Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2010, Az. 2 ARs 293/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 3342

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Gegenstand

Wiederinvollzugsetzung einer Unterbringungsanordnung: Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer; Zuständigkeit für Entscheidungen im Rahmen der Führungsaufsicht nach Krisenintervention


Leitsatz

1. Die Krisenintervention nach § 67h StGB ist Vollstreckung einer Maßregel im Sinne von § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO .

2. § 463 Abs. 7 StPO findet im Fall der Krisenintervention nach § 67h StGB entsprechende Anwendung .

Tenor

Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird gemäß § 14 StPO dem

Landgericht – Strafvollstreckungskammer - Köln

übertragen.

Gründe

1

1. Gegen den Verurteilten wurde mit Urteil des [X.] vom 26. März 2006 im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Maßregel wurde zugleich zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom 27. März 2006 wurde die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt. Durch weiteren Beschluss vom 24. März 2009 wurde diese Anordnung aufgehoben und zugleich bestimmt, dass es bei der gesetzlichen Höchstdauer der befristeten Führungsaufsicht von fünf Jahren bleibe. Am 12. September 2009 beschloss das [X.], die zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung für die Dauer von drei Monaten in Vollzug zu setzen und die sofortige Vollstreckbarkeit der Maßnahme anzuordnen. Aufgrund dessen wurde der Verurteilte in die LVR-Klinik in [X.] aufgenommen. Nach weiterer Invollzugsetzung für die Dauer von drei Monaten durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht [X.] vom 2. Dezember 2009 verblieb der Verurteilte schließlich bis zum 12. März 2010 im Vollzug der Unterbringung.

2

Das [X.] und das Landgericht [X.] - Strafvollstreckungskammer - streiten über die Zuständigkeit für die weitere Bewährungsüberwachung und Führungsaufsicht aus dem Urteil des [X.].

3

2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht [X.].

4

a) Mit der ersten Invollzugsetzung der Unterbringungsanordnung gemäß § 67h StGB und der Aufnahme des Verurteilten in die LVR-Klinik in [X.] liegt ungeachtet dessen, dass es nicht zu einem Widerruf der Aussetzung nach § 67g StGB gekommen ist, eine (Teil-)Vollstreckung der mit Urteil vom 26. März 2006 angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB vor. Allein diese Anordnung ist Grundlage für die Unterbringung des Verurteilten; § 67h StGB stellt insoweit keine eigenständige Maßnahme dar, sondern erlaubt lediglich eine unselbständige Vollstreckungsmodalität der Maßregel nach § 63 StGB (vgl. [X.]/[X.], 12. Aufl., § 67h Rn. 4). Mit der Aufnahme des Verurteilten wurde daher gemäß § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die Bewährungsüberwachung begründet; deren Fortdauer beruht nach § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 2 StPO darauf, dass die weitere Vollstreckung der Unterbringungsanordnung zur Bewährung ausgesetzt ist (anders für Verfahren nach dem [X.], NStZ 2010, 283).

5

b) Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die durch die befristete Invollzugsetzung der Unterbringungsanordnung lediglich unterbrochene (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 67h Rn. 18) Führungsaufsicht ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 463 Abs. 7 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 2 StPO. § 463 Abs. 7 StPO stellt für die Anwendung des § 462a Abs. 1 StPO [X.] eingetretene Führungsaufsicht nach § 68f StGB der Aussetzung des Strafrests in bestimmten Fällen gleich. Sie behandelt damit den Eintritt von Führungsaufsicht wie einen Fall der Strafaussetzung zur Bewährung und erweitert so - nach vorangegangener Vollstreckung von Freiheitsentziehung - die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auf die nicht freiheitsentziehende [X.] der Führungsaufsicht (vgl. Senat, NJW 2010, 951; ferner [X.], 6. Aufl. § 463 StPO, Rn. 7). Auch in diesen Fällen soll der allgemeinen Zielrichtung des § 462a StPO entsprechend die besondere Erfahrung und Entscheidungsnähe der Strafvollstreckungskammer, die den Verurteilten im Zusammenhang mit der Vollziehung von Strafe oder Maßregel kennt, genutzt werden, um hinsichtlich aller in demselben Strafverfahren zu treffender nachträglicher Entscheidungen die Einheitlichkeit des auf die Resozialisierung des [X.] gerichteten Handelns zu gewährleisten (vgl. die Begr. zu [X.], [X.]. 7/550, S. 314 i.V.m. S. 312).

6

Dass der Fall der Krisenintervention nach § 67h StGB in § 463 Abs. 7 StPO nicht ausdrücklich als ein Anwendungsfall der Norm genannt ist, steht ihrer Anwendung nicht entgegen. Der Gesetzgeber, der § 67h StGB im Rahmen des [X.] vom 13. April 2007 ([X.] I 513) in das StGB eingefügt und dabei auch § 463 StPO geändert hat, hat ersichtlich nicht bedacht, dass mit der befristeten Invollzugsetzung einer Maßnahme nach § 63 oder § 64 StGB eine Vollstreckung dieser Maßregeln i.S.v. § 462a Abs. 1 StPO verbunden ist und sich im [X.] daran die Frage stellt, wer nunmehr - nachdem die Bewährungsaufsicht der Strafvollstreckungskammer obliegt - für die im Rahmen der Führungsaufsicht nachträglich zu treffenden Entscheidungen zuständig sein soll. Damit steht der gesetzgeberische Wille einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift nicht im Wege. Auch im Fall der Krisenintervention nach § 67h StGB greift der ursprüngliche gesetzgeberische Zweck und lässt es geboten erscheinen, die nachträglich hinsichtlich der Bewährungs- und Führungsaufsicht zu treffenden Entscheidungen in den Händen der Strafvollstreckungskammer zu belassen, die den ehemals Untergebrachten bereits aus der [X.] der Vollstreckung der Maßnahme kennt und damit - im Verhältnis zum erkennenden Gericht - über bessere und zeitnähere Informationen zu seiner Person verfügt.

[X.]                                  Krehl

                                Eschelbach                                 Ott

Meta

2 ARs 293/10

15.09.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 462a Abs 1 S 1 StPO, § 463 Abs 1 StPO, § 463 Abs 7 StPO, § 67h StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2010, Az. 2 ARs 293/10 (REWIS RS 2010, 3342)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3342

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