Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2018, Az. VIII ZR 148/17

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14307

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:070218U[X.]148.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII ZR 148/17
Verkündet am:

7. Februar 2018

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
StromGVV § 17 Abs. 2 Nr. 1
Die Frage, ob von einem Haushaltskunden erhobene Einwendungen gegen eine Stromrechnung die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" belegen und den Kunden deshalb zur Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen, ist unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzel-falls zu beantworten (hier: angebliche Verzehnfachung des Verbrauchs bei [X.]). Danach berechtigte Einwendungen des Kunden hat der Versorger bereits im Zahlungsprozess zu widerlegen.
StromGVV § 17 Abs. 2 Nr. 2
§ 17 Abs. 2 Nr. 2 StromGVV stellt keine abschließende Regelung sämtlicher Fälle von Verbrauchssteigerungen dar.

[X.], Urteil vom 7. Februar 2018 -
VIII ZR 148/17 -
O[X.]

[X.]

-
2 -
Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger,
die Richterin Dr.
Hessel
sowie [X.]
Dr.
Achilles, Dr.
Schneider und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 19. Mai 2017 in der Fassung des [X.] vom 12. Juli 2017
wird zurückge-wiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die
Klägerin, die die Beklagten bis 2015 im Wege der Grundversorgung mit Strom und Gas belieferte, macht im vorliegenden Prozess Nachforderungen für mehrere Abrechnungszeiträume geltend. In den Rechtsmittelinstanzen steht
nur noch die Abrechnung der Klägerin vom 29. Juli 2015 nebst Mahnkosten
in Streit. Die Klägerin berechnet darin für Stromlieferungen von insgesamt 31.814 kWh im Zeitraum vom 29. Juli 2014 bis zum 24. Juli 2015 einen Betrag von 9.073,40

.
Die Beklagten bestreiten, die
ihnen in Rechnung gestellte Strommenge, die etwa zehnmal so hoch
ist wie
der übliche Verbrauch von Haushalten ver-gleichbaren Zuschnitts und auch der Beklagten selbst im Vorjahreszeitraum, verbraucht zu haben.
Der
Stromzähler an der Abnahmestelle der Beklagten 1
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3 -
wurde von der
Klägerin entsorgt, nachdem eine Untersuchung
durch eine staat-lich anerkannte
Prüfstelle keinen Mangel ergeben hatte.
Das [X.] hat der auf Zahlung
von 10.202,69 nebst Zinsen und Mahnkosten gerichteten Klage bis auf einen Teil der Nebenforderung stattge-geben. Die Beklagten haben die Verurteilung in Höhe eines Betrages von ihnen in der Abrechnung vom 29. Juli 2015 in Rechnung gestellten Stromkosten so-wie einen Teil der zugesprochenen Mahnkosten gewendet. Die Berufung der Beklagten hatte (bis auf einen geringen Teil der Nebenforderung)
Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wieder-herstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit im Berufungsurteil zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Beklagten seien gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berech-tigt, die Zahlung von mehr als 1.123der Rechnung vom 29. Juli 2015 abgerechneten Verbrauchswerte für Strom "die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers"
bestehe. Eine solche Möglichkeit
könne sich auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen vorangegangener oder nachfol-3
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gender Abrechnungsperioden ergeben. Um einen solchen Fall handele es sich hier, weil es keine plausible Erklärung für den um mehr als 1.000 Prozent
von dem [X.] abweichenden Stromverbrauch gebe. Die Klägerin verlange hier

wie sie selbst ausführe

etwa das Zehnfache dessen, was ein Haushalt mit drei Personen üblicherweise verbrauche.
Anhaltspunkte dafür, dass die hierzu persönlich angehörten Beklagten
diese exorbitante Strommenge selbst verbraucht haben könnten, gebe es nicht. Bei den Beklagten handele es sich um ein älteres Ehepaar, in dessen Haushalt außerdem noch der Enkel lebe, der zeitweise jedoch wegen seiner Ausbildung abwesend gewesen sei. Die Beklagten
hätten glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, wie überrascht sie von den abgelesenen Werten seien; auch der Ableser der Klägerin habe die angezeigten Werte spontan für fehlerhaft gehal-ten. Es spreche auch nichts dafür, dass die Beklagten in dem streitgegenständ-lichen Zeitraum andere als die von ihnen angegebenen Elektrogeräte und die für einen normalen Haushalt typischen Stromabnehmer eingesetzt hätten. Die eher bescheidenen Lebensverhältnisse der Beklagten ergäben sich schon aus der Notwendigkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die dargelegten
Umstände rechtfertigten die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines offen-sichtlichen Fehlers.
Auch Rechtsgründe stünden einer solchen Wertung nicht entgegen. Zwar sei die Reichweite des Begriffs der "ernsthaften Möglichkeit eines offen-sichtlichen Fehlers"
umstritten. Nach zutreffender Ansicht würden durch § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV jedoch die Einwendungsmöglichkeiten des Haushaltskunden gegenüber der Vorläuferregelung in § 30 Nr. 1 [X.] er-weitert. Während sich nach altem Recht die Offensichtlichkeit des Fehlers "aus den Umständen"
habe ergeben müssen, genüge nach neuem Recht die "[X.] Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers". Wie sich aus den Gesetzes-7
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materialien zur Stromgrundversorgungsverordnung ergebe, sei mit der Neure-gelung nicht nur eine sprachliche Neufassung verbunden gewesen; vielmehr habe gegenüber der Vorläuferregelung klargestellt werden sollen, dass bereits die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ein Zahlungsverweige-rungsrecht des Haushaltskunden begründen solle.
Insoweit genüge es,
wenn ein offensichtlicher Fehler nicht nur theore-tisch denkbar sei, sondern bereits dann, wenn für den Fehler eine gewisse Plausibilität spreche. Dies könne bei einer Verbrauchssteigerung um mehr als 1.000 Prozent
nicht ernsthaft bezweifelt werden.
Wie es zu der Anzeige des außergewöhnlich hohen Stromverbrauchs gekommen sei, sei rätselhaft geblie-ben. Angesichts der extremen Abweichung des Messergebnisses werde die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers auch durch den vorgeleg-ten [X.] nicht beseitigt. Die Nachprüfung des Messgeräts sei ohnehin nur für die Berechtigung einer Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV erforderlich, nicht aber für eine solche nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV.
Der Verweis der
Beklagten auf einen Sekundärprozess wäre hier zudem eine
sinnlose [X.], da eine Begutachtung des inzwischen von der Klägerin entsorgten Stromzählers nicht mehr möglich sei
und die Beklagten daher in ei-nem Sekundärprozess zwangsläufig obsiegen müssten.

Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr zumindest ein vom Gericht zu schätzender "Sockelbetrag"
zugesprochen wer-den müsse, weil sie diesen Betrag in Form von Abschlagszahlungen bereits erhalten habe.
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II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-sion zurückzuweisen ist.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung ([X.]) Vergütung für gelieferten Strom (§ 433 Abs. 2 BGB) nicht zu, weil sie den
tatsächlichen Verbrauch der
berechneten Strommenge durch die
Beklagten
nicht bewiesen hat.
Die Beklagten waren mit ihrem diesbezüglichen Einwand
im vorliegenden Zahlungsprozess nicht ausgeschlossen, denn insoweit bestand -
wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat -
die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers"
der Abrechnung
im Sinne des § 17
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizi-tät aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverord-nung
-
StromGVV) vom 26. Oktober 2011 ([X.] [X.]). Dementsprechend
oblag es der Klägerin

wie im [X.] grundsätzlich jedem Verkäufer, der nach § 433 Abs. 2 BGB den
vereinbarten
Kaufpreis
geltend macht

bereits in den Tatsacheninstanzen
des vorliegenden Zahlungsprozesses
die tatsächli-chen Grundlagen der von ihr beanspruchten Forderung (hier:
die Richtigkeit der in ihrer Rechnung zugrunde gelegten Verbrauchsmenge)
zu beweisen. Hieran fehlt es.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwände, die
der Kunde gegen Rechnungen des Grundversorgers erhebt, ihn nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung, wenn die "ernsthafte Mög-lichkeit eines offensichtlichen Fehlers"
besteht.
Das Berufungsgericht hat dies für den vorliegenden Fall
unter Würdigung der von ihm festgestellten Umstände
bejaht.
Bei
dieser Beurteilung
handelt es 12
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sich im Wesentlichen um eine tatrichterliche Würdigung, die
vom Revisionsge-richt regelmäßig nur darauf überprüft werden kann,
ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende Maßstäbe angelegt hat,
ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze
hinreichend beachtet hat oder ihm von der Revision gerügte [X.] unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche tatsächliche Umstände
übersehen oder nicht vollständig ge-würdigt hat (st. Rspr.;
vgl.
nur [X.]surteile
vom 15. März 2017

VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 24;
vom
9. November 2016

VIII ZR 73/16, NZM
2017, 26 Rn. 16;
jeweils mwN). Ein solcher
Rechtsfehler wird von der Re-vision
jedoch nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
a)
Zu Unrecht macht die Revision zunächst geltend, der vom [X.] bejahten ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers stehe das im Prozess vorgelegte Messprotokoll einer staatlich anerkannten Prüfstelle entgegen, weil dieses ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Messeinrich-tung bestätige und damit eine etwaige Indizwirkung einer erheblichen Mengen-überschreitung "entkräftet"
sei. Damit setzt die Revision aber lediglich ihre ei-gene Beurteilung an die Stelle der Würdigung des Berufungsgerichts, ohne ei-nen Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat die im [X.] be-stätigte beanstandungsfreie Befundprüfung des Stromzählers bei seiner Würdi-gung ausdrücklich berücksichtigt, ist jedoch angesichts der übrigen von ihm festgestellten Umstände (angebliche Verzehnfachung des Verbrauchs, Zu-schnitt des Haushalts der Beklagten) zu der nachvollziehbaren
Einschätzung gelangt, dass gleichwohl die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Feh-lers gegeben sei.
b) Soweit die Revision sich auf die schon der Vorgängerregelung des §
30 Nr. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitäts-versorgung von Tarifkunden ([X.]) vom 21. Juni 1979 ([X.] I S. 684) zu-16
17

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8 -
grundeliegende Interessenabwägung
des Verordnungsgebers
beruft, an der sich durch die Neufassung in § 17 StromGVV nichts Grundlegendes geändert habe, zeigt sie
einen Rechtsfehler der Würdigung des Berufungsgerichts

etwa durch
Anlegung eines rechtlich unzutreffenden Maßstabes

ebenfalls nicht auf. Insbesondere trifft es nicht zu, dass § 17 Abs. 1 StromGVV den Kunden mit
Einwendungen, die eine nähere Sachprüfung und Beweisaufnahme erforderlich machen, ausnahmslos
auf den [X.] verweist.
aa) Zutreffend ist allerdings der Hinweis der Revision, dass
auch der nunmehr in § 17 Abs. 1 StromGVV vorgesehene Einwendungsausschluss

ebenso wie schon die Vorgängerregelung des § 30 Nr. 1 [X.] (dazu [X.] vom 21. November 2012

VIII ZR 17/12, NJW 2013, 2273
Rn. 11, unter Hinweis auf [X.]. 76/79 zu § 30 [X.])

auf der Erwägung des Verordnungsgebers
beruht, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichte-ten Grundversorger im Interesse einer möglichst kostengünstigen Versorgung
nicht gezwungen sein sollten,
unvertretbare Verzögerungen bei der Realisie-rung ihrer Preisforderungen hinzunehmen, die sich daraus ergeben, dass Kun-den Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen. Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen zu vermeiden, soll es den Versorgungsunternehmen durch den weitgehenden Einwendungsausschluss ermöglicht werden, die Vielzahl ihrer oft kleinen Forde-rungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess oh-ne
eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen.
bb) Der Kunde soll somit
zwar regelmäßig darauf verwiesen sein, die von ihm vorläufig zu erbringenden Zahlungen in einem anschließend zu führenden [X.]
in Höhe des nicht geschuldeten Betrags erstattet zu verlangen ([X.]surteil vom 21. November 2012

VIII
ZR 17/12, aaO Rn. 12 18
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9 -
mwN). Dadurch wird der Kunde aber nicht rechtlos gestellt, denn es handelt sich um eine
nur
vorläufige Regelung, mit der lediglich die Beweisaufnahme über die darin erfassten Einwendungen in den [X.] des Kunden verlagert wird. Die Darlegungs-
und Beweislast des [X.] für die Richtigkeit seiner Abrechnung, insbesondere für den tatsächli-chen Verbrauch der berechneten Strommenge, ändert sich hingegen dadurch nicht, denn in diesen Fällen ist von einer Zahlung des Kunden unter Vorbehalt auszugehen
([X.], Urteile
vom 5. Juli 2005 -
X [X.], NJW 2005, 2919 un-ter II 2
c aa (2), insoweit in [X.]Z 163, 321 nicht abgedruckt; vom 9. März 1989

[X.], NJW 1989, 1606
unter 2 a [zur Darlegungs-
und Beweislast für den Bereicherungsanspruch des auf Grund einer [X.] auf erstes Anfordern zur Zahlung verpflichtet gewesenen Bürgen]; zu der Rege-lung des § 30 Nr. 1 [X.]: [X.], [X.], 431, 432;
im Ergebnis ebenso [zu § 30 Nr. 1 [X.]]: [X.] in [X.]/[X.], Recht der Energie-
und Wasserversorgung, Stand Oktober 2006, Band 5, § 30 [X.], Rn. 12, 58).
Auch
hat der [X.] schon zu § 30 Nr. 1 [X.] wiederholt entschieden, dass
die
inhaltliche Reichweite des darin bestimmten Ausschlus-ses von Einwendungen unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu beurteilen sei.
Den Interessen der Kunden an der Geltendmachung von [X.] kann danach
ein solches Gewicht zukommen, dass es unangemessen wäre, diese im Zahlungsprozess unberücksichtigt zu lassen und die Kunden auf einen [X.] zu verweisen.
Aus diesem Grund hat der
[X.]
etwa Einwendungen des Kunden, die die vertraglichen Grundlagen für Inhalt und Umfang der Leistung betreffen, vom Anwendungsbereich eines Einwen-dungsausschlusses ausgenommen (vgl. nur [X.]surteile vom 6. April 2011

VIII ZR 273/09, [X.]Z 189, 131 Rn. 51 f.;
sowie vom 15. Februar 2006

VIII
ZR 138/05, [X.], 1442 Rn. 28).
20

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cc) Der typische Anwendungsbereich des [X.] be-trifft somit Streitigkeiten über Mess-
und Ablesefehler, in denen es regelmäßig um überschaubare Beträge geht und es dem Haushaltskunden auch zumutbar ist, mit der Prüfung seiner Einwände auf eine Beweisaufnahme im [X.] verwiesen zu werden.
Aus diesem Rahmen fällt allerdings eine Fallgestal-tung wie die vorliegende, in der dem Haushaltskunden
weit außerhalb jeder Plausibilität liegende Verbrauchsmengen
und dementsprechend Nachforderun-gen
in einer Höhe
in Rechnung gestellt
werden, die
zu
einer finanziellen Be-drängnis eines durchschnittlichen [X.] führen können,
deutlich [X.]. Einen vergleichbaren Sachverhalt hatte der [X.] bisher

auch unter der Geltung des § 30 Nr. 1 [X.]
-
nicht zu beurteilen.
dd) Die Frage, ob in der vorliegenden "extremen"
Fallgestaltung
schon nach der Regelung des § 30 Nr. 1 [X.]
ein Einwendungsausschluss des Kunden zu verneinen
gewesen wäre, kann jedoch dahinstehen. Denn
mit der Neuregelung des [X.] in § 17 StromGVV ist zu Gunsten des Kunden auch eine inhaltliche Änderung gegenüber der Vorgängerregelung verbunden gewesen, wie
das Berufungsgericht im [X.] an vorangegan-gene instanzgerichtliche Rechtsprechung ([X.], NJW-RR 2016, 435; [X.], [X.] 2012, 1646; [X.], Beschluss vom 17.
März 2015, 3 U 1514/14, juris
Rn. 19) richtig gesehen hat.

Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, wonach der Kunde Einwände gegen die Rechnung (schon) erheben kann, wenn
die "ernsthafte Möglichkeit"
eines offensichtlichen Fehlers besteht, während § 30 Nr. 1
[X.] erforderte, dass die
Rechnung "offensichtliche, sich aus den Umstän-den ergebende
Fehler"
aufweist. Der sich auf
§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] Kunde genügt daher seiner Darlegungslast
bereits dann, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzel-21
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falls den Schluss auf die "ernsthafte Möglichkeit"
eines offensichtlichen Fehlers
ermöglichen.
Diese Auslegung wird von den [X.] zur Strom-grundversorgungsverordnung gestützt. So hat der Verordnungsgeber ausge-führt, dass gegenüber der bisherigen Regelung klargestellt werde, dass "bereits das
Bestehen der ernsthaften Möglichkeit"
eines offensichtlichen Fehlers den Haushaltskunden gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung berechtigt
([X.].
306/06, S.
37). Der Verord-nungsgeber
wollte mit der Neuregelung
ersichtlich die Einwendungsmöglichkei-ten des Kunden gegenüber § 30 Nr. 1 [X.] erweitern
und gerade einen et-was weniger strengen Maßstab für die Berücksichtigung von Einwendungen des Kunden im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens einführen, weil ihm die in der Rechtsprechung
zu § 30 Nr. 1 [X.] angelegten Maßstä-be teilweise als zu streng (zum Nachteil des Kunden) erschienen.
Anders als die Revision offenbar meint, führt daher der Umstand, dass es zum Nachweis der Richtigkeit einer vom Kunden
mit konkreten Einwendun-gen bestrittenen Abrechnung der Durchführung einer Beweisaufnahme bedarf, jedenfalls
im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV nicht dazu, dass der Kunde "zwangsläufig"
auf einen [X.] zu verweisen wäre. Denn in Fällen, in denen

wie hier nach der [X.] Beurteilung des Berufungsgerichts
-
die ernsthafte Möglichkeit eines offensicht-lichen Fehlers besteht, wird dem Kunden gerade nicht zugemutet, ohne Prüfung seiner Einwendungen zahlen zu müssen,
und hat der
Verordnungsgeber für derartige ([X.] dem Interesse des [X.] keinen Vorrang eingeräumt.

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c) Ebenfalls ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StromGVV sei auf
Fälle
eines außergewöhnlichen (angeblichen) Mehrverbrauchs
nicht anwendbar, weil diese
ausschließlich nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
StromGVV zu beurteilen seien und danach ein Zahlungsverweige-rungsrecht der Beklagten jedenfalls mit der Feststellung der ordnungsgemäßen Funktion der Messeinrichtung durch die staatlich anerkannte Prüfstelle entfallen sei.
aa) § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV eröffnet dem Kunden die Mög-lichkeit eines Zahlungsaufschubs, wenn der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch ist wie der ver-gleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum. Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass der Kunde eine Nachprüfung der [X.] verlangt und nur, solange nicht durch die Nachprüfung die ordnungs-gemäße Funktion der Messeinrichtung festgestellt ist. Für die
Auffassung der Revision, es handele
sich dabei um eine abschließende Sonderregelung für sämtliche Fälle ungewöhnlicher Verbrauchssteigerungen, gibt es allerdings [X.] Anhaltspunkte. In §
17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV werden die beiden dort [X.] Möglichkeiten eines Zahlungsaufschubs oder einer Zahlungsverwei-gerung durch ein "oder"
verbunden und somit als nebeneinander bestehende Möglichkeiten angesehen. Dementsprechend ist in den Gesetzgebungsmateria-lien davon die Rede, dass die Regelung nach Nr. 2 dem Kunden "auch dann"
ein Zahlungsverweigerungsrecht einräume, wenn die Rechnung
ohne ersichtli-chen Grund auf einer Verdoppelung des Verbrauchs beruhe und er durch das Verlangen nach einer Nachprüfung der Messeinrichtung Zweifel an der Ver-brauchsmessung
unterstreicht ([X.].
306/06,
S. 37).
bb) Im Übrigen verkennt die Revision
auch hier, dass mit der Neufassung der bisherigen Bestimmung in § 30 Nr. 1 [X.] eine Verbesserung der 26
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Rechtsstellung der Kunden beabsichtigt war. Deshalb knüpft § 17 StromGVV die Geltendmachung eines Zahlungsaufschubs oder einer Zahlungsverweige-rung -
anders die Vorgängerregelung in § 30 Nr. 2 [X.]
-
nicht mehr an eine bestimmte Frist; zugleich
ist gegenüber der bisherigen Regelung klargestellt, dass bereits das Bestehen der "ernsthaften Möglichkeit"
eines offensichtlichen Fehlers ausreicht, um ein Zahlungsverweigerungsrecht des Kunden zu [X.]. Zusätzlich erhält der Kunde mit der in Ziffer 2 getroffenen Regelung ein vorläufiges Zahlungsverweigerungsrecht bis zur Feststellung der ordnungsge-mäßen Funktion der Messeinrichtung, das lediglich an eine Verbrauchssteige-rung um mehr als das Doppelte ohne ersichtlichen Grund sowie an ein Nach-prüfungsbegehren des Kunden geknüpft ist. Diese Regelung bezweckt damit eine (weitere)
Verbesserung der rechtlichen Stellung des Kunden für die davon erfassten Fälle und schließt es deshalb aus, sie als Einschränkung der in Zif-fer
1 getroffenen Regelung anzusehen, wie es die Revision verstanden wissen will.

d) Der weitere Einwand der Revision, eine Berücksichtigung der Einwän-de der Beklagten im vorliegenden Prozess sei "grob unbillig", weil die Klägerin mit der Abweisung der Klage im vorliegenden Prozess einen endgültigen [X.] erleide, den Beklagten im umgekehrten Fall aber mit dem [X.] ein "zweiter Anlauf"
zur Verfügung stehe, trifft schon im An-satz nicht zu. Denn dem Kunden, der mit Einwendungen aufgrund der Rege-lung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
StromGVV
ausgeschlossen wird, steht mit dem [X.] kein "zweiter Anlauf"
zu; vielmehr werden seine Einwendungen erstmals dort berücksichtigt. Sind Einwendungen des Kunden hingegen

wie hier

nicht ausgeschlossen, ist deren Berechtigung bereits im Zahlungsprozess (abschließend) zu prüfen und steht weder dem Kunden noch dem Versorgungsunternehmen nach einem Verlust des Prozesses ein "zweiter Anlauf"
zu.
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14 -
2. Da die Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen mit ihrem Einwand, die berechnete Strommenge nicht verbraucht zu haben, nicht ausge-schlossen waren, hatte die
Klägerin
die
Richtigkeit ihrer Abrechnung
zu bewei-sen. Diesen
Beweis hat sie jedoch

was auch die Revision nicht verkennt

nicht geführt. Verfahrensrügen sind von der Revision nicht erhoben worden.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Kosziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.11.2016 -
3 O 1532/16 -

O[X.], Entscheidung vom 19.05.2017 -
6 [X.]/16 -

30

Meta

VIII ZR 148/17

07.02.2018

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2018, Az. VIII ZR 148/17 (REWIS RS 2018, 14307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14307

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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