Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. III ZB 137/15

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15052

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:230217BIIIZB137.15.0

BUN[X.]SGE[X.]ICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB
137/15
vom

23. Februar 2017

in dem [X.]echtsstreit

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2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 23. Februar 2017 durch [X.]
[X.] und [X.], [X.], Dr.
[X.]emmert sowie
die [X.]ichterin Dr.
Arend

beschlossen:

Auf die [X.]echtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 55 des [X.] vom 16.
Oktober 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]echtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

[X.]: 892,50

Gründe:

I.

Der Kläger hat

von ihm angeblich erbrachte Dienstleistungen zunächst einen Mahn-
und im [X.] daran
einen [X.] gegen die Beklagte
erwirkt,
die hiergegen
rechtzeitig
Einspruch eingelegt hat. Den zunächst auf den 18. Juli 2014
bestimmten Haupttermin, für den
das persönliche Erscheinen "eines [X.] bevollmächtigten und sachkundigen Vertreters der Beklagten" ange-ordnet worden war, hat
das Amtsgericht auf Antrag des Beklagtenvertreters auf 1
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den 26.
September 2014
verlegt;
die
bisherigen prozessualen Ladungsanord-nungen
sind unverändert geblieben. Unter dem
3.
Juli 2014 hat
der [X.] der Beklagten eine erneute Verlegung des Termins
mit der Be-gründung
beantragt,
die
Geschäftsführerin der Beklagten H.

wolle
den Termin persönlich wahrnehmen, halte sich zu diesem Zeitpunkt
aber
beruflich im Ausland auf. Mit Schreiben
vom
7.
Juli 2014 hat
das Amtsgericht den [X.] mitgeteilt, dass eine Verlegung auf den 24.
Oktober 2014 in Betracht [X.], und
um Stellungnahme binnen einer Woche
gebeten; zudem hat
die [X.]ich-terin eine Wiedervorlage der Gerichtsakte in zwei Wochen
mit dem Hinweis
"Termin verlegen"
verfügt. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom
13.
Juli 2014 sein Einverständnis mit der Verlegung
erklärt.
Unter dem 15.
Juli 2014 ist in der Akte
eine Wiedervorlage "zur Frist gestr. Bl.
102 (Termin verlegen)" ver-fügt. Zu einer Verlegung des Termins ist
es nicht
gekommen. In einem
-
von der zuständigen [X.]ichterin nicht unterzeichneten
-
Vermerk vom 26.
September 2014 heißt es
sinngemäß, dass eine Umterminierung in Aussicht gestellt [X.], die aus diesem Grund verfügte Wiedervorlage der Akte aber nicht erfolgt und dies bei der [X.] nicht aufgefallen sei.

Der für den 26. September 2014 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung hat sodann stattgefunden;
für die Beklagte
ist
niemand
erschie-nen. Auf Antrag des [X.]
hat das Amtsgericht
daraufhin
ihren Einspruch ge-gen den [X.] durch zweites Versäumnisurteil verworfen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hat die Beklagte die Aufhebung dieses Urteils beantragt, weil ein Fall unverschuldeter Säumnis
vorliege. Die
allein mit der Sache vertraute Geschäftsführerin H.

sei verhindert gewe-sen und die
zuständige Amtsrichterin
habe
ihrem Prozessbevollmächtigten
in einem Telefonat am 9.
Juli 2014 die Verlegung
auf den 25. Oktober 2014
münd-2
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lich bestätigt sowie
eine entsprechende Ladung angekündigt. Deshalb habe er den neuen Termin entsprechend notiert und auf die Zusage des Gerichts ver-trauen dürfen.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit dem angefoch-tenen Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die [X.]echtsbe-schwerde
der Beklagten.

II.

Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte sowie form-
und fristgerecht eingelegte und begründete [X.]echtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen [X.]echtsprechung eine Entschei-dung des [X.] erfordert (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO). Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen verletzt die [X.] als unzulässig
die Beklagte in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen [X.]echtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit
dem [X.]echtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).

1.
Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil die
Beklagte eine unverschuldete Versäumung des [X.]
am 26. September 2014, zu dem sie ordnungsgemäß geladen worden sei,
nicht schlüssig darge-legt habe. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine die beantragte Verlegung des Termins gebietende Verhinderung der Beklagten vorgelegen habe, weil nicht
das persönliche Erscheinen der Geschäftsführerin H.

angeordnet
gewe-sen sei.
Dies könne aber dahinstehen, weil das Nichterscheinen des Prozess-bevollmächtigten
der Beklagten, dessen Verschulden sie sich zurechnen lassen 4
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5

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müsse,
einen Verstoß gegen die prozessuale Sorgfaltspflicht
darstelle. Der für den 26. September 2014 anberaumte
Termin
sei weder aufgehoben noch ver-legt worden, so dass der Prozessbevollmächtigte habe erscheinen müssen.
Dabei sei unerheblich, ob er
ohne die Anwesenheit der Geschäftsführerin H.

zur Sache inhaltlich habe Stellung nehmen können; es könne auch offen bleiben, ob das behauptete Telefongespräch am 9. Juli 2014 zwischen ihm und
der zuständigen [X.]ichterin stattgefunden habe.
Er habe
jedenfalls
nicht allein aufgrund einer mündlichen Zusicherung und ohne entsprechende Ladung da-von ausgehen dürfen, dass der Termin verlegt worden sei. Vielmehr
habe er sich persönlich erkundigen und gegebenenfalls einen erneuten [X.] stellen müssen.

2.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die An-nahme des
Berufungsgerichts,
die Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO seien vorliegend nicht gegeben gewesen,
ist nicht frei von [X.].

Nach dieser Vorschrift unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das, wie hier gemäß § 345 ZPO, der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt werden kann, dass der Fall der schuldhaf-ten Versäumung nicht vorgelegen hat. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des [X.]echtsmittels rechtfertigen soll, ist dabei vollständig und schlüssig in der [X.]echtsmittelbegründung vorzutragen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juni 2010
-
II Z[X.] 233/09, NJW 2010, 2440 [X.]n. 5 mwN). Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Streitfall ausreichend geschehen.

a)
Zwar war die Säumnis der Beklagten nicht bereits
wegen des Antrags ihres Prozessbevollmächtigten, den auf den 26. September 2014 anberaumten Termin nochmals zu verlegen, unverschuldet. Denn der von einer [X.] gestell-7
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6

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te Antrag auf Verlegung eines [X.] entschuldigt eine [X.] nach § 337 ZPO nicht, weil die Termine zur mündlichen Verhandlung der [X.]disposition entzogen sind (vgl. Senatsurteil vom 19. November 1981
-
III Z[X.] 85/80, NJW 1982, 888, sowie [X.], Beschluss vom 7.
Juni 2010 aaO [X.]n.
7). Es
kann
auch
auf sich beruhen, ob die Beklagte einen erheblichen Grund (§ 227 Abs. 1 ZPO) für eine -
zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zwin-gende (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2007 -
[X.]iZ ([X.]) 4/07, [X.], 1448 [X.]n. 31; BVerwG NJW 1991, 2097) -
Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung dargelegt hat.

Allerdings begegnet die Ansicht
des Berufungsgerichts,
es liege
eine prozessuale Sorgfaltspflichtverletzung des
Prozessbevollmächtigten der [X.] vor, die ihr nach
§ 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, weil
nicht zumindest er
im Termin am 26. September 2014 erschienen sei und
er
auch nicht [X.] bei Gericht nachgefragt habe, durchgreifenden Bedenken. Denn nach
den bisher vom Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen
kann aufgrund der
von der Beklagten behaupteten Zusagen
des Gerichts gegenüber ihrem [X.]n hinsichtlich der nochmaligen Verlegung des Termins zur mündli-chen Verhandlung
eine solche Pflichtverletzung nicht angenommen und des-halb nicht von einer schuldhaften Versäumung des
Termins am 26. September 2014 ausgegangen werden.

b)
Auf der Grundlage des Gebots eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 M[X.]K, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG -
vgl. hierzu etwa Senatsbeschluss vom 25. Juni 2009 -
III ZB 99/08, Beck[X.]S 2009, 21139 [X.]n. 9) ist grundsätzlich da-von auszugehen, dass die
Versäumnis eines Termins dann als entschuldigt anzusehen ist, wenn die [X.] und ihr Prozessbevollmächtigter auf die erfolgte Stattgabe eines Verlegungsantrags vertrauen dürfen.
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Nach den derzeit zugrunde zu legenden Feststellungen
sind diese Vo-raussetzungen im Streitfall gegeben.

Die Beklagte war zwar zu
dem bereits einmal verlegten Termin
im Sep-tember 2014
ordnungsgemäß geladen und war in diesem Termin säumig, weil auch ihr Prozessbevollmächtigter nicht erschienen ist. Er hatte allerdings be-reits am 3. Juli 2014 einen Antrag auf nochmalige Verlegung der mündlichen Verhandlung gestellt.
Daraufhin hat
die [X.]ichterin den [X.]en schriftlich mitge-teilt, eine Terminierung komme auf den
24. Oktober 2014
in Betracht,
um [X.] binnen einer Woche gebeten, und eine Wiedervorlagefrist der Akte zur Verlegung des Termins verfügt.
Nach Darstellung
der Beklagten hat
die [X.]ichterin ihrem Prozessbevollmächtigten
die beabsichtigte Verlegung
in einem Telefongespräch am 9. Juli 2014 ausdrücklich
bestätigt und ihm mitgeteilt,
dass eine Ladung auf den 24. Oktober 2014 entsprechend folgen werde.
Da das Be-rufungsgericht offen gelassen hat, ob dieses
vom Kläger bestrittene [X.] zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten und der zustän-digen [X.]ichterin geführt worden ist, ist dieses
mit dem behaupteten
Inhalt für die Beurteilung im [X.]echtsbeschwerdeverfahren als zutreffend zugrunde zu legen.

Danach
musste der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten aber entge-gen der Ansicht des Berufungsgerichts
nach dem Telefongespräch mit der
[X.]ichterin
den Termin am 26. September 2014 nicht auch ohne die Geschäfts-führerin der Beklagten wahrnehmen oder jedenfalls zuvor nochmals bei Gericht nachfragen. Er konnte und durfte
vielmehr
aufgrund der mündlichen Äußerun-gen
der zuständigen [X.]ichterin
von einer Verlegung des [X.] ausgehen, zu der es
ausweislich eines, von der [X.]ichterin allerdings nicht unter-zeichneten, Vermerks
nur aufgrund eines gerichtlichen Versehens nicht ge-12
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kommen ist. Auf der Grundlage der Zusage
der [X.]ichterin, eine neue Ladung werde noch erfolgen,
konnte
und durfte
der Prozessbevollmächtigte der [X.] darauf vertrauen, dass der Termin entsprechend nochmals verlegt wird, zumal
auch der Kläger sein Einverständnis
dazu
schriftlich erklärt
hatte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten
konnte deshalb erwarten, die angekün-digte
neue Ladung zu erhalten,
und auch ohne ausdrückliche Aufhebung des Termins und bereits vorliegende
neue Ladung
berechtigterweise annehmen, dass der Termin am 26. September 2014 nicht stattfinden werde, wie er sich dies nach seiner Darstellung
auch
notiert hatte. Nach dem Inhalt des [X.] mit der [X.]ichterin und der Zustimmung auch des [X.] bestand für ihn deshalb weder
im Hinblick auf den Zeitablauf
nach diesem Telefonat
noch auf-grund der prozessualen Situation
(drohender Erlass eines bereits zweiten [X.]urteils) eine
erhöhte Sorgfaltspflicht
und eine Notwendigkeit,
von sich aus nochmals tätig zu werden
und etwa einen erneuten [X.] zu stellen. Er durfte die angekündigte Ladung, nunmehr auf den 24. Okto-ber 2014, abwarten.

III.

Da nach den bislang getroffenen
Feststellungen somit nicht davon aus-gegangen werden kann, dass
die Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO
nicht
vorlagen,
durfte die Berufung der Beklagten
auf dieser Grundlage
nicht als unzulässig verworfen werden.
Das Berufungsgericht wird deshalb wei-tere Feststellungen, insbesondere zu dem streitigen
Telefongespräch
zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten und der zuständigen [X.]ichterin,
zu treffen und danach eine erneute Beurteilung vorzunehmen haben.

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Der angefochtene Beschluss
war danach
aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen

577 Abs.
4 Satz
1 ZPO).

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]emmert

Arend
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.09.2014 -
25 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 16.10.2015 -
55 [X.]/14 -

16

Meta

III ZB 137/15

23.02.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2017, Az. III ZB 137/15 (REWIS RS 2017, 15052)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15052

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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