Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.04.2013, Az. V R 24/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 6944

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist


Leitsatz

1. NV: Der Prozessbevollmächtigte ist bei der Prüfung und Überwachung des Personals im Zusammenhang mit der Berechnung der Revisionsbegründungsfrist zu besonderer Sorgfalt verpflichtet.

2. NV: Die besonderen Sorgfaltspflichten umfassen auch die --stichprobenhafte-- Kontrolle, ob Revisionsbegründungsfristen in das Fristenkontrollbuch eingetragen werden. Dies kann z.B. im Rahmen der Bearbeitung der Schriftsätze, mit denen die Revision eingelegt wird, erfolgen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich mit der Revision gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts ([X.]) vom 9. August 2012 5 K 5226/10, das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. August 2012 zugestellt worden ist.

2

Mit [X.]chreiben vom 30. Oktober 2012, zugestellt am 5. November 2012, wies die Geschäftsstelle des erkennenden [X.]enats darauf hin, dass die [X.] am 22. Oktober 2012 abgelaufen sei, eine Begründung der Revision bisher aber nicht vorliege.

3

In der am 15. November 2012 eingegangenen Revisionsbegründung beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Die [X.] sei aufgrund eines von der Klägerin nicht zu vertretenen [X.] versäumt worden. Der für die Wahrung der Fristen zuständige Mitarbeiter [X.], ein ausgebildeter [X.]teuerfachangestellter, habe bei Eingang des Urteils des [X.] nur die Frist für die Revisionseinlegung, nicht aber für die Revisionsbegründung in das Fristenkontrollbuch eingetragen. [X.] sei ausführlich über die einzutragenden Fristen belehrt worden und erledige diese Aufgabe üblicherweise auch sehr gewissenhaft. Zudem erfolge eine Kontrolle der Fristen bei Bearbeitung durch den [X.]achbearbeiter. Darüber hinaus prüfe die Prozessbevollmächtigte in regelmäßigen Abständen das Fristenkontrollbuch hinsichtlich der dort getätigten Eintragungen, nicht aber hinsichtlich der nicht getätigten Eintragungen.

4

Zur Glaubhaftmachung des Vortrages hat die Prozessbevollmächtigte die Ablichtung einer [X.]eite ihres Postausgangsbuchs und die eidesstattliche Versicherung des [X.], mehrfach über die Berechnung und Bedeutung der Fristen belehrt worden zu sein, vorgelegt.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand hinsichtlich der [X.] das Urteil des [X.] aufzuheben und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. August 2011 zu ändern.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1 [X.]atz 2, 126 Abs. 1 FGO).

8

1. Nach § 120 Abs. 2 [X.]atz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Im [X.]treitfall ist diese Frist nach § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) am Montag, dem 22. Oktober 2012, abgelaufen. Die erst am 15. November 2012 beim [X.] ([X.]) eingegangene Revisionsbegründung der Klägerin war mithin verspätet, da die [X.] nicht verlängert worden war (§ 120 Abs. 2 [X.]atz 3 FGO).

9

2. Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist der Klägerin nicht zu gewähren.

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 [X.]atz 2 FGO) die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschlüsse vom 8. Juli 2011 III B 7/10, [X.]/NV 2011, 1895, und vom 8. Februar 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 969). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand aus. Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

b) Im [X.]treitfall scheitert die Wiedereinsetzung daran, dass die Prozessbevollmächtigte die vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

aa) Wenn --wie im [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand wegen eines entschuldbaren [X.] begehrt wird, muss spätestens innerhalb von einem Monat nach dem Wegfall des Hindernisses substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen werden, wie die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten überwacht werden, wer für den rechtzeitigen Versand der fristwahrenden [X.]chriftsätze verantwortlich war und weshalb diese Person kein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft. Es ist insbesondere darzulegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die geeignet sind, die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen [X.]orge getragen hat ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2008, 969, m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass die [X.] nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehört ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2008, 969, m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte ist daher bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer [X.]orgfalt verpflichtet ([X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2008, 969, und vom 29. Oktober 1999 VI R 36/99, [X.]/NV 2000, 470; [X.]-Zwischenurteil vom 14. März 2000 IX R 57/99, [X.]/NV 2000, 1210).

bb) Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin genügt nicht den genannten Anforderungen zur Feststellung der ordnungsgemäßen Überwachung der Einhaltung der [X.]. Insoweit fehlt die Darstellung, ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Überwachung des Personals im Hinblick auf die gesonderte Eintragung der [X.]en durch die Prozessbevollmächtigte erfolgte. Die Prozessbevollmächtigte trägt vielmehr vor, dass sie selbst in regelmäßigen Abständen das Fristenkontrollbuch zwar hinsichtlich der dort getätigten Eintragungen prüfe, nicht jedoch hinsichtlich der nicht getätigten Eintragungen. Eine Überwachung der Eintragung der [X.]en wird hierdurch nicht gewährleistet. Zu den besonderen [X.]orgfaltspflichten der Prozessbevollmächtigten gehört es auch, z.B. durch eine --stichprobenhafte-- Kontrolle im Rahmen der Bearbeitung der [X.]chriftsätze, mit denen die Revision eingelegt wird, zu prüfen, ob [X.]en eingetragen worden sind.

Dem [X.]enat ist es daher aus diesem Grunde nicht möglich, das Fehlen eines Organisationsmangels bei der Einhaltung der [X.] festzustellen.

cc) [X.]oweit die Prozessbevollmächtigte im [X.]chriftsatz vom 31. Januar 2013 vorträgt, sie habe [X.] am 24. August 2012 explizit angewiesen, die Fristen in das Fristenkontrollbuch einzutragen, ist dieser Vortrag verspätet. Die mit Zustellung des [X.]chreibens der Geschäftsstelle am 5. November 2012 in Gang gesetzte [X.] war zu diesem Zeitpunkt gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 [X.] bereits abgelaufen. Darüber hinaus fehlt eine Glaubhaftmachung dieses [X.]achverhalts z.B. durch eine eidesstattliche Versicherung des Angestellten [X.] (vgl. z.B. vom 18. Januar 2007 III R 65/05, [X.]/NV 2007, 945).

Meta

V R 24/12

03.04.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 9. August 2012, Az: 5 K 5226/10, Urteil

§ 54 FGO, § 56 Abs 1 FGO, § 120 Abs 2 FGO, § 155 FGO, § 85 Abs 2 ZPO, § 222 ZPO, § 187 Abs 1 BGB, § 188 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.04.2013, Az. V R 24/12 (REWIS RS 2013, 6944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6944

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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