Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.05.2003, Az. IV ZR 209/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2999

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILIV ZR 209/02Verkündet am:21. Mai 2003HeinekampJustizobersekretärals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk: jaBGHZ: ja_____________________VVG § 12 Abs. 1, AHB § 3 II Nr. 1Das ernsthafte Geltendmachen eines Anspruchs gegen den Versicherungsnehmer,das den Anspruch auf Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung auslöstund zugleich dessen Verjährung (vom Schluß des betreffenden Jahres an) in Laufsetzt, kann auch einer Streitverkündungsfrist (§ 73 ZPO) zu entnehmen sein.BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 209/02 - OLG München LG Augsburg- 2 -Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-zenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert und die Rich-terinnen Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlungvom 21. Mai 2003für Recht erkannt:Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 14. Zi-vilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenatein Augsburg, vom 20. Juni 2002 wird zurückgewiesen.Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Verfah-rens zu tragen.Von Rechts wegenTatbestand:Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagte aus einer seit1990 bestehenden Privathaftpflichtversicherung geltend, der die Allge-meinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (vgl.VerBAV 1986, 216 ff.; im folgenden: AHB) zugrunde liegen.Dem Kläger wird vorgeworfen, er habe in der Nacht vom 30. zum31. März 1991 bei der Vorbereitung und Durchführung eines sogenann-ten Jaudus (=Judas) - Feuers mitgewirkt. Bei diesem Osterbrauch wur-den Strohballen abgebrannt, die durch senkrecht in den Boden eingelas-- 3 -sene und miteinander verbundene Baumstämme zusammengehaltenwurden. Einige Zeit nach Entzünden des Feuers stürzten zwei der vierBaumstämme nicht, wie vorgesehen, nach innen, sondern nach außenum; dabei wurde eine Person getötet; andere erlitten zum Teil schwereVerletzungen. Einer der Geschädigten nahm einen der Organisatoren derVeranstaltung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage wurde in er-ster Instanz abgewiesen. Nach mündlicher Verhandlung vor dem Ober-landesgericht reichte der Beklagte jenes Verfahrens einen Schriftsatzein, in dem er dem späteren Kläger des hier zu entscheidenden Verfah-rens den Streit verkündete. Darin heißt es:"Der Streitverkündete hat beim Errichten des Jaudusdam-mes und beim Abbrennen mitgeholfen und seinerseits Ver-ursachungsbeiträge geleistet. Er war gegebenenfalls auchmitverantwortlich für den Schaden des Klägers.Der Beklagte beabsichtigt deshalb für den Fall des Unter-liegens in diesem Rechtsstreit den Streitverkündeten sei-nerseits auf Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich inAnspruch zu nehmen."Dieser Schriftsatz wurde dem Kläger des vorliegenden Verfahrensam 18. Mai 1995 zugestellt. Am Tage zuvor hatte das Oberlandesgerichtdie Klage des Geschädigten dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigterklärt und das Verfahren zur Entscheidung über die Höhe des An-spruchs an das Landgericht zurückverwiesen. Dort wurde die Sache ter-minslos vertagt. Mit Schreiben vom 5. August 1999 teilte der Haftpflicht-versicherer des Beklagten des Vorprozesses dem späteren Kläger deshier geführten Deckungsprozesses mit, sie habe an den GeschädigtenLeistungen in Höhe von 909.726,40 DM erbracht; der Kläger sei zu 20%mitverantwortlich; er werde deshalb aufgefordert, 181.945,28 DM bis- 4 -zum 31. August 1999 zu zahlen. Dieses Schreiben leitete der Kläger andie Beklagte als seinen Haftpflichtversicherer weiter. Diese lehnte einEintreten mit der Begründung ab, Ansprüche aus dem Versicherungs-vertrag seien bereits 1995 entstanden und daher gemäß § 12 Abs. 1VVG verjährt.Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelasse-nen Revision verfolgt der Kläger seinen Deckungsanspruch weiter.Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.1. Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß die zwei-jährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG mit dem Schluß des Jahresbeginnt, in dem die Leistung verlangt werden kann. Von der Haftpflicht-versicherung ist gemäß § 1 Nr. 1 AHB auch ein Ausgleichsanspruchnach § 426 Abs. 1 BGB gedeckt (BGH, Urteil vom 17. Mai 1956 - II ZR96/55 - VersR 1956, 364 unter 5). Die sich aus § 3 II Nr. 1 AHB ergeben-den Rechtsschutz- und Abwehransprüche sowie Freistellungs- und Zah-lungsansprüche gegen den Versicherer unterliegen als Ausprägungeneines einheitlichen Deckungsanspruchs auch einer gemeinsamen Verjäh-rung, die am Schluß des Jahres beginnt, in dem Ansprüche gegen denVersicherungsnehmer erhoben werden (BGH, Urteil vom 20. Januar 1971- IV ZR 1134/68 - VersR 1971, 333 unter III). Hierzu genügt jede Erklä-rung, durch die vom Versicherungsnehmer ernsthaft eine Leistung gefor-dert wird (BGH, Urteil vom 20. Januar 1966 - II ZR 233/63 - VersR 1966,- 5 -229 f.; Urteil vom 3. Oktober 1979 - IV ZR 45/78 - VersR 1979, 1117,1118 unter II 1).Das Berufungsgericht ist der Meinung, ein solches Geltendmachenergebe sich deutlich aus der dem Kläger zugestellten Streitverkündungs-schrift. Eine Streitverkündung stelle entgegen der vom Reichsgerichtvertretenen Ansicht (RGZ 143, 377, 380) nicht etwa künftige Ansprüchenur in Aussicht, sondern sei aus sich heraus geeignet, den Haftpflichtan-spruch zu erheben (offengelassen im Urteil des BGH vom 3. Oktober1979 aaO unter II 4) und damit die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen.Daher sei der Deckungsanspruch bei Klageerhebung im Jahre 2001 ver-jährt gewesen.2. Dem ist zuzustimmen.a) Der Tatrichter hat dem Streitverkündungsschriftsatz rechtsfeh-lerfrei und überzeugend entnommen, daß der damalige Beklagte undStreitverkünder für den Fall seines Unterliegens in dem vom Geschädig-ten gegen ihn geführten Rechtsstreit seinerseits den Kläger des vorlie-genden Verfahrens und Streitverkündeten auf Ausgleich in Anspruchnehmen werde. Bei dieser Wertung als Geltendmachen des materiell-rechtlichen Anspruchs ist nicht unberücksichtigt geblieben, daß die An-gabe des Grundes der Streitverkündung nach § 73 Satz 1 ZPO Voraus-setzung für die Wirksamkeit der Streitverkündung als Prozeßhandlungist. Daß die gleichzeitige Erhebung des materiellen Anspruchs noch vomUnterliegen gegenüber dem Geschädigten abhängig war, bedeutet nicht,daß sich der Streitverkünder etwa noch nicht zur Geltendmachung desAusgleichsanspruchs im Fall einer gerichtlichen Feststellung seiner- 6 -Haftpflicht gegenüber dem Geschädigten entschlossen hätte (vgl. BGH,Urteil vom 3. November 1966, VersR 1967, 56 unter II 2 a). Der geltendgemachte Ausgleichsanspruch ist auch hinreichend individualisiert. Zuseiner Begründung verweist der Schriftsatz auf die Mitwirkung desStreitverkündeten beim Errichten des Jaudusdammes sowie beim Ab-brennen und stützt darauf "gegebenenfalls" dessen Mitverantwortung. Inder Verwendung des Wortes "gegebenenfalls" hat der Tatrichter mitRecht keine Einschränkung hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der An-spruchserhebung gegen den Kläger gesehen, sondern lediglich den Vor-behalt, daß die bestrittene Verantwortlichkeit des Streitverkünders ge-genüber dem Geschädigten überhaupt gerichtlich festgestellt werde.Darüber hinaus bedurfte es einer Bezifferung der geltend gemachtenAusgleichsforderung nicht (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 aaOunter II 1 ). Schließlich konnte der Tatrichter auch die förmliche Zustel-lung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Kläger als weiteren Hin-weis auf die Ernsthaftigkeit der Geltendmachung werten.b) Die Revision macht geltend, der dem Kläger zugestellte Schrift-satz könne deshalb nicht im Sinne einer Anspruchserhebung gewertetwerden, weil er eine Streitverkündung enthalte. Der Gesetzgeber unter-scheide die Streitverkündung in § 153 Abs. 4 VVG von der gerichtlichenGeltendmachung, wenngleich beide Tatbestände dort dieselbe Rechts-folge auslösen, nämlich eine unverzügliche Anzeigepflicht des Versiche-rungsnehmers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer. Die Streitver-kündung sei als weiterer Tatbestand erst nachträglich in den § 153 VVGeingefügt worden (durch Art. III Nr. 6 des Gesetzes über die Einführungder Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung desGesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes- 7 -über den Versicherungsvertrag vom 7. November 1939, RGBl. I 2223,2226); dies sei nach der Amtlichen Begründung geschehen, damit dieHaftpflichtversicherung frühzeitig Kenntnis von einem Verfahren erhalte,in dem der Sachverhalt oft schon weitgehend geklärt werde; die bis da-hin bereits bestehende Verpflichtung des Versicherungsnehmers, denVersicherungsfall binnen einer Woche nach dem Zeitpunkt anzuzeigen,in dem ein Dritter seinen Anspruch gegen ihn geltend mache, werde denBedürfnissen der Haftpflichtversicherung nicht gerecht (DJ 1939, 1771,1773). Wenn in der Streitverkündung mithin nach Auffassung des Ge-setzgebers gerade keine Geltendmachung des Anspruchs liege, könnedies auch nicht für den Beginn der Verjährung nach § 12 Abs. 1 VVGgelten.Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat überdie innerhalb einer Woche zu erfüllende Anzeigepflicht beim Geltendma-chen von Haftpflichtansprüchen gegenüber dem Versicherungsnehmer(§ 153 Abs. 2 VVG) hinaus eine unverzügliche Anzeigepflicht in denSonderfällen des gerichtlichen Geltendmachens, des Antrags auf Pro-zeßkostenhilfe sowie der Streitverkündung wegen eines Haftpflichtan-spruchs angeordnet (§ 153 Abs. 4 Satz 1 VVG). Wird in dieser Weisezwischen dem Geltendmachen von Haftpflichtansprüchen im allgemeinenund Sonderfällen wie der gerichtlichen Geltendmachung unterschieden,bedurfte es neben der gerichtlichen Geltendmachung einer besonderenErwähnung der Streitverkündung, durch die der Anspruch, den derStreitverkünder gegen den Streitverkündeten zu haben glaubt, nicht ge-richtlich geltend gemacht wird (so zu § 12 Abs. 3 VVG RG bei Gruchot,Bd. 56 (1912) S. 378, 379; OLG Köln VersR 1971, 613; Römer, Versiche-rungsvertragsgesetz 2. Aufl. § 12 Rdn. 73). Infolgedessen steht die be-- 8 -sondere Erwähnung der Streitverkündung neben der gerichtlichen Gel-tendmachung in § 153 Abs. 4 Satz 1 VVG der Annahme nicht entgegen,mit dem allgemeinen Tatbestand des Geltendmachens eines Haftpflicht-anspruchs in § 153 Abs. 2 VVG könne auch eine Streitverkündung ge-meint sein. Im übrigen können die Formulierungen des Gesetzgebers imZusammenhang mit der in § 153 VVG geregelten Anzeigepflicht die Fra-ge nicht präjudizieren, was unter einem den Deckungsanspruch begrün-denden und dessen Verjährung in Lauf setzenden ernsthaften Geltend-machen zu verstehen ist.c) Das Reichsgericht hat seine Ansicht, eine Streitverkündung seinicht ohne weiteres mit der Erhebung eines Haftpflichtanspruchs gleich-zusetzen, mit der Erwägung begründet, die Streitverkündung unterrichteden Versicherungsnehmer über einen anhängigen Rechtsstreit zu demZweck, ihm die Beteiligung an jenem Prozeß zu ermöglichen; darin liege"bestenfalls" die Ankündigung künftiger Geltendmachung eines Rück-griffsanspruchs, von dem im Rahmen der Streitverkündung jedoch zu-nächst nur die Rede sei, um der prozessualen Pflicht zur Angabe desGrundes der Streitverkündung zu genügen (§ 73 Satz 1 ZPO); eine überdie Streitverkündung hinausgehende selbständige Erklärung des Inhalts,ein Anspruch werde, wenn auch nur bedingt, jetzt schon gegen denStreitverkündeten geltend gemacht, habe der Tatrichter in dem seinerzeitzu entscheidenden Fall der Streitverkündung rechtsfehlerfrei nicht ent-nehmen können (RGZ 143, 377, 379 ff; vgl. auch BGH, Urteil vom10. Oktober 1991 - IX ZR 38/91 - NJW 1992, 436, 437 unter 2 b bb).Indessen schließt der Umstand, daß die Streitverkündung prozeß-rechtlichen Anforderungen genügen soll, eine davon unabhängige, zu-- 9 -sätzliche Wertung nicht aus, daß jedenfalls mit der Erklärung über denDrittanspruch dieser Anspruch dem Streitverkündeten gegenüber für denFall einer Verurteilung des Streitverkünders auch geltend gemacht wer-de. Einer zulässigen Streitverkündung kommen ohnehin über die Auffor-derung zur Unterstützung des Streitverkünders im Prozeß deutlich hin-ausgehende Wirkungen zu: Nach § 74 Abs. 3 ZPO hat eine Streitverkün-dung, auch wenn der Streitverkündete nicht beitritt, die Nebeninterventi-onswirkung gemäß § 68 ZPO, so daß der Streitverkündete im Verhältniszum Streitverkünder - hier also im Hinblick auf dessen Regreß - nichtmehr mit der Behauptung gehört wird, der Rechtsstreit, in dem der Streitverkündet worden ist - hier die Schadensersatzklage des Geschädigten -,sei unrichtig entschieden worden. Ferner wird durch eine Streitverkün-dung die Verjährung des Regressanspruchs unterbrochen (§ 209 Abs. 2Nr. 4 BGB a.F.) bzw. gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB n.F.). Danachbestehen keine Bedenken, vorbehaltlich einer tatrichterlichen Würdigungim Einzelfall den Vortrag in einer Streitverkündung zum Anspruch desStreitverkünders gegen den Streitverkündeten als ernsthaftes Geltend-machen dieses Anspruchs zu werten (so außer dem Berufungsgerichtauch OLG Hamm VersR 1978, 809, 810; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996,928; Späte, Haftpflichtversicherung, § 3 Rdn. 23;- 10 -Prölss/Martin/Voit, Versicherungsvertragsgesetz 26. Aufl. § 149 Rdn. 5;Bruck/Möller/Johannsen, Versicherungsvertragsgesetz 8. Aufl. Bd. IVAnm. F 38).Terno Dr. Schlichting Seiffert Ambrosius Dr. Kessal-Wulf

Meta

IV ZR 209/02

21.05.2003

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.05.2003, Az. IV ZR 209/02 (REWIS RS 2003, 2999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2999

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