Bundessozialgericht, Urteil vom 10.09.2020, Az. B 3 P 3/19 R

3. Senat | REWIS RS 2020, 2262

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Gegenstand

(Soziale Pflegeversicherung - Wohngruppenzuschlag - "ambulante" Versorgungsform iSd § 38a Abs 1 S 1 SGB 11 - Beauftragung mehrerer natürlicher wie auch juristischer Personen in Kombination oder in einem gestuften Verhältnis)


Leitsatz

1. Eine "ambulante" Versorgungsform im Sinne der Regelungen über den Wohngruppenzuschlag für Pflegebedürftige liegt vor, wenn dem Leistungserbringer nicht die vollständige Verantwortung für die Pflege- und Betreuungsleistungen ohne freie Wahlmöglichkeit der Pflegebedürftigen übertragen wird, sondern die Übernahme von weiteren Aufgaben durch Dritte möglich bleibt.

2. Dem Anspruch steht die Beauftragung mehrerer natürlicher wie auch juristischer Personen in Kombination oder in einem gestuften Verhältnis nicht generell entgegen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 17. Juli 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die [X.]eteiligten streiten über die Gewährung eines [X.]s nach § 38a [X.][X.] XI.

2

Die 1930 geborene, bei der beklagten Pflegekasse versicherte Klägerin bezieht Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit. In der [X.] vom [X.] bis 30.4.2018 lebte sie in einer Wohngruppe ("[X.]") in [X.] Seit 1.5.2018 lebt sie - wie erst später im Klageverfahren mitgeteilt - in einer Wohngruppe in [X.] ("[X.]-WG"). Die Klägerin schloss jeweils einen Mietvertrag für eine Unterkunft in der Wohngruppe, ferner einen gesonderten Pflegevertrag und zudem einen "Mieterversorgungsvertrag" mit dem Verein [X.] Mitglieder beider Wohngemeinschaften beauftragten diesen Verein als "Koordinator" zur Sicherstellung der allgemeinen, organisatorischen, verwaltenden oder betreuenden und das Gemeinschaftsleben fördernden Tätigkeiten. Während zunächst ein Vertragsschluss der Klägerin mit dem Verein erfolgte, sah der im September 2018 geschlossene Koordinationsvertrag - auf der [X.]asis eines Ergebnisprotokolls der konstituierenden Mitgliederversammlung der Wohngemeinschaft - eine gemeinsame [X.]eauftragung des Vereins durch die [X.]-WG vor. Nach dem Inhalt des Vertrags beauftragt der Verein wiederum die bei ihm angestellte Leiterin der Wohngruppe und den Pflegedienstleiter mit der Wahrnehmung der übernommenen Aufgaben. Die Mitglieder der Wohngruppe sind zur Zahlung eines monatlichen Entgelts von 214 Euro an den Verein verpflichtet, nicht hingegen an die vom Verein beschäftigten Personen.

3

Den im Januar 2018 gestellten Antrag der Klägerin auf die Zahlung von [X.] nach § 38a [X.][X.] XI lehnte die [X.]eklagte ab: [X.]ei der gewählten Wohnform handele es sich nicht um ein Leben in einer ambulant betreuten Wohngruppe iS von Abs 1 Satz 1 [X.] 1 der Regelung, vielmehr lägen insoweit die Merkmale einer den Leistungsanspruch ausschließenden "stationären" Pflegeeinrichtung vor. Die Klägerin selbst habe angegeben, dass täglich eine "[X.]etreuung rund um die Uhr durch verschiedene Kräfte" erfolge. Zudem fehle eine wirksame "gemeinschaftliche" [X.]eauftragung "einer" Präsenzkraft durch die Wohngruppe ([X.]escheid vom 18.4.2018; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2018).

4

Die Klage ist vor dem [X.] erfolglos geblieben, weil die - erforderliche - gemeinschaftliche [X.]eauftragung einer natürlichen Person zur Verrichtung der in § 38a Abs 1 Satz 1 [X.] [X.][X.] XI genannten Tätigkeiten nicht erfolgt sei. Im Übrigen entsprächen die tatsächlichen Verhältnisse denjenigen bei einer vollstationären Pflege bzw einem betreuten Wohnen, da die Leistungen sozusagen "aus einer Hand" angeboten und sichergestellt würden (Urteil vom 15.10.2018).

5

Das L[X.] hat die [X.]erufung der Klägerin - [X.]ezug nehmend auf die Entscheidungsgründe des [X.] - zurückgewiesen: Die Voraussetzungen des § 38a [X.][X.] XI seien schon deshalb nicht erfüllt, weil ausweislich der vorgelegten Verträge in beiden Wohngruppen zu keinem [X.]punkt iS von § 38a Abs 1 Satz 1 [X.] [X.][X.] XI ausschließlich "eine" Person beauftragt worden sei. [X.] könne dabei sowohl, ob § 38a [X.][X.] XI den Vertragsschluss mit einer juristischen Person zulasse, als auch, ob auch eine juristische Person in dem Vertrag als "Präsenzkraft" benannt werden dürfe. Jedenfalls folge aus dem Wortlaut der Norm, dass es sich um "eine" Person iS von "einer einzigen" Person handeln müsse. Es könne auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 38a Abs 1 Satz 1 [X.][X.] XI im Übrigen erfüllt seien, insbesondere, ob die von der Klägerin bewohnten Wohngemeinschaften jeweils eine "ambulant betreute Wohngruppe" darstellten (Urteil vom [X.]).

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung von § 38a Abs 1 Satz 1 [X.] und [X.] 4 [X.][X.] XI rügt. Das L[X.] habe den [X.]edeutungsgehalt des [X.]egriffs "eine Person" nicht zutreffend erfasst. Das Wort "eine" sei hier als unbestimmter Artikel und nicht als Numerale zu verstehen. [X.]ei der Gewährung des [X.]s stehe weniger der Einsatz und die Entlohnung einer "bestimmten" Arbeitskraft im Vordergrund als vielmehr die Kompensation eines zusätzlichen Aufwands, der beim Leben in einer Wohngruppe entstehe (Hinweis auf Senatsurteil vom 18.2.2016 - [X.] 3 P 5/14 R - [X.][X.]E 120, 271 = [X.]-3300 § 38a [X.] 1).

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 17. Juli 2019 und des [X.] vom 15. Oktober 2018 aufzuheben sowie die [X.]eklagte unter Aufhebung ihres [X.]escheides vom 18. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2018 zu verurteilen, ihr Wohngruppenzuschläge für die [X.] ab 26. Januar 2018 zu zahlen,

hilfsweise,

das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

8

Die [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt die vorinstanzlichen Urteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung des [X.] und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]) begründet.

Das [X.] hat unbeachtet gelassen, dass die Klage - wegen eines für die [X.] ab 1.5.2018 fehlenden Widerspruchsverfahrens - teilweise unzulässig war (dazu im Folgenden 1.). Anders als vom Berufungsgericht angenommen, scheitert ausgehend von den einschlägigen Rechtsgrundlagen (dazu unter 2.) die Gewährung von [X.] zugunsten der Klägerin nicht schon daran, dass in ihrem Fall mehr als "eine" Person mit den für den Anspruch auf [X.] nötigen zu erbringenden Leistungen beauftragt wurde und dass es sich hierbei um eine juristische Person handelte (dazu 3.). Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (dazu 5.).

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen für eine zulässige Klage liegen nur für den [X.]raum vor dem Umzug von der [X.] in die [X.] vor, also bis 30.4.2018. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 [X.]) statthafte Klage ist nur teilweise zulässig. Für den [X.]raum nach dem Umzug fehlt es nämlich an der erforderlichen Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 78 Abs 1 Satz 1 [X.]. Zwar kann in der Klageerhebung im August 2018 auch ein Antrag auf [X.] für die [X.] gesehen werden, den die Beklagte dann der Sache nach mit ihrem Antrag auf Klageabweisung ablehnte; gleichzeitig liegt in der Aufrechterhaltung der Klage ein Widerspruch (vgl dazu allgemein zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 78 Rd[X.]b [X.]). Da der [X.] indessen bei Erlass ihres Widerspruchsbescheids im Juli 2018 der Umzug noch nicht bekannt war, ist die Klage nachträglich zwar zulässig erweitert und geändert worden (vgl § 99 Abs 1 und 2 [X.]). Allerdings erforderten die neu hinzugekommenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse (= Beendigung des Wohnens in der alten WG und Umzug in eine andere WG), dass auch in Bezug auf die Erweiterung die Sachurteilsvoraussetzung eines durchgeführten Vorverfahrens erfüllt sein musste. In derartigen Fällen ist ein Tatsachengericht aus Gründen der Prozessökonomie gehalten, das Verfahren analog § 114 [X.] auszusetzen und den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Widerspruchsverfahren nachzuholen (vgl zB nur [X.] aaO § 78 Rd[X.]a mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr des B[X.]). Die Beklagte muss insoweit - zur Ermöglichung einer zulässigen Klage - noch in einem Widerspruchsverfahren über die Verhältnisse nach dem Umzug in die [X.] entscheiden. Insoweit ist eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz nach § 170 Abs 2 Satz 2 [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung in Bezug auf die Nachholung des Widerspruchsverfahrens jedenfalls dann sachgerecht, [X.]n - wie hier - die Zurückverweisung zugleich aus anderen rechtlichen Gründen erfolgen muss (dazu sogleich unter 5.). In derartigen Fällen kann das nötige Vorverfahren auch noch im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachgeholt werden (vgl [X.] vom 16.3.2017 - B 10 LW 1/15 R - [X.], 302 = [X.] 4-1300 § 41 [X.], Rd[X.]6 ff).

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Leistungsanspruch der Klägerin ist für die [X.] vom [X.] bis zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung beim [X.] am 17.7.2019 (vgl zu diesem grundsätzlich maßgebenden [X.]punkt zB [X.] in [X.] ua aaO § 54 Rd[X.]4 [X.]) § 38a [X.] in seinen jeweiligen Fassungen (bis 31.12.2018 idF des [X.] <[X.]I> vom 21.12.2015, [X.] 2424; für die [X.] vom 1.1.2019 bis 17.7.2019 idF des [X.] vom 11.12.2018, [X.] 2394). Die jeweils geltende Gesetzesfassung hat im Hinblick auf die im vorliegenden Rechtsstreit zu klärenden Tatbestandsvoraussetzungen indessen zu keiner maßgeblichen Rechtsänderung geführt.

Nach § 38a Abs 1 Satz 1 [X.] haben Pflegebedürftige Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich (seit 1.1.2017), [X.]n

        

-       

sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zwecke der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig iS der §§ 14, 15 [X.] sind ([X.]),

        

-       

sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, (ergänzt ab 1.1.2017: 45a oder 45b) [X.] beziehen ([X.]),

        

-       

eine Person (ergänzt ab 1.1.2017: durch die Mitglieder) der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten (ergänzt ab 1.1.2019: oder die [X.] bei der Haushaltsführung zu unterstützen) ([X.]),

        

-       

keine Versorgungsform (ergänzt ab 1.1.2017: einschließlich teilstationärer Pflege) vorliegt, in der der Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs 1 [X.] für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten in der Wohngruppe nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres [X.] Umfelds sichergestellt werden kann ([X.] 4).

3. Anders als das [X.] entschieden hat, scheitert der Anspruch der Klägerin nach den Voraussetzungen des [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] jedenfalls nicht daran, dass es zur Beauftragung von mehreren Personen kam und es sich hierbei auch um eine juristische Person handelt, die dann wiederum durch namentlich benannte natürliche Personen die für die Aufgabenerfüllung nötige regelmäßige Präsenz sicherstellt (dazu im Folgenden 4a). Auch führt es nicht zu einem Anspruchsausschluss, [X.]n die Beauftragten noch andere Dienstleistungen im Rahmen der pflegerischen Versorgung übernehmen, solange keine solch enge Verbindung zur pflegerischen Versorgung besteht, dass diese als stationäre Vollversorgung zu qualifizieren wäre.

4. Wie das Merkmal der "beauftragten Person" in [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] auszulegen ist und ob dessen Voraussetzungen vorliegen, ist nach den allgemein geltenden Auslegungsmethoden zu ermitteln. Dabei muss insbesondere der Sinn und Zweck des § 38a [X.] in den Blick genommen werden: Ziel des [X.]s ist es, den Wünschen der Pflegebedürftigen entsprechend die Rahmenbedingungen für neue Wohn- und Betreuungsformen im ambulanten Bereich - auch in finanzieller Hinsicht - deutlich zu verbessern (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung , BT-Drucks 17/9369, zu Art 1 [X.]3 § 38a [X.], [X.] zu [X.] 6; vgl zu dieser Zielsetzung auch die Anschubfinanzierung nach § 45e [X.]). Mit seinem experimentellen Charakter soll der [X.] gemessen an dem Grundsatz der Selbstbestimmung in § 2 [X.] individuelle Versorgungsformen unter Förderung der ambulanten Form ermöglichen und Wohnmöglichkeiten außerhalb der (typischerweise kostenintensiveren) stationären pflegerischen Versorgung begünstigen (vgl dazu Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zum 5. [X.]-ÄndG, 2015 umbenannt in Erstes Pflegestärkungsgesetz I>, vgl BT-Drucks 18/2909 [X.] zu [X.] 8). Der [X.] hat bereits mit Urteil vom [X.] P 5/14 R ([X.], 271 = [X.] 4-3300 § 38a [X.], Rd[X.]1 ff) entschieden, dass zentrale Voraussetzung für die Gewährung eines [X.]s neben der gemeinschaftlichen Beauftragung die Festlegung der konkreten Aufgaben der beauftragten Personen ist. Der [X.] soll keine (pauschale) Aufstockung der den Mitgliedern gewährten Leistungen bewirken, sondern (nur) bei Auf[X.]dungen für eine gemeinsame Organisation und pflegerische Versorgung innerhalb der individuellen Wohngruppe finanziell unterstützen. [X.] betreute Wohngruppen können dabei sowohl in der Grundform der selbstorganisierten Wohngruppe existieren, aber auch als fremd organisierte Wohngruppe, hinter der ein Initiator oder ein Vermieter steht (vgl [X.] aaO Rd[X.]8).

Vor diesem Hintergrund lässt [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] grundsätzlich die Beauftragung natürlicher, auch mehrerer, wie auch juristischer Personen in Kombination oder in einem gestuften Verhältnis zu. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch seine Historie sprechen gegen eine solche Auslegung, vielmehr erfordern Sinn und Zweck des Gesetzes weitgehende Beauftragungsmöglichkeiten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum PNG aaO BT-Drucks 17/9369 [X.] f zu [X.]3).

a) Abweichend von den Entscheidungsgründen des [X.] steht dem Anspruch auf [X.] ausgehend vom Wortlaut des [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] nicht entgegen, dass mehr als eine Person für die Wohngruppe Tätigkeiten iS des Gesetzes verrichten soll. Unabhängig davon, ob das Wort "eine" in der Vorschrift als Zahlwort oder als unbestimmter Artikel zu verstehen ist, besteht keinerlei Grund zu der Annahme, dass mit der Ver[X.]dung dieses Wortes zugleich ein Leistungsausschluss für den Fall gewollt ist, dass mehr als eine Person im gemeinschaftlichen Auftrag der Wohngruppe Tätigkeiten für diese verrichtet. Die Regelung ist vielmehr so auszulegen, dass "mindestens eine Person" - mit "mindestens einer der genannten Tätigkeiten" - beauftragt sein muss (vgl bereits in dem Sinne, dass in der Wohngruppe "mindestens" eine Pflegekraft tätig sein muss, [X.] vom [X.] P 5/14 R - aaO Rd[X.]3). An dieser Rechtsprechung, mit der sich die Vorinstanzen nicht befasst und gegen die sie keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen haben, hält der [X.] fest.

b) Für die Argumentation der [X.], nur eine "natürliche" Person erfülle die Voraussetzungen von [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.], lässt sich die Regelung in [X.] 2 [X.] 4 [X.] nicht anführen, wonach die dortigen Vorgaben für eine Datenerfassung auch die Nennung des Vornamens erfordern und daher nur ein personifiziertes Verständnis iS einer natürlichen Person zuließen. Denn Abs 2 [X.] 4 wurde lediglich als Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung und Verarbeitung der not[X.]digen Daten geschaffen (vgl BT-Drucks 18/2909 aaO [X.] zu [X.] 8 Punkt 3). Sie hat daher lediglich dem materiellen Recht dienenden datenschutzrechtlichen Charakter, stellt aber weder unmittelbar noch mittelbar materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen auf. Letztlich stehen aber auch hinter der Beauftragung einer juristischen Person regelmäßig eine oder mehrere natürliche Personen, bei denen die persönlichen Daten zu [X.] erforderlich sind.

c) Aus der Gesetzeshistorie lässt sich ebenfalls kein Argument gegen die Beauftragung einer juristischen Person herleiten. Zwar war in der Ursprungsfassung des [X.] 1 [X.] [X.] (idF des PNG vom 23.10.2012, [X.] 2246) noch von einer in der Wohngruppe tätigen "Pflegekraft", also von einer natürlichen Person die Rede. Damit sollten aber nur rein anbieterorientierte Wohngruppen und die bloße missbräuchliche Umdeklarierung stationärer Versorgungsformen verhindert werden (vgl Gesetzesbegründung zur Ursprungsfassung des § 38a [X.], in der es um natürliche Personen <"Pflegekraft"> ging, vgl BT-Drucks 17/9369 aaO [X.] f zu [X.]3). Es bedurfte indessen nach den gesetzlichen Vorgaben seinerzeit noch keiner "gemeinschaftlichen" Beauftragung, so dass unerheblich war, ob die Pflegekraft unmittelbar von den Bewohnern der Wohngruppe beauftragt oder als Beschäftigte einer juristischen Person tätig war. Mit dem Inkrafttreten des [X.] zum 1.1.2015 wurde diese Beschränkung aufgegeben zugunsten des Erfordernisses einer "gemeinschaftlichen" Beauftragung zur Erfüllung zumindest einer der alternativ im Gesetz genannten Aufgaben (vgl Stellungnahme des [X.] zum 5. [X.]-ÄndG, BT-Drucks 18/2379, zu Art 1 [X.] 8 § 38a [X.], [X.] zu [X.]). Ein [X.] ist danach zwar für den Fall ausgeschlossen, dass die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen im Rahmen der gemeinschaftlichen Beauftragung rechtlich oder tatsächlich eingeschränkt wäre, an die Eigenschaft der beauftragten Person werden dagegen keine besonderen Anforderungen geknüpft.

Der in späteren Gesetzesmaterialien zu § 38a [X.] (vgl BT-Drucks 18/2379 aaO [X.] und Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.]I, BT-Drucks 18/5926, zu Art 2 § 38a [X.], [X.] zu [X.]0) ver[X.]dete Begriff der "Präsenzkraft", der auch selbst gar keinen Niederschlag in den mehrfach geänderten Gesetzestexten gefunden hat, spricht ebenfalls nicht gegen die mögliche Beauftragung von juristischen Personen. Das [X.] zieht diesen Begriff zu Unrecht als Argument für die Not[X.]digkeit der Beauftragung einer "natürlichen" Person heran. Die in [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] genannten Tätigkeiten ("organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten") setzen nämlich nicht not[X.]digerweise eine "persönliche Präsenz" in der Wohngruppe voraus. Gerade die Möglichkeit einer juristischen Person, durch Einbindung von natürlichen Personen die gemeinschaftlichen Aufgaben zu erledigen, ist mit Vorteilen verbunden, weil juristische Personen die Aufgabenerledigung typischerweise oft praktikabler organisieren und eine regelmäßige Präsenz besser sicherstellen können. Der Argumentation des [X.] zum not[X.]digen Vorhandensein einer "Präsenzkraft" kann daher lediglich darin gefolgt werden, dass die beauftragte juristische Person wiederum durch natürliche Personen handeln muss und ggf mit mehreren Beschäftigten die Aufgabenerfüllung sicherstellt, solange eine Trennung von der Erfüllung der Aufgaben zur individuellen pflegerischen Versorgung vorliegt.

Mit einer solchen Maßgabe ist zugleich eine Grenzziehung zu einem rein pauschalen Servicemodell oder gar einer bloßen nicht personalisierten bzw anonymen [X.] möglich. Denn die auch durch [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] bezweckte Grenzziehung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung wäre überschritten, [X.]n den Mitgliedern der Wohngruppe nicht verbindlich zumindest eine namentlich benannte natürliche Person (ggf mit einer benannten Vertretung für den Verhinderungsfall) als Ansprechpartner und tatsächlicher Dienstleister hinter der im Rechtssinne beauftragten juristischen Person zur Verfügung stünde.

Bezogen auf den zu entscheidenden Fall scheitert der Anspruch der Klägerin auf [X.] nach alledem nicht daran, dass es sich bei der von den Mitgliedern der Wohngruppe beauftragten Person iS des [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] um den Verein [X.], also um eine juristische Person, handelt, die sich zur Erfüllung ihres Auftrags natürlicher Personen bedient. Dabei ist unerheblich, an [X.] eine Vergütung für die in Anspruch genommenen Dienste gezahlt wird.

5. Dennoch kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf [X.] hat, weil - neben dem oben unter 1. angesprochenen Erfordernis der Nachholung des Widerspruchsverfahrens in Bezug auf die [X.] ab 1.5.2018 - auch weitere Anspruchsvoraussetzungen des § 38a [X.] ungeklärt sind.

a) Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und deshalb für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 [X.]) ist die Klägerin zwar bei der [X.] pflegeversichert. Dass die Klägerin pflegebedürftig ([X.] 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]) ist und eine der in [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] genannten Leistungen bezieht, hat das [X.] jedoch schon nicht positiv festgestellt. Auch fehlen Feststellungen über die Anzahl ihrer Mitbewohner und über die bei der für die Wohngruppe erforderlichen Mindestzahl dieser Personen bestehende Pflegebedürftigkeit ([X.] 1 Satz 1 [X.] [X.]). Tatsachen, die die Beurteilung zuließen, ob eine Versorgungsform vorliegt, die iS des [X.] 1 Satz 1 [X.] 4 [X.] hinsichtlich ihres Leistungsumfangs einer vollstationären Pflege weitgehend entspräche, und dann zum Anspruchsausschluss führen würden, fehlen ebenfalls. Diese ergeben sich auch nicht aus den vom [X.] in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des [X.]. Das [X.] war anhand seiner Feststellungen zwar zu dem Schluss gekommen, dass die tatsächlichen Verhältnisse einer vollstationären Pflege bzw einem betreuten Wohnen entsprächen. Diese Einschätzung und rechtliche Würdigung hat sich das [X.] jedoch nicht zu eigen gemacht, sondern ausdrücklich offengelassen, ob es sich jeweils um eine ambulant betreute Wohngruppe iS von [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] handelte. Das Vorliegen einer ambulant betreuten Wohngruppe ist lediglich dann zu verneinen, [X.]n es sich faktisch um eine mit einem stationären Leistungsumfang vergleichbare Versorgungsform handeln würde. Als zentrales Abgrenzungsmerkmal zur ambulanten Versorgung kommt es dabei gemäß [X.] 1 Satz 1 [X.] 4 iVm [X.] [X.] nicht (mehr) auf heimrechtliche, sondern auf leistungsrechtliche Kriterien an. Nach den Materialien zum 5. [X.]-ÄndG/[X.] soll für die Bejahung der ambulanten Versorgung maßgebend sein, dass regelhaft Beiträge der Bewohner selbst, ihres persönlichen [X.] Umfelds oder von bürgerschaftlich Tätigen zur Versorgung not[X.]dig bleiben ([X.] aaO BT-Drucks 18/2909 [X.] zu [X.] 8). Eine ambulante Versorgungsform liegt folglich nur vor, [X.]n keine "vollständige" Übertragung der Verantwortung ohne freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen erfolgt, sondern die Versorgung noch teilweise planmäßig auf Übernahme von Aufgaben durch Dritte angelegt ist, unabhängig davon, ob hiervon auch tatsächlich in bestimmter Weise Gebrauch gemacht wird. Feststellungen zu diesem Gesichtspunkt dürften noch zu treffen sein.

b) Das [X.] hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - auch keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Mitglieder der Wohngruppen den Verein [X.] oder bei ihm angestellte Personen gemeinschaftlich unter Beteiligung der Klägerin beauftragten und - falls ja - für welche Tätigkeiten dies der Fall war. Feststellungen hierzu bedarf es, weil andernfalls die der Beauftragung zugrundeliegenden Tätigkeiten keiner zweifelsfreien Subsumtion unter die in [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.] abstrakt umschriebenen Tätigkeiten zugänglich sind. Zentrale Voraussetzung für die Gewährung eines [X.]s ist nämlich neben der gemeinschaftlichen Beauftragung die Festlegung der konkreten Aufgaben iS der Alternativen des § 38a [X.], damit sich die zu erledigenden Aufgaben der beauftragten Person deutlich von der benötigten individuellen pflegerischen Versorgung unterscheiden (vgl [X.]surteil vom 18.2.2016 aaO Rd[X.]9). Nicht erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut allerdings, dass die beauftragte Person "alle" in der Regelung genannten Aufgaben übernimmt. Auch schadet es nicht, [X.]n die beauftragte Person neben den festgelegten Aufgaben andere Dienstleistungen im Rahmen der pflegerischen Versorgung übernimmt und/oder für den Träger der Einrichtung verrichtet, solange es sich zweifelsfrei um die "zusätzlichen" im Gesetz genannten Aufgaben handelt; es darf nur keine solche personelle und/oder vertragliche Symbiose der zusätzlichen Aufgaben mit der pflegerischen Versorgung bestehen, dass die erforderliche Abgrenzung zu den Leistungen der häuslichen Pflege einerseits und andererseits einer stationären Vollversorgung nicht mehr gegeben wäre.

Des Weiteren fehlen Feststellungen des [X.] dazu, für welche genauen [X.]räume ein entsprechendes Auftragsverhältnis bestand. Es ist deshalb unklar, ob bzw ab wann der ggf entstandene Anspruch auf [X.] durch Wegfall von Anspruchsvoraussetzungen wieder entfallen sein könnte.

6. [X.] bleibt der Entscheidung im wiedereröffneten Berufungsverfahren vorbehalten.

Meta

B 3 P 3/19 R

10.09.2020

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: P

vorgehend SG Trier, 15. Oktober 2018, Az: S 2 P 55/18, Urteil

§ 38a Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 11 vom 11.12.2018, § 38a Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 11 vom 21.12.2015, § 38a Abs 1 Nr 3 SGB 11 vom 17.12.2014, § 38a Abs 1 Nr 3 SGB 11 vom 23.10.2012, § 38a Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 11 vom 21.12.2015, § 38a Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 11 vom 21.12.2015, § 38a Abs 2 Nr 4 SGB 11, § 2 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.09.2020, Az. B 3 P 3/19 R (REWIS RS 2020, 2262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2262

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