Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2012, Az. XII ZR 151/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3056

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 151/10
Verkündet am:

19. September 2012

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
745, 2038, 2039, 2040
Die Erbengemeinschaft kann mit Stimmenmehrheit einen der Teilhaber zur [X.] einer Nachlassforderung ermächtigen, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (im [X.] an Senatsurteile [X.]Z 183, 131 =
[X.], 119 und vom 20.
Oktober 2010 -
XII
ZR
25/09
-
NJW
2011, 61).
[X.], Urteil vom 19. September 2012 -
XII ZR 151/10 -
OLG [X.]/Main

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19.
September 2012 durch
die Richter
Dr. [X.], [X.], Schilling, Dr.
Ne[X.]en-Boeger und Dr.
Botur
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin
wird das Urteil des
2.
Zivilsenats
des [X.]s [X.] am Main vom 12.
November 2010
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
zum
Nachteil der Klägerin erkannt
worden
ist.
Die Berufung des
Beklagten zu
2 gegen das Urteil der 9.
Zivil-kammer des [X.] vom 18.
März 2010 wird [X.] zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten
und die außergerichtlichen Kosten
der
Kläge-rin in erster
Instanz tragen zu einem Viertel der Beklagte zu
1
und zu drei Vierteln der Beklagte zu
2.
Die Beklagten tragen ihre au-ßergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten der Rechtsmittel
trägt der Beklagte zu
2.

Von Rechts wegen

-
3
-

Tatbestand:
Die
Klägerin ist durch Urteil vom 7.
August 2009 verurteilt worden, an die aus den Beklagten zu
1 und 2 bestehende Erbengemeinschaft Mietrückstände in Höhe von 14.863,10

nsen zu zahlen. Der Beklagte zu
1 ist alleini-ger Gesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH.
Der Beklagte zu
1, auf den dreiviertel Erbanteil fällt, hat unter der Konto-bezeichnung "Erbengemeinschaft A. G."
ein Bankkonto eröffnet. Auf das
Konto hat die Klägerin die
titulierte
Hauptforderung nebst angefallener Zinsen von 2.421,74

Mit ihrer Klage erstrebt sie
-
soweit für das Revisionsver-fahren von Bedeutung
-
die Herausgabe des Schuldtitels und die Erklärung der Zwangsvollstreckung für unzulässig, da der titulierte Anspruch erfüllt sei.
Das [X.] hat der Klage
insoweit stattgegeben. Auf die vom [X.] zu
2 eingelegte Berufung hat das [X.] die Klage [X.]. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie
insoweit die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Zwangsvollstreckung sei nicht für unzulässig zu er-klären, da die titulierten Ansprüche nicht erfüllt seien.
Die von der Klägerin ge-1
2
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-
4
-

leistete Zahlung habe nicht zu einer Erfüllung der titulierten Forderung geführt, weil sie nicht an die Erbengemeinschaft als Gläubigerin der Forderung erfolgt sei. Der Beklagte zu
2 habe in eine Leistung allein an den Beklagten zu
1 nicht eingewilligt. Das von diesem eröffnete Konto habe rechtlich und wirtschaftlich allein ihm selbst zugestanden.
Dass der Beklagte zu
1 das Konto und den [X.] eingezahlten Betrag für die Erbengemeinschaft gehalten habe, reiche nicht aus, da er nicht durch Vereinbarung mit sich selbst ein Treuhandverhältnis zu den Miterben habe begründen könne (§
181 BGB).
Ohne Mitwirkung des [X.] zu
2 habe der Beklagte zu
1 nicht über die Forderung verfügen können.

II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage (§
767 ZPO) hat Erfolg, da die titulierte Forderung
durch Erfüllung erloschen ist.
1. Gemäß §
362 Abs.
1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die ge-schuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an die Erben fordern (§
2039 Abs.
1 BGB).
Diese Voraussetzungen sind durch die Zahlungen der Klägerin nicht erfüllt [X.]. Denn das Konto, auf das sie erfolgten, stand nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts allein dem [X.] zu
1 zu, der gegenüber der Bank alleiniger [X.] ge[X.] ist.
2.
Die Zahlungen hatten jedoch gemäß §§
362 Abs.
2, 185 Abs.
1 [X.]. Denn die Klägerin konnte mit befreiender Wirkung auf das 6
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8
9
-
5
-

vom Beklagten zu
1 eingerichtete Konto zahlen. Zur Entgegennahme der [X.] auf das von ihm eröffnete Konto war der Beklagte zu
1 aufgrund der durch seine Anteilsmehrheit am Nachlass ermöglichten Einziehungsermächtigung befugt.
a) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu (§
2038 Abs.
1 BGB). Treffen die Erben keine gemeinsamen Bestimmungen, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinsamen Ge-genstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beschlossen werden

2038 Abs.
2 Satz
1 BGB iVm §
745
Abs.
1 Satz
1 BGB). Sind nur zwei Teil-haber vorhanden und die Anteile verschieden groß, so hat der eine von [X.] die Mehrheit; das Mehrheitsprinzip wird hierdurch nicht außer [X.] gesetzt ([X.]/[X.] BGB [2008] §
745 Rn.
15
[X.]).
Zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung kann
deren [X.] gehören ([X.] Beschluss vom 14.
März 1983 -
II
ZR
102/82
-
WM
1983, 604; [X.]/K.
Schmidt 5.
Aufl. §
744, 745 Rn.
5
[X.]). Die [X.] kann einem Verwalter übertragen werden ([X.] aaO). Ebenso steht es den Gemeinschaftern
frei, einen Teilhaber
mit der
Einziehung einer Nachlass-forderung zu betrauen.
Auch insoweit kann die Ermächtigung zur Einziehung der Forderung durch Stimmenmehrheit
gemäß §
745 Abs.
1 BGB erteilt wer-den, sofern
dies einer
ordnungsgemäßen
Verwaltung entspricht.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht §
2040 Abs.
1 BGB der
Erfüllung nicht entgegen.
Ob die Einziehung einer Forderung oder die Einziehungsermächtigung nach §§
362 Abs.
2, 185 Abs.
1 BGB zugleich eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand im Sinne des §
2040 Abs.
1 BGB darstellt
(vgl. [X.]/Weidlich BGB
71.
Aufl. §
2040 Rn.
2, [X.]/[X.] 5.
Aufl. §
2040 Rn.
9 jeweils [X.]), kann hierfür offenbleiben.
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12
-
6
-

Denn nach der Rechtsprechung
des Senats schließt die Einordnung ei-ner Maßnahme als Verfügung nach §
2040 Abs.
1
BGB
nicht aus, dass es sich zugleich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne von §
2038 Abs.
1 Satz
2 BGB
handeln
kann, die
als solche von den Miterben mehrheitlich beschlossen werden kann. Auf dieser Grundlage hat der Senat eine von Miterben mehrheitlich beschlossene und ausgesprochene Kündigung eines Mietverhältnisses für wirksam erachtet (Senatsurteile [X.]Z 183, 131 =
[X.], 119 Rn.
31 und vom 20.
Oktober
2010 -
XII
ZR
25/09
-
FamRZ 2011, 95 Rn.
20; vgl.
[X.] Beschluss vom 26.
April 2010 -
II
ZR
159/09
-
NJW-RR
2010, 1312 Rn.
3 [X.]).
Für die Einziehung einer Forderung aus ei-nem Mietverhältnis
über einen Nachlassgegenstand muss das gleiche gelten. Denn auch hierbei handelt es sich um eine Maßnahme
im Rahmen der laufen-den Verwaltung des Nachlasses,
für die die erleichterten Voraussetzungen des §
2038 BGB
vorrangig Anwendung finden. Sie bedarf daher nicht des [X.] Handelns der Miterben, sondern kann von den Miterben mit Mehr-heit beschlossen werden. Die Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses
steht al-lein unter der Voraussetzung, dass es sich bei
der Einziehung oder der nach §§
362 Abs.
2, 185 BGB erteilten Ermächtigung
um eine Maßnahme der [X.] Verwaltung handelt
(vgl. Senatsurteil [X.]Z 183, 131 =
[X.], 119 Rn.
32).

b)
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall von einer wirksa-men Erfüllung der titulierten Schuld auszugehen. Die Klägerin überwies
den geschuldeten Betrag auf das vom Beklagten zu
1 für den Zweck
eingerichtete Bankkonto. Diese Leistung
brachte
den Anspruch der Erbengemeinschaft zum Erlöschen. Denn der Beklagte zu
1 hatte
mit Wirkung für die Erbengemein-schaft bestimmt, dass die Nachlassforderung auf das
eingerichtete
Konto zu begleichen sei.
Zu dieser Maßnahme war er aufgrund seiner Stimmenmehrheit, die nach der Größe seines 3/4
Anteils
zu berechnen ist (vgl. §
745 Abs.
1 13
14
-
7
-

Satz
2 BGB),
allein berechtigt, und sie hielt sich im Rahmen einer ordnungsge-mäßen Verwaltung.
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu
2
bedurfte es einer förm-lichen Beschlussfassung unter seiner Hinzuziehung nicht. Hat ein Miterbe die Stimmenmehrheit in einer Erbengemeinschaft, kann er im Rahmen einer [X.] Verwaltung ohne besondere Förmlichkeiten einen Mehrheits-beschluss fassen. Die Wirksamkeit des Beschlusses hängt nicht davon ab, ob der Minderheit ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben worden ist ([X.]Z 56, 47, 55
f.; [X.]/[X.] BGB [2008] §
745 Rn.
19).
Ob die Wirksamkeit des Beschlusses voraussetzt, dass den übrigen [X.] ein sachlich angemessenes Gehör gewährt wurde (so entgegen der herrschenden Meinung [X.]/K.
Schmidt 5.
Aufl. §§
744, 745 Rn.
19),
braucht nicht entschieden zu werden, da der Beklagte
zu
2
zur Mitwir-kung an der Einrichtung eines
Kontos für die Erbengemeinschaft aufgefordert worden war.
bb) Der
Beklagte zu
1 war von seiner Stimmrechtsausübung auch nicht
wegen
einer etwa bestehenden
Interessenkollision ausgeschlossen. Zwar ist auf Erbengemeinschaften
die vereinsrechtliche Vorschrift des §
34 BGB analog anzuwenden, wonach ein Mitglied nicht stimmberechtigt ist, wenn die [X.] die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm
betrifft (vgl. [X.]Z 56, 47, 52
f. [X.]; [X.]/[X.] BGB [2008] §
745 Rn.
21).
Die-ser Fall liegt jedoch hier nicht vor.
Zwar ist der Beklagte zu
1 zugleich Geschäftsführer der Klägerin, die die Leistung zu bewirken hatte. Hier ging es jedoch nicht um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit der Klägerin und auch nicht um die Beschlussfassung der Erbengemeinschaft über die Frage, ob ein
Anspruch erhoben
und durchgesetzt 15
16
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-
8
-

werden sollte, sondern nur noch um die Empfangnahme
der
Leistung durch die nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung leistungsbereit
gewordene
Schuldnerin. In der Empfangnahme der Leistung auf dem
bereitgestellten
Konto lag
für die Erbengemeinschaft ein ausschließlich vorteilhaftes Geschäft, welches
keine Interessenkollision auszulösen vermochte
und deshalb -
vergleichbar der Situation
eines sogenannten
Insichgeschäfts (vgl. [X.]/Schilken BGB [2009] §
181 Rn.
61; [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
181 Rn.
56 jeweils [X.])
-
nicht unter das Mitwirkungsverbot fiel.
cc) Die getroffene Bestimmung, den geschuldeten Betrag auf das be-nannte Konto einzuziehen, entsprach
auch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Abzustellen ist insoweit auf den Standpunkt eines vernünftig
und wirtschaftlich denkenden Beurteilers
(Senatsurteil [X.]Z 183, 131 =
[X.], 119 Rn.
32 [X.]). Die Möglichkeit der Hinterlegung nach §
2039 Satz
2 BGB ist demgegenüber unzureichend, weil dadurch der Erbengemeinschaft die Mieteinnahmen etwa zur Bestreitung laufender Kosten nicht zur Verfügung ge-standen hätten. Der Beklagte zu
1 hat das eingerichtete Konto ausdrücklich mit der Zweckbestimmung "Erbengemeinschaft A. G."
versehen und es dadurch als Treuhandkonto
für diese bestimmt
und von seinem sonstigen Vermögen ge-trennt gehalten.
Unter der treuhänderischen Beschränkung seiner Kontoinha-berschaft durfte der Beklagte zu
1 die Klägerin dazu ermächtigen, die Leistung mit [X.] gegenüber der Erbengemeinschaft auf das eingerichtete Konto zu erbringen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
konnte der Beklagte zu
1 jedenfalls in seiner Eigenschaft als Mehrheitserbe ein (Ver-waltungs-)Treuhandverhältnis gegenüber der Erbengemeinschaft auch einseitig begründen.
[X.]) Auch der erst am 16.
November 2009 erfolgten Zahlung auf die Zins-forderung kam [X.] zu. Dass die zwischenzeitliche Vollstreckung 18
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-
9
-

aufgrund Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht zur Erfüllung führte, hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Gründen festgestellt. Anders als nach der vom Berufungsgericht auf die Zwangsvollstreckung bezogenen Be-rechnung haben die Zahlungen der Klägerin die Haupt-
und Zinsforderung voll-ständig erfüllt.
3. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Auf die Revision
der Klägerin ist das landgerichtliche Urteil insoweit wiederherzustellen.

[X.]

[X.]
Schilling

Ne[X.]en-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.03.2010 -
9 O 57/10 -

OLG [X.]/Main, Entscheidung vom 12.11.2010 -
2 [X.] -

20

Meta

XII ZR 151/10

19.09.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2012, Az. XII ZR 151/10 (REWIS RS 2012, 3056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3056

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZR 151/10

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