der [X.] einen Vorschuß von 511,29 • (1.000 DM) zahlte. - 3 - Der Kläger reichte den von ihm gefertigten [X.] beim zu-ständigen [X.] ein, welches ihn durch Beschluß vom 10. September 2001 als unzulässig verwarf.

Soweit dies im Revisionsverfahren noch von Interesse ist, verlangt der Kläger von dem [X.]n Zahlung von 593,10 • (1.000 DM zuzüglich 16 v.H. Umsatzsteuer) und der [X.] widerklagend Rückzahlung des geleisteten Vorschusses von 511,29 •. Der [X.] macht - mit wechselnder [X.] - geltend, die Einreichung eines unzulässigen Antrags sei für ihn völlig wertlos gewesen. Die Vorinstanzen haben der Klage in diesem Umfang statt-gegeben und die Widerklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der [X.] mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

[X.]
1. Das Berufungsgericht meint, der Honoraranspruch sei nicht aufgrund einer schlechten anwaltlichen Leistung untergegangen. Die Abgrenzung einer (schlichten) Schlechtleistung, die den anwaltlichen Honoraranspruch unberührt lasse, zu einer gänzlich wertlosen, die zum Wegfall des Honorars führe, sei kaum möglich; deshalb müsse es generell dabei verbleiben, daß der dienstver-tragliche Vergütungsanspruch durch eine unzulängliche Leistung nicht [X.] 4 - trächtigt werde. Da der [X.] den [X.] nicht gekündigt habe, könne auch § 628 BGB a.F. nicht angewandt werden.

2. Demgegenüber beruft sich die Revision auf die Rechtsprechung des [X.] ([X.], 264, 268 f), wonach ein Anspruch auf Anwaltsge-bühren schon bei einer schuldhaften Verletzung wesentlicher [X.] ausgeschlossen sei, wenn der Anwalt hierbei den Interessen seines Auftragge-bers zuwider gehandelt habe. Die Revision hält dies hier für gegeben, weil der [X.] dem Kläger den vorausgegangenen Antrag auf gerichtliche Entschei-dung nebst Verwerfungsbeschluß des [X.] zur [X.] gestellt habe und der zweite Antrag wiederum an der Zulässigkeitshür-de gescheitert sei.

3. Diese Angriffe sind unbegründet. Dem Kläger steht aus der [X.] vom 28. April 2001, die der für sie vorgeschriebenen Form des § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] entspricht, neben dem geleisteten Vorschuß [X.] noch ein Betrag von 593,10 • zu.

a) Der Auftraggeber eines Rechtsanwalts kann den anwaltlichen Vergü-tungsanspruch, der - wie im Regelfall (vgl. [X.], Urt. v. 20. Juni 1996 - [X.] ZR 106/95, [X.], 1832, 1834) - aus einem Anwaltsdienstvertrag (§§ 611, 675 BGB) hergeleitet wird, nicht kraft Gesetzes wegen mangelhafter Dienstleistung kürzen; denn das Dienstvertragsrecht kennt keine Gewährleistung ([X.], Urt. v. 29. April 1963 - [X.], NJW 1963, 1301, 1302; v. 15. Januar 1981 - [X.], NJW 1981, 1211, 1212; [X.]. 1971, 175, 176; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 923). Deshalb ist der Bundesge-richtshof von der mit dem Rechtsgedanken aus § 654 BGB begründeten weit-- 5 - gehenden Rechtsprechung des [X.] ([X.], 264, 269) abgerückt und hat den Ausschluß der Gebührenforderung nur für Fallgestaltungen aner-kannt, in denen der Rechtsanwalt über einen grob fahrlässigen Pflichtenver-stoß hinaus einen nach § 356 StGB strafbaren Parteiverrat begangen hat (vgl. [X.], Urt. v. 15. Januar 1981 - [X.], [X.]O S. 1212). Nur bei einem der-artigen Verstoß entsteht nach dem in § 654 BGB enthaltenen Gedanken von vornherein kein Anspruch auf eine Vergütung, so daß es unerheblich ist, ob dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist oder nicht.

Ein solcher Fall ist, was die Revision einräumt, hier nicht gegeben.

b) Der Vergütungsanspruch des [X.] ist auch nicht nach § 628 Abs. 1 BGB a.F., der auf [X.] grundsätzlich anwendbar ist (vgl. Zugehör, [X.]O Rn. 926), vollständig oder teilweise entfallen.

Nach dem Absatz 1 Satz 2 dieser Bestimmung setzt dies voraus, daß die bisherigen ([X.] infolge der Kündigung für den [X.] kein Interesse haben. Gegenstand des dem Kläger erteilten anwaltlichen Mandats war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Architekten (vgl. Honorarvereinbarung vom 28. April 2001). Dieses Mandat war mit dem Erlaß des unanfechtbaren Be-schlusses des [X.] vom 10. September 2001 im [X.] beendet. Der [X.] hat nicht behauptet, dieses Mandatsverhält-nis vor diesem Zeitpunkt gekündigt zu haben. Schon deshalb ist für die An-wendung der §§ 626 ff BGB kein Raum.

- 6 - I[X.]
1. Das Berufungsgericht hat den Gebührenanspruch des [X.] aus der [X.] vom 28. April 2001 auch nicht an [X.] des [X.]n scheitern lassen, die aus einer Schlechterfüllung des [X.]es herrühren:

Auszugehen sei von dem Vortrag des [X.]n erster Instanz, wonach dem Kläger vorzuwerfen sei, er habe mit der mangelhaft abgefaßten [X.] einen Anspruch gegen den Architekten auf Kostenerstattung verhindert, weil der [X.] sich im Falle der Zulässigkeit des Antrags dem gerichtlichen Verfahren als Nebenkläger hätte anschließen können (vgl. § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Im Falle einer Verurteilung des Architekten hätte er eine Erstattung sei-ner notwendigen Auslagen erhalten (§ 472 Abs. 1 StPO). Der neue Vortrag in der Berufungsinstanz, bei hinreichender Aufklärung über die schlechten Er-folgsaussichten des [X.] hätte er von dem Vorhaben Abstand genommen, sei nicht zulassungsfähig (§ 531 Abs. 2 ZPO). Es fehle auch Vortrag in zweiter Instanz, daß der [X.] einem entsprechenden Rat des [X.] gefolgt wäre. Gehe man davon aus, daß der [X.] den [X.] weiterverfolgt hätte, sei ein ersatzfähiger Schaden nicht feststellbar. Der [X.] habe nicht hinreichend vorgetragen, daß ein zulässi-ger Antrag nach § 175 StPO auch begründet gewesen wäre und das nachfol-gende Strafverfahren zu einer Verurteilung des Architekten geführt hätte.

2. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. - 7 - a) Der Revision kann nicht zugestimmt werden, der [X.] habe schon in erster Instanz geltend gemacht, daß er von dem [X.] bei richtiger Beratung durch den Kläger Abstand genommen hätte.

[X.]) Der angeblich übergangene Vortrag bezieht sich nicht auf das hier in Rede stehende Mandatsverhältnis, sondern auf die Verteidigung des [X.]n in einem gegen ihn geführten st[X.]tsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Hierfür hat der Kläger ein weiteres Honorar von 500 DM beansprucht, über das in erster Instanz abschließend entschieden worden ist. Bezüglich des streitge-genständlichen Mandatsverhältnisses hat der [X.] in erster Instanz durch-gängig den Standpunkt eingenommen, die Verurteilung des Architekten sei allein daran gescheitert, daß der [X.] keinen formgerechten Antrag gemäß § 172 Abs. 3 StPO zustande gebracht habe. Soweit er ergänzend bestreitet, auf die angeblich mangelnden Erfolgsaussichten eines Klageerzwingungsver-fahrens hingewiesen worden zu sein, behauptet er damit nicht, daß aus der damaligen Sicht eines sorgfältigen Rechtsanwalts die Erfolgsaussichten tat-sächlich als gering einzuschätzen gewesen seien, der Kläger den [X.]n entsprechend hätte belehren müssen und dieser bei richtiger Beratung über die mangelnden Erfolgsaussichten in der Sache von dem Klageerzwingungsverfah-ren Abstand genommen hätte. Einen solchen Sachverhalt hat der [X.] nicht zum Gegenstand seines erstinstanzlichen Vortrags gemacht.

[X.]) Den [X.] zwischen der pflichtwidrigen Beratung und dem beim Auftraggeber eingetretenen Schaden hat dieser darzulegen und zu beweisen ([X.] 123, 311, 313 ff). Das gilt auch für die Frage, wie sich der Auftraggeber bei richtiger Beratung verhalten hätte. Insoweit kommen ihm zwar, weil es sich dabei um die haftungsausfüllende Kausalität handelt, Be-- 8 - weiserleichterungen zu Hilfe (§ 287 ZPO). Außerdem kann dem Mandanten die Beweisführung nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erleichtert sein ([X.] 123, 311, 314 f; Urt. v. 22. Februar 2001 - [X.] ZR 293/99, [X.], 741, 743). Die Regeln des Anscheinsbeweises sind jedoch unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verschiedene Verhaltensweisen ernsthaft in Betracht kommen und die Aufgabe des Beraters lediglich darin be-steht, dem Mandanten durch die erforderlichen fachlichen Informationen eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen ([X.], Urt. v. 22. Februar 2001 - [X.] ZR 293/99, [X.]O S. 743). Ob es für die Tochter des [X.]n wirtschaftlich vernünftig war, das [X.] zu betreiben, nachdem der [X.] mit demselben Vorhaben bereits gescheitert war, wird von dem [X.] im gesamten Verfahren nicht ansatzweise dargelegt. Ein Sachverhalt, der es wahrscheinlich erscheinen läßt, daß der Architekt wegen [X.] verurteilt worden wäre, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden; [X.] hat die Revision insoweit nicht erhoben. Im [X.] liegt auch, welchen Einfluß die Verurteilung des Architekten auf die wirtschaftliche Lage des [X.]n gehabt hätte. Damit ist auch vollständig offen, ob die Motive des [X.]n für den dem Kläger erteilten Auftrag in wirtschaftlichen Überlegun-gen zu suchen sind oder ob das Verfahren aus anderen Gründen "koste es, was es wolle" durchgeführt werden sollte. Auf dieser Tatsachengrundlage kann sich der [X.] nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen.

b) Ohne einen hinreichenden Vortrag des [X.]n in erster Instanz zur haftungsausfüllenden Kausalität durfte das Berufungsgericht deshalb neue [X.] und Verteidigungsmittel hierzu nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulassen. Das Berufungsgericht hat insoweit keinen Zulassungsgrund gesehen; dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. - 9 -

c) Schließlich erweisen sich auch die weiteren Ausführungen des [X.] zur haftungsausfüllenden Kausalität als tragfähig.

Da in den Tatsacheninstanzen nicht einmal in einer der Beweiserhebung zugänglichen Weise vorgetragen worden ist, aufgrund welchen [X.] der als Sachverständiger vernommene Architekt vorsätzlich die Un-wahrheit gesagt haben soll, hat das Berufungsgericht mit Recht nicht feststel-len können, wie sich die Vermögenslage des [X.]n bei einem zulässigen Antrag gemäß § 172 Abs. 2 StPO entwickelt hätte.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß ein zulässiges und sogar be-gründetes [X.] in keinem Fall zu einer Kostenentschei-dung zugunsten des [X.]n geführt hätte. Die notwendigen Auslagen des [X.] fallen zwar im Falle einer Verurteilung in der Regel dem [X.] (§ 472 Abs. 1 StPO). Dazu mögen regelmäßig auch die durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung veranlaßten notwendigen Kosten gehören (vgl. [X.], [X.] Aufl. § 177 Rn. 3; § 472 Rn. 8). Da der Meineid (§ 154 StGB) jedoch nicht zu den nebenklagefähigen Delikten gehört (vgl. § 395 Abs. 1 bis 3 StPO) und das von dem [X.]n selbst betriebene [X.] schon vor Mandatserteilung an den Kläger endgül-tig gescheitert war, wäre bei pflichtgemäßem Handeln allenfalls die Tochter des [X.]n zur Nebenklage befugt gewesen (§ 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Nur sie
- 10 - hätte deshalb zu Recht und wirksam, was von § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO vor-ausgesetzt wird (vgl. [X.], [X.]O § 472 Rn. 8), als Nebenklägerin [X.] werden können.

[X.] Ganter [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 256/03

15.07.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2004, Az. IX ZR 256/03 (REWIS RS 2004, 2298)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2298

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